Urteil des VG Köln vom 18.04.2006

VG Köln: aufschiebende wirkung, schutz der familie, hauptwohnung, zweitwohnung, fahren, veranlagung, obsiegen, aussetzung, lebensmittelpunkt, anfechtungsklage

Verwaltungsgericht Köln, 20 L 265/06
Datum:
18.04.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
20 L 265/06
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der
Antragsteller. Der Streitwert wird auf 288,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der sinngemäße Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Zweitwohnungssteuer- bescheid des
Antragsgegners vom 16.11.2005 in Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom
09.01.2006 (20 K 1005/06) anzuordnen,
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ist nicht begründet.
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Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen
Abgabenbescheide - hierzu zählen auch die kommunalen Steuerbescheide - keine
aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die
aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Vor-
aussetzung hierfür ist nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, der auf das gerichtliche Ver-
fahren bei öffentlichen Abgaben entsprechend anwendbar ist, dass ernstliche Zweifel an
der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder die Voll- ziehung
für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentli- che
Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
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Für das Vorliegen der letztgenannten Voraussetzung ist seitens des Antragstel- lers kein
Vortrag erfolgt.
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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes sind
nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NRW) dann anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach-
und Rechtslage in einem Hauptsacheverfahren ein Obsiegen des Antragstel- lers
überwiegend wahrscheinlich ist. In summarischen Verfahren können dabei vor- dringlich
nur die Einwände berücksichtigt werden, die der Rechtsschutzsuchende selbst gegen
die Rechtmäßigkeit der Veranlagung vorbringt, es sei denn, es dräng- ten sich andere,
offensichtliche Fehler bei summarischer Prüfung auf. Ferner können weder aufwendige
Tatsachenfeststellungen getroffen werden noch sind schwierige Rechtsfragen zu lösen,
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vgl. OVG NRW, NVwZ 1989, 588 (588) und NWVBl. 1994, 337 (337 f.).
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Gemessen an diesen Grundsätzen kann vorliegend nach summarischer Prüfung nicht
festgestellt werden, dass ein Obsiegen des Antragstellers im Hauptsachever- fahren
überwiegend wahrscheinlich ist.
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Rechtsgrundlage für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer ist die Satzung ü- ber die
Erhebung der Zweitwohnungssteuer in der Stadt Köln (Zweitwohnungssteu- ersatzung)
vom 17.12.2004 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 16.12.2005 (ZwStS).
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Zur Begründung seines Antrages bzw. der Klage beruft sich der Antragsteller
maßgeblich darauf, dass die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer auch in seinem Fall
nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.10.2005 (- 1 BvR
1232/00 - und - 1 BvR 2627/03 -) gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoße, weil er die Woh-
nung in Köln aus rein beruflichen Gründen halte, während seine Hauptwohnung in
Freiburg seinem grundrechtlich geschützten Umgangsrecht mit seiner Tochter diene,
welche in Freiburg bei seiner geschiedenen Ehefrau lebe. Dort sei auch sein Le-
bensmittelpunkt. Das Innehaben der Zweitwohnung in Köln sei deshalb, genau wie in
dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall, die notwendige Konse- quenz
der bewussten und von Art. 6 Abs. 1 GG unter besonderen Schutz gestellten
Entscheidung des Antragstellers für ein - trotz Scheidung und Minderjährigkeit des
Kindes mögliches - familiäres Zusammenleben mit seiner Tochter.
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Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung kann jedoch nicht festgestellt
werden, dass in Bezug auf die vorliegende Konstellation aufgrund der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.10.2005 die Erhebung einer
Zweitwohnungssteuer ebenfalls gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstößt.
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Denn zum einen bezog sich die Entscheidung auf Eheleute, während der An- tragsteller
geschieden ist. Zum anderen war ausweislich der Begründung entschei- dender
Gesichtpunkt, dass die Verweisung der Satzungen auf die melderechtlichen
Regelungen über die Definition der „Hauptwohnung" bewirkten, dass Verheiratete
anders als nicht Verheiratete die Besteuerung nicht vermeiden konnten, weil nach den
Meldegesetzen in diesen Fällen unabhängig von der Frage, wo sich der Inhaber der
Zweitwohnung tatsächlich überwiegend aufhält, auf den Hauptwohnsitz der Fami- lie
abzustellen ist (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 MG NRW). Dies hatte zur Folge, dass Ver-
heiratete im Gegensatz zu Unverheirateten Zweitwohnungssteuer auch für die vor-
wiegend benutzte Wohnung zu entrichten hatten, wenn die Familie, von der sie nicht
dauernd getrennt lebten, die andere Wohnung vorwiegend benutzte,
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siehe Bundesverfassungsgericht (BVerfG), NJW 2005, 3556 (3557).
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Im Gegensatz dazu spielt die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 MG NRW im
vorliegenden Verfahren keine Rolle. Für den geschiedenen Antragsteller kommt allein §
16 Abs. 2 Satz 1 MG NRW zur Anwendung. Er kann, sollte die Wohnung in Köln die
überwiegend von ihm genutzte Wohnung und damit gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 MG NRW
seine Hauptwohnung sein, durch eine Richtigstellung seiner Angaben bei der
Meldebehörde und entsprechende Korrektur des Melderegisters gem. § 4 a MG NRW
eine Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer in Köln vermeiden.
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Soweit der Antragsteller hierzu vorträgt, Freiburg sei sein Lebensmittelpunkt und er halte
sich in Köln nur aus beruflichen Gründen auf, ist darauf hinzuweisen, dass es nach § 16
Abs. 2 MG NRW für die Frage, welche von mehreren Wohnungen die Hauptwohnung
ist, entscheidend darauf ankommt, welche Wohnung vorwiegend be- nutzt wird. Da der
Antragsteller in Köln arbeitet, spricht trotz seines Vortrags zur be- ruflichen Abwesenheit
einiges dafür, dass er die Wohnung in Köln und nicht die Wohnung in Freiburg
überwiegend nutzt.
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Im Übrigen kommt es für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer als Auf- wandsteuer i.
S. d. § 105 Abs. 2 a GG grundsätzlich nicht darauf an, welchem Zweck der für die
Zweitwohnung getätigte Aufwand dient,
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vgl. nur BVerfG, BVerfGE 65, 325 (347,348) und auch NJW 2005, 3556 (3557).
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Dass - wie der Antragsteller ausführlich darlegt - darüber hinaus auch in Fällen wie dem
vorliegenden die Erhebung der Zweitwohnungssteuer gegen Art. 6 Abs. 1 GG (bezogen
auf den besonderen Schutz der Familie) verstößt, ist jedefalls nicht offensichtlich und ist
eine Frage, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG; entsprechend
der Rechtsprechung des OVG NRW legt das Gericht dafür ¼ des im
Hauptsacheverfahren anzusetzenden Betrages zugrunde, wobei alle zum Zeitpunkt der
Entscheidung fälligen Beträge berücksichtigt wurden.
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