Urteil des VG Köln vom 21.08.2006

VG Köln: bundesamt für migration, politische verfolgung, ruanda, regierung, veranstaltung, asylbewerber, repressalien, gefahr, bad, flucht

Verwaltungsgericht Köln, 5 K 5590/04.A
Datum:
21.08.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 5590/04.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
T a t b e s t a n d :
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Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Staatsangehöriger Ruandas. Seinen Angaben
zufolge reiste er im Oktober 2003 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit dem
sodann gestellten Asylantrag wurde schriftlich und im Rahmen der Vorprüfung beim
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) geltend gemacht: Er sei Hutu und
habe Probleme bekommen, weil er im Juli und August 2003 anlässlich der
Präsidentschaftswahlen - diese habe der damals bereits amtierende Präsident Paul
Kagame gewonnen - den Gegenkandidaten von Kagame, Faustin Twagiramugu,
unterstützt habe. Auch sein Vater und die ganze Familie habe dem Gegenkandidaten
mit finanziellen Mitteln, Wahl-Propaganda etc. geholfen. Wahlbeobachter der
amtierenden Regierung hätten alle Personen - so auch ihn - registriert, die den
Gegenkandidaten gewählt hätten. Nach den Wahlen, die am 25. August 2003
stattgefunden hätten, sei sein Vater am 15. September 2003 verhaftet worden. Nachdem
am nächsten Tag alle die hätten festgenommen werden sollen, die - wie er - Plakate
aufgehängt hätten, hätte man seine Mutter bedroht, damit sie seinen (Klägers)
Aufenthaltsort verrate. Er sei deshalb geflohen und ausgereist. Seine Eltern hätten in der
Region Cyangugo gelebt.
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Mit Bescheid vom 19. Juli 2004 lehnte die Beklagte den Asylantrag ab und stellte fest,
dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 des früheren Ausländergesetzes
(AuslG) nicht vorlägen. Die Abschiebung nach Ruanda wurde angedroht.
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Mit der am 29. Juli 2004 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Es
wird auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen und ergänzend
ausgeführt, er sei in Deutschland exilpolitisch tätig. Er arbeite für die oppositionelle RDR
(mit Sitz in Belgien), Sektion Deutschland. Am 3. Dezember 2005 habe er in Bonn-Bad
Godesberg (Stadthalle) an einer Veranstaltung dieser Organisation teilgenommen,
welche er durch Verteilen von Einladungen, Transport von Möbeln (Stühlen),
Hereintragen von Essen und dergleichen mitvorbereitet habe. Die Veranstaltung sei von
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einem Mitarbeiter des ruandischen Geheimdienstes, der Zuhörer der Versammlung
gewesen sei, beobachtet worden. Hieraus ergebe sich eine besondere Gefährdung. Der
Geheimdienstmitarbeiter habe auch in der Botschaft Ruandas gearbeitet.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juli 2004 zu verpflichten, ihn als
Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des §
60 Abs. 1 - 7 AufenthG bezüglich Ruanda vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie nimmt auf die Gründe des angefochtenen Bescheides Bezug.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug
genommen.
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Die Erkenntnisse der Kammer zum Herkunftsland Ruanda wurden zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2004 ist rechtmäßig.
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Der Kläger kann weder die Gewährung von Asyl noch von Abschiebungsschutz gemäß
§ 60 AufenthG beanspruchen. Nach dem durch den Zufluchtgedanken geprägten, also
auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung-Flucht-Asyl beruhenden normativen Leitbild
des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender asylberechtigt ist,
unterschiedliche Maßstäbe je nach dem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor
eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat, oder ob
er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist. Im ersten Fall ist Asyl zu
gewähren, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher
sein kann. Andernfalls kann ein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn dem Asylbewerber
bei seiner Rückkehr politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Gleiches gilt für § 60 Abs. 1 AufenthG.
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Vorliegend kann offenbleiben, ob der Kläger tatsächlich das im Einzelnen geschilderte
Schicksal erlebt hat. Denn er ist nach Überzeugung des Gerichts im Falle der Rückkehr
in die Heimat hinreichend sicher vor (erneuter) Verfolgung. Bei Anlegung dieses sog.
herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes ist zu berücksichtigen, dass die bloße
theoretische Möglichkeit, Opfer eines (erneuten) Übergriffs zu werden, für die Bejahung
einer Verfolgungsgefahr nicht ausreicht. Erst Recht setzt die Verneinung einer
Verfolgungsgefahr nach dem genannten Maßstab nicht voraus, dass die Gefahr erneuter
Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden
kann. Nach diesen Maßstäben ist Asyl bzw. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1
AufenthG zu versagen. Bei den geschilderten Ereignissen handelte es sich eindeutig
um situationsgebundene Geschehnisse im Rahmen der Wahlen von Sommer 2003,
welche keine Wiederholungsträchtigkeit in sich bergen. Eine aktuelle
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Gefährdungssituation kann ausgeschlossen werden. Zwar hatte der Kläger damals
einen Gegenkandidaten von Paul Kagame unterstützt. Nachdem letzterer aber 2003
gewählt worden war und seine Machtstellung innerhalb der letzten 3 Jahre weiter
festigen konnte, können aktuelle Repressalien gegen den Kläger ausgeschlossen
werden, zumal er keine besonders bedeutsamen Unterstützungsleistungen für den
Gegenkandidaten des damaligen und auch heutigen Präsidenten Kagame erbracht
hatte. Eine Gruppenverfolgung von Hutu findet in Ruanda nicht statt, obwohl Präsident
Kagame Tutsi ist.
Eine Gefährdungssituation ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die geltend gemachten
Nachfluchtgründe. Die von Klägerseite vorgetragene exilpolitische Betätigung in der
RDR erscheint nicht derart gewichtig, dass mit staatlichen Repressalien im Falle der
Rückkehr in das Heimatland zu rechnen wäre. Hierbei ist auch von Bedeutung, dass es
dem Regime in Ruanda durchaus bekannt ist, dass die sich außerhalb des Landes
aufhaltenden ruandischen Asylbewerber alles unternehmen, um ein dauerhaftes
Bleiberecht in Europa zu erlangen. Nur dann, wenn Asylbewerber Aktivitäten entfaltet
haben, die den ruandischen Regierungsstellen bekannt geworden sind und die von
diesen als Ausdruck einer ernstzunehmenden Gegnerschaft angesehen werden, weil
sie den Bestand der Regierung gefährden könnten oder jedenfalls als geeignet
erschienen, die Regierung in der inländischen oder ausländischen Öffentlichkeit in
erheblichen Mißkredit zu bringen, besteht möglicherweise eine Verfolgungsgefahr. Die
vorliegend vorgetragenen Aktivitäten lassen nicht den Schluß zu, dass der Kläger in den
Augen des ruandischen Regimes als ernstzunehmender Gegner angesehen werden
könnte. Seine Aktivitäten in der RDR beschränken sich auf untergeornete Leistungen im
organisatorischen Bereich (siehe die Beiträge des Klägers zur Durchführung der
Veranstaltung vom 3. Dezember 2005 in Bonn-Bad Godesberg). Selbst wenn die
Anwesenheit des Klägers in dieser Veranstaltung von Exilruandern einem anwesenden
Mitarbeiter des ruandischen Geheimdienst bekannt gewesen sein sollte, wäre
angesichts der ihr untergeordneten Bedeutung der klägerischen exilpolitischen
Aktivitäten nicht mit Repressalien zu rechnen. Der Kläger hat bei der RDR kein
Parteiamt höheren Ranges, so dass kein Zugriffsinteresse der ruandischen Regierung
besteht. Dass er „überzeugter Gegner der heutigen ruandischen Regierung" ist (vgl.
Bescheinigung der RDR vom 21. August 2006) reicht für eine Gefährdungssituation
nicht aus.
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Dem Kläger ist auch kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG
zuzubilligen. Insbesondere kann kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG
beansprucht werden. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines
Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer
eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Vorliegend
drohen dem Kläger lediglich die Gefahren, die der Bevölkerung in seinem Heimatland
Ruanda angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Lage allgemein drohen (vgl. §
60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Ein Abschiebungsschutz nach der genannten Vorschrift
käme daher nur dann in Betracht, wenn eine „extreme Gefahrenlage" bestünde. Es ist
aber davon auszugehen, dass der gesunde Kläger durchaus in der Lage ist, an den im
Heimatland vorhandenen Überlebensstrategien teilzunehmen und sich dass zum Leben
Notwendige zu beschaffen. Dies gilt selbst für den Fall, dass keine Verwandten mehr in
Ruanda leben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Der
Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
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