Urteil des VG Mainz vom 21.10.2010

VG Mainz: beteiligung am verfahren, öffentliches recht, auflage, vollzug, naturschutzgebiet, befreiung, effektivität, subjektiv, verwaltungsverfahren, quelle

VG
Mainz
21.10.2010
1 L 905/10.MZ
Naturschutzrecht
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Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird 7.500,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bleibt erfolglos,
denn er erweist sich insgesamt bereits als unzulässig.
Dies gilt zunächst für den vom Antragsteller gestellten Hauptantrag, der Beigeladenen den Betrieb des
Biomassehofs in dem Naturschutzgebiet „Wiesen am Hirtenborn“ bis zu einer Entscheidung im laufenden
Befreiungsverfahrens zu untersagen, schon deshalb, weil das Gericht durch eine einstweilige Anordnung
Anordnungen nur gegenüber dem Antragsgegner, nicht aber gegenüber einem Beigeladenen oder einem
sonstigen Dritten treffen kann (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 123 Rdnr. 11 a).
Dem gegenüber erweist sich das Begehren des Antragstellers in seinem Hilfsantrag, dem Antragsgegner
aufzugeben, der Beigeladenen den Betrieb des Biomassehofs bis zu einer Entscheidung über den
Beifreiungsantrag der Beigeladenen zu untersagen, zwar als zulässiges Rechtsschutzziel. Auch dieser
Antrag ist jedoch unzulässig, denn es fehlt dem Antragsteller insoweit an der auch im Rahmen eines
einstweiligen Anordnungsverfahrens erforderlichen Antragsbefugnis, die der Klagebefugnis im
Hauptsacheverfahren entspricht.
Eine Antragsbefugnis des Antragstellers als anerkannter Naturschutzvereinigung ergibt sich zunächst
nicht aus § 64 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG –. Danach kann eine anerkannte
Naturschutzvereinigung neben den – hier nicht einschlägigen – Rechtsbehelfen nach § 2 des Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetzes ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der
VwGO einlegen gegen, u.a., Entscheidungen nach § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG. Diese Vorschrift betrifft,
soweit hier maßgeblich, die Erteilung von Befreiungen von Geboten und Verboten zum Schutz von
Naturschutzgebieten.
Eine Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen nach § 48 Landesnaturschutzgesetz auf Befreiung
von Verboten der Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet „Wiesen am Hirtenborn“ des
Landkreises M.-B. vom 20. September 2004 ist jedoch bislang noch nicht ergangen. Das Vorliegen einer
Befreiungsentscheidung, also eines behördlichen Verwaltungsaktes im Sinne des § 64 Abs. 1 BNatSchG,
ist aber Voraussetzung für eine Antragsbefugnis des Antragstellers. Denn § 64 BNatSchG gewährt zwar
die Rechtsbehelfe der VwGO, jedoch nur mit der Einschränkung, dass sie gegen die Verwaltungsakte
eingesetzt werden, die in Absatz 1 der Vorschrift angeführt sind und setzt damit voraus, dass von
Rechtsbehelfen erst dann Gebrauch gemacht wird, nachdem die Verwaltungsakte bereits erlassen sind
(Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, Kommentar zum Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage 2003,
§ 61, Rdnrn. 11, 20).
Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend macht, die fortwährende Duldung des
Betriebs durch den Antragsgegner ersetze eine positive Befreiungsentscheidung in Form eines
Verwaltungsaktes, weil ansonsten das Befreiungsverfahren durch den faktischen Vollzug umgangen
würde, ist dem nicht zu folgen. Eine analoge Anwendung des § 64 Abs. 1 BNatSchG auf diese
Fallkonstellation kommt nicht in Betracht. Denn die Einlegung von Rechtsbehelfen ohne eigene
Rechtsverletzung, die die Bestimmung des § 64 BNatSchG ermöglicht, ist eine grundsätzlich eng
auszulegende Ausnahmeregelung, die der Gesetzgeber nur für bestimmte, abschließend genannte
Fallgruppen in § 64 Abs. 1 BNatSchG vorgesehen und auf diese beschränkt hat. Dies gilt in gleicher
Weise auch für die rechtstechnischen Begriffe, die ebenfalls nicht analogiefähig sind (Gassner u.A. a.a.O.,
§ 61 Rdnr. 16).
Die erforderliche Antragsbefugnis des Antragstellers ergibt sich des Weiteren auch nicht aus einer
Verletzung seiner sich aus § 63 BNatSchG ergebenden Mitwirkungsrechte. Insoweit besteht nach
ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 – 4 C
7/88 = BVerwGE 87, 62 f. sowie die vom Antragsteller zitierten Gerichtsentscheidungen) ein selbstständig
durchsetzbares subjektiv öffentliches Recht auf Beteiligung am Verfahren in den Fällen unterbliebener
oder mangelhafter Vereinsbeteiligung. Dies sieht der Antragsteller vorliegend als gegeben an, indem er
darauf verweist, dass die im Befreiungsverfahren erfolgte Mitwirkung als bloß formale Beteiligung
anzusehen sei und dass wegen der – von ihm gerügten – Verzögerung des Verfahrens durch den
Antragsgegner und wegen der Schaffung vollendeter Tatsachen durch faktischen Vollzug die begehrte
einstweilige Anordnung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich sei.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Sofern die Mitwirkung der Naturschutzvereinigungen nicht den gesetzlichen
Anforderungen entspricht, ist davon auszugehen, dass durch Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes
die Effektivität des verfahrensrechtlichen Beteiligungsrechts zu gewährleisten ist, indem im Rahmen der
sog. Partizipationserzwingungsklage die Durchführung der erforderlichen Beteiligung ermöglicht wird,
was, entsprechend den von dem Antragsteller zitierten Entscheidungen, auch einen Anspruch auf
Unterbindung der Maßnahmen beinhaltet, die einer Befreiung bedürfen.
Eine derartige Verletzung der Mitwirkungsrechte des Antragstellers ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich.
Denn die dem Antragsteller ermöglichte und erfolgte Mitwirkung in dem Befreiungsverfahren entspricht in
vollem Umfang den gesetzlichen Anforderungen des § 63 BNatSchG, wonach der anerkannten
Naturschutzvereinigung Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen
Sachverständigengutachten zu geben ist. Darüber hinaus war der Antragsteller von Anfang an in das
Befreiungsverfahren eingebunden, seine ausführlichen Einwendungen gegenüber den Feststellungen
des eingeholten Sachverständigengutachtens wurden nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch
einer erneuten fachlichen Überprüfung unterzogen und seinen Hinweisen auf mögliche
Alternativstandorte wurde nachgegangen. Von einer bloß formalen Beteiligung des Antragstellers am
Befreiungsverfahren ist unter diesen Umständen keinesfalls auszugehen. Die Mitwirkungsrechte einer
Naturschutzvereinigung dienen nach dem Willen des Gesetzgebers der Einbringung ihrer besonderen
regionalen Sachkunde und der Stärkung der Belange des Naturschutzes bereits im Vorfeld der
Verwaltungsentscheidung. Wird jedoch in diesem Sinne allen gesetzlichen Vorgaben bezüglich der
Ausübung des Mitwirkungsrechts Genüge getan, wie hier, bestehen nach der Gesetzeslage keine darüber
hinausgehende subjektiven Rechte einer Naturschutzvereinigung im Rahmen ihres Mitwirkungsrechts.
Auch wenn sich das Verwaltungsverfahren hinzieht und, wie hier, die Beigeladene den umstrittenen
Betrieb bereits seit Jahren ohne ausdrückliche behördliche Zulassung betreibt, hat der Antragsteller in
Ermangelung durchsetzbarer Rechte vor Ergehen einer positiven Befreiungsentscheidung des
Antragsgegners mit der hiergegen gemäß § 64 Abs. 1 BNatSchG gegebenen Klagemöglichkeit dies
hinzunehmen, wobei ihm allerdings zuzugeben ist, dass eine Klärung der Rechtslage durch den
Antrgagegner durchaus wünschenswert wäre.
Für den im vorliegenden Verfahren nach § 123 VwGO geltend gemachten Anspruch auf behördliches
Einschreiten des Antragsgegners gegen den von der Beigeladenen betriebenen Biomassehof fehlt es
mithin nach alldem an der erforderlichen Antragsbefugnis, weshalb der Antrag sich als unzulässig erweist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Hierbei entspricht es der
Billigkeit, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese
durch Stellung eines Antrags ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG
i.V.m. Ziffer 1.2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei das Gericht für das
vorliegende Eilverfahren die Hälfte des dort vorgeschlagenen Hauptsachestreitwerts von mindestens
15.000,-- € zugrundegelegt hat.
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