Urteil des VG Mainz vom 28.04.2010

VG Mainz: abrechnung, treu und glauben, anteil, materielles gesetz, ungerechtfertigte bereicherung, gegenleistung, angemessenheit, bebauungsplan, rückerstattung, behörde

VG
Mainz
28.04.2010
3 K 115/09.MZ
Erschließungsbeitragsrecht
Verkündet am: 28. April 2010
gez. Keinz
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht
Mainz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte
gegen
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
wegen Baurechts, städtebaulicher Vertrag, Auskunfts- und Rechnungslegung sowie Zahlung
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. April
2010, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Faber-Kleinknecht
Richter am Verwaltungsgericht Ermlich
Richter am Verwaltungsgericht Hildner
ehrenamtlicher Richter Bankkaufmann Hothum
ehrenamtlicher Richter Betontechnologe Limbach
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Kläger begehren von der Beklagten die Zahlung eines Betrages i.H. von 17.733,32 € nebst Zinsen i.H.
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Diesem Zahlungsbegehren liegt
Folgendes zugrunde:
Der Gemeinderat der Beklagten beschloss am 20. Mai 1999 die Aufstellung der Bebauungspläne „K.“ und
„O.-straße“. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans „K.“ ist im Wesentlichen Wohnbebauung festgesetzt;
die hierfür notwendigen Erschließungsarbeiten sind abgeschlossen. Im Geltungsbereich des
Bebauungsplans „Ortsrandstraße ist eine Straße festgesetzt, die sowohl die Funktion einer
Umgehungsstraße als auch die Funktion einer Erschließungsstraße für die Baugebiete „K.“, „L.“ und „A.“
haben soll und südlich der bebauten Ortslage von B. die „W. Straße“ (L 413) mit der „G.-straße“ (L 413)
verbindet. Die Erschließungsarbeiten sind nach den insoweit unbestrittenen Angaben der Kläger insoweit
abgeschlossen, als dies zur verkehrsmäßigen Anbindung des Baugebietes „K.“ erforderlich ist. Beide
Bebauungspläne sind mittlerweile rechtskräftig.
Die Kläger waren Eigentümer bzw. Miteigentümer der im Bebauungsplan „K.“ belegenen Grundstücke
Flur XX Nr. XXX (942 m²), Flur XX Nr. XXX/1 (361 m²) und Flur XX Nr. XXX (764 m²).
Am 02. Oktober 2000 schlossen die Kläger bezüglich der vorgenannten Grundstücke mit der Beklagten
gleichlautende städtebauliche Verträge. Diese Verträge haben u.a. folgende Regelungen zum Inhalt:
§ 1 Vorbemerkungen
1.1
Der Rat der Gemeinde hat am 20.05.1999 die Aufstellung der Bebauungspläne „Kapelle“ und
„Ortsrandstraße“ beschlossen. Der künftige Geltungsbereich des Bebauungsplans „Kapelle“ und ein Teil
des künftigen Geltungsbereichs des Bebauungsplans „Ortsrandstraße“, im Lageplan Anlage 1 rot
eingerahmt, werden nachfolgend auch als „Vertragsgebiet und künftiges Umlegungsgebiet“ bezeichnet
§ 2 Städtebauliche Planungen
2.2
Zur Erschließung der im Vertragsgebiet und künftigen Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücke sind
diverse Erschließungsmaßnahmen erforderlich, u.a. der Bau der sogenannten Ortsrandstraße, die
Gegenstand des Bebauungsplanentwurfes „Ortsrandstraße“ ist. Die Parteien sind sich einig, dass die
Ortsrandstraße neben einer Entlastung des Ortskerns auch der Erschließung des Vertragsgebietes und
künftigen Umlegungsgebietes sowie der benachbarten Baugebiete dient. Der Erschließungsanteil an den
voraussichtlichen Gesamtkosten der Ortsrandstraße wird nach gegenwärtigem Planungsstand auf 20 %
geschätzt und den geplanten Baugebieten „Kapelle“, „Leidhecke“ und Ahlen“ anteilig zugerechnet.
§ 3 Grundstücksneuordnung
3.1
Es besteht Einigkeit darüber, dass eine freiwillige Umlegung mit Abwicklung im amtlichen Verfahren nach
§§ 45 ff. BauGB durchgeführt werden soll.
3.4
Der Eigentümer stimmt einem Flächenabzug gemäß § 55 Abs. 2 und Abs. 5 BauGB in Höhe von 50 % der
Fläche seines Einwurfgrundstücks zu. … Die von dieser Regelung betroffenen Flächen sind, soweit es
sich um öffentliche Verkehrsflächen handelt, in dem als Anlage 2 beigefügten Bebauungskonzept farblich
gekennzeichnet. …
3.7.
Die Parteien vereinbaren folgenden von § 56 Abs. 1 BauGB abweichenden Verteilungsmaßstab: …
Einwurfsfläche: ……m²
Flächenabzug 50%: ……m²
Sollanspruch: ……m²
§ 4 Übernahme von Kosten und sonstigen Aufwendungen
4.1
Der Eigentümer verpflichtet sich, einen Betrag i.H. von DM 172,00 je Quadratmeter Zuteilungsfläche an
die DSK als künftigem Erschließungsträger und Projektsteuerer zu zahlen. Mit dem genannten Betrag sind
sämtliche Kosten bzw. sonstigen Aufwendungen abgegolten, die der Gemeinde oder der DSK im
Zusammenhang mit dem in den Vorbemerkungen näher beschriebenen Vorhaben entstehen oder bereits
entstanden sind, insbesondere Kosten/Aufwendungen für: Planung, Vermessung, Erschließung
(einschließlich Beteiligung an der Ortsrandstraße), Abwasserbeseitigung, naturschutzrechtlicher
Ausgleich, Umlegung, Projektsteuerung.
Der Gesamtbetrag der von dem Eigentümer zu leistenden Zahlung kann erst berechnet werden, wenn die
Größe der Zuteilungsfläche im Umlegungsplan endgültig festgelegt worden ist. Der pro Quadratmeter
Zuteilungsfläche zu zahlende Betrag von DM 172,00, dessen Berechnung sich aus der Anlage 3
beigefügten Kostenzusammenstellung ergibt, ist bereits jetzt verbindlich.
4.2
Bis zur endgültigen Festlegung des zu zahlenden Betrages leistet der Eigentümer an die DSK eine
Vorauszahlung in Höhe von DM 172,00/m² bezogen auf den Sollanspruch gemäß Ziffer 3.7 dieses
Vertrages. …
4.5
Nach Beschluss des Umlegungsplans durch den Umlegungsausschuss wird die Gemeinde bzw. die DSK
die endgültige Abrechnung erstellen. Etwaige Nachforderungen der Gemeinde/DSK oder
Rückzahlungsansprüche des Eigentümers sind innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung der Abrechnung
auszugleichen.
Unter dem 02. Januar 2001 schlossen die Beklagte und die D. GmbH (Erschließungsträger) einen
städtebaulichen Vertrag, mit dem ausweislich § 1 Nr. 1 dem Erschließungsträger die Erschließung des
Bebauungsplangebietes „K.“ übertragen wurde, während die O.-straße von der Beklagten hergestellt
werden sollte. Hinsichtlich der Kostenbeteiligung der Beklagten enthält dieser Vertrag folgende Regelung:
§ 13
Kostenbeteiligung der Orts-/Verbandsgemeinde
1. Über die Höhe der dem Erschließungsträger entstandenen Kosten ist der Orts-/Verbandsgemeinde
Nachweis zu erbringen.
2. Ergibt die Abrechnung sämtlicher dem Erschließungsträger aufgrund dieses Vertrages entstandenen
Aufwendungen, dass diese die von den Eigentümern der Grundstücke im Vertragsgebiet gemäß den
städtebaulichen Verträgen an den Erschließungsträger gezahlten Beträge übersteigen, so ist die Orts-
/Verbandsge-meinde zur Erstattung des Differenzbetrages an den Erschließungsträger verpflichtet. Liegen
im umgekehrten Fall die Aufwendungen des Erschließungsträgers unter den von den Eigentümern
gezahlten Beträgen, so ist der Differenzbetrag vom Erschließungsträger an die Orts-/Verbandsgemeinde
herauszuzahlen.
Nachdem der Erschließungsträger die Erschließung des Bebauungsplangebietes „K.“ durchgeführt hatte,
ergab die nach § 13 des Erschließungsvertrages durchzuführende Abrechnung der dem
Erschließungsträger entstandenen Kosten einen Überschussbetrag i.H. von 1.146.656,67 € (netto), den
der Erschließungsträger zuzüglich der MwSt. von 16 % im September 2007 an die Beklagte überwies
(1.330.121,73 €).
Im Januar 2008 wandten sich die Kläger zusammen mit anderen Eigentümern des
Bebauungsplangebietes „K.“ an die Beklagte und baten zunächst um Einsicht in die Abrechnung der
Beklagten und der D.. Diesem Begehren widersprach die Beklagte mit Schreiben vom 26. Januar 2008
unter Hinweis auf die Nichtöffentlichkeit der Angelegenheit und teilte in diesem Zusammenhang mit, dass
ihr zwischenzeitlich ein Überhangbetrag zugegangen sei.
Mit Schreiben vom 27. August 2008 wandten sich die Kläger erneut an die Beklagte und forderten diese
auf, ihnen gegenüber unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Erschließungsmaßnahme die
geleisteten Zahlungen abzurechnen und den Kostenüberhangbetrag anteilig an sie auszukehren.
Unter dem 08. Oktober 2008 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass ein Abrechnungsanspruch nicht
bestehe, da nach § 4 Ziffer 1 der zwischen den Klägern und ihr geschlossenen städtebaulichen Verträge
der pro Quadratmeter Zuteilungsfläche zu zahlende Betrag von 172,00 DM verbindlich sei. Im Übrigen
könne eine Abrechnung auch noch gar nicht erfolgen, da die O.-straße, die nach § 2 Ziffer 2 der
städtebaulichen Verträge der Erschließung des Baugebietes „K.“ diene, noch nicht fertiggestellt sei.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2008 machten die Kläger erneut einen Anspruch auf Abrechnung und
Auskehrung eines Kostenüberhangbetrages gegenüber der Beklagten geltend und wiesen in diesem
Zusammenhang darauf hin, dass die O.-straße, soweit sie für die Erschließung des Baugebietes „K.“
erforderlich sei, vollständig hergestellt worden sei. Soweit sie nach den städtebaulichen Verträgen mit
über die Erschließung des Baugebietes „K.“ hinausgehenden Erschließungskosten belastet werden
sollten, seien die Verträge insoweit teilnichtig. Es sei nicht zulässig, Anwohner mit Erschließungskosten zu
belasten, die weder im ursächlichen Zusammenhang mit der Erschließung des Baugebietes stünden noch
nach erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften dem Vertragspartner auferlegt werden könnten. Es
könne ihnen auch nicht zugemutet werden, auf eine anteilige Zurechnung der Erschließungskosten für die
O.-straße bis zu nach ihren Einschätzungen frühestens in 15 Jahren zu erwartenden Verwirklichung der
Baugebiete „L.“ und „A.“ zu warten.
Dem trat die Beklagte unter dem 19. Januar 2009 unter Verweis auf ihre bisherige Rechtsauffassung
entgegen.
Am 23. Februar 2009 haben die Kläger Klage zunächst mit dem Ziel der Auskunfts- und
Rechnungslegung sowie der Zahlung eines anteiligen Kostenüberhangbetrages an sie erhoben, die sie
nach Auskunftserteilung durch die Beklagte am 24. August 2009 auf den Zahlungsanspruch beschränkt
haben.
Sie tragen vor: Ihr Anspruch ergebe sich bereits aus den mit der Beklagten geschlossenen
städtebaulichen Verträgen. Nach § 4.2 dieser Verträge hätten sie eine Vorausleistung von 172,00 DM/qm
auf den Sollanspruch zu leisten. Diese hätten sie auch geleistet. Daher hätten sie bereits unmittelbar aus
Vertrag einen Anspruch auf anteilige Auskehr des Kostenüberhangbetrages.
Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei den von ihnen geleisteten Zahlungen nicht um
Vorausleistungen im Rechtssinne handele, ergebe sich ein Rückerstattungsanspruch aus § 60 VwVfG
und einer nach dieser Vorschrift geschuldeten Vertragsanpassung. Die Voraussetzungen hierfür lägen
vor, denn bei Abschluss der Verträge seien die Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgegangen,
dass die den Verträgen als Anlage 3 beigefügte Kostenzusammenstellung und die hierauf basierende
Berechnung des Betrages von 172,00 DM/qm wenigstens in etwa den tatsächlichen Kosten entspreche.
Des Weiteren seien beide Parteien auch übereinstimmend davon ausgegangen, dass es nach
Durchführung der Erschließung nicht zu nennenswerten Überhangbeträgen komme, schon gar nicht in
Millionenhöhe. Ebenso habe es nicht den Vorstellungen der Parteien entsprochen, dass es durch die
Auszahlung von Überhangbeträgen durch den Erschließungsträger zu einer eklatanten Bereicherung der
Beklagten kommen werde. Durch die Auskehrung eines Überhangbetrages von etwa 1,3 Mio € durch den
Erschließungsträger an die Beklagte zeige sich, dass die in den Verträgen zugrunde gelegten
voraussichtlichen Erschließungskosten deutlich unterschritten worden seien. Insoweit hätten sich die
Verhältnisse, die für die Festlegung des Vertragsinhaltes, insbesondere der Höhe der von ihnen gemäß §
4 zu zahlenden Beträge, maßgeblich gewesen seien, so wesentlich geändert, dass es ihnen nicht mehr
zuzumuten sei, am bisherigen Vertragsinhalt festzuhalten. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf
berufen, dass sich insoweit „ablösetypische Risiken“ verwirklicht hätten, die für die vertragliche Bindung
ohne Einfluss und daher ungeeignet seien, einen Anspruch des einen oder anderen Vertragspartners auf
Anpassung des Vertrages an die geänderten Verhältnisse zu begründen. Denn eine Grenze sei dort
erreicht, wo die auf erschließungsbeitragsrechtlichen, aber auch auf verfassungsrechtlichen Grundsätzen
beruhende „absolute Missbilligungsgrenze“ überschritten werde.
Darüber hinaus ergebe sich ein Kostenerstattungsanspruch auch aus §§ 812, 134 BGB i.V. mit § 11 Abs. 2
BauGB. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB müssten die in städtebaulichen Verträgen vereinbarten
Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Sei die Grenze der Angemessenheit
überschritten, so sei die Leistung jedenfalls insoweit unwirksam vereinbart, als sie die
Angemessenheitsgrenze übersteige; insoweit könne Rückerstattung verlangt werden. Angemessen sei
eine Gegenleistung, wenn sie dem Übermaßverbot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
entspreche. Die vom Vertragspartner zu erbringende Leistung müsse in angemessenem Verhältnis zur
Leistung der Behörde und zum Wert des Vorhabens stehen. Ausgangspunkt sei insoweit die
„Untersetzung“ mit Kosten. Hiernach seien die von ihnen nach den Verträgen zu erbringenden Leistungen
als unangemessen anzusehen, was sich daran zeige, dass der in § 4 vereinbarte
Erschließungskostenbeitrag zu einer erheblichen Überdeckung geführt habe. Zu berücksichtigen sei in
diesem Zusammenhang auch, dass sie im Wege der freiwilligen Umlegung bereits 50 % der
Einwurfsfläche als Beitrag für die Herstellung der Erschließung eingebracht hätten.
Soweit sich die Beklagte darauf berufe, eine Abrechnung sei noch gar nicht möglich und ein etwaiger
Verstoß gegen § 11 Abs. 2 BauGB derzeit nicht zu überprüfen, weil die O.-straße noch nicht fertig gestellt
worden sei, greife dies nicht durch. So gehöre das Baugebiet „O.-straße“ ausweislich der den Verträgen
beigefügten Anlage 1 bereits nicht zum Vertragsgebiet. Letztlich könne diese Frage aber offenbleiben,
denn soweit die O.-straße der Erschließung des Baugebietes „K.“ diene, sei sie fertig gestellt. In ihrem
weiteren Verlauf diene die O.-straße jedoch nicht mehr der Erschließung des Baugebietes „K.“, sondern
allenfalls noch den projektierten Baugebieten „L.“ und „A.“. Sollten die städtebaulichen Verträge hingegen
so zu verstehen sein, dass sie – die Kläger – auch mit über die Erschließung des Baugebietes „K.“
hinausgehenden Erschließungskosten belastet werden sollten, wären sie nach § 11 BauGB, § 54 Satz1
VwVfG, § 134 BGB teilnichtig. Aufgrund dieser Vorschriften sei es auch durch städtebaulichen Vertrag
nicht zulässig, Anwohner mit Erschließungskosten zu belasten, die weder im ursächlichen
Zusammenhang mit der Erschließung des Baugebietes stünden, noch nach
erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften dem Vertragspartner auferlegt werden könnten. Hinzu
komme, dass mit einer Verwirklichung der projektierten Baugebiete „L.“ und „A.“ frühestens in 15 Jahren
zu rechnen sei. Selbst wenn sie aufgrund der Verträge auch mit Kosten für die O.-straße über die konkrete
Erschließung des Baugebietes „K.“ hinaus belastet werden dürften, begründe dieser Umstand zumindest
einen Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 60 Abs. 1 VwVfG, da es ihnen dann nicht zuzumuten sei,
bis zu einer Abrechnung über die durch sie geleisteten Zahlungen noch jahrzehntelang zuzuwarten.
Es bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des den Berechnungen der Beklagten zugrunde
gelegten Überschusses. So gehe die Beklagte von Zahlungen der Eigentümer i.H. von 5.997.827,51 €
aus. Lege man aber die den städtebaulichen Verträgen als Anlage 3 beigefügte
„Kostenzusammenstellung für die Grundstücksneuordnung und Erschließung“ zugrunde, müssten bei
einem Preis von 172,00 DM (87,94 €) je Quadratmeter Zuteilungsfläche die Zahlungen der Eigentümer
insgesamt 6.428.472,80 € betragen. Woher diese Differenz komme, sei nicht ersichtlich. Die von der
Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anlage B 13) ergebe bei einer Gesamtzuteilungsfläche von 73.821 m²
und einem Quadratmetersatz von 172,00 DM (87,94 €) einen Gesamtbetrag der Einnahmen von
12.697.212,00 DM (6.491.981,40 €), der vorliegend zugrunde gelegt werden müsse. Ziehe man hiervon
die von der Beklagten vorgetragenen Ausgaben ab, verbleibe ein Überschuss von 1.515.710,56 € netto,
sodass unter Hinzurechnung der Mehrwertsteuer zunächst von einem insgesamt anzusetzenden
Bruttoüberschuss von 1.758.224,25 € auszugehen sei. Hinzuzurechnen seien aber noch weitere
Einnahmen i.H. von 996.734,57 €, so dass an sich von einem Überschussbetrag i.H. von 2.754.958,82 €
auszugehen sei. Hinzu komme, dass die Beklagte die Kosten für die O.-straße zu hoch angesetzt habe.
Denn soweit sie diese bezogen auf das Baugebiet „K.“ mit 443.014,99 € angesetzt habe, entspreche dies
einem Erschließungsanteil von 30 %. Nach § 2.2 der städtebaulichen Verträge betrage dieser jedoch nur
20 %, so dass allenfalls ein Anteil von 295.343,35 € angesetzt werden könne. Damit erhöhe sich der
Bruttoüberschuss sogar auf 2.902.630,46 €. Soweit die Beklagte nunmehr von Gesamtkosten für die
Herstellung der O.-straße i.H. von 4.951.034,00 € ausgehen, könnten diese nicht angesetzt werden, weil
sie auf einer zwischenzeitlich erfolgten grundlegenden Änderung der Planung beruhten. Bei einem
Überschuss von 2.902.630,46 € entspreche der auf sie entfallende Anteil des auszukehrenden
Überschusses 17.733,32 €.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H. von 17.733,32 € nebst Zinsen i.H. von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung der Kläger sei auch das Bebauungsplangebiet „O.-straße“
Gegenstand des Vertragsgebietes, wie sich aus der den städtebaulichen Verträgen beigefügten Anlage 1
entnehmen lasse. Demzufolge habe es dem Willen der Kläger entsprochen, sich auch an den Kosten der
Erstellung der O.-straße zu beteiligen. Die Kläger übersähen, dass von dem seitens der D. an sie – die
Beklagte - gezahlten Überschuss noch die Kosten für die Herstellung der O.-straße werden müssten.
Diese sei bislang nur bis zum Ende des Baugebietes „K.“ hergestellt worden. Aus dem Regelungswerk
der mit den Klägern geschlossenen städtebaulichen Verträge ergebe sich, dass sie anteilig auch den Bau
der O.-straße finanzieren wollten. Im März 2009 habe der Gemeinderat beschlossen, die O.-straße
nunmehr endgültig in der sogenannten „Talvariante“ herzustellen. Erst wenn diese endgültig hergestellt
und abgerechnet worden sei, könne sie ermitteln, welche Kosten für den Bau der O.-straße angefallen
seien und welcher Anteil auf das Baugebiet „K.“ entfalle. Dieser Kostenanteil sei ausgehend von
Herstellungskosten i.H. von 3.434.225,00 € bei einem Erschließungsanteil von 30 % ursprünglich mit
443.014,99 € geschätzt worden. Mittlerweile schätze man die Herstellungskosten für die O.-straße auf
4.951.034,00 €, so dass der auf das Baugebiet „K.“ entfallende Anteil 638.683,00 € betragen würde.
Ein Anrechnungs- und Erstattungsanspruch der Kläger bestehe nicht, denn aus § 4 der städtebaulichen
Verträge ergebe sich, dass der zugrunde gelegte Betrag von 172,00 DM/qm verbindlich sei und die in §
4.2 geregelte Abrechnungsmodalität sich ausdrücklich nur auf die Größe der Zuteilungsfläche gemäß
Umlegungsplan beziehe, nicht aber auf den pro Quadratmeter zu zahlenden Betrag. Auch die in § 4.5
geregelte endgültige Abrechnung nach Beschluss des Umlegungsplanes durch den
Umlegungsausschuss betreffe nur die Größe der Zuteilungsfläche.
Ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 60 Abs. 1 VwVfG bestehe nicht, und auch der Tatbestand
des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB sei nicht einschlägig. Insbesondere sei auch die absolute
Missbilligungsgrenze, die das Bundesverwaltungsgericht mit 50 % annehme, nicht erreicht.
Entgegen der Auffassung der Kläger betrage der Überschussbetrag lediglich 868.330,12 €. Insoweit sei
den Klägern nämlich entgegen zu halten, dass sie die anteiligen Kosten der Fertigstellung der O.-straße in
der Talvariante schuldeten. Die Festlegung eines Erschließungsanteils des Baugebietes „K.“ von 30 % an
der O.-straße gehe auf eine Erhöhung der ursprünglich geschätzten 20 % durch das Verkehrsministerium
zurück.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in
den Gerichtsakten verwiesen. Der Kammer liegen 6 Ordner Bebauungsplan- und
Umlegungsverfahrensakten vor, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die als allgemeine Leistungsklage statthafte und auch ansonsten zulässige Klage hat in der Sache keinen
Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung des klageweise geltend gemachten anteiligen
Überschussbetrages nebst Prozesszinsen hieraus, denn ein solcher Rückzahlungsanspruch ist weder
vertraglich geregelt (1), noch steht den Klägern ein solcher aus dem Gesichtspunkt der
Vertragsanpassung nach § 60 Abs. 1 VwVfG in Gestalt des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu
(2). Sie können schließlich eine Rückzahlung auch nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten
Bereicherung beanspruchen (3).
(1) Zunächst steht den Klägern kein Anspruch auf anteilige Rückerstattung überzahlter
Erschließungsbeitragsablösebeträge aufgrund einer vertraglich geregelten Anspruchsgrundlage zu. Eine
solche Anspruchsgrundlage ergibt sich insbesondere nicht aus der Regelung in § 4.5 Satz 2 der zwischen
den Klägern und der Beklagten geschlossenen gleichlautenden städtebaulichen Verträge vom 02.
Oktober 2000. Zwar sind nach dieser Regelung Rückzahlungsansprüche des Eigentümers gegen die
Gemeinde/DSK nicht ausgeschlossen; aus der Systematik der vertraglichen Regelungen ergibt sich
jedoch, dass dieser Rückzahlungsanspruch allein für den Fall bestehen soll, dass sich nach Abschluss
des Vertrages und Zahlung des Betrages von 172,00 DM/m² Zuteilungsfläche im Wege der Vorausleistung
die im Rahmen der freiwilligen Umlegung zu ermittelnde Zuteilungsfläche gegenüber dem sich nach § 3.7
der Verträge ergebenden, der Vorauszahlung zugrunde gelegten Sollanspruch ändert. Ein solcher Fall
liegt allerdings nicht vor.
Ausweislich der vertraglichen Regelungen soll die Erschließungsbeitragspflicht der (Alt-)Eigentümer von
Grundstücken in dem Bebauungsplangebiet „K.“ dergestalt abgelöst werden, dass sie im Rahmen eines
freiwilligen Umlegungsverfahrens – in dem die Regelungen der §§ 45 ff. BauGB und damit insbesondere
die Begrenzung des Flächenbeitrags nach § 58 Abs. 1 Satz 2 BauGB keine Anwendung finden (vgl.
BVerwG, Urteil vom 06. Juli 1984 – 4 C 24.80 –, NJW 1985, 989) – 50 % der Grundstücksfläche der
Einwurfsgrundstücke (Altgrundstücke) der Beklagten zur Verfügung stellen und darüber hinaus einen
Fixbetrag von 172,00 DM/m² der ihnen nach Durchführung des Umlegungsverfahren zugewiesenen
Zuteilungsfläche an den Erschließungsträger zahlen, mit dem sämtliche Aufwendungen des
Erschließungsträgers abgegolten werden (vgl. §§ 3.4 Satz 1 und 3.7 sowie § 4.1 der Verträge). Während
die Größe der Zuteilungsfläche erst nach der Durchführung der freiwilligen Baulandumlegung feststeht,
beansprucht der Fixbetrag von 172,00 DM/m² Zuteilungsfläche nach § 4.1 Abs. 2 Satz 2 bereits mit
Abschluss des Vertrages Verbindlichkeit.
Hieran ändert entgegen der Auffassung der Kläger auch nichts der Umstand, dass nach § 4.2 des
Vertrages bis zur endgültigen Festlegung des zu zahlenden Betrages (Gesamtbetrag) der Eigentümer an
den Erschließungsträger eine Vorauszahlung i.H. von 172,00 DM/m² Zuteilungsfläche bezogen auf den
Sollanspruch nach § 3.7 des Vertrages zu leisten hat. Denn diese Vorauszahlungsverpflichtung bedingt
nicht die in § 4.1 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages festgelegte Verbindlichkeit des Fixbetrages von 172,00
DM/m² Zuteilungsfläche ab, sondern ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Vertragsparteien die
Durchführung der Erschließung des Vertragsgebietes – zu dem auch das Baugebiet „K.“ gehört – im
Interesse einer Verfahrensbeschleunigung nicht davon abhängig machen wollten, dass der von dem
jeweiligen Eigentümer zu zahlende Ablösebetrag endgültig festgelegt ist. Wie sich aus § 4.1 Abs. 2 Satz 1
des Vertrages ergibt, kann der Gesamtbetrag der Ablöse erst berechnet werden, wenn die Größe der
Zuteilungsfläche (nach Durchführung des Umlegungsverfahrens) im Umlegungsplan endgültig festgelegt
worden ist, was regelmäßig mit einem gewissen zeitlichen Aufwand verbunden ist. In diesem Kontext steht
auch die Rückzahlungsregelung in § 4.5 des Vertrags. Denn erst nach Abschluss des
Umlegungsverfahrens – in dem mit dem Umlegungsplan die Verteilung der Zuteilungsflächen auf die
einzelnen Eigentümer erfolgt – ist die Beklagte in der Lage, eine Abrechnung zu erstellen, an die
ihrerseits die Rückerstattungs- bzw. Nachschusspflicht anknüpft. Aus diesem Regelungskonstrukt ergibt
sich mithin, dass eine Rückzahlung etwaiger überzahlter Ablösebeträge allein davon abhängig gemacht
werden soll, dass sich im Nachhinein die Variable „Zuteilungsfläche“ ändert, nicht aber wenn sich andere
Faktoren ändern. Gleiches gilt auch in Bezug auf die in § 4.5 Satz 2 des Vertrages ebenfalls geregelte
Nachschusspflicht, denn diese besteht ebenfalls nicht, wenn die Kosten für die Durchführung der
Nachschusspflicht, denn diese besteht ebenfalls nicht, wenn die Kosten für die Durchführung der
Erschließungsarbeiten aus Gründen, die nichts mit nachträglichen Veränderung der Zuteilungsfläche
infolge der Umlegung zu tun haben, die gezahlte Ablösevorausleistung übersteigen. Da im vorliegenden
Fall keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind geschweige denn von den Klägern vorgetragen wurde,
dass sich die Zuteilungsfläche nach Durchführung der Umlegung gegenüber dem in § 3.7 der Verträge
ergebenden Sollanspruch i.H. von 50% der Einwurfsfläche der in die Umlegung eingebrachten
Grundstücke verändert hat, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des in § 4.5 Satz 2 normierten
Rückzahlungsanspruchs bereits nicht vor mit der Folge, dass mangels anderer vertraglicher Regelungen
ein vertraglicher Anspruch auf anteilige Rückerstattung überzahlter Ablösebeträge ausscheidet.
(2) Die Kläger können von der Beklagten auch nicht die Rückzahlung des von ihnen geltend gemachten
Betrages i.H. von 17.733,32 € nebst Prozesszinsen hieraus aus öffentlich-rechtlichem
Erstattungsanspruch verlangen. Insbesondere haben sie keinen Anspruch auf Anpassung der in Rede
stehenden städtebaulichen Verträge als Voraussetzung für ihr Rückzahlungsbegehren. Denn die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – liegen nicht vor.
Nach § 60 Abs. 1 VwVfG kann eine Vertragspartei die Anpassung des Vertragsinhaltes verlangen, wenn
sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhaltes maßgebend gewesen sind, seit
Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass ihr das Festhalten an der ursprünglichen
vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Voraussetzung für eine Vertragsanpassung ist daher
zunächst, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die von den Vertragspartnern
ausdrücklich oder stillschweigend zur gemeinsamen und wesentlichen Grundlage des Vertrages gemacht
worden sind, eine Änderung eingetreten ist, mit der die Vertragspartner bei Abschluss des Vertrages nicht
gerechnet haben, dass davon auszugehen ist, dass der Vertrag bei Kenntnis dieser Umstände nicht mit
demselben Inhalt geschlossen worden wäre (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02. Februar 2005 – 8
A 10846/04.OVG –; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage 2003, § 60 Rdnr. 8). Es muss sich um
grundlegende Änderungen handeln, die zu einem mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden
und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zumutbaren Ergebnis führt (vgl. OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. November 2003 – 8 A 10878/03.OVG –, NVwZ-RR 2004, 243, 244), z.B.
zu einem untragbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Allerdings entfällt die
Geschäftsgrundlage eines Vertrages dabei nicht schon dann, wenn eine Vertragspartei nach ihrer
heutigen Interessenlage vernünftigerweise nicht mehr in den Vertragsschluss einwilligen würde (vgl.
Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 60 Rdnr. 8).
Hiervon ausgehend führt allein der Umstand, dass die Finanzierung der Erschließungsmaßnahmen für
das in § 1.1 der städtebaulichen Verträge vom 02. Oktober 2000 bezeichnete „Vertragsgebiet und
Umlegungsgebiet“ über die Zahlung von Ablösebeträgen auf den Erschließungsbeitrag zu einer
Überzahlung – auf deren Höhe noch einzugehen sein wird – geführt hat, für sich genommen noch nicht zu
einer eine Vertragsanpassung rechtfertigenden grundlegenden Veränderung des Vertragsinhaltes, der für
die Vertragsparteien bei Abschluss der hier in Rede stehenden städtebaulichen Verträge, die insoweit
„echte“ Ablöseverträge i.S. von § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB darstellen, nicht vorhersehbar war. Denn
der Ablöse von Erschließungsbeiträgen aufgrund städtebaulichen Vertrags ist es immanent, dass die
erzielten Ablösebeträge nicht „centgenau“ den Erschließungskosten entsprechen, sondern es regelmäßig
zu einer Überzahlung bzw. Unterdeckung kommen wird. Insoweit verwirklichen sich hier ablösetypische
Risiken, die grundsätzlich keine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S. von § 60 Abs. 1 VwVfG
begründen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. September 2001 – 6 A 10842/01.OVG –).
Etwas anderes gilt allenfalls in den Fällen, in denen die Überzahlung oder Unterdeckung ihrer Höhe nach
der von ihr nachteilig betroffenen Vertragspartei schlechthin nicht mehr zumutbar ist. Dies ist nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 09. November 1990 – 8 C 36.89 –,
NVwZ 1991, 1096, 1098) allerdings erst dann der Fall, wenn die Grenze der „absoluten Missbilligung“
überschritten ist. Dies ist dann der Fall, wenn die vereinbarte Ablösesumme das Doppelte oder mehr bzw.
die Hälfte oder weniger der für die Durchführung der Erschließungsarbeiten aufgewendeten
erschließungsbeitragsfähigen Kosten beträgt bzw. – auf das einzelne Grundstück heruntergerechnet –
wenn der Betrag, der dem Grundstück als Erschließungsbeitrag zuzuordnen wäre, das Doppelte oder
mehr bzw. die Hälfte oder weniger des vereinbarten Ablösebetrags ausmacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.
November 1990, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05. März 1998 – 3 B 961/96 –,
juris).
Hieran gemessen erreicht die Überdeckung der Erschließungskosten infolge der gezahlten
Ablösebeträge bei weitem nicht die Grenze der „absoluten Missbilligung“. Hierbei ist nämlich von
Folgendem auszugehen:
Ausweislich des von der Beklagten mit Schriftsatz vom 08. Juli 2009 (vgl. Bl. 155 der Gerichtsakten)
vorgelegten „Zahlungsplans Grundstückseigentümer Stand 31.07.2007“ (Anlage B 13, Bl. 234 ff. der
Gerichtsakten) belaufen sich die hier maßgeblichen tatsächlichen Einnahmen des Erschließungsträgers
aus den von den Eigentümern der (Alt-)Grundstücke im Bebauungsgebiet „K.“ gezahlten Ablösebeträgen
auf
6.294.747,42 €
Da es sich bei den gezahlten Ablösebeträgen um Bruttobeträge handelt, ist von diesem Betrag die von
den Grundstückseigentümern eingezogene Umsatzsteuer i.H. von 646.827,24 € abzuziehen, da diese
vom Erschließungsträger an das Finanzamt abzuführen war. Soweit demgegenüber die Kläger unter
Verweis auf die Anlage zur „Abrechnung des Baugebietes „K.“ in B.“ vom 22. August 2007 (Anlage B 11
zum Schriftsatz vom 08. Juli 2009, Bl. 161 ff. [166] der Gerichtsakten) die Auffassung vertreten, es sei zu
den tatsächlichen Einnahmen des Erschließungsträgers der Posten „Erlösminderung Umsatzsteuer“ i.H.
von 646.827,24 € hinzu zu rechnen, weil es sich hierbei um Einnahmen handele (vgl. S. 5 des
Schriftsatzes vom 24. August 2009, Bl. 256 der Gerichtsakten), kann dem nicht gefolgt werden. Zwar ist in
der besagten Anlage der Posten „Erlösminderung Umsatzsteuer“ unter der Rubrik „Einnahmen“
aufgeführt; wie sich jedoch aus dem Verweis auf die Kontonummer XX-XX-XX – die ihrerseits auf S. 44
des als Anlage B 12 zum Schriftsatz vom 08. Juli 2009 (Bl. 167 ff. [210] der Gerichtsakten) vorgelegten
Kontoauszugs des Erschließungsträgers aufgeführt ist – ergibt, handelt es sich hierbei um eine Ausgabe,
was durch die Versehung des unter dieser Kontonummer aufgelisteten Betrags mit einem „Minus“ klar
erkennbar ist. Damit reduzieren sich die tatsächlichen Einnahmen zunächst auf
5.647.920,18 €
Diese Summe erhöht sich wiederum um einen Betrag i.H. von 43.241,46 € (netto) aus einer Zahlung der
BAG aus der Insolvenz der R. GmbH (vgl. Schreiben der BAG vom 17. März 2009, Anlage B 5 zum
Schriftsatz vom 30. April 2009, Bl. 114 der Gerichtsakten). Soweit in dem Schreiben der BAG (a.a.O.) ein
Betrag von 51.457,33 € aufgeführt ist, handelt es sich hierbei um einen Bruttobetrag, von dem die an das
Finanzamt abzuführende Umsatzsteuer – die nach den unwidersprochenen Angaben des Prokuristen des
Erschließungsträgers in dem vorgenannten Umsatzsteuerbetrag von 646.827,24 € nicht enthalten ist (vgl.
insoweit S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 28. April 2010) – abzuziehen ist. Ferner ist zu den Einnahmen
ein Betrag i.H. von 124.813,21 € (netto) für eine im Plangebiet belegene Fläche von 1.689,60 m² in Ansatz
zu bringen, welche der Beklagten zugeteilt wurde, für die aber die Pauschale i.H. von 172,00 DM/m²
Zuteilungsfläche nicht gezahlt wurde. Insoweit kann nämlich die Beklagte nicht anders behandelt werden
wie die übrigen Eigentümer im Plangebiet, denen nach Durchführung des Umlegungsverfahrens Flächen
zugeteilt wurden. Schließlich hat – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – der Erschließungsträger
weitere Einnahmen i.H. von 238.232,01 € (Kostenerstattung Regenrückhaltebecken) und 111.645,32 €
(Zinserträge) erzielt, so dass die Einnahmen des Erschließungsträgers mit insgesamt
6.165.882,18 €
anzusetzen sind.
Von diesen Einnahmen sind sodann die vom Erschließungsträger geltend gemachten und inhaltlich nicht
beanstandeten Erschließungsaufwendungen i.H. von 4.851.170,84 € sowie weitere Kosten i.H. von
90.900 € (Rückbau der sogenannten Verbindungsstraße) und 35.000,00 € (Honorar D. für 2007)
abzuziehen, so dass ein Betrag i.H. von
1.118.811,34 €
Entgegen der Auffassung der Kläger ist es nicht zu beanstanden, dass der Abrechnung der O.-straße –
deren anteilige Kosten ausweislich der Verträge (§§ 1.1, 2.2 i.V. mit der mit Anlage 1 [vgl. Bl. 112 der
Gerichtsakten]) Bestandteil der Ablösevereinbarung sind – ein auf die Baugebiete entfallender Anteil von
30 % zugrunde gelegt wurde. Insbesondere steht dem nicht § 2.2 der Verträge entgegen, denn dort ist
lediglich von einer Schätzung von 20 % nach gegenwärtigem Planungsstand die Rede, so dass bei den
Klägern kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen konnte, dass die Kosten der O.-straße nur mit einem
Anteil von 20 % der Gesamtkosten dem Plangebiet „K.“ zugeschlagen wird. Die Beklagte hat auch unter
Verweis auf ein entsprechendes Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und
Weinbau vom 22. März 2002 (vgl. Anlage B 14 zum Schriftsatz vom 08. Juli 2009, Bl. 273 GA)
nachvollziehbar dargelegt, wie es zu dem Anteil von 30 % gekommen ist. Dies ergibt bei zugrunde
gelegten Baukosten von 3.434.225,00 € zunächst einen auf die Baugebiete insgesamt entfallenden Anteil
von 1.030.267,50 €, von dem wiederum 43 % auf das Baugebiet „K.“ entfallen, was zu einem anteiligen
Betrag von443.015,03 €führt.
Soweit die Beklagte hingegen weitere Kosten für die O.-straße infolge der Entscheidung für die teurere
„Talvariante“ geltend macht, dürfte dies nicht möglich sein. Zwar gehört eine zwischen dem Abschluss
eines Ablösevertrages und dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht erfolgende Änderung einer
Bauleitplanung grundsätzlich zu den Umständen, mit denen die Partner eines Ablösevertrages rechnen
müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. November 1990, a.a.O.). Der vorliegende Fall zeichnet sich jedoch
durch die Besonderheit aus, dass der der O.-straße zugrunde liegende Bebauungsplan „O.-straße
(Abschnitt West)“, der insoweit die ursprünglich geplante und der Kostenprognose für die O.-straße
zugrunde gelegte „Bergvariante“ festsetzt, bislang nicht geändert wurde und somit als materielles Gesetz
für die betroffenen Bürger insoweit Vertrauensschutz entfaltet, dass die O.-straße entsprechend den
Festsetzungen des Bebauungsplans verwirklicht wird und nur die hierfür anfallenden Kosten anteilig in
die Abrechnung des Baugebietes „K.“ einbezogen werden. Da diese Rechtslage im hier maßgeblichen
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen ist, sind zur Überzeugung der Kammer
lediglich die prognostizierten Kosten für die „Bergvariante“ in die Abrechnung mit einzubeziehen und nach
dem oben dargestellten Verteilungsschlüssel dem Baugebiet „K.“ zuzuordnen.
Nach alledem ist somit von einem Überdeckungsbetrag i.H. von
1.188.811,34 €
20 % der Einnahmen entspricht und im Verhältnis zu den Ausgaben des Erschließungsträgers zu einer
Überdeckung von knapp 24 % führt. Damit ist die Grenze der „absoluten Missbilligung“ bei weitem nicht
erreicht.
(3) Den Klägern steht aber auch dann kein Anspruch auf anteilige Rückerstattung der überzahlten
Erschließungsbeitragsablösebeträge aus ungerechtfertigter Bereicherung zu, wenn man zu ihren Gunsten
berücksichtigt, dass die Kläger im Wege der freiwilligen Umlegung bereits 50% der Einwurfsfläche an die
Beklagte abgetreten haben. Denn ein derartiger Anspruch setzt voraus, dass die hier in Rede stehenden
überzahlten Ablösebeträge rechtsgrundlos gezahlt wurden. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn
die in den städtebaulichen Verträgen vom 02. Oktober 2000 geregelte Verpflichtung zur Zahlung eines
Ablösebetrages für die nach der freiwilligen Umlegung verbleibende Zuteilungsfläche ist wirksam und
verstößt entgegen der Auffassung der Kläger insbesondere nicht gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Die
ergibt sich aus Folgendem:
Eine vertragliche Regelung, die wie im vorliegenden Fall dem Eigentümer neben einem Flächenabzug im
freiwilligen Umlegungsverfahren eine Geldleistung zum Ausgleich künftiger Umlegungsvorteile auferlegt,
ist grundsätzlich zulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2001 – 4 B 24.01 –, BRS 64 Nr. 230
m.w.N.). Sie ist allenfalls dann rechtlich zu beanstanden, wenn der Vertrag zwischen Eigentümer und
Gemeinde nicht mehr angemessen ist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB, § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG).
Angemessenheit i.V. dieser Vorschrift bedeutet, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des
Gesamtvorganges die Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde nicht außer Verhältnis zu der
Bedeutung und dem wirtschaftlichen Wert der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden
Leistungen stehen darf und auch sonst keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Gegenleistung
eine unzumutbare Belastung für den Vertragspartner darstellt. Notwendig ist ein bestimmtes Maß an
wirtschaftlicher Ausgewogenheit der Höhe von Leistung und Gegenleistung, wobei die Behördenleistung
bei wirtschaftlicher Betrachtung der Gesamtumstände des Vertrags, aber auch unter Berücksichtigung der
möglicherweise unterschiedlichen Interessen und Bewertungen der Vertragspartner, nicht
unverhältnismäßig geringer sein darf als die vom Bürger erstrebte (Geld-)Leistung (vgl. Bonk in:
Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 56 Rdnr. 54 m.w.N.). Denn die
Gemeinde darf sich nicht einen den Umständen des Einzelfalles nach unangemessen hohen
Vorteilsausgleich versprechen lassen. Maßgebend ist nicht die subjektive Einschätzung der
Vertragsbeteiligten, sondern eine nach den Gegebenheiten des Einzelfalls festzustellende objektive
Ausgewogenheit (vgl. Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Juni 2009,
§ 11 BauGB Rdnr. 167). Insoweit können die durch städtebauliche Planungen und Maßnahmen bedingten
Erhöhungen des Bodenwerts ein objektiver Indikator für die Angemessenheit einer Kostenregelung sein
(vgl. Krautzberger, a.a.O. § 11 BauGB Rdnr. 167 a; Bank in: Brügelmann (Hrsg.), Baugesetzbuch, Band. 2,
Stand: Januar 2010, § 11 Rdnr. 92), zumindest wenn dem Eigentümer ein nicht unerheblicher
Wertzuwachs verbleibt. Ebenso kann eine schnelle Projektabwicklung als erheblicher wirtschaftlicher
Faktor für die Frage der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung berücksichtigt werden (vgl.
Bank, a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen sind die in den städtebaulichen Verträgen vom 02. Oktober 2000 vereinbarten
Leistungen zur Überzeugung der Kammer als (noch) angemessen anzusehen. Denn den Klägern ist –
worauf die Beklagte im Übrigen unwidersprochen hingewiesen hat – ein erheblicher finanzieller
Wertzuwachs dadurch entstanden, dass die Beklagte den Bereich, in dem die Einwurfgrundstücke der
Kläger gelegen sind, mit dem Bebauungsplan „K.“ überplant und dadurch Bauland geschaffen haben.
Denn wenn man davon ausgeht, dass das Plangebiet „K.“ Wohnbauflächen in einer zumindest mittleren
Lage festsetzt, führt dies zu einem Bodenwert/m² Wohnbaufläche von 345,00 €/m², bei Wohnbauflächen in
einer guten Lage sogar zu einem Bodenwert/m² von 380,00 €/m² Wohnbaufläche (vgl. die generalisierten
Bodenrichtwerte für Wohnbauflächen für die Ortsgemeinde B., Stand: 01.01.2010,
www.vermkv. service24
.rlp.de /boriwe /bori-we_wohnen/wohn
baufl.php?anzeigen=param&vgv_num=33902000). Dem
gegenüber ist bei Ackerland für den Bereich der Ortsgemeinde B. lediglich ein Wert von 5,60 €/m²
Ackerland und von 4,00 €/m² Weingarten anzusetzen (vgl. die generalisierten Bodenrichtwerte für Land-
und Forstwirtschaft für die Ortsgemeinde B., Stand: 01.01.2010,
www.vermkv.service24.rlp.de/boriwe/boriwe _land_forst/land_u_forst_fl.php
?
anzeigen=param&vgv_num=33902000). Den Klägern war – wie der Kläger zu 1) in der mündlichen
Verhandlung auf entsprechende Nachfrage der Kammer eingeräumt hat (vgl. S. 3 der
Sitzungsniederschrift, a.a.O.) – auch sehr wohl bewusst, dass ohne die Erschließung des
Erschließungsgebietes durch die Firma D. GmbH als Erschließungsträger und die damit verbundene, den
städtebaulichen Verträgen zugrunde liegende Kombination aus Flächenabtritt im Wege der freiwilligen
Umlegung und Zahlung eines Geldbetrages das Baugebiet nicht verwirklicht worden wäre, mit anderen
Worten, dass ohne die hier in Rede stehende vertragliche Konstruktion die Einwurfsgrundstücke der
Kläger nicht den Wertzuwachs infolge der Umwandlung von Ackerfläche in Wohnbauland erfahren hätten,
der auch unter Berücksichtigung eines Flächenabzugs von 50% im Rahmen der Umlegung und einer
Bewertung des Flächenabzugs mit 102,26 €/m² (200,00 DM, vgl. § 3.6 Satz 3 der städtebaulichen
Verträge) noch erheblich ist. Da der einzelne nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB keinen Anspruch auf die
Aufstellung von Bauleitplänen hat, mithin das Abhängigmachen der Durchführung einer
Bebauungsplanung von einer kombinierten Flächenzuweisungs- und Zahlungsregelung grundsätzlich
Bebauungsplanung von einer kombinierten Flächenzuweisungs- und Zahlungsregelung grundsätzlich
auch kein rechtlich zu missbilligendes Verhalten der Beklagten darstellen kann, kann der durch die
Aufstellung des Bebauungsplan „K.“ verursachte Wertzuwachs bei den im Plangebiet belegenen
Wohnbaugrundstücken als sachgerechtes Kriterium für die Frage der (wirtschaftlichen) Angemessenheit
den Leistung und Gegenleistung in den städtebaulichen Verträgen herangezogen werden mit der Folge,
dass das Vertragskonstrukt auch unter Berücksichtigung dessen, dass vorliegend eine nicht unerhebliche,
die Grenze der „absoluten Missbilligung“ jedoch bei weitem nicht erreichenden Überzahlung erfolgt ist,
nicht gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB verstößt und damit ein Rückerstattungsanspruch auf der Grundlage
der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung ausscheidet.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V. mit § 709 ZPO.
Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
zuzulassen.
B e s c h l u s s
der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz
vom 28. April 2010
Der Streitwert wird auf
17.733,32