Urteil des VG Köln vom 06.10.2009

VG Köln (eigentümer, buchstabe, kag, grundstück, zwangsverwaltung, aufschiebende wirkung, wirtschaftliche betrachtungsweise, anschluss, grundbuch, vorschrift)

Verwaltungsgericht Köln, 14 K 6653/08
Datum:
06.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 6653/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die
Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Grundbesitzabgabenbescheides.
Die Klägerin, eine als Bauträgerin tätige Massivhausbauunternehmung, war am 12.
September 2008 seit 14. August 2000 eingetragen als Eigentümerin des Grundstücks Q.
Straße 00-00 in C. (Grundbuch von C. , Blatt 00000 Gemarkung C. , Flur 0 Flurstück
0000, Auflassung vom 18. April 2000). Die Klägerin verkaufte das Grundstück an Herrn
V. und Frau V1. S. . Aufgrund der Bewilligung vom 20. Dezember 2004 wurde am 1.
Februar 2005 zu deren Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch
eingetragen. Durch Beschluss des Amtsgerichts C. vom 1. Dezember 2006 - 97 IN
238/06 - wurde über das Vermögen des Herrn V. S. das Insolvenzverfahren eröffnet.
Durch Beschluss des Amtsgerichts C. vom 10. August 2007 - 23 L 37/07 - wurde die
Zwangsverwaltung des Grundstücks angeordnet, worüber am 13.08.2007 ein
entsprechender Vermerk ins Grundbuch eingetragen wurde.
2
Nachdem die Beklagte zunächst erfolglos versucht hatte, die
Grundbesitzabgabenforderung gegenüber der Insolvenzmasse geltend zu machen, zog
sie durch Abgabenbescheid vom 12. September 2008 die Klägerin u.a. zu 132,60 EUR
Niederschlagswassergebühren, 704,90 EUR Schmutzwassergebühren und 417,46
EUR Abfallentsorgungsgebühren für den Zeitraum Januar bis Dezember 2006 sowie
143 EUR Niederschlagswassergebühren, 719,74 EUR Schmutzwassergebühren und
449,90 EUR Abfallentsorgungsgebühren für den Zeitraum Januar bis Dezember 2007
sowie 152,10 EUR Niederschlagswassergebühren, 786,52 EUR
Schmutzwassergebühren und 459,89 EUR Abfallentsorgungsgebühren für den
Zeitraum Januar bis Dezember 2008 heran. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Abgabenbescheid, Blatt 1 f. im Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Dem Bescheid war ein Anschreiben beigefügt, in dem die Beklagte die Klägerin darauf
hinwies, dass aus dem Abgabenbescheid nur noch die Grundbesitzabgaben für das
3
Kalenderjahr 2006 und die Monate Januar bis Juni 2007 i.H.v. insgesamt 4.638,42 EUR
(einschließlich der hier nicht verfahrensgegenständlichen Grundsteuer) zu begleichen
seien. Die Forderungen ab Juli 2007 seien bereits durch den Zwangsverwalter
überwiesen worden (Blatt 31 im beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten).
Daraufhin meldeten sich für die Klägerin ihre heutigen Prozessbevollmächtigten bei der
Beklagten, führten aus, dass die Eheleute V. und V1. S. als
Auflassungsvormerkungsberechtigte den Grundbesitz tatsächlich übernommen hätten,
so dass sie - auch nach dem zugrunde liegenden Kaufvertrag - vorrangig Verpflichtete
seien, und wiesen darauf hin, dass die Klägerin auf alle Fälle nicht für die Müllgebühren,
Abfallentsorgungsgebühren, Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebühren
herangezogen werden könne, da sie entsprechende Anträge nicht gestellt habe. In
Beantwortung dieses Schreibens wies die Beklagte darauf hin, dass Schuldner der
geltend gemachten Gebührenforderungen jeweils der Grundstückseigentümer, nicht der
Nutzer sei. Entgegenstehende privatrechtliche Vereinbarungen könnten daran nichts
ändern. Der Zwangsverwalter habe die Gebührenforderungen ab Anordnung der
Zwangsverwaltung (Juli 2007) beglichen. Für den Zeitraum Januar 2006 bis Juni 2007
seien hingegen keine Zahlungen geleistet worden. Später ergänzte die Beklagte, dass
nur durch Anforderung der Abgaben gegenüber dem im Grundbuch eingetragenen
Eigentümer eine Realisierung rückständiger Benutzungsgebühren im Rahmen einer
Zwangsversteigerung möglich sei und auch insofern die nachträgliche Berechnung der
Abgaben gegenüber der Klägerin erforderlich gewesen sei.
4
Am 13. Oktober 2008 hat die Klägerin Klage erhoben.
5
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor: Für die Erhebung der
Niederschlags-/Schmutzwasser- und Abfallentsorgungsgebühren könne nicht darauf
abgestellt werden, wer Grundstücks(buch)eigentümer sei. Vielmehr sei derjenige
Veranlasser für die Entstehung der Gebühren, der die entsprechenden Anträge gestellt
habe. Dies sei nicht die Klägerin gewesen, sondern durch die Eheleute S. geschehen.
Die Klägerin habe dies und damit die Entstehung der Gebührenschuld auch nicht
verhindern können. Wiederkehrende Beiträge und Gebühren, die auf Antrag hin eine
Kostenpflicht auslösten, müssten anders behandelt werden, als allgemeine
Erschließungskosten und Erschließungsbeiträge, die als öffentliche Last auf einem
Grundbesitz ruhten. Deswegen sei die Beklagte hier verpflichtet, die entsprechenden
Bescheide gegenüber den Nutzern zu erlassen und sodann im Rahmen der
Zwangsverwaltung anzumelden. Darüber hinaus werde sich auf eine Selbstbindung der
Verwaltung berufen. Die Beklagte habe bereits zuvor die Abgaben festgesetzt gehabt,
diese Festsetzung jedoch im Hinblick auf den Umstand, dass die derzeitigen Nutzer
nicht Eigentümer seien, aufgehoben; auf den Bescheid vom 11. April 2007 werde
hingewiesen. Die vormals aufgehobenen Gebührenforderungen könnten nun nicht neu
festgesetzt werden. Hierdurch sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, auf den
die Klägerin vertraut habe. Ansonsten hätte sie sich um eine gerichtliche Klage bemüht,
die die Nutzer verpflichtet hätte, ggfs. die Anschlüsse auf Brauchwasser und
Abfallentsorgung wieder abzumelden. Weiterhin werde bemängelt, dass die
festgesetzten Gebühren auch der Höhe nach nicht nachvollziehbar seien, denn sie
beruhten ausschließlich auf Schätzungen, zumindest hinsichtlich des
Schmutzwasserverbrauchs. Aufgrund der im Abgabenrecht geltenden wirtschaftlichen
Betrachtungsweise sei im Übrigen grundsätzlich nicht auf den formellen Eigentümer
abzustellen, sondern entsprechend § 39 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) auf
denjenigen, der die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut - hier das
6
Grundstück - ausübe. Dies seien vorliegend die Eheleute S. und nicht die Klägerin.
Aufgrund des notariellen Kaufvertrages und der Auflassungsvormerkung hätten es die
Eheleute S. allein in der Hand gehabt, die Eigentumsumschreibung durch vollständige
Kaufpreiszahlung herbeizuführen. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b des
Kommunalabgabengesetzes (KAG NRW) sei § 39 AO auch hier anwendbar. Diese
wirtschaftliche Betrachtungsweise habe auch an verschiedenen Stellen Eingang in die
hier maßgeblichen Satzungen und Gebührenordnungen der Beklagten gefunden.
Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vortrags insoweit wird auf Blatt 38 ff. der
Gerichtsakte Bezug genommen. Jedenfalls komme eine Heranziehung des
Bucheigentümers erst dann in Betracht, wenn gegenüber demjenigen, dessen Verhalten
die Beitragspflicht auslöse, der Anspruch nicht realisiert werden könne, ggfs. auch nicht
im Rahmen der Zwangsverwaltung. Bei alledem sei zu berücksichtigen, dass
Anknüpfungspunkt für die festgesetzten Gebühren nicht die Person des Eigentümers,
sondern das Grundstück sei. Dies ergebe sich beispielsweise aus § 6 Abs. 1 der
Abfallentsorgungssatzung. Auch § 6 Abs. 5 KAG NRW handele von
grundstücksbezogenen Benutzungsgebühren. Das Argument, der
Grundstückseigentümer habe auch insoweit einen Vorteil durch Abfall- bzw.
Niederschlags- und Schmutzwasserbeseitigung, da ohne eine solche Beseitigung das
Grundstück faktisch nicht vermarktbar sei, greife auch nicht durch. Folge man dieser
Argumentation, gestehe man der Beklagten das Recht zu, dem Grundstückseigentümer
die Verwertbarkeit seines Grundstückes aufzwingen zu können. Dies bedeute jedoch,
dass ihm die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition "unvermarktbares
Grundstück" durch hoheitlichen Eingriff entzogen würde. Schließlich sei noch auf § 4
Abs. 2 KAG NRW hinzuweisen, der den Gedanken des Austauschverhältnisses
normiere. Darin trete der Wille des Gesetzgebers zu Tage, denjenigen zum
Kostenschuldner zu machen, dem der Vorteil aus der öffentlichen Leistung zufließe.
Dies sei der wirtschaftliche Eigentümer, nicht der Bucheigentümer. Weder in § 33 noch
in § 43 AO sei die Person des Eigentümers genannt; geregelt sei dort der
Steuerschuldner. Um hier eine sachgerechte Zurechnung zu ermöglichen, eröffne § 39
AO das Abstellen auf den wirtschaftlichen Eigentümer.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
7
den Abgabenbescheid der Beklagten vom 12. September 2008 insoweit aufzuheben,
als darin Niederschlagswassergebühren, Schmutzwassergebühren und
Abfallentsorgungsgebühren festgesetzt werden. Die Beklagte beantragt sinngemäß,
8
die Klage abzuweisen.
9
Zur Begründung führt sie im wesentlichen Folgendes aus: Die hier einschlägigen
Satzungen verwiesen hinsichtlich des Gebührenpflichtigen auf den
Grundstückseigentümer, nicht auf den "wirtschaftlichen Eigentümer". Forderungen
könnten - soweit sie nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhten - nur
gegenüber dem im Grundbuch eingetragenen Eigentümer geltend gemacht werden.
Grundstücksbezogene Benutzungsgebühren stellten erst ab dem 17. Oktober 2007
öffentliche Lasten dar. Die maßgeblichen Satzungen sähen im Übrigen keine
Antragstellung für die Inanspruchnahme der Abfallentsorgung bzw. der
Abwasserbeseitigung vor. Vielmehr sei im Rahmen des Anschluss- und
Benutzungszwanges bei entsprechender Inanspruchnahme der Leistungen auch als
Gegenleistung die Benutzungsgebühr beim jeweiligen Eigentümer des Grundstückes zu
erheben.
10
Durch rechtskräftigen Beschluss vom 26. Januar 2009 - 14 L 1748/08 - hat das Gericht
den Antrag der Klägerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen,
abgelehnt.
11
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß
§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einverstanden erklärt.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte nebst beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Beklagten
sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte im Verfahren 14 L 1748/08 Bezug genommen.
13
Entscheidungsgründe
14
Das Gericht konnte ohne vorherige Durchführung einer mündlichen Verhandlung über
die Klage entscheiden, weil sich die Beteiligten damit gemäß § 101 Abs. 2 VwGO
einverstanden erklärt haben.
15
In Anwendung von § 88 VwGO ergibt sich der o.a. Klägerantrag, der auch dem im
Verfahren 14 L 1748/08, von den Beteiligten unbeanstandet, zugrundegelegten
entspricht. Hierbei hat das Gericht den Ausführungen zur Klagebegründung
entnommen, dass der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angekündigte
Haupt- und Hilfsantrag nur auf die Klage in der zunächst erhobenen Gestalt, also
enthaltend auch die Grundsteuerfestsetzung, zu beziehen war, was durch Abtrennung
dieses Streitgegenstandes hier gegenstandslos geworden ist. Soweit in der Klageschrift
der Antrag die Formulierung "geltend gemacht" und nicht "festgesetzt" gewählt worden
ist, hat das Gericht dem Klägervorbringen keine weiteren Anhaltspunkte dafür
entnehmen können, dass damit der Streitgegenstand auf die Beträge beschränkt
werden sollte, die nach dem dem Abgabenbescheid beigefügten Anschreiben der
Beklagten noch von der Klägerin beglichen werden sollten.
16
Die nach § 42 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative VwGO zulässige Anfechtungsklage ist
unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
17
Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren
Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
18
Der Gebührenbescheid ist formell rechtmäßig.
19
Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass er an die Klägerin gerichtet ist, obschon
zum Zeitpunkt seines Erlasses das Grundstück Q. Str. 00-00 in C. bereits unter
Zwangsverwaltung stand. Die persönliche Gebührenpflicht der Klägerin bleibt nämlich
von der Zwangsverwaltung unberührt.
20
Vgl. Driehaus, in: ders., Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2008, § 8 Rn. 56b; Thiem,
Allgemeines kommunales Abgabenrecht, 1981, S. 203. Vgl. auch
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom
25. März 1993 - 2 B 4984/92 -, juris.
21
Allerdings sind Bescheide über Gebühren der hier betroffenen Art an den
Zwangsverwalter zu richten, soweit sie während der Zwangsverwaltung entstandene
22
Gebühren für ein Grundstück betreffen, welches der Zwangsverwaltung unterliegt. Dies
ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a KAG NRW i.V.m. § 34 Abs. 3 AO.
Vgl. (für das dortige Landesrecht) im Einzelnen Verwaltungsgericht (VG) Halle, Urteil
vom 9. Mai 2008 - 4 A 286/06 -, juris, Rn. 40 f. m.w.N. Vgl. auch Bundesgerichtshof
(BGH), Urteil vom 9. Februar 2006 - IX ZR 151/04 - juris, Rn. 11.
23
Vorliegend wurde die Zwangsverwaltung durch Beschluss vom 10. August 2007
angeordnet. Für den davor liegenden Zeitraum kommt sonach von vornherein der
Zwangsverwalter nicht als Adressat des Bescheides in Betracht. Im angefochtenen
Bescheid sind allerdings auch Gebührenforderungen festgesetzt, die den
nachfolgenden und somit bereits in die Zwangsverwaltung hineinreichenden Zeitraum
betreffen, wenngleich die Beklagte der Klägerin mit der Übersendung des
Abgabenbescheides mitgeteilt hat, dass nur noch die Forderungen betreffend den
Zeitraum Januar 2006 bis Juni 2007 zu begleichen seien, weil die Forderungen ab Juli
2007 bereits durch den Zwangsverwalter überwiesen worden seien. Unabhängig von
der Frage der Reichweite des Leistungsgebotes führt die Aufnahme von Zeiträumen
während der Zwangsverwaltung jedenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des an die
Klägerin adressierten Bescheides. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a KAG NRW
i.V.m. § 34 Abs. 3 AO hat der Zwangsverwalter, soweit seine Verwaltung reicht, zwar die
abgabenmäßigen Pflichten des Eigentümers zu erfüllen. Dadurch wird er jedoch nicht
zum Abgabenpflichtigen, sondern an ihn ist lediglich der Bescheid zu richten
(Unterscheidung zwischen Inhalts- und Bekanntgabeadressat).
24
Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. August 2007 - 4 L 21/07 - juris, Rn. 24;
dass., Urteil vom 23. September 2004 - 1 L 264/04 - juris, Rn. 20.
25
Eine (zusätzliche) Bekanntgabe gegenüber der Klägerin macht dann aber nicht den
inhaltlich zutreffenden Bescheid rechtswidrig.
26
Der Gebührenbescheid ist auch materiell rechtmäßig.
27
Gebührenpflichtiger für die hier in Rede stehenden Benutzungsgebühren ist derjenige,
der Leistungen einer öffentlichen Einrichtung in Anspruch nimmt (§ 4 Abs. 2 KAG NRW).
Wer dies ist, bestimmt der kommunale Satzungsgeber. Die hier maßgeblichen
Bestimmungen der einschlägigen Satzungen der Beklagten sehen eine Gebührenpflicht
für den "wirtschaftlichen Eigentümer" nicht vor, und auch darauf, wer ggf. die Leistung
bei der Beklagten durch "Antragstellung" faktisch "abgerufen" hat, kommt es nicht an.
28
Nach § 1 der Gebührenordnung über die Abfallentsorgung in der Bundesstadt C.
(Abfallgebührenordnung) werden für die Inanspruchnahme der Abfallentsorgungsanstalt
der Bundesstadt C. Gebühren erhoben, nach § 8 der Beitrags- und Gebührenordnung
für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage der Bundesstadt C.
(Kanalabgabensatzung) werden für die Inanspruchnahme der öffentlichen
Abwasseranlage Benutzungsgebühren (Schmutzwasser- und
Niederschlagswassergebühren) erhoben. Gebührenpflichtig ist dabei jeweils der
Eigentümer des Grundstücks (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Abfallgebührenordnung bzw. § 14 Abs.
1 Satz 1 Buchstabe a Kanalabgabensatzung).
29
Dabei ist für die Eigentümerstellung im Sinne der genannten Satzungen allein das
"Bucheigentum" maßgeblich. Unerheblich ist, wer "wirtschaftlicher Eigentümer" des
30
Grundstücks ist. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften. Es
bedürfte, umgekehrt, einer - hier indes fehlenden - ausdrücklichen Regelung, wenn der
"wirtschaftliche Eigentümer" herangezogen werden (können) sollte. Dafür spricht nicht
zuletzt die Sonderregelung für Erbbauberechtigte, die nicht erforderlich wäre, wenn es
ohnehin auf das "wirtschaftliche Eigentum" ankäme. Auch § 6 Abs. 1 Satz 3
Abfallgebührenordnung enthält eine Ausnahmevorschrift und belegt damit, dass, soweit
Sondertatbestände greifen sollten, diese auch satzungsrechtlich ausdrücklich normiert
worden sind.
Aus der gem. § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG NRW anwendbaren Vorschrift des §
39 Abs. 2 AO folgt nichts Gegenteiliges. § 39 Abs. 2 AO enthält lediglich eine Regelung
dahingehend, dass ein Wirtschaftsgut unter bestimmten Voraussetzungen einem
anderen als dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zuzurechnen sein kann. Die
Vorschrift bestimmt aber nicht, wer Steuer- bzw. Abgabenschuldner ist. Die
Beantwortung der Frage, wer Steuer- bzw. Abgabenschuldner ist, ist vielmehr den
jeweils einschlägigen materiellen Steuer- bzw. Abgabenvorschriften - hier den
Gebührensatzungen - zu entnehmen. Die Regelungen der AO können hinsichtlich der
Bestimmung des Abgabenschuldners lediglich dann Bedeutung erlangen, wenn als
Schuldner derjenige bezeichnet wird, "dem der Steuergegenstand zugerechnet ist".
31
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 1993 - 9 A 1684/91 -, NWVBl 1994, 62; Lichtenfeld,
in: Driehaus, a.a.O., § 4 Rn. 288.
32
Dasselbe gilt im Ergebnis für § 33 der Satzung über die Entsorgung von Abfällen in der
Bundesstadt C. (Abfallentsorgungssatzung) bzw. § 2 Nr. 8 der Satzung der Bundesstadt
C. über die Entwässerung der Grundstücke, die Abwasserbeseitigung und den
Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage (Entwässerungssatzung). Diese
Regelungen betreffen nur die Frage, was ein "Grundstück" im Sinne der genannten
Satzungen ist, regeln aber nicht, wer Gebührenschuldner ist.
33
Endlich ist ohne Belang, dass - möglicherweise - eine Reihe von Pflichten nach der
Abfallentsorgungssatzung bzw. Entwässerungssatzung nur vom "wirtschaftlichen
Eigentümer" erfüllt werden können. Zum einen kennen die genannten Satzungen
teilweise abweichend zu den Gebührensatzungen hier Sonderregeln (vgl. § 32
Abfallentsorgungssatzung, § 2 Nr. 11 Entwässerungssatzung), zum anderen wird die
Frage nach der spezifischen Gebührenpflicht eben abschließend durch die
Gebührensatzungen beantwortet, worauf nicht zuletzt § 34 Abfallentsorgungssatzung
und § 14 Entwässerungssatzung hindeuten.
34
Zu keiner anderen Betrachtungsweise führt die Berücksichtigung der vom
Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführten Rechtsprechung, weil diese sich zu
anderen rechtlichen Zusammenhängen verhält: Erkenntnisse aus der Subsumtion unter
die Tatbestandsmerkmale des § 42 VwGO bzw. die Auslegung des Begriffs des
"Nachbarn" im Sinne des öffentlichen Baurechts geben nicht vor, wie der Begriff des
"Eigentümers" in einer gänzlich anderen Rechtsvorschrift zu verstehen ist, insbesondere
wenn diese von einem anderen Normgeber stammt.
35
Nach alledem ist nach der Abfallgebührenordnung bzw. Kanalabgabensatzung der
Bucheigentümer Schuldner der Abgaben. Bucheigentümerin des Grundstücks Q. Str.
59-61 in C. ist aber die Klägerin.
36
Ob daneben ggf. auch Herr S. Abgabenschuldner ist, ist gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2
Buchstabe b KAG NRW i.V.m. § 44 Abs. 1 AO unerheblich. Selbst seine
Gebührenpflichtigkeit in Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b
Kanalabgabensatzung (als "Inhaber eines auf dem Grundstück befindlichen Betriebes")
und die Anzeige dieser Nutzung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 Kanalabgabensatzung
unterstellt, hindert dies die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin nicht. Der
Wortlaut von § 14 Abs. 1 Satz 1 Kanalabgabensatzung enthält keine Regelung zum
Verhältnis der in den einzelnen Buchstaben aufgeführten Gebührenpflichtigen
untereinander. Es spricht Überwiegendes dafür, dass Sinn und Zweck der Vorschrift die
Einnahmensicherung ist und dass demzufolge die jeweils Genannten nebeneinander
gebührenpflichtig sein sollen. Dem entspricht auch die Systematik der Vorschrift, die die
einzelnen Tatbestände nebeneinander stellt, eben ohne ein Spezialitätsverhältnis
herauszustellen. In der Folge greift § 44 Abs. 1 AO. Die Schuldnerauswahl steht dann
allerdings im Ermessen der Beklagten, das diese gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b
KAG i.V.m. § 5 AO entsprechend dem Zweck der Ermächtigung innerhalb der
gesetzlichen Grenzen auszuüben hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Gesamtschuldnerschaft der Abgaben erhebenden Behörde grundsätzlich eine möglichst
rasche und sichere Erhebung der Abgabe ermöglichen soll. Daher steht der
zuständigen Stelle bei der Auswahl des Gesamtschuldners ein lediglich durch das
Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit begrenztes Ermessen zu. Die
Ermessensentscheidung über die Auswahl bedarf dabei in der Regel keiner
Begründung.
37
Vgl. VG München, Urteil vom 30. September 2004 - M 10 K 04.2800 - , juris, m.w.Nw.
38
Hier kommt hinzu, dass den Beteiligten, der Klägerin jedenfalls durch den Beschluss
über die Zwangsverwaltung, die Schwierigkeiten einer Forderungsbeitreibung bei Herrn
S. bekannt war, so dass ein Fall von § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 3
Buchstabe b KAG naheliegt. Außerdem setzt eine Ermessensausübung voraus, dass
die Abgabenschuld auch noch gegenüber mindestens einer anderen Person
durchgesetzt werden kann.
39
Vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 25. Januar 1989 - I R 17/85 - juris, Rn. 10.
40
Aufgrund der Gegebenheiten des Insolvenzverfahrens gegen Herrn S. war dies hier
jedoch praktisch nicht der Fall. Nach alledem bliebe es selbst für den Fall, dass
tatsächlich § 14 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b Kanalabgabensatzung einschlägig sein
sollte, unschädlich, dass jedenfalls keine Begründung einer Ermessensentscheidung
der Beklagten mitgeteilt worden ist.
41
Dass nach dem zwischen der Klägerin und den Eheleuten S. geschlossenen
Kaufvertrag möglicherweise Letztere vorrangig verpflichtet sind, ist als nur zwischen den
Vertragsparteien geltende Vereinbarung von vornherein nicht maßgeblich für die Frage
der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides.
42
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Abfallgebührenordnung und § 14 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a
Kanalabgabensatzung verstoßen auch nicht etwa deshalb gegen § 4 Abs. 2 KAG NRW,
weil durch diese Regelungen der Bucheigentümer als Gebührenschuldner
herangezogen wird. Es ist einhellige Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, dass die
Gebührensatzungsgeber auch bei Abfall- bzw. Abwasser- und
Niederschlagswassergebühren den Grundstückseigentümer zum Gebührenschuldner
43
bestimmen können. Das folgt schon daraus, dass auch und gerade die
Grundstückseigentümer insoweit dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegen
(vgl. § 6 Abfallentsorgungssatzung, § 2 Nr. 11 Entwässerungssatzung). Dies findet
seinerseits seine Rechtfertigung in § 9 der Gemeindeordnung NRW (GO NRW), wo der
Anschluss- und Benutzungszwang für Grundstücke vorgesehen ist. Verfügungsbefugt
über Grundstücke ist zunächst einmal der Eigentümer. Im Übrigen hat der
Grundstückseigentümer insoweit auch einen Vorteil durch die Abfall- bzw.
Niederschlags- und Schutzwasserbeseitigung, da ohne eine solche Beseitigung das
Grundstück faktisch nicht vermarktbar wäre.
Vgl. zu alledem OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 1977 - 2 A 355/75 -, KStZ 1978, S. 57;
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 16. April 1998 - 4 N
95.2760 -, BayVBl 1999, S. 375; OVG Bremen, Urteil vom 19. November 1996 - 1 N 1/96
-, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 4. Mai 2001 - 1 Bf 388/98 -, NVwZ-RR 2002, S.
458; Dahmen, in Driehaus, a.a.O., § 4 Rn. 272.
44
Es ist dann dem Eigentümer überlassen, durch entsprechende Gestaltung der
vertraglichen Vereinbarungen mit dem tatsächlichen Nutzer dafür Sorge zu tragen, dass
er seine Aufwendungen ersetzt bekommt.
45
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im zugehörigen Verfahren nach § 80
Abs. 5 VwGO die Rechtmäßigkeit der einschlägigen Satzungen unter dem
Gesichtspunkt in Zweifel gezogen hat, dass diese für das Abrufen der öffentlichen
Leistung keine Antragserfordernisse enthielten, kann dem nicht gefolgt werden, weil
dies gleichsam in der Natur der Sache eines Anschluss- und Benutzungszwangs liegt.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Anschluss- und Benutzungszwangs drängen sich
nicht auf und sind auch nicht substantiiert geltend gemacht worden. Insoweit kann auch
dem klägerischen Vortrag hinsichtlich eines Entzugs der grundrechtlich geschützten
Eigentumsposition "unvermarktbares Grundstück" nicht gefolgt werden.
46
Auch der Höhe nach sind die erhobenen Abgaben, soweit Einwände erhoben wurden,
nicht zu beanstanden, und andere Mängel drängen sind nicht auf.
47
Die Schmutzwassergebühren wurden jedenfalls nunmehr nicht etwa auf der Basis von
Schätzungen sondern auf der Basis des tatsächlichen Frischwasserverbrauchs ermittelt
(vgl. § 9 Abs. 2 Buchstabe a und § 9 Abs. 4 Buchstabe a Kanalabgabensatzung).
48
Schließlich ist auch keine Festsetzungsverjährung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b
KAG NRW i.V.m. § 169 AO eingetreten, da die streitgegenständlichen Abgaben
innerhalb der Festsetzungsfrist von vier Jahren festgesetzt worden sind.
49
Auch die Tatsache, dass durch Bescheid vom 11. April 2007 eine rückwirkende
Aufhebung der schon einmal festgesetzten Abgaben erfolgt ist, ändert daran nichts.
Einen Satz des Inhalts, dass einmal erhobene und dann aufgehobene Abgaben nicht
innerhalb der Festsetzungsfrist erneut erhoben werden dürften, kennt das Abgaben- und
das Kommunalabgabenrecht in dieser Allgemeinheit nicht. Denn die Aufhebung eines
Abgabenbescheids begründet keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die
Abgabe nicht innerhalb der genannten Frist von vier Jahren - erneut - geltend gemacht
werden dürfte; dementsprechend bezieht sich § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW
i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO auch auf die Änderung von Abgaben. Vorliegend kommt
hinzu, dass der Aufhebungsbescheid (Bl. 32 der Gerichtsakte) in der letzten Zeile den
50
Hinweis enthält "Eigentumswechsel (Zurechnungsfortschreibung des Finanzamtes)".
Schutzwürdiges Vertrauen konnte die Klägerin insoweit jedoch nicht bilden, weil ihr
zumindest bekannt gewesen sein musste, dass es zu einem Eigentumswechsel noch
nicht gekommen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
51
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
52
Anlass, die Berufung nach §§ 124a Abs. 1, 124 VwGO zuzulassen, bestand nicht.
53