Urteil des VG Köln vom 10.03.2000

VG Köln: treu und glauben, rate, verzinsung, missverhältnis, irrtum, rückzahlung, anknüpfung, rechtsgrundlage, verzicht, widerspruchsverfahren

Verwaltungsgericht Köln, 21 K 4275/99
Datum:
10.03.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
21. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 K 4275/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Tatbestand
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Mit Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 03.05.1994 stellte das Bun-
desverwaltungsamt die Höhe des der Klägerin aus Mitteln der Ausbildungsförderung
gewährten Darlehens mit 48.611,00 DM fest und verlangte die Rückzahlung in vier-
teljährlichen Raten von 609,00 DM ab dem 31.12.1994. Der Bescheid enthält unter
anderem den Hinweis auf die Regelung des § 11 Abs. 2 DarlehensV, nach der die
Rückzahlung grundsätzlich im Lastschrifteinzugsverfahren vorgenommen werden solle.
Mit Bescheid vom 11.06.1996 stellte das Bundesverwaltungsamt die Klägerin für die
Zeit vom 01.10.1994 bis einschließlich 30.09.1997 von der Rückzahlungsver- pflichtung
frei unter Darstellung des geänderten Tilgungsplanes, wonach die erste vierteljährliche
Rate in Höhe von 609,00 DM am 31.12 1997 zu zahlen sei.
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Die Klägerin zahlte die erste vierteljährliche Rate in Höhe von 609,00 DM am
16.12.1997. Im April, Juli und September 1998 zahlte sie jeweils nur 600,00 DM. Mit
Zinsbescheid vom 05.11.1998 erhob die Beklagte 6% Zinsen in Höhe von 702,03 DM
auf den Darlehensrestbetrag von 46.802,00 DM für die Zeit vom 30.06. bis 30.09.1998.
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Ihren Widerspruch hiergegen begründete die Klägerin damit, dass sie am 28.09.1998
die Darlehensrate angewiesen habe, und fügte einen Kontoauszug bei, der eine
Überweisung von 600,00 DM an die Bundeskasse auswies.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.1998 wies das Bundesverwaltungsamt den
Widerspruch zurück mit der Begründung, die Zinsen müssten nach § 18 Abs. 2 BA- föG
i.V.m. § 8 DarlehensV erhoben werden, weil die Klägerin den im Feststellungs- und
Rückzahlungsbescheid angegebenen Zahlungstermin um mehr als 45 Tage ü-
berschritten habe. Die Klägerin habe im April, Juli und September 1998 jeweils nur
600,00 DM überwiesen und sei somit mit jeweils 9,00 DM in Rückstand geraten. Der
Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin, nach Rücklauf einer niedergelegten Ein-
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schreibsendung und Ermittlung der - unveränderten - Anschrift, am 19.02.1999 zuge-
stellt. Klage wurde insoweit nicht erhoben.
Mit weiterem Zinsbescheid vom 06.02.1999, der Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens ist, erhob die Beklagte Zinsen in Höhe von 693,03 DM auf den Darle-
hensrestbetrag von 46.202,00 DM für die Zeit vom 30.09. bis 31.12.1998.
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In ihrem Widerspruch hiergegen führte die Klägerin aus, dass sie inzwischen den noch
offenen Ratenbetrag von 636,00 DM getilgt habe. Zwar treffe es zu, dass sie die zum
31.03., 30.06. und 30.09.1998 zu zahlenden Raten irrtümlich nur in Höhe von 600,00
DM gezahlt habe. Zu berücksichtigen sei aber, dass die Mahnungen vom 20.04., 20.07.
und 19.10.1998 nicht geeignet gewesen seien, den Irrtum über die zu geringe
Überweisung aufzuklären. Ein Hinweis, der in einem Begleitschreiben oder einem
Telefonat hätte erfolgen können, dass tatsächlich monatlich 203,00 DM zu zahlen seien,
hätte die Angelegenheit leicht regeln können. Auch der Zinsbescheid vom 05.11.1998
enthalte keinen Hinweis darauf, dass sie lediglich monatlich 3,00 DM zu wenig
überwiesen habe. Erst im Widerspruchsbescheid vom 24.11.1998, der ihr am
18.02.1999 zugestellt worden sei, habe sie eine nachvollziehbare Begründung für den
Zahlungsrückstand erhalten.
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Die Erhebung von Zinsen sei vorliegend rechtswidrig. Aus ihrem Verhalten sei
erkennbar geworden, dass sie willens und in der Lage sei, ihren Zahlungsverpflich-
tungen pünktlich nachzukommen. Die harte Sanktion des § 18 Abs. 2 BAföG sei
keinesfalls zu dem Zweck eingeführt worden, bei lediglich äußerst geringen
Tilgungsrückständen die gesamten noch offenen Restschulden zu verzinsen. Die
vorliegende Verfahrensweise widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und
damit dem Rechtsstaatsprinzip.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.1999 wies das Bundesverwaltungsamt den
Widerspruch der Klägerin unter Berufung auf die gesetzliche Regelung zurück.
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Am 29.05.1999 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf
ihr Ausführungen im Widerspruchsverfahren.
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Die Klägerin beantragt,
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den Zinsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 06.02.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 06.05.1999 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie weist darauf hin, dass bei der Erhebung von Zinsen Verschul- densgesichtspunkte
keine Rolle spielten. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sei zu berücksichtigen,
dass beim Honnefer Modell, dem Vorgänger der Förderung nach dem BAföG, für den
Fall des Zahlungsrückstandes der Eintritt der Fälligkeit des gesamten Darlehens
vorgesehen gewesen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
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der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann durch den Berichterstatter als Einzelrichter, dem der Rechtsstreit mit
Beschluss vom 16.12.1999 zur Entscheidung übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO)worden ist,
ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit
einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist sachlich nicht begründet.
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Rechtsgrundlage für den angefochtenen Zinsbescheid ist § 18 Abs. 2 Satz 2 BAföG.
Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass die dort normierten
Voraussetzungen für die Verzinsung vorliegend erfüllt sind und die Zinsen rechnerisch
zutreffend ermittelt worden sind.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aber auch unter den von ihr angeführten
Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit, des Rechtsstaatsprinzips, des
Willkürverbotes oder des Grundsatzes von Treu und Glauben die Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Zinsbescheides nicht in Zweifel gezogen werden. Dieser Einwand, der
sich letztlich auf ein Missverhältnis zwischen dem nur geringen Teilbetrag von monatlich
3,00 DM, der versehentlich nicht bezahlt worden ist, und der Gesamtrate von 203,00 DM
bezieht, verkennt die hier zu beachtende rechtliche Gesamtsituation, die dadurch
gekennzeichnet ist, dass nach § 11 Abs. 2 Satz 1 DarlehensV das
Lastschrifteinzugsverfahren vorgesehen ist und dass ein Darlehensnehmer, der sich,
ohne dass möglicherweise die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 DarlehensV
vorliegen, dem nicht anschließt, jedenfalls auf eigenes Risiko handelt. Die unpräzise
Wahrnehmung der Höhe der geschuldeten Rückzahlungsrate kann vor diesem
Hintergrund unter keinem Gesichtspunkt zu Lasten der Beklagten gehen.
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Ein Verzicht auf die gesetzlich vorgesehene Verzinsung des Darlehens kann auch nicht
aus den der Vorschrift des § 8 Abs. 4 Satz 2 DarlehensV zugrunde liegenden
Erwägungen abgeleitet werden. Danach treten die Rechtsfolgen, d.h. die Erhebung von
Zinsen nach § 18 Abs. 2 BAföG, nicht ein, solange der Bescheid dem Darlehensnehmer
aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht zugegangen ist. Materiell gesehen soll
durch die Regelung in § 8 Abs. 4 Satz 2 DarlehensV dem Prinzip der Belehrungspflicht
gemäß § 14 SGB I und dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu
und Glauben entsprochen werden. Anders als im Fal- le des fehlenden Zuganges des
Feststellungs- und Rückzahlungsbescheides ist aber ein hier zu betrachtender Irrtum
der Darlehensnehmerin über die Höhe der monatlichen oder vierteljährlichen
Rückzahlungsrate zu werten. Denn hier handelt es sich um einen sich allein in der
Sphäre der Klägerin abspielenden Vorgang, den diese zu vertreten hat und dessen
Folgen deshalb auch von ihr hinzunehmen sind. Eine besondere Verpflichtung, bei
unvollständigen Zahlungseingängen nach deren Grund und nach der subjektiven
Haltung des Zahlungspflichtigen zu forschen und die Angabe über die Höhe der zu
zahlenden Rate zu wiederholen, kann nicht angenommen werden und dürfte angesichts
der hier vorliegenden Massenverwaltung auch nicht möglich sein.
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Das Missverhältnis zwischen rückständigen Zahlungen und Zinslast wegen der
Anknüpfung der Zinsen an die Darlehensrestschuld und nicht an den ausstehenden
Betrag ist wegen des Zweckes der Regelung des § 18 Abs. 2 BAföG, die
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Rückzahlungsphase ungestört abzuwickeln, gewollt und nicht zu beanstanden. In
diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Störung der Rückzahlungs-
phase durch verspätete und/oder unvollständige Zahlung sich für die Dauer des
Verzugs darauf beschränkt, dass der besondere Vorteil des Darlehensnehmers,
Schuldner eines unverzinslichen Darlehens zu sein, entfällt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO.
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