Urteil des VG Koblenz vom 24.02.2011

VG Koblenz: unverletzlichkeit der wohnung, ablauf der frist, ersatzvornahme, androhung, grundrecht, verfügung, verwaltungsakt, zutritt, zugang, eigentum

VG
Koblenz
24.02.2011
3 N 53/11.KO
Schornsteinfegerrecht; Vollstreckungsrecht
Verwaltungsgericht
Koblenz
Beschluss
In dem Vollstreckungsverfahren
des Westerwaldkreises, vertreten durch den Landrat, Peter-Altmeier-Platz 1, 56410 Montabaur,
- Vollstreckungsgläubiger -
gegen
1. Frau ...,
2. Frau ...,
- Vollstreckungsschuldnerinnen -
wegen Schornsteinfegerrechts
hier: Vollstreckung
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 24. Februar 2011, an der
teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Lutz
Richter am Verwaltungsgericht Holly
Richter am Verwaltungsgericht Pluhm
beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
G r ü n d e
Der Antrag des Vollstreckungsgläubigers, der sinngemäß darauf gerichtet ist, durch richterlichen
Beschluss anzuordnen, dass dem Bezirksschornstein-fegermeister W. Zugang zu der im Eigentum bzw.
Besitz der Vollstreckungsschuldnerinnen stehenden Wohnung F.-Weg ... in R. zu gewähren ist, und dieser
notfalls durch die Anwendung unmittelbaren Zwanges durchgesetzt werden kann, hat keinen Erfolg.
Für eine solche Anordnung fehlt es derzeit nämlich zunächst an einem vollstreckbaren
Grundverwaltungsakt nebst Androhung des Zwangsmittels des unmittelbaren Zwanges. Selbst wenn ein
solcher Verwaltungsakt vorläge, bedürfte es zur Vollstreckung einer solchen Verfügung in der Wohnung
der Vollstreckungsschuldnerinnen gleichwohl keiner richterlichen Anordnung.
Zwar geht es dem Vollstreckungsgläubiger im Ergebnis letztlich um die zwangsweise Durchsetzung eines
sogenannten Zweitbescheides vom 8. Dezember 2010, der auf der Grundlage des § 25 Abs. 2
Schornsteinfeger-Handwerksgesetz – SchfHwG – ergangen ist. Mit diesem Bescheid wurde die
Vollstreckungsschuldnerin zu 1) aufgefordert, die Überprüfung von vier Gasaußenwandfeuerstätten im
Erdgeschoss des in ihrem Eigentum befindlichen Gebäudes im F.-Weg ... in R. bis zum 22. Dezember
2010 zu veranlassen. Für den Fall der Nichtbeachtung wurde ihr die Ersatzvornahme gemäß § 26
SchfHwG angedroht. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wurde am 13. Januar 2011 versucht, die in Rede
stehenden Schornsteinfegerarbeiten durchzuführen. Dies scheiterte jedoch daran, dass die
Vollstreckungsschuldnerinnen dem beauftragten Bezirksschornsteinfegermeister und den Bediensteten
des Vollstreckungsgläubigers den Zutritt zu der Wohnung verweigerten.
Mit Blick auf diesen Sachverhalt geht es im jetzigen Verfahrensstadium daher zunächst vorrangig um die
Durchsetzung der in § 1 Abs. 3 Satz 2 SchfHwG gesetzlich normierten Eigentümerpflichten. Danach sind
die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen verpflichtet, den jeweiligen bevollmächtigten
Bezirksschornsteinfegern den Zutritt zu den Grundstücken und Räumen zu gestatten, wenn diese als
Beauftragte der zuständigen Behörde unter anderem eine verweigerte Überprüfung aufgrund eines
vollziehbaren Verwaltungsaktes im Wege der Ersatzvornahme durchzusetzen haben. Das Grundrecht der
Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Grundgesetz – GG –) wird insoweit eingeschränkt. Die Beachtung
dieser Eigentümerpflichten wird seitens der Vollstreckungsschuldnerinnen derzeit verweigert mit der
Folge, dass hierdurch mangels Zutrittsmöglichkeit zu der in Rede stehenden Wohnung die
Ersatzvornahme im Sinne der §§ 25, 26 SchfHwG nicht vorgenommen werden kann.
Diese Eigentümerpflicht kann ihrerseits grundsätzlich im Wege des Verwaltungszwangs unter den
Voraussetzungen der §§ 61 ff. Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG – durchgesetzt werden.
Hierzu gehört unter anderem die Anwendung unmittelbaren Zwanges auf der Grundlage des § 65 LVwVG.
Für eine zwangsweise Durchsetzung dieser Eigentümerpflichten ist allerdings das Vorliegen einer
entsprechenden behördlichen Anordnung in Gestalt eines Verwaltungsaktes (§ 61 Abs. 1 LVwVG)
erforderlich, der die gesetzliche Verpflichtung des § 1 Abs. 3 Satz 2 SchfHwG gegenüber den
Vollstreckungsschuldnerinnen in geeigneter Weise konkretisiert, unter zusätzlicher Androhung des
Zwangsmittels des unmittelbaren Zwanges (§§ 65, 66 LVwVG). An einer solchen Verfügung fehlt es je-
doch bislang. Der vom Vollstreckungsgläubiger vom 8. Dezember 2010 erlassene Zweitbescheid verhält
sich nämlich lediglich zu der Androhung der Ersatzvornahme auf der Grundlage der §§ 25, 26 SchfHwG.
Selbst wenn ein solcher Verwaltungsakt vorläge, würde dies dem vorliegenden Antrag gleichwohl nicht
zum Erfolg verhelfen. Denn das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwanges deckt auch das Betreten von
Wohnungen ohne oder gegen den Willen des Inhabers – gegebenenfalls unter Einwirkung auf Personen
oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen (§ 65 Abs. 2 LVwVG) – zum
Zwecke der Durchführung von Amtshandlungen in der Wohnung ab. Dieses Recht steht den
Vollzugsbeamten unmittelbar aufgrund ihrer Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs nach §§ 57
ff. des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes – POG – in Verbindung mit §§ 2 bis 6 Abs. 1, §§ 10, 14 bis
16, 61 bis 67 und 83 bis 85 LVwVG (vgl. die Verweisung in § 57 Abs. 1 POG) zu. Ergibt sich demnach im
Rahmen der Anwendung unmittelbaren Zwanges das Erfordernis zum Betreten einer Wohnung, so ist dies
auch ohne ausdrückliche richterliche Anordnung erlaubt. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der
Wohnung nach Art. 13 GG ist auch insoweit gesetzlich eingeschränkt (§ 84 Nr. 3 LVwVG). Von daher ist
der zuständige Bezirksschornsteinfegermeister auch berechtigt, sich bei Vorliegen der vorstehend
dargelegten Voraussetzungen zum Zwecke der Durchführung der Ersatzvornahme unter Einschaltung von
Polizeibeamten zwangsweise Zugang zur Wohnung der Vollstreckungsschuldnerinnen zu verschaffen.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Lutz gez. Holly gez. Pluhm