Urteil des VG Köln vom 08.09.2009

VG Köln (aufschiebende wirkung, anordnung, interesse, öffentliches interesse, verhältnis zu, wirtschaftliches interesse, bundesrepublik deutschland, daten, wirkung, aufforderung)

Verwaltungsgericht Köln, 21 L 1107/09
Datum:
08.09.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
21. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 L 1107/09
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 405.600,00 Euro
festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag der Antragstellerin,
2
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 24. Juli 2009
gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 06. Juli 2009 anzuordnen,
3
ist zulässig, aber unbegründet.
4
Nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 137 Abs. 1 TKG haben Widerspruch und Klage
gegen telekommunikationsrechtliche Entscheidungen der Bundesnetzagentur für
Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen
(Bundesnetzagentur(BNetzA) keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch
gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs
anordnen. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht das öffentliche Vollziehungs- und
das private Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen und dabei die
Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Das private Interesse
überwiegt in der Regel dann, wenn der Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist, denn
dann liegt dessen sofortiger Vollzug nicht im öffentlichen Interesse. Dagegen überwiegt
regelmäßig ein öffentliches Interesse, wenn sich der Widerspruch/die Klage wegen
offensichtlicher Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides als aussichtslos erweist
und die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Lassen sich
die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
nicht sinnvoll abschätzen (etwa weil dort schwierige Rechtsfragen zu klären wären), ist
eine Abwägung zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung und
dem allgemeinen öffentlichen Interesse bzw. dem privaten Interesse sonstiger
Beteiligter am Vollzug vorzunehmen. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch eine
5
gesetzgeberische Grundentscheidung (für den Ausschluss der aufschiebenden
Wirkung) in den Blick zu nehmen,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.04.1999 - 4 VR 18.98, 4 A 45.98 -, NVwZ-RR 1999, 554
(556); OVG NRW, Beschluss vom 24.02.1989 - 12 B 2166/88 -, NJW 1989, 2770 und
Beschluss vom 17.03.1994 - 15 B 3022/93 -, NVwZ-RR 1994, 617.
6
Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin und einer ggf.
nachfolgenden Klage sind offen. Die damit notwendige Interessenabwägung geht zu
Lasten der Antragstellerin aus.
7
Die angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin vom 06. Juli 2009 ist nicht
offensichtlich rechtswidrig; vielmehr spricht ausgehend von der derzeit bestehenden
Sach- und Rechtslage viel für ihre Rechtmäßigkeit.
8
Die Anordnung, die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung der Verpflichtung aus
§ 113a TKG unverzüglich zu schaffen, ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Insbesondere ist sie hinreichend bestimmt. Zweifel hieran könnten zwar in der Hinsicht
bestehen, dass in der Anordnung die einzelnen Schritte, die zur Schaffung der
technischen Voraussetzungen notwendig sind, im Einzelnen nicht benannt werden und
auch die Verwendung des Wortes „unverzüglich" in zeitlicher Hinsicht zu unbestimmt
sein könnte. Betrachtet man jedoch die Anordnung in ihrer Gesamtheit, so können diese
Zweifel durch eine interessengerechte Auslegung ausgeräumt werden.
9
Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit im Sinne des § 37 VwVfG setzt voraus, dass
insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene
Regelung so vollständig klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten
danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt
des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten
bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt.
Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den
Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt
umzusetzenden materiellen Rechts,
10
vgl. BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 2003 - 6 C 20.02 -, BVerwGE 119, 282 m.w.N..
11
§ 37 Abs. 1 VwVfG schließt auch die Möglichkeit von Teilregelungen nicht aus. So
können Verwaltungsakte, die zunächst nur das Ziel der dem Betroffenen auferlegten
Verpflichtung festlegen und bezüglich des Weges, d.h. der zur Verwirklichung dieses
Zieles zu treffenden Maßnahmen, keine Angaben enthalten, dem
Bestimmtheitserfordernis genügen. Eine Konkretisierung hinsichtlich des Mittels kann
erforderlichenfalls durch weitere Verwaltungsakte erfolgen,
12
vgl. BVerwG, Urteil vom 05. November 1968 - 1 C 29.67 -, BVerwGE 31, 15 18); Urteil
vom 25. Februar 1992 - 1 C 7.90 -, BVerwGE 90, 53 ff..
13
Gemessen an diesen Voraussetzungen genügt die vorliegende Anordnung dem
Bestimmtheitserfordernis. In ihr wird für die Antragstellerin zweifelsfrei das Ziel
festgelegt, nämlich die technischen Voraussetzungen für die Vorratsdatenspeicherung
zu schaffen. Ob sie das vorgegebene Ziel erfüllt hat, ist ohne weiteres daran messbar,
ob sie eine den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechende Datenspeicherung
14
vornehmen kann. Im Übrigen ist der Antragstellerin auch bekannt, wie sie die
angeordnete Zielvorgabe erfüllen kann, denn sie legt in ihrer Antragsschrift im Rahmen
der mit der Vorratsdatenspeicherung für sie verbundenen finanziellen Belastungen
umfänglich dar, welche technischen und sachlichen Voraussetzungen für die
Vorratsdatenspeicherung erforderlich sind.
Auch die zeitliche Bestimmung „unverzüglich" ist als hinreichend bestimmt zu werten.
Die Antragsgegnerin macht in der Beschlussbegründung deutlich, dass „unverzüglich"
als „ohne schuldhaftes Zögern" nach dem Rechtsgedanken des § 121 Abs. 1 Satz 1
BGB zu verstehen ist. Die Verwendung dieses Begriffs bleibt damit zwar
auslegungsbedürftig; gleichzeitig ist dieser Begriff aber unter Berücksichtigung des
Gesamtregelungsgehalts des streitgegenständlichen Bescheides auslegungsfähig.
Denn es besteht hinsichtlich dieser Zeitbestimmung eine deutliche Verbindung im Sinne
eines Stufenverhältnisses zu der weiteren Aufforderung der Antragsgegnerin, ihr binnen
6 Wochen nach Zugang der Verfügung ein Gesamtkonzept vorzulegen, aus dem
insbesondere hervorgeht, bis wann die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung
der Verpflichtung aus § 113a TKG aus fachlicher Sicht bei der Antragstellerin
voraussichtlich geschaffen sein werden. Diese Verbindung zwischen der generellen
Aufforderung, die technischen Voraussetzungen für die Vorratsdatenspeicherung
„unverzüglich" zu schaffen, und der zusätzlichen Aufforderung, zu diesem Zweck
zunächst ein Gesamtkonzept vorzulegen, wird in den Gründen des Beschlusses
nachvollziehbar dargelegt. Denn die Schaffung der Voraussetzungen setzt nach
zutreffender Ansicht der Antragsgegnerin eine Planung und ein Gesamtkonzept voraus,
das erarbeitet werden muss und dementsprechend Zeit erfordert.
15
Liegt der Antragsgegnerin dieses Gesamtkonzept vor, so wird auf der zweiten Stufe des
Verfahrens bestimmbar sein, bis wann die Antragstellerin ihren gesetzlichen
Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung nachkommen kann und muss, um dem
Erfordernis der Unverzüglichkeit zu genügen. Dass in der hier streitgegenständlichen
Verfügung hierfür eine konkrete, datumsmäßig bestimmte Frist noch nicht gesetzt wurde,
ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unschädlich, da die Antragsgegnerin ihre Anordnung
zur Schaffung der technischen Voraussetzungen auch noch nicht mit einer Androhung
von Zwangsmitteln versehen hat. Es versteht sich von selbst, dass eine darauf
bezogene spätere Androhung von Zwangsmitteln eine eindeutige Fristbestimmung
enthalten muss.
16
Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 der Anordnung vom 06. Juli 2009 gegenüber der
Antragstellerin ausgesprochene Aufforderung, die technischen Voraussetzungen zur
Umsetzung der Verpflichtungen aus § 113a TKG unverzüglich zu schaffen, ist § 115
Abs. 1 Satz 1 TKG. Nach dieser Vorschrift kann die Bundesnetzagentur Anordnungen
und andere Maßnahmen treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des Teils 7 und der
auf Grund dieses Teils ergangenen Rechtsverordnungen sowie der jeweils
anzuwendenden Technischen Richtlinien sicherzustellen.
17
Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 TKG sind - derzeit - erfüllt.
18
Die Antragstellerin kommt ihren Verpflichtungen aus § 113 a TKG nicht nach, § 113a
TKG ist Bestandteil des 7. Teils des TKG und damit vom Regelungsgehalt des § 115
TKG umfasst.
19
Nach § 113 a Abs. 1 Satz 1 TKG ist derjenige, der öffentlich zugängliche
20
Telekommunikationsdienste für Endnutzer erbringt, verpflichtet, von ihm bei der Nutzung
seines Dienstes erzeugte oder verarbeitete Verkehrsdaten nach Maßgabe der Absätze
2 bis 5 sechs Monate im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union zu speichern. Die Antragstellerin erbringt öffentlich zugängliche
Telekommunikationsdienste für Endnutzer und ist daher nach § 113a TKG grundsätzlich
verpflichtet, Verkehrsdaten nach Maßgabe dieser Norm zu speichern. Dieser
Speicherungspflicht kommt die Antragstellerin unstreitig nicht nach. Sie hat seit dem 01.
Januar 2009 mehrere auf § 113 TKG gestützte Auskunftsersuchen von zuständigen
Stellen mit der Begründung zurückgewiesen, sie speichere wegen der
Verfassungswidrigkeit des § 113a TKG keine Daten nach § 113a TKG.
Die Verpflichtungen aus § 113a TKG sind rechtswirksam. Sie sind nicht durch die
Eilentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008, 01. September
2008 und 28. Oktober 2008 - 1 BvR 256/08 - einstweilen außer Kraft gesetzt worden.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in diesen Verfahren eine einstweilige
Anordnung nach § 32 BVerfGG getroffen. Dies geschah jedoch nur in der Weise, dass
die Pflicht zur Übermittlung der gespeicherten Daten (§ 113b TKG) einstweilen auf
bestimmte Anlässe der Strafverfolgung (Katalogstraftaten) beschränkt wurde. Die Pflicht
zur Vorratsdatenspeicherung selbst, um die es vorliegend allein geht, wurde dagegen
ausdrücklich nicht vorläufig außer Kraft gesetzt,
21
BVerfG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 -, juris Rn. 146 ff.
22
Durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in den Verfahren nach § 32
BVerfGG wird die Pflicht der Antragstellerin zur Speicherung der Daten gemäß § 113a
TKG mithin nicht berührt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich das
Bundesverfassungsgericht insbesondere in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2008
auch unter Berücksichtigung der nach deutschem Recht vorgesehenen
Kostentragungspflicht zu Lasten der Anbieter von Telekommunikationsdiensten gegen
eine Aussetzung der Speicherungspflicht entschieden hat,
23
BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 1 BvR 256/08-, juris Rn. 79 ff.
24
In diesem Beschluss führt das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, dass
auch die mit der Speicherungspflicht verbundenen Kosten es nicht gebieten, für die
unter § 150 Abs. 12b Satz 2 TKG fallenden Diensteanbieter die Speicherungspflicht des
§ 113a TKG generell auszusetzen oder die Übergangsregelung zu verlängern. Die
Nachteile, die sich ergäben, wenn die Übergangsregelung wie gesetzlich vorgesehen
ausläuft, sich im Hauptsacheverfahren die Speicherungspflicht nach § 113a TKG aber
als verfassungswidrig erweisen sollte, überwögen nicht die Nachteile, die einträten,
wenn die Übergangsregelung im Wege einer einstweiligen Anordnung verlängert
würde, sich die Speicherungspflicht aber als verfassungsgemäß herausstellte.
25
Die von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin
in Verfahren nach § 123 VwGO führen ebenfalls nicht dazu, dass die Verpflichtungen
nach § 113 a Abs. 2 bis 5 TKG vorläufig ausgesetzt sind. Insoweit ist festzuhalten, dass
die diesbezüglichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin rechtliche
Auswirkungen nur im Verhältnis zu den dortigen Antragstellern haben können. Im
Verhältnis zur Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens entfalten diese
Entscheidungen keine rechtliche Bindungswirkung. Die in der Anordnung vom 06. Juli
2009 gegenüber der Antragstellerin weiter ausgesprochene Aufforderung „spätestens
26
sechs Wochen nach Zustellung dieses Bescheides ein Umsetzungskonzept vorzulegen
aus dem insbesondere hervorgeht, bis wann die technischen Voraussetzungen zur
Umsetzung der Verpflichtungen aus § 113a TKG aus fachlicher Sicht in der HanseNet
Telekommunikations GmbH voraussichtlich geschaffen sein werden" findet eine
Rechtsgrundlage in § 115 Abs. 1 Satz 2 TKG.
Hiernach muss derjenige, der - wie vorliegend die Antragstellerin - nach § 115 Absatz 1
Satz 1 TKG im Wege einer Anordnung oder anderen Maßnahme zur Einhaltung der
Vorschriften des Teils 7 des Gesetzes verpflichtetet wurde, auf Anforderung der
Bundesnetzagentur die hierzu erforderlichen Auskünfte erteilen. Die Antragsgegnerin
stützt die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ausgesprochene
Aufforderung, ein Umsetzungskonzept vorzulegen, zwar nicht ausdrücklich auf Satz 2
der Vorschrift, sondern zieht hierfür ebenfalls § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG als
Ermächtigungsgrundlage heran. Dies ist jedoch unschädlich, weil beide Vorschriften auf
das gleiche Ziel gerichtet und an gleiche Voraussetzungen geknüpft sind.
27
Es sind auch keine sonstigen Rechtsfehler zu erkennen. Insbesondere hat die
Antragsgegnerin - anders als in der vorangehenden Anordnung vom 27. Januar 2009 -
das ihr im Rahmen des § 115 Abs. 1 TKG zustehende Entschließungs- und
Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt.
28
So hat sie nachvollziehbar dargelegt, dass die von ihr in Ziffer 1 getroffenen
Maßnahmen geeignet sind, das Ergebnis - die Durchsetzung der Speicherpflicht nach §
113a TKG - zu erreichen. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung wird auch darauf
eingegangen, dass die Einleitung eines Bußgeldverfahrens allein nicht geeignet ist, die
Einrichtung technischer Infrastruktur zu erzwingen. Damit hat die Antragsgegnerin ihr
Entschließungsermessen fehlerfrei ausgeübt.
29
Auch die Darlegungen zur Erforderlichkeit der getroffenen Anordnung sind rechtlich
nicht zu beanstanden. Denn die Antragsgegnerin führt hierzu auch nachvollziehbar aus,
dass sich die Antragstellerin beharrlich weigert, der Verpflichtung aus § 113a TKG
nachzukommen, was für die Arbeit der in § 113b TKG genannten zuständigen Stellen
nicht hinnehmbar sei. Insbesondere die Strafverfolgungsbehörden seien auf die
Mitwirkung der nach § 113a TKG Verpflichteten angewiesen. Ausnahmen sehe weder
die nationale Regelung noch die dieser zugrunde liegenden EU-Richtlinie vor.
Schließlich sind auch die Erwägungen der Antragsgegnerin zur Angemessenheit -
Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne - nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden.
30
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin lassen diese Erwägungen auch keine
Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
vermissen. Denn indem die Antragsgegnerin die Ausführungen des
Bundesverfassungsgerichts teilweise wörtlich übernimmt, macht sie sich diese
Ausführungen zu eigen und stellt deutlich heraus, dass das Bundesverfassungsgericht
sich nicht gehalten sah, den hier in Rede stehenden § 113a TKG - anders als § 113b
TKG - auch unter Berücksichtigung der mit der Speicherungspflicht verbundenen
Kostentragungspflicht der Telekommunikationsanbieter generell auszusetzen oder die
Übergangsregelung zu verlängern. Die Annahme, dass vor diesem Hintergrund der
bloße Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Oktober
2008 nicht geeignet ist, von der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung ausgenommen zu
werden, ist nicht ermessensfehlerhaft.
31
Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin auch berücksichtigt, ob und inwieweit es zu
Wettbewerbsverzerrungen durch den streitgegenständlichen Bescheid vor dem
Hintergrund kommen könnte, dass - derzeit - möglicherweise nicht alle
Telekommunikationsunternehmen ihrer Speicherpflicht nachkommen und einige
Unternehmen in Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin erfolgreich um
vorläufigen Rechtsschutz ersucht haben. In diesem Zusammenhang hat die
Antragsgegnerin umgekehrt darauf abgestellt, dass andere Mitbewerber der
Antragstellerin am Markt ihrer Speicherungsverpflichtung nach § 113a TKG
nachkommen. In diesem Zusammenhang macht sie sich - durch Zitierung - die
Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zu eigen, nach der eine Verlängerung
der Übergangsfrist diejenigen Anbieter benachteiligte, die im Blick auf die Gesetzeslage
bereits entsprechende Investitionen getätigt haben, und eine diesbezügliche
einstweilige Anordnung Wettbewerbsverzerrungen zur Folge haben könnte. Damit hat
sie den Umstand möglicher Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche
Behandlung der konkurrierenden Telekommunikationsunternehmen zum Gegenstand
ihrer Erwägungen gemacht, wobei sich die von ihr getroffene Gewichtung auch
deswegen nicht als ermessensfehlerhaft erweist, weil sie auch darauf hinweist, dass sie
gegen alle anders lautenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin
Beschwerde eingelegt hat. Damit kann ihr nicht entgegengehalten werden, dass sie die
dadurch eingetretenen möglichen Wettbewerbsverzerrungen „klaglos" hinnimmt und
einzelne Unternehmen - im Gegensatz zu anderen - stärker belastet.
32
Auch die in Ziffer 2 der streitgegenständlichen Anordnung enthaltene
Zwangsgeldandrohung für den Fall, dass die Antragstellerin die Frist zur Vorlage des
Umsetzungskonzepts verstreichen lässt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die
Befugnis der Antragsgegnerin zur Androhung des Zwangsgeldes ergibt sich aus § 115
Abs. 2 TKG in Verbindung mit §§ 7, 13 VwVG. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 VwVG kann
der Pflichtige bei einer Handlung, die durch einen anderen nicht vorgenommen werden
kann und nur vom Willen des Pflichtigen abhängt, zur Vornahme der Handlung durch
ein Zwangsgeld angehalten werden. Die gesetzliche Verpflichtung der Antragstellerin
aus § 113a TKG setzt konzeptionelle und planerische Vorarbeiten zwingend voraus, die
nur von der Antragstellerin vorgenommen werden können und die nur vom Willen der für
das Unternehmen handelnden Personen abhängen. Die Festsetzung eines
Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Verpflichtungen aus § 113a TKG sieht § 115 Abs.
2 Nr. 1 TKG ausdrücklich vor. Das der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang
zustehende Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt.
33
Spricht damit insgesamt auch viel dafür, dass die streitgegenständliche Anordnung auf
der Grundlage des § 115 Abs. 1 i.V.m. § 113 a TKG rechtlich nicht zu beanstanden sein
wird, so sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin und einer ggf.
nachfolgenden Klage gleichwohl als offen anzusehen. Dies folgt daraus, dass die
Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung
derzeit noch Gegenstand von Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR
256/08, 1 BvR 263/08 und 1 BvR 586/08) ist und in diesen Verfahren zu überprüfen sein
wird, „ob und unter welchen Voraussetzungen eine anlasslose, umfassende und zu den
in § 113b TKG vorgesehenen Zwecken erfolgende Vorratsspeicherung von sensiblen
Daten, deren Erhebung durch staatliche Stellen in Art. 10 GG eingreift, ... mit dem
Grundgesetz vereinbar ist",
34
BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 - 1 BvR 256/08, Rdnr. 138.
35
Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass sich in diesen Verfahren - ganz
oder teilweise - die Verfassungswidrigkeit des § 113 a TKG, der maßgebliche
Grundlage der hier streitigen Verfügung des Antragsgegners ist, erweisen und die
Verfügung aus diesem Grunde aufzuheben sein wird.
36
Eine vertiefte verfassungsrechtliche Prüfung durch das erkennende Gericht würde den
Rahmen des vorliegenden summarischen Verfahrens bei Weitem überschreiten und im
Übrigen auch die Unwägbarkeit bezüglich des Ausgangs der
Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht beseitigen
können. Dem Gericht drängt sich die Verfassungswidrigkeit des § 113 a TKG auch nicht
in einer Weise auf, dass bereits jetzt absehbar wäre, dass es einen Rechtsstreit zur
Hauptsache gem. Art. 100 GG auszusetzen und eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts einzuholen hätte.
37
Die bei dieser Sachlage erforderliche Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse
daran, dass die Antragstellerin ihre bestehende gesetzliche Pflicht zur
Vorratsdatenspeicherung erfüllt, und dem privaten Interesse der Antragstellerin daran,
vorerst die dafür erforderlichen Investitionen nicht tätigen zu müssen, fällt zu Lasten der
Antragstellerin aus. Es liegen keine Umstände vor, die ein Abweichen von der
Regelanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 137 Abs. 1 TKG, der zufolge
Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen der Antragsgegnerin keine aufschiebende
Wirkungen haben, erforderlich machen würden. Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift
des § 137 Abs. 1 TKG zum Ausdruck gebracht, dass bei Entscheidungen der
Bundesnetzagentur grundsätzlich ein vorrangiges Interesse an der sofortigen
Vollziehung besteht. Ein überwiegendes Aussetzungsinteresse der Antragstellerin ist
vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht hinreichend
dargelegt, dass ihr durch die vorliegende Anordnung schwere und unzumutbare
Nachteile entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet wird.
38
Würde sich im Hauptsacheverfahren die Speicherungspflicht nach § 113a TKG als nicht
verfassungsgemäß erweisen, so wären die finanziellen Aufwendungen, die die
Antragstellerin für die Einrichtung der technischen Voraussetzungen für die
Vorratsdatenspeicherung aufbringen musste, nutzlos, wobei allerdings im Rahmen der
Abwägung nur solche Aufwendungen Berücksichtigung finden können, die durch die
vorliegende Anordnung bedingt sind. Im Hinblick darauf sind schon die Angaben der
Antragstellerin zu ihren wirtschaftlichen Nachteilen nicht frei von Ungereimtheiten bzw.
Widersprüchen, so dass es dem Gericht schon nicht möglich ist, den denkbaren
wirtschaftlichen Schaden zuverlässig zu beurteilen.
39
Nach ihren Angaben in der Antragsschrift belaufen sich die Kosten für die Einrichtung
der notwendigen technischen Voraussetzungen zur Erfüllung der
Vorratsdatenspeicherungsverpflichtung insgesamt auf ca. 000.000 Euro, zu denen die
Antragstellerin jährliche Personalkosten in Höhe von ca. 00.000 Euro für den
zusätzlichen Aufgabenbereich der Vorratsdatenspeicherung hinzurechnet. Aus der der
Antragsschrift beigefügten eidesstattlichen Versicherung ihres Direktors „H. B. & Q. „
vom 29. Januar 2009 ergibt sich allerdings, dass die Antragstellerin einen erheblichen
Teil dieser Investitionen ohnehin schon aufgewendet hat, so dass der von ihr in der
Antragschrift bezeichnete Gesamtkostenaufwand nicht in voller Höhe ursächlich auf den
streitgegenständlichen Bescheid zurückzuführen ist. Im vorletzten Absatz der genannten
eidesstattlichen Versicherung wird dazu nämlich ausgeführt, dass die Antragstellerin
zunächst damit begonnen hatte, die technischen Voraussetzungen für die
40
Vorratsdatenspeicherung zu schaffen, die technische Umsetzung sodann aber aufgrund
der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung und der von ihr angenommenen
Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen eingestellt
worden sei. Die Durchführung der noch ausstehenden technischen Maßnahmen würde
hiernach (nur) noch Kosten in Höhe von 000.000 Euro verursachen.
Aber selbst wenn von einem Betrag von 000.000 Euro auszugehen wäre, ist nicht
dargetan oder sonst ersichtlich, dass die Antragstellerin durch diese - möglicherweise
nutzlosen - Aufwendungen in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten oder gar in ihrer
wirtschaftlichen Existenz nachhaltig beeinträchtigt bzw. gefährdet wäre. Insoweit kommt
es auch nicht entscheidend darauf an, ob die Antragstellerin bei einem Vollzug der
Regelung und einem späteren rechtskräftigen Obsiegen im Hauptsacheverfahren nach
geltendem Recht Schadensersatz verlangen oder anderweitigen Ersatz, z.B. durch die
Überwälzung der Kosten auf ihre Kunden erlangen könnte.
41
Den nicht eindeutig dargelegten finanziellen Belastungen der Antragstellerin stehen
gewichtige Gemeinwohlinteressen an einer effektiven Strafverfolgung gegenüber.
Kommt die Antragstellerin ihren derzeit bestehenden und rechtswirksamen
Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung aus § 113 a TKG nicht nach, stehen
Daten zur Aufgabenerfüllung im Bereich der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und
des Verfassungsschutzes nicht bereit. Erweist sich die Regelung des § 113a TKG
später als verfassungsgemäß, so kann der Nichtvollzug der Vorratsdatenspeicherung zu
erheblichen Nachteilen für die Allgemeinheit führen. Denn dann unterblieben
verfassungsrechtlich zulässige Datenspeicherungen, wodurch sich unter Umständen
erhebliche Gefahren verwirklichen können, die mit Hilfe der erhobenen Daten
womöglich rechtzeitig hätten abgewehrt werden können. Damit würde nicht nur
verhindert, dass bereits eingetretene Rechtsverletzungen aufgeklärt und sanktioniert
werden können, sondern auch eine effektive Gefahrenabwehr erschwert. Dieser
Nachteil wiegt auch deswegen besonders schwer, weil dadurch nicht nur nationale
Interessen der Bundesrepublik Deutschland berührt werden, sondern auch die mit der
„Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März
2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich
zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher
Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden" beabsichtigte Harmonisierung
der Einführung und Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in den Mitgliedstaaten der
EU - zumindest teilweise - konterkariert würde, wenn hingenommen würde, dass
einzelne Unternehmen der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung vorerst nicht
nachkommen.
42
Diesen gewichtigen Gemeinwohlinteressen kann die Antragstellerin auch nicht den
Umstand entgegensetzen, dass gegen die vermeintlich strafrechtlich verantwortlichen
Personen in ihrem Hause die Einleitung eines Strafverfahrens angedroht wurde, das
seine Wurzeln ebenfalls in der streitigen Vorratsdatenspeicherungspflicht bzw. dem
Verstoß hiergegen hat. Denn ob es zu einem solchen Strafverfahren kommen wird, liegt
allein im Verantwortungsbereich der handelnden Personen und hat mit dem
vorliegenden Verfahren unmittelbar nichts zu tun.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Die
Antragstellerin hat in ihrer Antragsschrift unter Ziffer III. ihr wirtschaftliches Interesse am
45
Ausgang des vorliegenden Verfahrens in dieser Höhe beziffert.