Urteil des VG Köln vom 26.01.2006

VG Köln: unternehmen, mitteilungspflicht, post, kontrolle, markt, unterliegen, telekommunikation, ausnahme, begriff, unterlassen

Verwaltungsgericht Köln, 1 K 266/05
Datum:
26.01.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 266/05
Tenor:
Der Bescheid der Regulierungsbehörde vom 14.12.2004 (BK 2a 04/045)
wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin, die E. U. AG, bietet u.a. Endnutzern Telekommunikations- dienste in ihren
öffentlichen Festnetzen an. In der Begründung dreier Entgeltgeneh- migungsbescheide
vom 25.06.2004 (BK2a 04/007; BK2a 04/013; BK2a 04/014) stell- te die damalige
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post - nunmehr Bundesnetzagentur
für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen -
(Regulierungsbehörde) fest, dass die Klägerin auf dem Markt für das Angebot von
Sprachtelefondienst im Rahmen der Lizenzklasse 4 nach § 6 TKG(1996) weiterhin über
eine marktbeherrschende Stellung verfüge.
2
Mit Bescheid vom 14.12.2004 (BK 2a 04/045) beschloss die Regulierungsbehör- de zu
Lasten der Klägerin: „Der Betroffenen wird bis zum Erlass einer auf dem Ergebnis des
derzeit anhängigen Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens beruhenden
endgültigen Regulie- rungsverfügung auferlegt, ihre Entgeltmaßnahmen im Bereich der
Entgelte für End- nutzerleistungen für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an
festen Standorten, der öffentlichen Orts- und/oder Inlandsgespräche an festen
Standorten und der öf- fentlichen Auslandsgespräche an festen Standorten zwei Monate
vor dem geplanten Inkrafttreten der Regulierungsbehörde zur Kenntnis zu geben (§ 39
Abs. 3 S. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG)." Zur Begründung machte sie im Wesentlichen
geltend: Tatsachen rechtfertigten die Annahme, dass die Verpflichtungen im
Zugangsbereich oder zur Betreibervoraus- wahl nicht zur Erreichung der
Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG führten. Ohne eine flankierende effektive
Kontrolle wettbewerbsbehindernder Strategien der Kläge- rin reiche eine
Vorleistungsregulierung nicht aus, um den Fortbestand der noch nicht hinreichend
abgesicherten Wettbewerbsstrukturen dauerhaft zu gewährleisten. Es bedürfe auch
keines vorherigen Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens, da dringend mit
3
angemessenen vorläufigen Maßnahmen gehandelt werden müsse, um den Wettbewerb
zu gewährleisten und die Nutzerinteressen zu schützen.
Mit ihrer am 13.01.2005 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend: Die
Regulierungsbehörde habe nicht § 39 Abs. 1 S. 1 TKG beachtet. Es fehle eine
ordnungsgemäße Prüfung, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass die Ver-
pflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und -vorauswahl nach § 40
TKG nicht zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG führten. Dabei
handele es sich um eine als Tatbestandsvoraussetzung ausgestaltete Ent- scheidung
mit Prognose- und Abwägungscharakter. Zunächst sei eine vollständige Ermittlung und
ordnungsgemäße Zusammenstellung des Prognose- und Abwä- gungsmaterials nicht
erfolgt. Ferner differenziere die Regulierungsbehörde nicht zwi- schen den einzelnen
Zielen des § 2 Abs. 2 TKG, sondern orientiere sich im Wesent- lichen an dem Ziel des §
2 Abs. 2 Nr. 2 TKG. Hierbei werde namentlich ausgeblen- det, dass das in § 2 Abs. 2 Nr.
3 TKG angesprochene Ziel des Infrastrukturwettbe- werbs durch einen Verzicht auf eine
Preishöhenkontrolle im Endnutzerbereich ge- fördert werde. Außerdem reiche der
Umstand, dass die Vorleistungsregulierung für sich nur bedingt einen Schutz vor
wettbewerbsbehindernden Praktiken im Endnut- zerbereich bieten könne, allein nicht
aus, um das Entscheidungsprogramm des § 39 Abs. 1 S. 1 TKG vollständig
durchzuprüfen. Ferner leide der angegriffene Bescheid an einem Ermessensausfall.
Schließlich habe die Regulierungsbehörde nicht die für eine vorläufige Maßnahme nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG erforderlichen außergewöhn- lichen Umstände aufgezeigt.
4
Die Klägerin beantragt,
5
den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 14.12.2004 (BK 2a 04/045) aufzuheben.
6
Die Beklagte beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8
Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid und trägt über dessen Begründung hinaus
vor: Bei der Formulierung „kann ... unter Beachtung von Absatz 1 Satz 1" in § 39 Abs. 3
S. 2 TKG handele es sich um eine einheitliche Ermessensvorschrift. Ange- sichts der
vergleichsweise geringen Eingriffsintensität der Anzeigepflicht sei nicht verständlich,
warum für deren Anordnung die gleichen Voraussetzungen gelten soll- ten wie für die
Unterwerfung unter die Genehmigungspflicht gemäß § 39 Abs. 1 TKG. Aus der
Begründung des angefochtenen Bescheides ergebe sich, dass weder von einem
Ermessensausfall noch von fehlerhaften Ermessenserwägungen die Rede sein könne.
Soweit § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG außergewöhnliche Umstände verlange, dürften daran
angesichts der Dringlichkeit und Vorläufigkeit der Maßnahme keine allzu hohen
Anforderungen gestellt werden. Vielmehr müsse das Vorliegen eines von der Regel
abweichenden Ausnahmefalls ausreichen. Abgesehen davon sei zweifel- haft, ob die
Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG überhaupt dem Schutze der Klägerin
dienten.
9
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-
richtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Regulierungsbehörde
verwiesen.
10
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
11
Die Klage ist begründet.
12
Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§
113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
13
Sofern Entgelte für Endnutzerleistungen - wie hier im maßgeblichen Zeitpunkt des
Bescheiderlasses (14.12.2004) - keiner Entgeltgenehmigungspflicht unterworfen
worden sind, unterliegen sie gemäß § 39 Abs. 3 S. 1 Telekommunikationsgesetz vom
22.06.2004, BGBl I 1190, (TKG) der nachträglichen Regulierung entsprechend § 38
Abs. 2 bis 4 TKG. Nach § 39 Abs. 3 S. 2 TKG kann die Regulierungsbehörde dar- über
hinaus „unter Beachtung von Absatz 1 Satz 1" Unternehmen mit beträchtlicher
Marktmacht verpflichten, ihr Entgeltmaßnahmen zwei Monate vor dem geplanten In-
krafttreten zur Kenntnis zu geben. Die Voraussetzungen dieser Ermessensvorschrift
lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses (14.12.2004) nicht vor.
14
1. Allerdings verfügte die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt auf dem in Rede
stehenden Endnutzermarkt für Sprachtelefondienst über beträchtliche Marktmacht. Zwar
fehlte es dafür an einer grundsätzlich gemäß §§ 9 Abs. 1, 11 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3
TKG erforderlichen Festlegung durch Verwaltungsakt. Doch war dies im Hinblick auf die
Übergangsregelung des § 150 Abs. 1 S. 1 und 2 TKG nicht erforderlich. Denn aufgrund
dieser Vorschrift ist die in der Begründung der auf dem TKG alter Fassung - TKG(1996) -
beruhenden Entgeltgenehmigungs- bescheide vom 25.06.2004 (BK 2a 04/007; BK 2a
04/013; BK 2a 04/014) von der Regulierungsbehörde getroffene Feststellung der
marktbeherrschende Stellung der Klägerin wirksam geblieben. Die
Übergangsbestimmung macht nur Sinn, wenn die wirksam gebliebene Feststellung in
der Zeit nach dem Inkrafttreten des jetzt geltenden TKG zunächst an die Stelle der
eigentlich in Form eines Verwaltungsakts erforderlichen Feststellung beträchtlicher
Marktmacht tritt. Dass eine „marktbeherrschende" Stellung nach § 25 Abs. 1 TKG(1996)
i.V.m. § 19 Abs. 3 S. 1 GWB bereits bei einem Marktanteil von mindestens einem Drittel
vermutet wurde, während „beträchtliche" Marktmacht nach § 11 Abs. 1 S. 4 TKG i.V.m.
Nr. 75 der Leitlinien der Kommission (ABl. Nr. C 165 vom 11. Juli 2002, S. 6) in der
Regel erst ab einem Marktanteil von über 40 % einsetzt, kann im Ergebnis nicht zur
Unanwendbarkeit der Übergangsvorschrift führen, da diese sonst überflüssig wäre.
Dagegen spricht außerdem die Begründung zu der § 150 Abs. 1 S. 1 TKG
entsprechenden Bestimmung des Gesetzentwurfs
15
vgl.: BT-Drs. 755/03 zu § 148, S. 143,
16
in der es heißt: „Zum einen gilt die Feststellung der Marktbeherrschung fort. Hieraus
folgt, dass die in diesem Gesetz enthaltenen Eingriffsbefugnisse, die aufgrund
beträchtlicher Marktmacht bestehen, auch für diese ‚Altfälle' bis zum Abschluss des
Marktanalyseverfahrens anwendbar sind".
17
Reicht somit die „Altfeststellung" der marktbeherrschenden Stellung der Klägerin in der
Übergangszeit aus, so gilt diese allerdings nicht für alle im angefochtenen Be- scheid
erwähnten Endnutzerleistungen, sondern nur für diejenigen, welche gemäß der
Feststellung in den Altbescheiden vom 25.06.2004 deckungsgleich sind mit
Sprachtelefondienst im Rahmen der Lizenzklasse 4 nach § 6 TKG(1996). Dass auch für
darüber hinausgehende Endnutzerleistungen Feststellungen der Marktbeherrschung
nach altem Recht vorlagen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
18
2. Der angegriffene Bescheid ist aber deshalb rechtswidrig, weil die
Regulierungsbehörde nicht § 39 Abs. 1 S. 1 TKG beachtet hat, obwohl dies in § 39 Abs.
3 S. 2 TKG durch die Formulierung „unter Beachtung von Absatz 1 Satz 1"
vorausgesetzt wird.
19
2.1 Die Vorgabe „unter Beachtung von Absatz 1 Satz 1" bedeutet, dass die Auferle-
gung der Pflicht zur vorherigen Kenntnisgabe der Entgeltmaßnahmen (Mitteilungs-
pflicht) davon abhängt, ob die in § 39 Abs. 1 S. 1 TKG genannten Ermessensvoraus-
setzungen erfüllt sind.
20
Der Auffassung der Beklagten, aus der Formulierung „kann ... unter Beachtung von
Absatz 1 Satz 1" ergebe sich, dass es sich nicht um ein Tatbestandsmerkmal, sondern
um eine einheitliche Ermessensvorschrift handele, vermag die Kammer nicht zu folgen.
Aus der Wortfolge und dem Satzbau folgt gerade nicht, dass das Merkmal „unter
Beachtung von Absatz 1 Satz 1" der Rechtsfolgenseite der Ermessensnorm
zuzurechnen ist. Dort machte es auch keinen Sinn, da die Rechtsfolge der
Ermessensnorm allein darin besteht, eine Mitteilungspflicht aufzuerlegen oder dies zu
unterlassen. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut und der Struktur dieser
Ermächtigungsvorschrift, dass bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1
Satz 1 Ermessen zur Auferlegung der Mit- teilungspflicht gar nicht eingeräumt ist.
21
Dass - wie die Beklagte weiter meint - das Merkmal „Beachtung" lediglich im Sinne von
„Berücksichtigung" zu verstehen sei und somit die Auferlegung der Mitteilungspflicht
auch dann möglich sei, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 nicht erfüllt
seien, lässt sich dem Gesetz ebenfalls nicht entnehmen. Dagegen spricht, dass schon
vom Wortsinn her der Begriff „Beachtung" im Vergleich zu dem der „Berücksichtigung"
ein höheres Maß an Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Dass dies auch der
Terminologie des TKG entspricht, zeigt sich an der Verwendung des Wortes
„berücksichtigen" etwa in § 11 Abs. 1 S. 4 oder § 21 Abs. 1 S. 2 TKG.
22
Schließlich spricht auch die Systematik der drei möglichen Regulierungsinstru- mente
des § 39 TKG gegen die von der Beklagten vertretene Auslegung. Am wenigsten
belastend wirkt die bloße nachträgliche Entgeltregulierung nach § 39 Abs. 3 S. 1 i.V.m.
§ 38 Abs. 2 bis 4 TKG (Stufe 1); einschneidender wirkt die zusätzliche Auferlegung einer
Mitteilungspflicht nach Abs. 3 S. 2 (Stufe 2); das schärfste Instrument stellt die
Unterwerfung unter die Entgeltgenehmigungspflicht nach Abs. 1 dar (Stufe 3). Dieser
Stufenfolge müssen auch die jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen entsprechen, so
dass an die Stufe 2 aus Gründen der Verhältnismäßigkeit höhere Anforderungen zu
stellen sind als an die Stufe 1. Letztere normiert das Gesetz in bewusster Abweichung
von der bei sonstigen Ex- post-Regulierungen geltenden zwingenden Regelung des §
38 Abs. 1 S. 1 und 2 TKG ohne vorherige Mitteilungspflicht und darauf folgende
behördliche Offenkun- digkeitsprüfung. Demgegenüber wirkt eine Maßnahme auf der
Stufe 2 weitaus stärker belastend, weil sie dazu führt, dass das marktmächtige
Unternehmen auf Preisinitiativen seiner Wettbewerber auf dem Endkundenmarkt nicht -
wie im Regelfall (Stufe 1) - sofort, sondern frühestens 2 Monate später marktwirksam
reagieren kann.
23
Andererseits lässt sich gegen diese Auslegung des Merkmals „unter Beachtung von
Absatz 1 Satz" nicht einwenden, dass sie für die Stufen 2 und 3 zu identischen
Ermessensvoraussetzungen führe. Dies trifft nämlich nicht zu, da die Unterwerfung unter
24
die Genehmigungspflicht nach der Sollvorschrift des § 39 Abs. 1 S. 2 TKG in aller Regel
zusätzlich davon abhängt, ob auf dem in Betracht kommenden Endnutzermarkt in
absehbarer Zeit nicht mit der Entstehung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten
Marktes zu rechnen ist.
2.2 Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 S. 1 TKG lagen im maßgeblichen Zeit- punkt
nicht vor.
25
§ 39 Abs. 1 S. 1 TKG lautet: Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass die
Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervor-
auswahl nach § 40 nicht zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 führen
würden, kann die Regulierungsbehörde Entgelte von Unternehmen mit beträchtlicher
Marktmacht bezüglich des Angebots von Telekommunikationsdiensten für Endnutzer
einer Entgeltgenehmigung unterwerfen.
26
Die Annahme der Regulierungsbehörde, Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur
Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl führten nicht zur Erreichung der
Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG, ist aber nicht durch „Tatsachen" ge- rechtfertigt.
Zwar heißt es im angegriffenen Bescheid (unter Ziffer 2):
27
„Es liegt in der Natur der Sache, dass die Vorleistungsregulierung bzw. die
Verfügbarkeit kostenorientierter Vorleistungen einerseits eine entscheidende Grundlage
für den Wettbewerb darstellt und alternativen Anbietern Wettbewerbspositionen eröffnet,
andererseits gleichzeitig nur bedingt einen Schutz vor wettbewerbshindernden
Praktiken des etablierten Betreibers bietet. Zwar könnte argumentiert werden, dass eine
funktionierende Zugangsregulierung dem marktbeherrschenden Unternehmen Anreize
für Verdrängungsstrategien nehme, weil eine spätere Amortisation der damit
verbundenen Kosten ausgeschlossen werde. Dabei wird jedoch übersehen, dass
disziplinierende Marktzutritte von Wettbewerbern nicht nur von einer funktionierenden
Vorleistungsregulierung abhängen. Vielmehr sind auch endogene versunkene Kosten
des Markteintritts sowie deren Verhältnis zu potenziell erzielbaren Gewinnen zu
berücksichtigen. Ist diese Relation ungünstig, beispielsweise, weil die Nachfrager
aufgrund von Wechselkosten eher träge auf den Marktzutritt reagieren und die schon am
Markt befindlichen Unternehmen ihre Preisstrategien schnell anpassen können,
beeinträchtigt dies die Erfolgsaussichten von neuen Wettbewerbern. Im Ergebnis folgt
daraus, dass eine effiziente Vorleistungsregulierung zwar Gefahren des
Preishöhenmissbrauchs reduzieren kann, aber alleine, d.h. oh- ne eine flankierende
effektive Kontrolle wettbewerbsbehindernder Strategien des etablierten Betreibers, nicht
ausreicht, um den Fortbestand der noch nicht hinreichend abgesicherten
Wettbewerbsstrukturen dauerhaft zu gewährleis- ten."
28
Doch sind dies Erwägungen, welche ohne erkennbaren Bezug zur konkreten La- ge auf
dem in Betracht kommenden Endnutzermarkt formuliert sind und die das in § 39 Abs. 1
S. 1 TKG normierte Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehren. Gerade weil aber das TKG
nunmehr - anders als das TKG(1996) - die Ex-ante-Regulierung als subsidiär ansieht
29
vgl. auch: BT-Drs.755/03 zu § 37 des TKG-Regierungsentwurfs
30
und dies wegen des oben dargestellten Zusammenhangs auch für Maßnahmen nach §
39 Abs. 3 S. 2 TKG gilt, reicht eine derartige Begründung, welche sich gegen eine reine
Ex-post-Entgeltregulierung generell ins Feld führen ließe, zur Rechtfertigung der
31
Ausnahme nicht aus.
Ebenso wenig lassen sich rechtfertigende Tatsachen den Ausführungen unter Ziffer 3
des angegriffenen Bescheides, welche sich ausweislich der Eingangsformulierungen
eigentlich zu den Voraussetzungen des § 12 Nr. 4 TKG verhalten sollen, entnehmen.
Denn auch hier ist nicht von realen, nachprüfbaren Umständen, sondern in Bezug auf
die (Vorleistungs-)Märkte für Verbindungsleistungen nur von möglichen Entwicklungen
32
„Gleichwohl ist der Fortbestand des Wettbewerbs nur dann hinreichend abzusichern,
wenn mögliche Quersubventionierungen zwischen Bereichen unterschiedlicher
Wettbewerbsintensität, die Anwendung wettbewerbshindernder Preisabschläge und
Preis-Kosten-Scheren sowie wettbewerbshindernder Bündelungspraktiken einer
wirksamen Kontrolle unterliegen."
33
und mit Blick auf Endkundenmärkte lediglich von potentiellen oder möglichen Praktiken
des etablierten Betreibers
34
„Aus vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Wettbewerbsentwicklung auch auf
den Endkundenmärkten noch nicht so weit fortgeschritten ist, um auf die Option eines
vorzeitigen Eingreifens bereits gänzlich verzichten zu können. Denn ohne diese
Möglichkeit bestünde auch kurzfristig eine erhebliche Gefährdung für den Wettbewerb,
die insbesondere aus potentiellen Verdrängungsstrategien des etablierten Betreibers
resultiert. Insofern ist es erforderlich, möglichen Behinderungspraktiken bereits jetzt
unmittelbar und effektiv entgegentreten zu können."
35
bzw. von nur denkbaren Entwicklungen
36
„Denkbare Verwerfungen der Marktverhältnisse wären durch eine später wieder
einsetzende verstärkte Kontrolle der Entgeltmaßnahmen des betroffenen Unternehmens
auf offenkundige Missbräuchlichkeit nur unter erschwerten Randbedingungen
rückgängig zu machen".
37
die Rede.
38
Dass es im maßgeblichen Zeitpunkt an rechtfertigenden „Tatsachen" fehlte, wird
dadurch bestätigt, dass nicht einmal jetzt eine der angegriffenen Maßnahme
entsprechende reguläre Verfügung nach § 13 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 TKG vorliegt.
39
Abgesehen davon lässt sich der für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Be-
gründung des Bescheides (vgl. § 131 Abs. 1 S. 1 TKG) nicht entnehmen, dass die
Regulierungsbehörde im Rahmen der Beachtung von § 39 Abs. 1 S. 1 TKG neben dem
Zugangsbereich auch die in dieser Vorschrift alternativ genannten Verpflichtun- gen zur
Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl nach § 40 in gerichtlich nachprüfbarer
Weise in den Blick genommen hat.
40
Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob der Bescheid zudem unter Verstoß
gegen § 13 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG verfahrensfehlerhaft ergangen ist
und ob sich die Klägerin auf diese Verfahrensvorschriften berufen kann.
41
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
42
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 135 S. 3
i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
43