Urteil des VG Köln vom 27.11.2009

VG Köln (wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, interesse, antrag, verfügung, prüfung, interessenabwägung, wirkung, verwaltungsgericht, bundesverfassungsgericht)

Verwaltungsgericht Köln, 25 L 1556/09
Datum:
27.11.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
25.Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 L 1556/09
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 25 K 6685/09 gegen den Bescheid der
Antragsgegnerin vom 28. September 2009 wiederherzustellen,
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht die gemäß § 80 Abs. 2 Nr.
4 VwGO ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen, wenn
das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung des Suspensiveffektes ihres
Rechtsmittels das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt oder zumindest von
gleichem Gewicht ist. Bei der Interessenabwägung sind in erster Linie die
Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache zu berücksichtigen. Ist die angefochtene
Verfügung offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Privatinteresse an der
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, während umgekehrt regelmäßig das
öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt, wenn die Verfügung offensichtlich
rechtmäßig ist. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, ist aufgrund einer
allgemeinen, von der Prüfung der Erfolgsaussichten unabhängigen
Interessenabwägung zu entscheiden.
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Nach diesen Vorgaben überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung der angegriffenen Verfügung das Privatinteresse der Antragstellerin an der
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
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Bei der im vorliegenden Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung
lässt sich zunächst weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche
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Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen. Der Ausgang des
Hauptsacheverfahrens 25 K 6685/09 ist vielmehr derzeit offen.
Rechtsgrundlage der Verpflichtungen, die die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit
dem angefochtenen Bescheid auferlegt hat, ist § 6 a Zukunftsinvestitionsgesetz
(ZuInvG). Danach kann der Bundesrechnungshof bei den Ländern und Kommunen
Erhebungen durchführen, um zu prüfen, ob die den Ländern zur Verfügung gestellten
Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet wurden. Dass sich die von der
Antragsgegnerin hier beabsichtigte Erhebung bei der Antragstellerin auf der Grundlage
und im Rahmen der Regelung des § 6 a ZuInvG bewegt, ist von der Antragstellerin
unbestritten. Ihr Antrag ist allein auf die Argumentation gestützt, § 6 a ZuInvG sei
verfassungswidrig, da der Bund nach Hingabe von Finanzhilfen nach Art. 104 b
Grundgesetz (GG) keine Verwaltungsbefugnisse bei der Wahrnehmung von Aufgaben
der Kommunen habe. Insoweit wird eine Klärung herbeizuführen sein, ob sich ein
Prüfungs- und Erhebungsrecht des Bundesrechnungshofes aus Art. 114 Abs. 2 GG
i.V.m. Art. 104 b Abs. 2 und Abs. 3 GG herleiten lässt, oder ober dies einen
verfassungsrechtlich unzulässigen Eingriff in die Haushaltsautonomie der Länder aus
Art. 109 Abs. 1 GG darstellt. In letzterem Falle wird die Kammer das Verfahren wegen
der ihr fehlenden Verwerfungskompetenz aussetzen und dem
Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG zur Entscheidung vorlegen müssen. Eine
derartige Vorgehensweise kommt jedoch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren schon
wegen des Verfahrenscharakters nicht in Betracht. Das Gericht kann die
Verfassungswidrigkeit einer Norm bei der im summarischen Verfahren im Rahmen der
Interessenabwägung gebotenen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage vielmehr nur
dann berücksichtigen, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden
Vorschrift eindeutig überzeugt ist,
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vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW),
Beschluss vom 27. April 2009 - 16 B 539/09 -.
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Vorliegend vermag die Kammer schon wegen der Komplexität der dabei zu
beantwortenden Rechtsfragen unter Würdigung der gegenläufigen Rechtsstandpunkte
der Beteiligten im Rahmen der nur möglichen summarischen Überprüfung nicht zu der
eindeutigen Überzeugung zu gelangen, dass § 6 a ZuInvG, der formell ordnungsgemäß
und mit Zustimmung des Bundesrates erlassen worden ist, verfassungswidrig ist. Ob die
Vorschrift verfassungswidrig ist, ist vielmehr offen. Die Kammer sieht auch im Hinblick
auf Art. 19 Abs. 4 GG keinen Anlass, ausnahmsweise über den für Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes geltenden Prüfungsmaßstab hinaus die isolierte Frage
der Verfassungswidrigkeit von § 6 a ZuInvG bereits im vorliegenden Verfahren
umfassend und mit Blick auf das anhängige Hauptsacheverfahren womöglich
vorentscheidend zu behandeln. Denn die von der Antragstellerin gestellte
ausschließlich verfassungsrechtliche Problematik ist ausweislich ihres Schriftsatzes
vom 24. November 2009 bereits Gegenstand eines inzwischen bei dem
Bundesverfassungsgericht anhängigen Normenkontrollantrages der Länder Baden-
Württemberg, Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen gegen §
6 a Satz 1, 3 und 4 ZuInvG verbunden mit dem zusätzlichen Antrag gemäß § 32
Bundesverfassungsgerichtsgesetz auf Aussetzung der Anwendung dieser Vorschriften
bis zur Entscheidung über den genannten Antrag. Auf die von den Bundesländern
offenbar gerade mit Blick auf die aktuell erfolgenden Erhebungen des
Bundesrechnungshofes gestellten Anträge wird somit von dem hierzu allein berufenen
Bundesverfassungsgericht zeitnah eine Klärung der auch von der Antragstellerin hier
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erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken erfolgen.
Die somit gemäß § 80 Abs. 5 VwGO unabhängig von der Prüfung der Erfolgsaussichten
vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.
Zwar wäre Folge einer Ablehnung des Aussetzungsantrages, dass die Antragstellerin
die von der Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid getroffenen Anordnungen
hinzunehmen hätte und sich diese Anordnungen mit der Durchführung der - dann nicht
mehr rückgängig zu machenden - örtlichen Erhebungen bei der Antragstellerin
erledigen würden. Es ist jedoch weder von der Antragstellerin vorgetragen noch sonst
erkennbar, dass ihr im Falle der Durchführung der Erhebungen gravierende Nachteile
entstehen würden. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 6 a ZuInvG kann auch
nach Vornahme der Prüfung durch den Bundesrechnungshof im Hauptsacheverfahren
(im Rahmen eines Fortsetzungsfeststellungsantrags) für zukünftige Fälle geprüft
werden, soweit nicht zwischenzeitlich bereits eine Klärung durch das
Bundesverfassungsgericht erfolgt ist (s.o.). Demgegenüber entstünden im Falle einer
stattgebenden Entscheidung erhebliche Nachteile für die Antragsgegnerin. Insoweit ist
zu berücksichtigen, dass die Erhebungen durch den Bundesrechnungshof - wie die
Antragsgegnerin in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung
nachvollziehbar dargelegt hat - wegen eines eventuell erforderlichen
Nachsteuerungsbedarfs besonders zeitnah erfolgen sollen, und die Finanzmittel gemäß
§ 1 Abs. 2 ZuInvG mindestens zur Hälfte des Betrages von 10 Milliarden Euro bis zum
31. Dezember 2009 abgerufen werden sollen. Bei einem Zuwarten bis zur etwaigen
Hauptsacheentscheidung in erster Instanz würde die angeordnete Erhebung bei der
Antragstellerin ihren Zweck nicht erfüllen können.
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Schließlich ist auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat - den Anforderungen des § 80
Abs. 3 VwGO entsprechend - nachvollziehbar das besondere öffentliche Interesse an
einer zeitnahen Durchführung der örtlichen Erhebung bei der Antragstellerin dargelegt,
das u.a. aus dem berechtigten Interesse des Bundes an einer möglichst raschen
gleitenden Überprüfung der zweckentsprechenden Mittelverwendung resultiert. Dieses
Interesse ist wesentlich auch darauf gestützt, dass es nicht um eine isoliert zu
betrachtende einzelne Erhebung bei der Antragstellerin geht, sondern um eine
repräsentative Erhebung in allen Flächenländern, auf deren Basis dem Deutschen
Bundestag zeitnah berichtet werden soll, wobei Verzögerungen des Abschlussberichtes
dessen Aussagekraft beeinträchtigen würde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache für die Antragstellerin ist es angemessen
den Streitwert auf den festgesetzten Betrag zu bestimmen, §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
Er entspricht hier der Hälfte des Gegenstandswertes des Hauptsacheverfahrens, der mit
5.000,00 EUR (Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG) anzusetzen ist.
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