Urteil des VG Köln vom 04.05.2007

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Verwaltungsgericht Köln, 25 K 358/06
Datum:
04.05.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
25.
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 K 358/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
T a t b e s t a n d Die Klägerin wehrt sich gegen die Nacherhebung von Autobahnmaut.
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Am 1. September 2005 kontrollierte die Beklagte auf der A 7 bei Schleswig eine
Fahrzeugkombination und stellte fest, dass keine Maut gezahlt worden war. Bei der
Fahrzeugkombination handelte es sich um einen auf die Klägerin zugelassenen
Pferdetransporter für 4 Pferde mit Sattelkammer und einem zulässigen Gesamtgewicht
von 10.100 kg sowie einen Pferdeanhänger für 2 Pferde mit einem zulässigen
Gesamtgewicht von 3.000 kg.
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Im Rahmen der Anhörung bat die Beklagte die Klägerin vergeblich um Mitteilung,
welche mautpflichtige Strecke die Fahrzeugkombination tatsächlich zurückgelegt habe.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2005 erhob die Beklagte von der Klägerin nachträglich
eine Maut nach dem Autobahnmautgesetz (ABMG) in Höhe von 70,00 EUR, wobei sie
eine gefahrene Wegstrecke von 500 km zugrunde legte. Einen rechtzeitig eingelegten
Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2005
zurück.
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Mit ihrer am 16. Januar 2006 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, die fragliche
Fahrzeugkombination habe nicht der Mautpflicht unterlegen, da sowohl der
Pferdetransporter als auch der Pferdeanhänger ausschließlich zur privaten Ausübung
des Pferdesports und damit verbundenen Vereinsveranstaltungen genutzt würden. Im
konkreten Fall habe die Klägerin, die Pächterin eines Reitbetriebs sei, ihren
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Pferdetransporter kostenlos einem ihr bekannten Pferdeliebhaber zur Verfügung
gestellt, der damit seine Pferdekutsche und seine Pferde zu einem sportlichen
Wettbewerb des Vereins der Klägerin transportiert habe. Die auf der A 7 zurückgelegte
Strecke habe im übrigen nicht 500, sondern nur 30,25 km betragen. Die Klägerin
beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2005 und ihren Widerspruchsbescheid
vom 19. Dezember 2005 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, entscheidend sei nicht der subjektive Verwendungszweck des Fahrzeugs im
Einzelfall, sondern ob der eingesetzte Fahrzeugtyp nach seinen objektiven Merkmalen
generell und ausschließlich für den Einsatz im Güterkraftverkehr bestimmt sei. Letzteres
sei hier der Fall, da die kontrollierten Fahrzeuge gerade typischerweise für den
Transport von Gütern, nämlich von Pferden und Zubehör wie etwa Kutschen, auf der
Straße konstruiert worden seien. Auch die Sattelkammer diene vorrangig dem Transport
von Reitzubehör. Die auf § 8 Abs. 2 ABMG gestützte Zugrundelegung von 500 km
Wegstrecke werde durch die erstmals im Gerichtsverfahren genannte tatsächliche
Fahrstrecke nicht rechtswidrig, da es auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung ankomme und zu diesem Zeitpunkt keine Angaben der Klägerin
zur Fahrstrecke vorgelegen hätten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
sowie die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Nacherhebungsbescheid vom 28. Oktober 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2005 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Der Nacherhebungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in den Vorschriften der §§ 1
Abs. 1, 2 Nr. 1, 8 ABMG und - in Bezug auf die konkrete Mauthöhe - des § 3 ABMG
I.V.m. der Mauthöheverordnung (MautHV). § 8 Abs. 1 ABMG ermächtigt das Bundesamt
für Güterverkehr (BfG) zur nachträglichen Mauterhebung durch Bescheid.
Mautschuldner ist gemäß § 2 Nr. 1 ABMG u.a. der Halter des Motorfahrzeugs - hier die
Klägerin -, ohne dass es auf weitere Aspekte wie Kenntnis des Halters vom konkreten
Einsatz des Motorfahrzeugs oder Einverständnis damit ankommt. Fehler in der
konkreten Mautberechnung nach der MautHV sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die vorliegend aufgeworfene Frage, ob es sich bei dem auf der A 7 angetroffenen
Gespann überhaupt um ein mautpflichtiges Fahrzeug handelte, ist zu bejahen.
Mautpflichtig sind gemäß § 1 Abs. 1 ABMG Fahrzeuge im Sinne des Art. 2 Buchstabe d)
der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni
1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege
durch schwere Nutzfahrzeuge (Abl. EG Nr. L 187 S. 42). Nach Art. 2 d) dieser sog.
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Wegekostenrichtlinie bezeichnet der Ausdruck „Fahrzeug" ein Kraftfahrzeug oder eine
Fahrzeugkombination, die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind und
deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 t beträgt. Das zulässige
Gesamtgewicht der hier in Streit stehenden Fahrzeugkombination betrug 13,1 t. Das aus
Pferdetransporter und Pferdeanhänger bestehende Fahrzeuggespann war zudem
ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt.
Weitgehend geklärt ist in der Rechtsprechung, dass Fahrzeuge dann „ausschließlich für
den Güterkraftverkehr bestimmt" sind i. S. d. Wegekostenrichtlinie, wenn sie aufgrund
ihrer objektiven Merkmale dazu bestimmt sind, regelmäßig und auf Dauer und nicht nur
gelegentlich am Wettbewerb im Güterverkehr teilzunehmen. Abzustellen ist dabei auf
die generelle Zweckbestimmung des Fahrzeugs unabhängig vom konkreten
Verwendungszweck im Einzelfall.
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Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 - C-193/98 - (Alois Pfennigmann); OVG NW,
Beschluss vom 30. Januar 2002 - 9 A 5298/00 -; vgl. auch VG Köln, Urteile vom 8.
Oktober 2002 - 14 K 2947/00 - („Eichfahrzeug") und 11. Oktober 2005 - 14 K 4674/03 -
(„Unimog").
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Danach kann es keine Rolle spielen, dass die Fahrzeugkombination im vorliegenden
Fall zum Besuch eines reitsportlichen Wettbewerbs und damit zur privaten Ausübung
des Pferdesports genutzt wurde. Maßgeblich ist allein, ob die Fahrzeugkombination
nach ihren objektiven Konstruktionsmerkmalen generell ausschließlich dazu dienen
soll, Güter auf der Straße zu transportieren,
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so OVG NW, Beschluss vom 30. Januar 2002 - 9 A 5298/00 -.
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Da es sich sowohl bei Pferden als auch beim Zubehör für den Reitsport (z.B. Sättel,
Zaumzeug, Kutsche) um Güter handelt und das hier streitige Gespann auch nur für den
Einsatz auf öffentlichen Straßen gedacht war, ist diese Frage ohne weiteres zu bejahen.
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Zweifelhaft könnte allenfalls sein, ob das Gespann nach seinen Merkmalen auch zur
regelmäßigen und nicht nur gelegentlichen Teilnahme am Wettbewerb im Güterverkehr
bestimmt war, wie dies vom EuGH in Ziffer 32 seiner Entscheidungsgründe in der
Rechtssache Alois Pfennigmann vorgegeben worden ist. Immerhin dürfte im
Allgemeinen davon auszugehen sein, dass gerade Pferdetransportfahrzeuge so
konstruiert sind, dass sie sich sowohl für den gewerblichen Pferdetransport als auch für
den Transporteinsatz im privaten Bereich des Pferdesports eignen. Das Gericht ist
jedoch der Auffassung, dass jedenfalls bei schweren Pferdetransportfahrzeugen oder -
kombinationen über 12 t zulässigen Gesamtgewichts auch im Hinblick auf den
möglichen Einsatz im Bereich des Pferdesports stets von einer generellen Bestimmung
zur Teilnahme am Wettbewerb im Güterverkehr auszugehen ist. Dabei lässt es sich von
der Überlegung leiten, dass es sich bei Pferdetransporten in derart großen Fahrzeugen
regelmäßig um Fahrten handelt, denen Relevanz auf dem Gebiet des Wettbewerbs im
Güterverkehr zukommt, auch wenn es sich um Fahrten zu Sportveranstaltungen handelt.
Pferdetransportfahrzeuge über 12 t zul. Gesamtgewichts sind ihrer Größe nach
üblicherweise nicht mehr bloß für den Hobbybereich bestimmt, sondern werden im
geschäftlichen Bereich eingesetzt. Dass auch nach Auffassung des EuGH eine
Bestimmung zur Teilnahme am Wettbewerb im Güterkraftverkehr selbst dann gegeben
sein kann, wenn es sich um Fahrzeuge handelt, die üblicherweise von Personen
genutzt werden, deren Hauptgewerbe nicht der Güterverkehr ist, ergibt sich im übrigen
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aus Ziffer 37 der o.g. Entscheidung des EuGH.
Das BfG hat für seinen Nacherhebungsbescheid auch zu Recht eine Wegstrecke von
500 km zugrundegelegt. Gemäß § 8 Abs. 2 ABMG wird bei der nachträglichen
Mauterhebung eine Maut erhoben, die einer Wegstrecke von 500 km auf mautpflichtigen
Bundesautobahnen entspricht, wenn die tatsächliche Wegstrecke der Benutzung
mautpflichtiger Bundesautobahnen nicht festgestellt werden kann. Dies war hier der
Fall. Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, nämlich des Ergehens des
Widerspruchsbescheides, war dem BfG die tatsächlich gefahrene Strecke nicht bekannt,
da die Klägerin sie trotz ausdrücklicher Aufforderung zur Mitteilung und Hinweises auf
die gesetzlichen Folgen bei Nichtmitteilung nicht mitgeteilt hatte. Damit ist die
Behördenentscheidung nicht zu beanstanden. Sie wird auch durch die während des
Anfechtungsprozesses nachgeholte Mitteilung der tatsächlich gefahrenen Strecke nicht
nachträglich rechtswidrig, zumal die Klägerin an einer rechtzeitigen Mitteilung nicht
gehindert war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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