Urteil des VG Mainz vom 24.09.2008

VG Mainz: wohnung, grundsatz der gleichbehandlung, vermessung, dienstort, bevorzugung, fürsorgepflicht, baustelle, amtshilfe, vollstreckbarkeit, quelle

Beamtenrecht
Sonstiges
Trennungsgeldrecht
VG
Mainz
24.09.2008
7 K 168/08.MZ
1. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 c LUKG liegt eine Wohnung im Einzugsgebiet des neuen Dienstortes, wenn die
Wohnung auf einer üblicherweise befahrenen Strecke weniger als 30 km von der neuen Dienststätte
entfernt ist. Die Entfernung ist unter Zugrundelegung der objektiv kürzesten üblicherweise befahrenen
Landwegstrecke zu ermitteln.
2. Bei der objektiv kürzesten üblicherweise befahrenen Strecke muss es sich nicht um die am häufigsten
befahrene (und/oder) verkehrsgünstigste Strecke handeln.
3. Die Messmethode, die kürzeste üblicherweise befahrene Strecke an Hand der amtlichen
Straßenentfernungskarte durch die geeignete Fachbehörde (Landesamt für Vermessung und
Geobasisinformation) im Wege der Amtshilfe ermitteln zu lassen,, ist eine anerkannte Methode zur
Ermittlung der Entfernung (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 05. Juni 2002 - 7 K 1072/01.MZ). Dabei ist
unerheblich, dass einzelne Routenplaner oder der Tageskilometerzähler des Kraftfahrzeugs des Beamten
möglicherweise andere Streckenlängen angeben.
Verwaltungsgericht Mainz
7 K 168/08.MZ
Urteil
Tatbestand:
Der Kläger, der als Polizeioberkommissar im Dienste des beklagten Landes steht, begehrt die Gewährung
von Trennungsgeld.
Mit Schreiben der 1. Bereitschaftspolizeiabteilung vom 31. Oktober 2007 wurde der Kläger mit Wirkung
vom 01. November 2007 bis 31. Dezember 2007 im Rahmen des Rotationsverfahrens an die
Polizeiinspektion W. zur Dienstverrichtung zugewiesen.
Mit bei dem Beklagten am 17. Januar 2007 eingegangenem Schreiben stellte der Kläger einen Antrag auf
Gewährung von Trennungsgeld und legte die Forderungsnachweise für November und Dezember 2007
vor (04. Januar 2008 bzw. 15. Januar 2008). Darin gab er an, die einfache Straßenentfernung zwischen
seiner Wohnung und dem neuen Dienstort betrage 36 km.
Durch Schreiben vom 17. Januar 2008 bat der Beklagte das Landesamt für Vermessung und
Geobasisinformation, nach der amtlichen Straßenentfernungskarte die kürzeste üblicherweise befahrbare
Strecke zwischen der Wohnung des Klägers in XXXXX R., R. Straße X, und der Polizeiinspektion W. in
XXXXX W., H.-straße X, festzustellen. Mit Schreiben vom 30. Januar 2008 teilte das Landesamt für
Vermessung und Geobasisinformation dem Beklagten mit, dass die kürzeste üblicherweise befahrene
Landwegstrecke (über K 158-B 44-L 3112-B 44-L 3411-B 47) 28,97 km betrage (Streckenlänge 28,85 km
+ Höhenmeter 0,12 km).
Durch Bescheid vom 06. Februar 2008 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von
Trennungsgeld mit der Begründung ab, dass Trennungsgeld nur gewährt werden könne, wenn der neue
Dienstort ein anderer als der bisherige Dienstort sei und der Wohnort nicht im Einzugsgebiet des neuen
Dienstorts liege. Da nach Angabe des Landesvermessungsamts die Entfernung 28,97 km betrage, erfülle
der Kläger nicht die Anspruchsvoraussetzungen gemäß den Bestimmungen der
Landestrennungsgeldverordnung – LTGV –.
Hiergegen legte der Kläger unter dem 12. Februar 2008 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er
angab, ausweislich des Tageskilometerzählers seines Fahrzeugs betrage die tatsächliche Entfernung
zwischen Wohnung und Dienststelle 31,73 km. Die von ihm regelmäßig genutzte schnellste Verbindung
betrage 38 km, wie sich aus den beigefügten Ausdrucken der Routenplaner ergebe. Ausweislich des
Bescheids vom 06. Januar 2006 sei ihm für dieselbe Strecke in den Monaten November und Dezember
2005 Trennungsgeld bewilligt worden.
Durch Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008, zugestellt am 27. Februar 2008 wurde der
Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LTGV
werde Trennungsgeld nur gewährt bei Maßnahmen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 – 11 LTGV, wenn der neue
Dienstort ein anderer als der bisherige Dienstort sei und die Wohnung nicht im Einzugsgebiet des neuen
Dienstorts gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 c – LUKG – liege. Nach der Entfernungsbescheinigung des Landesamts
für Vermessung und Geobasisinformation sei die Wohnung des Klägers weniger als 30 km von der neuen
Dienststelle entfernt. Dabei sei das Merkmal der „üblicherweise befahrenen Strecke“ i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1
c LUKG als der kürzeste, nach Anlage und Ausbau üblicherweise als zum Kraftfahrzeugverkehr geeignete
und zur allgemeinen Benutzung offenstehende Verbindungsweg zwischen Wohnung und Dienststelle zu
verstehen. Maßgebend sei, ob der Verkehr die betreffende Straße üblicherweise frequentiere. Auf
Häufigkeit der Benutzung, Bequemlichkeit und Schnelligkeit beim Befahren komme es nicht an. Nicht
entscheidend sei, welchen von mehreren Verkehrswegen der Beamte bevorzuge oder welcher für ihn
günstiger sei oder welchem er aus ökologischen oder ökonomischen Gründen den Vorzug gebe. Bei
mehreren üblicherweise befahrenen Verkehrswegen richte sich die Zugehörigkeit der Wohnung zum
Einzugsgebiet nach der kürzesten Verbindung. Diese brauche nicht die am häufigsten befahrene noch die
schnellste Strecke zu sein. Es sei unerheblich, dass die vom Kläger genannten Routenplaner andere
Entfernungen auswiesen als die Entfernungsbescheinigung des Landesamts für Vermessung und
Geobasisinformation. Schließlich könne sich der Kläger nicht auf die Gewährung von Trennungsgeld im
Jahre 2005 berufen, da es kein Recht im Unrecht gebe.
Mit bei Gericht am 19. März 2008 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben, zu deren
Begründung er über sein bisheriges Vorbringen hinaus vorträgt, der Entfernungsbescheid missachte die
vorgeschlagene Streckenführung über die Ortsumgehung G. und führe direkt durch die Innenstadt. Die
Vorgaben des Beklagten beinhalteten Straßen, die nicht ausgeschildert seien. Es sei unverhältnismäßig,
wenn er auf Schleichwege verwiesen werde. Außerdem würden Baustellen nicht berücksichtigt. In dem
Trennungsgeldbescheid vom 09. Januar 2006 werde für dieselbe Strecke eine Entfernung von 38 km
zugrunde gelegt. In seiner Reisekostenabrechnung für die Dienstantrittsreise am 03. November 2007
habe er eine Entfernung von 36 km angegeben.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 06. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
26. Februar 2008 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger das beantragte Trennungsgeld (für die
Monate November und Dezember 2007) zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten
vorgelegten Schriftsätze verwiesen. Die Kammer hat die Verwaltungsvorgänge des Beklagten
beigezogen. Alle Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Bescheid vom 06. Februar 2008 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2008 hält einer rechtlichen Überprüfung stand, denn dem
Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung von Trennungsgeld für den fraglichen Zeitraum im November
und Dezember 2007 zu.
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Trennungsgeld ist § 1 Abs. 3 Nr. 1 LTGV i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 c
LUKG. Nach diesen Vorschriften wird Trennungsgeld nur gewährt bei Maßnahmen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 -
11 LTGV – die Abordnung des Klägers zur Polizeiinspektion W. zählt gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 7 LTGV zu
diesen Maßnahmen –, wenn der neue Dienstort ein anderer als der bisherige Dienstort ist und die
Wohnung nicht im Einzugsgebiet des neuen Dienstortes liegt. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 c LUKG liegt eine
Wohnung im Einzugsgebiet des neuen Dienstortes, wenn die Wohnung auf einer üblicherweise
befahrenen Strecke weniger als 30 km von der neuen Dienststätte entfernt ist.
Im Falle des Klägers liegt die Wohnung im Einzugsbereich des neuen Dienstortes, denn ausweislich der
Entfernungsbescheinigung des Landesamtes für Vermessung und Geobasisinformation vom 30. Januar
2008 beträgt die Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers in XXXXX R., R. Straße X und der
Polizeiinspektion W. in XXXXX W., H.-straße X unter Zugrundelegung der kürzesten üblicherweise
befahrenen Landwegstrecke (über K 158 – B 44 – L 3112 – B 44 – L3411 – B 47) 28,97 km. Somit liegt die
Wohnung des Klägers innerhalb des von § 3 Abs. 1 Nr. 1 c LUKG geforderten Einzugsbereichs von
weniger als 30 km der neuen Dienststätte Polizeiinspektion W..
Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, ausweislich des Tageskilometerzählers seines
Kraftfahrzeugs betrage die tatsächliche Entfernung zwischen Wohnung und Dienststelle 31,73 km. Hierbei
ist zu berücksichtigen, dass die in Rede stehenden Vorschriften des Trennungsgelds- und
Umzugskostenrechts eine bestimmte Messmethode zur Ermittlung der Strecke zwischen Wohnung und
neuer Dienststätte im Einzelnen nicht vorsehen. Die von dem Beklagten gewählte Methode, die kürzeste
üblicherweise befahrene Strecke anhand der amtlichen Straßenentfernungskarte durch die geeignete
Fachbehörde (Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation) im Wege der Amtshilfe ermitteln zu
lassen, ist eine anerkannte Methode zur Ermittlung der Entfernung (vgl. Urteil der Kammer vom 05. Juni
2002 – 7 K 1072/01.MZ; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss vom 08. Juli 1999 – 2 L
869/98 – JURIS –). Der Umstand, dass einzelne Routenplaner möglicherweise unterschiedliche
Streckenlängen angeben, ist insoweit nicht von Bedeutung.
Weiterhin kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte gehe von einer unzutreffenden
Definition des Begriffs einer „üblicherweise befahrenen Strecke“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 c LUKG
aus. Zur Begründung führt er an, bei Beachtung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei nicht die kürzeste
Landwegstrecke zugrunde zu legen, sondern diejenige, die er unter Berücksichtigung der realen
Verkehrslage sinnvollerweise befahren habe. Im Gegensatz dazu berücksichtige der
Entfernungsbescheid nicht die vorgeschlagene Streckenführung, die auf die Ortsumgehung von G.
hinweise. Die Fahrt durch die Innenstadt hingegen sei unverhältnismäßig. Außerdem sei er im Gegensatz
zu den Vorgaben im Entfernungsbescheid nicht über H. nach W. gefahren, sondern über B., wobei er die
B 44 und die B 47 benutzt habe. Insoweit verkennt der Kläger, dass die „üblicherweise befahrende
Strecke“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 c LUKG, der kürzeste vorhandene Verkehrsweg ist, sofern er üblich
ist, d.h., auf dem die Dienststätte mit privaten Kraftfahrzeugen erreicht werden kann, ohne dass es hierbei
auf die persönlichen Gepflogenheiten des Beamten oder der Mehrzahl der Verkehrsteilnehmer in
entsprechender Lage ankommt oder die Frage der „Zumutbarkeit“ zu prüfen ist (vgl. das bereits zuvor
genannte Urteil der Kammer vom 5. Juni 2002, dem der Fall eines Polizeivollzugsbeamten zugrunde lag,
bei dem die Fahrt von M.-B. zur Dienststelle in B. über die kürzeste „üblicherweise befahrene Strecke“
über die L 419 und die Orte W. bzw. I. in Ansatz gebracht wurde). Die Entfernung zwischen der Wohnung
und der Dienststelle im Sinne der in Rede stehenden Vorschrift bemisst sich nach der objektiv kürzesten
üblicherweise befahrenen Strecke, auch wenn es sich nicht um die am häufigsten befahrene (und/oder)
verkehrsgünstigste Strecke handelt (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 29. Oktober 2007, - 14 ZB
07.1645 – JURIS – mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1977 - VI C 57.76 - in ZBR 1977, 402 ff.).
Dabei ist unerheblich, ob der Beamte die kürzeste Strecke zwischen der Wohnung und der Dienststelle
auch tatsächlich benutzt oder tatsächlich eine längere Strecke wählt.
Entgegen der Auffassung des Klägers vermag das Gericht einen Verstoß gegen die dem Dienstherrn
obliegende Fürsorgepflicht nicht zu erkennen. Die pauschalierende und generalisierende Regelung des
zuvor dargestellten Begriffs des Einzugsgebiets soll im Interesse der Gleichbehandlung der Beamten
nach Möglichkeit Zufälligkeiten hinsichtlich des Wohnsitzes und einer damit verbundenen Bevorzugung
oder Benachteiligung ausschließen. Es widerspräche dem Grundsatz der Gleichbehandlung, bei
Errechnung der zur Umgrenzung des Einzugsgebiets maßgeblichen Strecke an subjektive
Gegebenheiten, wie an die von dem Beamten zwischen der Wohnung und der jeweiligen Dienststelle
üblicherweise tatsächlich benutzten Strecke, anzuknüpfen. Nach Möglichkeit sollen Zufälligkeiten
hinsichtlich des Wohnsitzes und einer damit verbundenen Bevorzugung oder Benachteiligung eines
Beamten vermieden werden. Deshalb ist es gerade im Interesse der Gleichbehandlung geboten, allein
auf die eindeutig feststellbare, kürzeste benutzbare Verkehrsverbindung zwischen Wohnung und
Dienststelle abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1977, a.a.O.; Bayerischer VGH, Beschluss vom
29. Oktober 2007, a.a.O.).
Soweit der Kläger schließlich darauf hinweist, in dem fraglichen Zeitraum sei in dem Bereich vor W. eine
Baustelle eingerichtet gewesen, vermag dieser pauschale Hinweis seinem Begehren nicht zum Erfolg zu
verhelfen. Denn der Kläger hat auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht darzulegen
vermocht, an welcher Stelle, in welchem Zeitraum und mit welchem räumlichen Umfang diese Baustelle
eingerichtet war.
Schließlich ergibt sich aus dem Umstand, dass dem Kläger in der Vergangenheit für die Fahrt zwischen
seiner Wohnung und der Polizeiinspektion W. auf der Grundlage einer Streckenlänge von 38 km zu
Unrecht Trennungsgeld gewährt wurde, kein Anspruch darauf, dass der vorliegend in Rede stehende
Trennungsgeldantrag positiv beschieden wird.
Nach alle dem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr.
11 ZPO.
Beschluss
der7. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. September 2008
Der Streitwert wird auf 201,25 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).