Urteil des VG Köln vom 11.09.2008

VG Köln: rücktritt, fakultät, bekanntgabe, unverzüglich, auflage, zwischenprüfung, universität, chancengleichheit, kunstgeschichte, anschluss

Verwaltungsgericht Köln, 6 K 3599/08
Datum:
11.09.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 K 3599/08
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
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Die Kammer hat das Rubrum von Amts wegen dahingehend berichtigt, dass richtiger
Beklagter der Zwischenprüfungsausschuss der Philosophischen Fakultät der Universität
zu Köln ist. Dieser ist als rechtlich verselbständigtes Organ der Fakultät für die
ordnungsgemäße Durchführung der Prüfungen und insbesondere auch für belastende
Entscheidungen in Bezug auf den Rücktritt eines Prüflings von einer Prüfung zuständig
(vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sätze 1 und 2 sowie § 9 Abs. 2 Satz 4, Abs. 4 der
Ordnung für die Magisterprüfung der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln
vom 13.03.1997 - MPO -).
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist jedenfalls deshalb abzulehnen,
weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114
ZPO). Sie wird sich voraussichtlich als unbegründet erweisen, denn der Bescheid vom
21.02.2008 und der Widerspruchsbescheid vom 23.04.2008 sind nach derzeitigem
Sach- und Streitstand rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr nachträglich
erklärter Rücktritt von der Zwischenprüfung im Fach Kunstgeschichte von dem
Beklagten genehmigt wird und dass eine erneute Prüfung in diesem Fach als erster
Zwischenprüfungsversuch gewertet wird.
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Die in § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 1 und 2 MPO genannten Voraussetzungen für
einen wirksamen Rücktritt liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann eine Kandidatin
oder ein Kandidat nur aus triftigem Grund von der Prüfung zurücktreten. Die für den
Rücktritt oder das Versäumnis geltend gemachten Gründe müssen dem zuständigen
Prüfungsausschuss unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden.
Bei Krankheit wird die Vorlage eines ärztlichen Attestes verlangt.
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Unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, ist der Rücktritt von einer Prüfung nur
dann erfolgt, wenn er zum frühesten Zeitpunkt erklärt wird, in dem er vom jeweiligen
Prüfling erwartet werden durfte. Dieses strenge Unverzüglichkeitserfordernis resultiert
aus dem das Prüfungsrecht beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der
Chancengleichheit aller Prüflinge. Er schließt es aus, dass sich einzelne Prüflinge unter
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Berufung auf gesundheitliche Beeinträchtigungen eine zusätzliche, ihnen an sich nicht
zustehende Prüfungsmöglichkeit erschleichen und sich dadurch ungerechtfertigte
Vorteile gegenüber anderen Prüflingen verschaffen.
Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 27.08.1992 - 6 B 33.92 -, Buchholz 421.0 Nr. 301;
BVerwG, Urteil vom 07.10.1988 - 7 C 8/88 -, NJW 1989, 2340, 2341; OVG NRW, Urteil
vom 03.07.1998 - 22 A 2973/98 -, NWVBl. 1999, 23; Niehues, Prüfungsrecht, 4. Auflage
2004, Rn. 140 ff.
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Dies gilt insbesondere, wenn der Rücktritt erst nach Abschluss der Prüfung und
Verkündung des Prüfungsergebnisses erklärt wird. In einem solchen Falle kann ein
Rücktritt nur in Betracht kommen, wenn er zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich
oder nicht zumutbar war. Nicht möglich war der Rücktritt insbesondere, wenn dem
Prüfling seine Prüfungsunfähigkeit während der Prüfung verborgen geblieben ist.
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Vgl. das Urteil der Kammer vom 30.01.2003 - 6 K 1740/00 - mit weiteren Nachweisen.
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Nimmt der Prüfling hingegen an der Prüfung teil, obwohl er um seinen Zustand weiß, so
handelt es sich um eine „bewusste Risikoübernahme", an der der Prüfling sich
festhalten lassen muss. Denn die Chancengleichheit verbietet es, einem Prüfling die
Möglichkeit zu geben, gleichsam probeweise an der Prüfung teilzunehmen und sich
später, wenn das Ergebnis nicht wunschgemäß ausfällt, auf den von vornherein
bestehenden Rücktrittsgrund zu berufen.
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Vgl. nochmals das Urteil der Kammer vom 30.01.2003; siehe auch Zimmerling/Brehm,
Prüfungsrecht, 2. Auflage 2001, Rn. 326 ff.
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Gemessen an diesen Maßstäben kommt ein nachträglicher Rücktritt der Klägerin von
der Zwischenprüfung im Fach Kunstgeschichte nicht mehr in Betracht. Sie hat nach
Aktenlage an der Prüfung vorbehaltlos teilgenommen und erstmals mit
Widerspruchsschreiben vom 15.03.2008 und damit mehrere Wochen nach Bekanntgabe
des Prüfungsergebnisses ihren Rücktritt erklärt und die hierfür aus ihrer Sicht
maßgeblichen Gründe mitgeteilt. Von einer „unerkannten Prüfungsunfähigkeit" während
der Klausur kann dabei keine Rede sein, denn die Klägerin hat nach eigenen Angaben
bereits während der Prüfung bemerkt, dass sie „die präsentierten Bilder nicht richtig
bzw. scharf" habe erkennen und dass sie „Details zum Teil gar nicht" habe „sehen bzw.
entschlüsseln" können. Sie hat damit, auch wenn ihr die ärztliche Diagnose seinerzeit
noch unbekannt war, schon während der Prüfung eine erhebliche Sehschwäche
festgestellt und dies in der Laiensphäre als einen Umstand wahrgenommen, der ihre
Prüfungsunfähigkeit begründet. Darauf hätte die Klägerin nach den vorstehend
dargestellten rechtlichen Maßstäben bereits während der Prüfung, jedenfalls aber
unmittelbar im Anschluss an die Prüfung und nicht erst nach Bekanntgabe des
negativen Prüfungsergebnisses hinweisen können und müssen.
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