Urteil des VG Köln vom 10.12.2010

VG Köln (öffentliche sicherheit, interesse, aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, rauchverbot, vereinszweck, verein, zweck, gaststätte, vollziehung)

Verwaltungsgericht Köln, 7 L 1091/10
Datum:
10.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 1091/10
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 12.07.2010 wiederherzustellen,
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ist zulässig, aber nicht begründet.
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Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebenden Wirkung einer Klage
gegen einen belastenden Verwaltungsakt im Fall einer Anordnung der sofortigen
Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiederherstellen, wenn eine
Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Antragstellers an einem
Aufschub der Vollziehung bis zur Entscheidung in der Hauptsache das öffentliche
Interesse am Sofortvollzug des angefochtenen Verwaltungsakts überwiegt.
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Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die aufgrund einer summarischen
Prüfung zu beurteilenden Erfolgsaussichten der erhobenen Klage zu berücksichtigen.
Ist der streitgegenständliche Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, hat der Antrag
Erfolg, da kein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines erkennbar rechtswidrigen
Verwaltungsakts besteht. Demgegenüber ist der Antrag abzulehnen, wenn sich der
Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist. In diesem Fall muss das private
Interesse an einem Aufschub der Vollziehung zurücktreten, da diese voraussichtlich
Bestand haben wird. Sind die Erfolgsaussichten offen, bleibt es bei der Abwägung der
betroffenen Interessen.
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Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung
des Rauchverbots zum Schutze der Gesundheit der Allgemeinheit das private Interesse
der Antragstellerin, von der Vollziehung der angeordneten Maßnahmen zur
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Durchsetzung eines Rauchverbots bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont
zu werden und ihren Betrieb wie bisher fortzuführen.
Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung lässt
sich nicht feststellen, dass die Anordnung, das Rauchen im Betrieb der Antragstellerin
zu unterbinden, offensichtlich rechtswidrig oder offensichtlich rechtmäßig ist. Vielmehr
sind die Erfolgsaussichten der Klage derzeit offen.
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Ermächtigungsgrundlage für die Ordnungsverfügung des Antragsgegners ist § 14 Abs. 1
OBG NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.1980 (GV. NRW. S. 528),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.04.2005 (GV. NRW. S. 274). Danach kann die
Ordnungsbehörde die zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung im Einzelfall notwendigen Maßnahmen treffen. Eine Gefahr für die öffentliche
Sicherheit droht immer dann, wenn ein Verstoß gegen Normen des objektiven Rechts -
hier des Rauchverbots in Gaststätten - vorliegt.
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Im vorliegenden Fall kann im Rahmen der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur
möglichen summarischen Prüfung allerdings nicht eindeutig geklärt werden, ob der
Gastronomiebetrieb der Antragstellerin vom Rauchverbot der § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 des
Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen
(NiSchG NRW) vom 20.12.2007 in der Fassung vom 30.06.2009 (GV. NRW. S. 390)
erfasst wird und damit durch die Zulassung des Rauchens die entsprechenden
Vorschriften verletzt werden.
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Gemäß § 4 NiSchG NRW gilt in Gaststätten grundsätzlich Rauchverbot. Auch für
Gaststätten gelten aber gem. § 4 Abs. 1 S. 4 in entsprechender Anwendung die in § 3
Abs. 3 Buchstabe b), Abs. 7 und 8 NiSchG aufgeführten Ausnahmen vom Rauchverbot.
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Bei summarischer Prüfung lässt sich nicht abschließend feststellen, ob die Gaststätte
der Antragstellerin "R. " unter die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 1 S. 4, § 3 Abs. 7
NiSchG NRW fällt. Es spricht allerdings einiges dafür, dass auch für den
Gaststättenbetrieb der Antragstellerin das generelle Rauchverbot des § 4 S. 1 NiSchG
NRW gilt.
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Nach § 3 Abs. 7 NiSchG sind von dem in Gaststätten bestehenden generellen
Rauchverbot die Räumlichkeiten von Vereinen und Gesellschaften, "deren
ausschließlicher Zweck der gemeinschaftliche Konsum von Tabakwaren"
ausgenommen. Die Antragstellerin beruft sich auf diese Ausnahmeregelung mit der
Begründung, ihre Gaststätte "R. " sei das Vereinslokal des Raucherclubs "R1. ". Nach
Auffassung der Kammer greift diese Ausnahmeregelung zugunsten der Antragstellerin
aber nicht ein, da der Verein "R1. " ausweislich seiner Satzung vom 17.12.2008 nicht
den alleinigen Zweck des Konsums von Tabakwaren verfolgt. Die Satzung des
Raucherklubs sieht nämlich in § 2 als Zweck des Clubs vor:
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"Der Club verfolgt den ausschließlichen Zweck des Erhalts der traditionellen
Kneipenkultur im Allgemeinen und dem geselligen Abbrennen von
Tabakprodukten im Speziellen. Dadurch soll die Rauchkultur sowie die
gegenseitige Toleranz von Rauchern und Nichtrauchern sowie die
Rücksichtnahme zwischen Rauchern und Nichtrauchern gefördert werden."
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Mit dem "Erhalt der traditionellen Kneipenkultur im Allgemeinen" verfolgt der
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Raucherclub somit einen weiteren Zweck neben dem Tabakkonsum. Mitglieder, die
gegen diesen in § 2 normierten Vereinszweck verstoßen, können nach § 3 der Satzung
aus dem Verein ausgeschlossen werden. Der Erhalt der Kneipenkultur im Allgemeinen
ist als Ausnahmeregelung im Gesetz nicht vorgesehen und vom Gesetzgeber nicht
gewollt. In der Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 7 NiSchG heißt es hierzu "Vom
allgemeinen Rauchverbot werden die Räumlichkeiten solcher Vereine und
Gesellschaften ausgenommen, deren ausschließlicher Vereinszweck der
gemeinschaftliche Konsum von Tabakwaren ist. Dies trägt dem besonderen Charakter
derartiger Zusammenkünfte Rechnung." Die mit den Zwecken "traditionelle
Kneipenkultur" und "geselliges Abbrennen von Tabakprodukten" verfolgte Förderung
von Toleranz und Rücksichtnahme von Rauchern und Nichtrauchern widerspricht
geradezu dem Willen des Gesetzgebers, der auch für Gaststätten ein generelles
Rauchverbot verhängt hat und Rauchern nur in Ausnahmefällen in gesonderten
Räumlichkeiten gestattet zu rauchen.
Der Vereinszweck "Erhalt der traditionellen Kneipenkultur im Allgemeinen" ist nicht nur
in der Vereinssatzung des Raucherclubs R1. aufgenommen, sondern wird auch im
Tatsächlichen von den Vereinsmitgliedern verfolgt, wie sich u. a. aus dem Protokoll der
Jahreshauptversammlung 2009 des Raucherclubs R1. entnehmen lässt. Die
Antragstellerin hat im Eilverfahren betont, dass der Verein das Rauchen im Speziellen
als zur traditionellen Kneipenkultur gehörig versteht und für deren Erhalt eintritt.
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Die Antragstellerin stellt ihre Räumlichkeiten dem Raucherklub auch nicht alleine zum
Vereinszweck "geselliges Abbrennen von Tabakprodukten" sondern insbesondere zum
weiteren Vereinszweck "Erhalt der traditionellen Kneipenkultur" zur Verfügung. Sie
fördert diesen Vereinszweck dadurch, dass sie vom Verein R1. , der keine
Mitgliedsbeiträge erhebt und ohne finanzielle Mittel existiert, keine Miete verlangt. Als
Pächterin der Gaststätte trägt sie selbst aber eine Netto-Kaltmiete von 2.300,00 Euro.
Zudem ist sie Wirtin des Vereinslokals und betreibt dieses laut § 9 der Satzung in
eigener Verantwortung, insbesondere erfolgt kein Verlustausgleich durch den Verein
oder eine Gewinnausschüttung an den Verein. Es liegt auf der Hand, dass die
Antragstellerin als Inhaberin der Gaststätte und Wirtin des Vereinslokals an einem
Gewinn durch Verkauf von Getränken und Speisen interessiert ist, wenn sie alle
Räumlichkeiten ihrer Gaststätte einem Raucherclub unentgeltlich überlässt. Daher
fördert die Antragstellerin, wie insbesondere ihre Werbung im Internet zeigt, den
Vereinszweck der Kneipenkultur intensiv aus eigenem wirtschaftlichem Interesse und
stellt insbesondere zu diesem Zweck ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. Insoweit greift
aber zu Gunsten der Antragstellerin gerade nicht die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 7
NiSchG ein.
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Da somit vieles für die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung des Antragsgegners
spricht und dem Gesundheitsschutz der Allgemeinheit ein überwiegendes Gewicht
zukommt, hat demgegenüber das private Interesse der Antragstellerin zurückzutreten.
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Die Antragstellerin hat keinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
betreffend die Androhung des Zwangsgeldes gestellt, so dass hierüber auch nicht nach
Aufhebung der Ziffer 3 der Ordnungsverfügung vom 12.07.2010 zu entscheiden war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
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