Urteil des VG Köln vom 29.04.2010

VG Köln (kläger, waffen und munition, wohnung, munition, vater, ablauf der frist, training, aufschiebende wirkung, pistole, tresor)

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 7833/08
Datum:
29.04.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 7833/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110% des insgesamt vollsteckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110%
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
T a t b e s t a n d
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Dem Kläger wurden in den Jahren 1991 bis 2004 insgesamt fünf Waffenbesitzkarten als
Sportschütze ausgestellt, auf denen verschiedene Kurz- und Langwaffen eingetragen
sind.
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Unter dem 06.05.2004 beantragte er eine sprengstoffrechtliche Genehmigung nach § 27
SprengG für 10 kg Schwarzpulver und 5 kg Nitropulver. Dabei wurde angegeben, dass
das Nitropulver zum Laden und Wiederladen von Patronenhülsen und das
Schwarzpulver zum Laden von Vorderladerwaffen und zum Laden und Wiederladen von
Patronenhülsen benötigt würden. Unter der Rubrik "Angaben zur Aufbewahrung kleiner
Mengen von Treibladungspulver" war angegeben, dass die Aufbewahrung im
Einfamilienhaus seines Vaters I. N. in O. , und zwar dort in einem Kellerraum
(Waschküche) erfolgen solle. Des Weiteren wurden dort Angaben über die
Beschaffenheit des fraglichen Raumes sowie des Behältnisses gemacht, in dem das
Pulver verwahrt werden sollte. Unter dem 13.05.2004 wurde eine entsprechende
Erlaubnis erteilt. Als Wohnanschrift des Klägers ist angegeben B. C. Straße ., ..... L. .
Unter Auflagen heißt es: 1. Ein Wohnungswechsel ist mir unverzüglich anzuzeigen. 2.
Die Treibladungspulver sind entsprechend der Sprengstofflager-Richtlinie - SprengLR
410 aufzubewahren. Hinweis: Aufbewahrungsort ist bei den Eltern I. N. , M.---straße ..,
..... O. . Die Gültigkeit der Erlaubnis war befristet bis zum 13.05.2009. In der
Erlaubnisurkunde ist in der Rubrik "Lieferbescheinigungen" der Erwerb von insgesamt
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3254 g Nitropulver und 2000 g Schwarzpulver eingetragen (Erwerbszeitraum
26.05.2004 - 09.10.2007).
Im Rahmen eines anderweitigen Ermittlungsverfahrens kam es am Montag, den
28.04.2008, zu einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers. Gemäß
Durchsuchungsbericht der Abteilung ZA 312 des Beklagten befanden sich in einem
Raum von der Größe ca. 6 x 2,5 m verteilt diverse Taschen, in welchen sich Kurzwaffen
befanden sowie drei nicht verschlossene Futterale mit Langwaffen. Auf einem Tisch
befand sich eine Wiederladestation, die mit Pulver befüllt war. Des Weiteren lagen dort
lose Munition und Munitionsschachteln diverser Kaliber, Bullets und Hülsen. Gemäß
Asservatenliste wurden 8 Kurzwaffen und 3 Langwaffen asserviert, wobei es sich bei
einer Pistole um eine solche des Vaters des Klägers handelte. Des Weiteren befand
sich in dem Raum Treibladungspulver, das von Beamten des LKA sichergestellt wurde.
Gemäß der endgültigen Asservatenliste des LKA vom 02.05.2008 wurden insgesamt
1121 g Schwarzpulver und 2235 g NC-Pulver sichergestellt sowie 196 Anzündhütchen.
In dem genannten Bericht heißt es, im gesamten Raum sowie in der Wohnung habe
kein Tresor festgestellt werden können. Der Kläger habe nach erfolgter Belehrung
erklärt, dass er auch keinen Tresor besitze. Waffen, Munition sowie das
Treibladungspulver würden sich normalerweise bei seinem Vater I. N. in O. befinden. Er
habe die Waffen nur deswegen in seiner Wohnung, weil er heute Abend zum Schießen
gehen würde. Der Raum sei bei Eintreffen der Polizei nicht abgeschlossen gewesen,
weil er gerade die Waffen geputzt habe. In seinem Haushalt wohne er mit seiner
Ehefrau und seiner neunjährigen Tochter. Auch bezüglich des Treibladungspulvers
habe der Kläger erklärt, dass er dieses normalerweise bei seinem Vater in O.
aufbewahren würde.
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Mit Schreiben vom 29.04.2008 machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers
gegenüber dem Beklagten geltend, ein Grund für die Sicherstellung von Waffen,
Munition und Pulver sei nicht zu erkennen. Der Kläger sei anwesend gewesen; selbst
wenn die Waffen während seiner Anwesenheit nicht verschlossen gewesen seien, was
auch nicht erforderlich sei, rechtfertige dies nicht die Annahme eines Verstoßes gegen §
36 WaffG. Die Waffen seien bereitgestellt gewesen, um sie teilweise mit zum Schießen
zu nehmen. Soweit die Waffen im Eigentum des Schießsportvereins oder anderweitiger
Personen stünden, werde er diese bitten, ihr Eigentum herauszuverlangen. Im Übrigen
beantrage er die Herausgabe der genannten Gegenstände an den Kläger. Mit
Schreiben vom 07.05.2008 wandte der Prozessbevollmächtigte sich an Herrn Schäfer
(ZA 312 des Beklagten), der an der Wohnungsdurchsuchung teilgenommen hatte. Die
Schusswaffen seien im Regelfall ordnungsgemäß in Tresoren verwahrt. Herr T. sei erst
zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der laufenden Hausdurchsuchung in die
Wohnung gekommen, als die Schusswaffen natürlich unverschlossen dort gelegen
hätten. Grund dafür sei zum einen die laufende Durchsuchung gewesen, zum anderen
aber auch die Tatsache, dass der Kläger diese Schusswaffen mit zum Schießtraining
habe nehmen wollen und diese gereinigt und bereitgelegt habe. Diese
Ausnahmesituation stelle nicht die normale Unterbringung der Schusswaffen dar.
5
Am 04.06.2008 übersandte die Kreispolizeibehörde Viersen eine Erklärung des Vaters
des Klägers vom 19.05.2008, in der es heißt: Die Waffen meines Sohnes L1. -Q. N.
bewahre ich in meinem Haus auf der M.---straße 33 in O. auf. Entsprechende
Waffenschränke sind vorhanden. Nachweise sind geführt. Am 26.04.2008 habe ich
meinem Sohn auch die in meiner Waffenbesitzkarte eingetragene Pistole Walther Nr.
126611 vorübergehend zum sportlichen Schießen überlassen. Zur Zeit befinden sich
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keine Waffen meines Sohnes bei mir zu Hause. Üblicherweise bringt er mir die Waffen
sofort nach Abschluss der Schießsportveranstaltungen zurück.
Am 29.05.2008 teilte ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes des Kreises Viersen (N1. T1. )
dem OB L. mit, er habe am selben Morgen den Vater des Klägers zu Hause aufgesucht.
Dieser habe angegeben, dass er keinerlei Treibladungspulver in seinem Hause
aufbewahre. Es sei zwar von seinem Sohn so angedacht, jedoch nie umgesetzt worden.
Er selbst sei in dem örtlichen Schießverein, habe jedoch nur eine Pistole für seinen
Sohn in Verwahrung gehabt, diese sei stets in einem ordentlichen Waffenschrank
verschlossen aufbewahrt worden. Wegen dieser Pistole habe es jedoch
Schwierigkeiten gegeben, weshalb er auf der Polizeistation der Kreispolizeibehörde
Viersen gewesen sei und dort bei einem Herrn T2. eine entsprechende Aussage
gemacht habe.
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Mit Schreiben vom 10.07.2008 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem
Beklagten mit, dass der Kläger in seiner Wohnung nur die Luftdruckwaffen verwahre.
Diese würden in Koffern in einem Schrank im Arbeitszimmer aufbewahrt, Koffer und Tür
des Arbeitszimmers seien verschlossen, wenn der Kläger nicht anwesend sei. Die
Lang- und Kurzwaffen des Klägers mit Ausnahme der erlaubnisfreien Vorderladerpistole
seien in der Wohnung des Vaters in Viersen gelagert. Die Langwaffen befänden sich
dort in einem A-Schrank, die Kurzwaffen in einem B-Innenfach. Den Schlüssel für den
A-Schrank habe allein der Kläger. Dieser sei außerdem Wiederlader. Das
Schwarzpulver bewahre er nicht in der Wohnung auf, sondern in einem im Bereich der
Loggia seiner Wohnung angedübelten Tresor. Das Nitropulver werde im Keller der
Wohnung seines Vaters ebenfalls in einem an der Wand befestigten Tresor aufbewahrt.
Inzwischen besitze der Kläger auch einen Stahlschrank der Stufe B für die Kurzwaffen;
für die Langwaffen stehe ein A-Schrank zur Abholung bereit. Die Aufbewahrung in den
Räumlichkeiten des Vaters halte er für besser, da die Wohngegend des Klägers nicht
als besonders sicher anzusehen sei und er keine Waffen in seiner Wohnung haben
wolle, mit Ausnahme der genannten Waffen. Am Durchsuchungstage habe eine
Sondersituation vorgelegen. Der Kläger habe die sonst immer in den Schränken seines
Vaters befindlichen Waffen am Sonntag dort abgeholt und in seine Wohnung verbracht,
weil er am Montag (28.04.2008) zum Schießtraining habe fahren wollen. Deshalb habe
er auch das Nitropulver von dort mitgenommen, um Munition wiederzuladen. Mit dieser
Tätigkeit habe er sich die ganze Nacht auf Montag bis zur Hausdurchsuchung
beschäftigt. Deshalb habe sich auf der Werkbank auch die Vorrichtung zum Herstellen
von Munition mit entsprechendem Zubehör befunden; des Weiteren hätten sich deshalb
auch die Lang- und Kurzwaffen in seinem Arbeitszimmer befunden, denn nach
Abschluss der Wiederladetätigkeit wäre er mit den wiedergeladenen Patronen zum
Schießtraining gefahren. Die Annahme, Waffen, Munition und Pulver würden immer in
der im Moment der Durchsuchung angetroffenen Weise verwahrt, sei deshalb
unzutreffend. Auch der Vorwurf, der Kläger habe "deutlich zu viel" Sprengstoff in seiner
Wohnung in einem bewohnten Raum gelagert, entbehre jeder Grundlage. Es habe
keine Lagerung stattgefunden, sondern der Kläger habe das Pulver lediglich verwendet,
um Patronen zu befüllen. Deswegen habe es zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung der
Allgemeinheit gegeben.
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Mit Schreiben vom 16.09.2008 gab der OB L. dem Kläger Gelegenheit, zum
beabsichtigen Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis Stellung zu nehmen. Dazu
teilte sein Prozessbevollmächtigter mit Schreiben vom 02.10.2008 mit, die im
Anhörungsschreiben angegebene Menge Treibladungspulver von 5,8 kg sei für ihn
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nicht nachvollziehbar. Die Angabe des Klägers, dass sich in seiner Wohnung kein
Tresor für das Pulver befinde, sei zutreffend. Ein entsprechender Tresor befinde sich
außen liegend auf der Loggia. Die Annahme, dass in unbewohnten Räumen bei einer
Zusammenlagerung von Schwarzpulver und Nitropulver eine Gesamtmenge von 1 kg
Treibladungspulver nicht überschritten werden dürfe, sei nicht zutreffend. Vielmehr dürfe
von jeder Pulverart 1 kg verwahrt werden. Darüber hinausgehende Mengen hätten sich
nicht in der Wohnung befunden. Außerdem verwahre der Kläger auch nicht regelmäßig
Pulver in seiner Wohnung, vielmehr werde dieses in der Wohnung des Vaters in O.
gelagert. Die insoweit zitierte Aussage des Vaters des Klägers sei nicht zutreffend.
Dieser habe nicht angegeben, dass der Kläger dort nie Treibladungspulver aufbewahrt
habe. Er habe vielmehr gesagt, dass er selbst kein Treibladungspulver aufbewahre, er
verfüge selbst auch nicht über eine entsprechend Erlaubnis. Soweit sich während der
Durchsuchung Treibladungspulver in der Wohnung des Klägers befunden habe, stelle
dies keinen Fall der Lagerung oder Verwahrung von Treibladungspulver dar. Vielmehr
sei der Kläger mit der Verarbeitung des Treibladungspulvers beschäftigt gewesen.
Gemäß Telefonvermerk der Sachbearbeiterin des OB L. - Frau L2. - vom 16.10.2008
erklärte Herr T1. vom Ordnungsamt in Viersen ihr gegenüber telefonisch, dass er am
29.05.2008 den Vater des Klägers gefragt habe, ob der Sohn bei ihm Pulver lagere bzw.
je gelagert hätte. Dass der Vater des Klägers Treibladungspulver lagern sollte oder
wollte, hätte gar nicht zur Diskussion gestanden.
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Mit Bescheid vom 10.11.2008 widerrief der Beklagte wegen fehlender Zuverlässigkeit
die dem Kläger ausgestellten vier Waffenbesitzkarten, ordnete an, dass die dort
eingetragenen Waffen innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides
dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen seien,
ordnete die Einziehung und Verwertung der Waffen an, sofern nicht innerhalb der Frist
ein empfangsbereiter Berechtigter genannt werde, und erhob eine Verwaltungsgebühr
in Höhe von 137,98 EUR. Der Kläger sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG
unzuverlässig, da er Waffen und Sprengstoff nicht ordnungsgemäß verwahrt habe. In
seiner Wohnung sei kein Waffenschrank vorhanden, er habe auch die Höchstmenge
von Sprengstoff bei einer Zusammenlagerung (1 kg) überschritten. Als
Aufbewahrungsort für den Sprengstoff sei nur die Wohnung des Vaters genehmigt
gewesen. Die angebliche Verwahrung seiner Waffen beim Vater in O. sei nach
allgemeiner Lebenserfahrung wenig glaubhaft, weil die Entfernung dorthin ca. 70 km
betrage. Des Weiteren liege ein Fall des § 5 Abs. 2 lit. c) WaffG vor. Die Tür seines
Arbeitszimmers sei beim Eintreffen der Polizei offen gewesen, so dass dadurch ein
freier Zugang zu den Waffen für Dritte möglich gewesen sei. Der Kläger sei auch gemäß
§ 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG unzuverlässig. Es liege ein illegaler Waffenbesitz vor, da sich
unter den sichergestellten Waffen eine Repetierbüchse, Kaliber .22, Marlin, befunden
habe, für die der Kläger keine waffenrechtliche Erlaubnis besitze. Aspekte, die eine
Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit begründen könnten, lägen
nicht vor. Insofern sei auch unerheblich, dass der Kläger sich im Nachhinein Tresore
angeschafft habe.
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Mit Bescheid vom 29.12.2008 widerrief der OB L. die sprengstoffrechtliche Erlaubnis
vom 13.05.2004 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Bei dem Kläger fehle es
an der erforderlichen Zuverlässigkeit wegen einer nicht sorgfältigen Verwahrung von
explosionsgefährlichen Stoffen.
12
Gegen die Widerrufsverfügung des Beklagten hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben.
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Soweit angenommen werde, dass die Repetierbüchse Kaliber .22, Marlin nicht in einer
Waffenbesitzkarte eingetragen sei, sei dies unzutreffend: Diese Waffe sei in der
Waffenbesitzkarte Nr. .../. unter Nr. 3 eingetragen. Der Ausgangspunkt des
angefochtenen Bescheides, es handele sich um den Fall einer nicht ordnungsgemäßen
Verwahrung von Waffen, Munition und Sprengstoff sei unzutreffend. Die
entsprechenden Vorschriften regelten den Fall, dass der Waffenbesitzer nicht in der
Wohnung anwesend sei. Der Kläger sei aber dort anwesend gewesen und habe
Waffenreinigungsarbeiten und Wiederladetätigkeiten durchgeführt. Soweit der Beklagte
sich auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG stütze, sei die zwischenzeitliche Anschaffung
entsprechender Tresore geeignet, eine möglicherweise negative Zukunftsprognose
aufzuheben. Da hier eine besondere Ausnahmesituation vorgelegen habe, die nicht den
Tatbestand der unsorgfältigen Verwahrung erfülle, sei keine negative Zukunftsprognose
zu fällen. Soweit es die angebliche Möglichkeit des Zugriffs von Dritten auf Waffen und
Munition sowie Sprengstoff betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass die Ehefrau und die
Tochter den Alleinbesitz des Klägers respektierten, so dass deren Zugriffsmöglichkeit
allenfalls eine theoretische Erörterung darstelle. Im Hinblick darauf, dass die genannte
Repetierbüchse sich legal im Besitz des Klägers befunden habe, liege auch kein
gröblicher Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften vor. Die Klage richte sich auch
gegen die Gebühr und die Auslagen.
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Auf Anfrage des Gerichts hat der Kläger mitgeteilt, dass er sich regelmäßig montags und
donnerstags auf dem Vereinsschießstand als Aufsicht und ehrenamtlicher Trainer
betätige. In dem vom Gericht nachgefragten Zeitraum von November 2007 bis April
2008 habe er je 14 mal Montags mit Vorderlader-, Großkaliber und Sportpistolen
geschossen, 16 mal Mittwochs am Mannschaftstraining mit der Luftpistole teilgenommen
und jeweils 17 mal Donnerstags als Trainer mit vereinseigenen Luftdruckwaffen
geschossen.
15
Der Kläger beantragt,
16
den Bescheid des Beklagten vom 10.11.2008 aufzuheben.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Der Vorwurf des illegalen Waffenbesitzes werde nicht aufrecht erhalten. Der Kläger
habe - entsprechend den Darlegungen im sprengstoffrechtlichen Widerrufsbescheid -
gegen sprengstoffrechtliche Vorschriften verstoßen. Die von ihm geschilderte
Waffenaufbewahrung sei wenig glaubhaft. Es sei nicht anzunehmen, dass er tatsächlich
vor und nach jedem Schießtraining eine Fahrt von ca. 70 km zum Wohnhaus des Vaters
auf sich nehme. Die zwischenzeitliche Anschaffung von Tresoren lasse keine günstige
Zukunftsprognose zu. Die Gebührenforderung sei durch Abzug von 9,59 EUR zu
korrigieren, da die Veräußerung einer Waffe nicht berücksichtigt worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
auch der des Verfahrens 20 K 567/09, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie
der beigezogenen Ermittlungsakte der StA L. 91 Js 278/08 Bezug genommen.
21
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22
Die Klage hat keinen Erfolg.
23
Die Widerrufsverfügung vom 10.11.2008 ist bzgl. Ziffern 1 und 5 rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten (§113 Abs. 1 VwGO).
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Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 5
Abs.1 Nr. 2 lit. b WaffG gerechtfertigt. Es liegen Tatsachen vor, die die Annahme
rechtfertigen, dass der Kläger Waffen oder Munition nicht sorgfältig verwahren wird.
25
Als Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass -da der Kläger seinerzeit nicht über einen
Waffenschrank in seiner Wohnung verfügte- eine § 36 WaffG entsprechende
ordnungsgemäße Verwahrung der Waffen grundsätzlich erforderte, dass diese in dem
im Hause des Vaters des Klägers in O. befindlichen Waffenschrank aufbewahrt wurden
und die für das Training oder Wettbewerbe benötigten Waffen erst unmittelbar zuvor von
ihm abgeholt und unmittelbar danach wieder dort deponiert wurden. Dementsprechend
verstieß ein längerer Verbleib der Waffen in der Wohnung -etwa über Nacht oder bereits
über etliche Stunden vor einem Training- gegen die in § 36 WaffG normierten Pflichten,
es sei denn, dass eine mit den waffenrechtlichen Regelungen noch in Einklang
stehende Sondersituation belegt war.
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Es spricht schon alles dafür, dass selbst ausgehend vom Kernvortrag des Klägers
(Abholung aller Waffen und Munition am Abend des 27.04., nach Ankunft in seiner
Wohnung Verbringung von Waffen und Munition in das Arbeitszimmer und
kontinuierliche Wiederladung von Munition, Befüllung von Schwarzpulverröhrchen und
Reinigung von Waffen) ein Verstoß gegen § 36 WaffG vorliegt. Denn nach seinen
Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung hat er zunächst stundenlang Patronen
wiedergeladen und danach mit der Befüllung von Schwarzpulverröhrchen begonnen.
Während der gesamten Zeit (sofern die Waffen erst am Abend des 27.04. abgeholt
worden wären, mindestens ca. 12 Std. lang) lagen die Waffen in seinem Arbeitszimmer.
Der Kläger konnte nicht während dieser Zeit auch noch gleichzeitig 8 Waffen putzen -
was er auch nicht substantiiert behauptet hat-. Demnach läuft seine Auffassung, die
Waffen hätten gleichwohl nicht in einen Waffenschrank eingeschlossen werden
müssen, weil er die ganze Zeit in diesem Zimmer anwesend gewesen sei und sich
keine anderen Personen in der Wohnung aufgehalten hätten, darauf hinaus, dass er für
sich in Anspruch nimmt, die Schusswaffen nicht einschließen zu brauchen, solange er
diese "bewacht". Die Kammer vermag jedoch nicht zu erkennen, dass dies noch den
gesetzlichen Vorgaben entspricht. Denn diese Konstellation unterscheidet sich
grundlegend von dem unproblematischen Fall, dass ein Waffenbesitzer eine Waffe aus
seinem Waffenschrank nimmt und sich mit dieser beschäftigt, sie etwa putzt. Es besteht
auch gar keine objektive Notwendigkeit, mehrere Waffen über einen derart langen
Zeitraum außerhalb eines Waffenschrankes liegen zu haben. Vielmehr würde ein
sorgfältiger Waffenbesitzer eine Waffe erst dann aus dem Waffenschrank holen, wenn er
sie unmittelbar reinigen oder zum Schießen aufbrechen will. Dass der Kläger diese
Möglichkeit mangels Waffenschranks in seiner Wohnung nicht hatte, führt naturgemäß
nicht zu geringeren Anforderungen an die ordnungsgemäße Waffenverwahrung. Zudem
kann nicht angenommen werden, dass sich der Kläger tatsächlich ununterbrochen 12
Std. oder länger in unmittelbarem Kontakt bzw. in Greifweite zu seinen Waffen im
Arbeitszimmer aufgehalten hat. Davon abgesehen ist immer damit zu rechnen, dass
unangemeldet dritte Personen erscheinen und dadurch Zugriffsmöglichkeiten auf die
Waffen eröffnet werden (so war das Arbeitszimmer nicht abgeschlossen, als die
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Beamten des KK 12 die Wohnung betraten).
Unabhängig davon ist die Kammer überzeugt, dass die vom Kläger geschilderte
angebliche "Sondersituation" (Waffen und Treibladungspulver erst seit Sonntag Abend
im Arbeitszimmer, die ganze Nacht Wiederladetätigkeit) nicht den tatsächlichen
Gegebenheiten entspricht. Denn der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist - auch unter
Einbeziehung der Äußerungen seines Vaters- so unplausibel, lebensfremd und
teilweise widersprüchlich, dass er sich als reine Schutzbehauptung darstellt.
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Im Durchsuchungsbericht des KK 12 vom 29.04.2008 ist als Äußerung des Klägers
festgehalten, er habe die Waffen am Wochenende benutzt, sei aber noch nicht dazu
gekommen, diese wieder zurück zu bringen. Im weiteren Verfahren hat er angegeben,
die Waffen bereit gelegt zu haben, um anschließend zum Schießtraining zu gehen. Des
Weiteren hat er vorgetragen, alle Waffen und das Treibladungspulver am Sonntag (also
am 27.4.2008) bei seinem Vater abgeholt zu haben. Dies steht jedoch in teilweisem
Widerspruch zur schriftlichen Erklärung des Vaters vom 19.05.2008, wonach er die auf
ihn eingetragene Pistole Walter, Nr. 126611 (die zu dem bei der
Wohnungsdurchsuchung bei dem Kläger aufgefundenen Waffen zählte) am 26.04.2008
- also bereits am Samstag - dem Kläger überlassen habe. Auf entsprechenden Vorhalt
in der mündlichen Verhandlung war die Art und Weise, wie der Zeuge auf einen
entsprechenden Vorhalt reagierte und sich plötzlich an einen zweiten Besuch des
Klägers erinnern konnte, für die Kammer wenig überzeugend. Andererseits konnte der
Kläger zu dieser eindeutigen Aussage seines Vaters keine Erklärung abgeben (außer
dass er sich an einen zweimaligen Besuch beim Vater am Samstag und am Sonntag
nicht erinnern konnte). Dies lässt nur den Schluss zu, dass -wenn man überhaupt
annimmt, dass die Waffen grundsätzlich im Hause des Vaters verwahrt wurden- der
Kläger entweder in jedem Fall die bereits am Samstag beim Vater abgeholte Pistole
mangels entsprechenden Waffenschrankes bis zum Eintreffen der Polizei um 10.35 Uhr
des 28.04.2008 außerhalb eines Waffenschrankes und damit nicht gemäß § 36 WaffG
verwahrt hätte oder dass er am fraglichen Wochenende nur einmal beim Vater gewesen
ist, und zwar bereits am Samstag, und seit diesem Zeitpunkt sowohl die Waffen als auch
das Treibladungspulver in seiner Wohnung aufbewahrt hätte. Bei lebensnaher
Betrachtung geht die Kammer davon aus, dass -wenn überhaupt- allenfalls von der
letztgenannten Variante auszugehen wäre, weil der Kläger selbst in der mündlichen
Verhandlung zunächst eindeutig angegeben hatte, alle Waffen und das
Treibladungspulver zusammen beim Vater abgeholt zu haben. Es ist auch gar kein
sinnvoller Grund erkennbar ist, die für das Schießtraining benötigten Waffen nicht sofort
auf einmal mitzunehmen -zumal angesichts der Entfernung zum Hause des Vaters-. Der
Kläger hat bei der Wohnungsdurchsuchung gegenüber den Beamten des KK 12 auch
angegeben, er habe diese "am Wochenende" benutzt. Der Vater hat bezüglich der
Übergabe seiner Pistole das Datum 26.4.2008 in einer schriftlichen Erklärung genannt,
er also Gelegenheit hatte, in Ruhe über dieses Datum nachzudenken. Dass der Kläger
auch dann, wenn er die Waffen nicht durchgängig, sondern "erst" seit dem 26.4.2008 in
seinem Arbeitszimmer aufbewahrte, gegen § 36 WaffG verstoßen hat, bedarf keiner
weiteren Darlegung.
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Davon abgesehen hält die Kammer die Schilderungen des Klägers im Hinblick auf den
von ihm selbst hergestellten Zusammenhang der Abholung von Waffen- und
Treibladungspulver in O. auch deshalb insgesamt für Schutzbehauptungen, weil sein
Vortrag hinsichtlich des Treibladungspulvers völlig unplausibel ist. So ist im Verfahren
20 K 567/09 seitens des dortigen Beklagten bereits darauf hingewiesen worden, dass
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im Durchsuchungszeitpunkt beim Kläger eine Menge von 2235 g Nitropulver
sichergestellt worden ist (insgesamt erworbene Menge 3254 g), was bedeutet, dass er in
dem Zeitraum vom 13.05.2004 - erster Erwerb - bis zur Wohnungsdurchsuchung nur die
Differenz von 1019 g verbraucht hat. Nach der Aussage des Klägers in der mündlichen
Verhandlung, er habe zunächst stundenlang Hunderte von Patronen wiedergeladen,
wird diese Differenz noch erheblich größer; denn das Nitropulver, dass sich im Zeitpunkt
der Durchsuchung in (vollständig) wiedergeladenen Patronen befand, ist naturgemäß in
der erfassten Menge von 2235 g nicht mehr enthalten. Auch bezüglich des
Schwarzpulvers ergibt sich, dass bei insgesamt erworbenen 2000 g und noch
aufgefundenen 1121 g (zunächst unbeschadet der Frage, ob in Laderöhrchen
befindliches Schwarzpulver als Munition zu bewerten ist) jedenfalls in dem
vorhergehenden vierjährigen Zeitraum nur eine erheblich geringere Menge verbraucht
worden ist, als sie jetzt an einem Tag "verarbeitet" werden sollte. Die dafür vom Kläger
gegebene Erklärung (Training für die kurz nach der Wohnungsdurchsuchung
stattfindenden Meisterschaften) vermögen den erheblich geringeren Verbrauch für den
Zeitraum vor der Wohnungsdurchsuchung in keiner Weise zu erklären. Denn auch in
diesem Zeitraum hat der Kläger an Wettbewerben teilgenommen (beispielsweise im
Rahmen der von ihm belegten Teilnahme an den Kreismeisterschaften vom 01.12.07
bis 27.01.08 sowie den Bezirksmeisterschaften vom 23.02. bis 09.03.2008). Auch die
von ihm angegebenen erhöhten Schießsportaktivitäten im Hinblick auf das bei ihm
entdeckte Talent für die Kategorie Vorderladerwaffen vermag die
Verbrauchsproblematik in keiner Weise zu erklären, da der Kläger ein entsprechendes
Training bereits seit ca. 2004 betreibt (so seine Angabe in der mündlichen
Verhandlung), also praktisch seit Erteilung der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis.
Nicht plausibel sind auch die Angaben des Klägers in Bezug auf den Verwahrungsort
für das Treibladungspulver. So hat er behauptet, dass er den Tresor in der Loggia seiner
Wohnung bereits bei Beantragung der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis besessen und
von vornherein beabsichtigt habe, dort Treibladungspulver zu lagern. Nur im Hinblick
darauf, dass ihm beim Lehrgang vermittelt worden sei, dass die getrennte
Aufbewahrung von Nitropulver und Schwarzpulver vorzuziehen sei, habe er sich
entschlossen, das Nitropulver im Hause seiner Eltern zu lagern. Dieses angebliche
Vorhaben hat jedoch in seinem sprengstoffrechtlichen Antrag auch nicht ansatzweise
Ausdruck gefunden. Seine Behauptung, er habe seine Planung mit Frau L2.
(entsprechende Sachbearbeiterin des Beklagten des Verfahrens 20 K 567/09)
besprochen, ist von daher nicht plausibel und von Frau L2. auch nicht bestätigt worden.
Zudem wird eine angeblich getrennte Aufbewahrung des Treibladungspulvers durch die
im Durchsuchungsbericht der Abteilung ZA 312 vom 29.4.2008 festgehaltene Äußerung
des Klägers in Frage gestellt, (u.a.) das Treibladungspulver würde sich normalerweise
bei seinem Vater in O. befinden (also nicht nur ein Teil des Pulvers).
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Schließlich hält die Kammer es für wenig überzeugend, dass ein Sportschütze, der
ernsthaft für einen Wettbewerb trainieren will, sich die ganze vorhergehende Nacht mit
dem Wiederladen beschäftigt und dann nach 24 Stunden (oder länger) ohne Schlaf zum
Training geht, zumal eine objektive Notwendigkeit für ein derartiges Vorgehen nicht
ersichtlich ist.
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Nicht überzeugend sind auch die Angaben des Klägers bzgl. einer Zugriffsmöglichkeit
von Ehefrau und Tochter auf die Waffen. So wird zunächst sehr nebulös davon
gesprochen, Ehefrau und Tochter respektierten den Alleinbesitz des Klägers an
Schusswaffen (Schriftsatz vom 16.1.2009) , während der Kläger dann erstmals in der
33
mündlichen Verhandlung behauptet hat, seine Frau habe auf der anderen Straßenseite
noch eine weitere Wohnung und halte sich mit der Tochter dort auf, wenn er seiner
Wiederladetätigkeit nachgehe, was zudem insbesondere auch angesichts der zeitlichen
Gegebenheiten nicht als besonders lebensnah einzuschätzen ist.
Im Hinblick auf diese Gegebenheiten fehlt es an einer glaubhaften Darlegung einer
"Sondersituation" ; die Kammer geht daher davon aus, dass der Kläger tatsächlich die
fraglichen Waffen (und auch das Treibladungspulver) in seiner Wohnung verwahrt hat
und damit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen nicht sorgfältig
verwahren wird. Der Umstand, dass der Kläger nachträglich nach seinen Angaben
Waffenschränke der Kategorien A und B angeschafft hat, ist nicht geeignet, die
Annahme seiner Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs 1. Nr.2 lit. b) WaffG auszuräumen.
34
Ob angesichts der geschilderten Gegebenheiten zugleich eine Unzuverlässigkeit
gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) WaffG anzunehmen ist, bedarf daher keiner weiteren
Prüfung. Entsprechendes gilt im vorliegenden Verfahren hinsichtlich der (im Ergebnis zu
bejahenden) Frage, inwieweit ein Verstoß gegen sprengstoffrechtliche Vorschriften
vorliegt, was unter dem Aspekt des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG zu würdigen wäre.
35
Gebührenrechtliche Einwände gegen die unter Ziffer 5 der Verfügung erhobene
Verwaltungsgebühr (unter Berücksichtigung des späteren Abzuges von 9,59 Euro) hat
der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
36
Bzgl. der unter Ziffer 2 der Verfügung angeordneten Maßnahmen fehlt für die Klage das
Rechtsschutzbedürfnis, denn nach Ablauf der gesetzten Frist sind diese Maßnahmen
gegenstandslos geworden, ohne dass der Kläger, dessen Klage insoweit
aufschiebende Wirkung hatte, sie zu befolgen brauchte.
37
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.12.1983 - 20 A 1894/83 - (zur Vorschrift des § 48 Abs. 2
Satz 1 WaffG a.F.).
38
Ebenso wie die Frist ist auch die Anordnung selbst gegenstandslos geworden, denn
diese Anordnung ist notwendig nach § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG mit einer Frist zu
verbinden. Nach Ablauf der Frist hatte die Maßnahme für den Kläger keine Rechtsfolgen
mehr. Entsprechendes gilt für die daran anknüpfende Regelung in Ziffer 3 der
Verfügung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO,
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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