Urteil des VG Koblenz vom 23.08.2010

VG Koblenz: radweg, örtliche zuständigkeit, kreis, befreiung, behörde, unterhaltung, sachliche zuständigkeit, erlass, verwaltungsakt, neubau

VG
Koblenz
23.08.2010
4 K 225/10.KO
Straßenrecht
Verkündet am: 23.08.2010
gez. ...
Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht
Koblenz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Rheinland-Pfalz e.V.,
vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Landesgeschäftsführer …,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Philipp-Gerlach & Teßmer, Nidda-straße 74,
60329 Frankfurt,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Geschäftsführung des Landes-betriebes Mobilität,
Friedrich-Ebert-Ring 14-20, 56068 Koblenz,
- Beklagte -
wegen straßenrechtlicher Planfeststellung
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
23. August 2010, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Bayer
Richter am Verwaltungsgericht Porz
Richter am Verwaltungsgericht Hübler
ehrenamtlicher Richter Prokurist Bingel
ehrenamtlicher Richter Landwirt und Winzer Braun
für Recht erkannt:
Der Planfeststellungsbeschluss des Landesbetriebes Mobilität für den Bau des Radfernweges Lahntal im
Zuge der Kreisstraße Nr. 23 und 25 (K 23 und K 25) zwischen Laurenburg und Geilnau im Rhein-Lahn-
Kreis vom 22. Dezember 2009 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Der Kläger wendet sich als anerkannter Naturschutzverband gegen einen PIanfeststellungsbeschluss für
einen Geh- und Radweg.
Schon seit Anfang der 1980er Jahre werden Planungen zu einem Lückenschluss im Verlauf des
Fernradwegs Lahntal im Abschnitt zwischen Geilnau und Laurenburg betrieben. Der Fernradweg
(insgesamt 245 km) verläuft im Lahntal von der Lahnquelle bei Netphen im Siegerland (Nordhein-
Westfalen), sodann durch Hessen bis hin zur Lahnmündung in den Rhein bei Lahnstein (Rheinland-
Pfalz). Er ist als Flusswanderweg gestaltet, der überwiegend in Ufernähe und ohne gravierende
Steigungen entlang der Lahn verläuft. In Rheinland-Pfalz ist er Bestandteil des Radwegeprogramms
„Großräumiges Radwegenetz“ des Landes Rheinland-Pfalz und von der Mündung der Lahn in Lahnstein
bis Laurenburg bereits in Betrieb; gleiches gilt für den Bereich von Geilnau bis zur Landesgrenze bei Diez.
Im hier in Rede stehenden Abschnitt wird er derzeit abseits der Lahn von Laurenburg über Scheidt und
Holzappel (mit einem Höhenunterschied von über 200 m) Richtung Geilnau über die Fahrbahn der
Kreisstraßen K 23 und K 25 geführt.
Der Rhein-Lahn-Kreis leitete die Planunterlagen für den Neubau des Radfernweges Lahntal im Zuge der
K 23 und K 25 zwischen Laurenburg und Geilnau dem Landesbetrieb Mobilität mit Schreiben vom
2. Februar 2007 zur Durchführung des Anhörungsverfahrens und zum Erlass des
Planfeststellungsbeschlusses zu. Im Bereich des geplanten Radwegs (in seinen Talvarianten) befindet
sich das FFH-Gebiet „Lahnhänge" 5613-301, welches vom Land Rheinland-Pfalz gemäß § 25 i.V.m. der
Anlage 1 des Landesnaturschutzgesetzes – LNatSchG – als FFH-Schutzgebiet von gemeinschaftlicher
Bedeutung ausgewiesen ist. Ebenfalls von den bevorzugten Talvarianten des Radwegs betroffen ist das
durch Rechtsverordnung vom 12. Juni 1981, zuletzt geändert durch Rechtsverordnung vom 6. August
1990, unter Schutz gestellte Naturschutzgebiet (NSG) „Gabelstein-Hölloch".
Im nachfolgenden Anhörungsverfahren lagen die Planunterlagen in der Zeit vom 5. März bis 4. April 2007
öffentlich aus. Sie umfassten u.a. auch zwei Artenschutzgutachten, welche noch auf der Rechtslage des
Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG - vor Inkrafttreten (am 18.12.2007) der „Kleinen
Naturschutznovelle" (vom 12.12.2007, BGBI. I S. 2873) basierten. Der Kläger erhob neben anderen
innerhalb der bis zum 18. April 2007 laufenden Einwendungsfrist mit Schreiben vom 15. April 2007 gegen
die Planung Einwände. Diese bezogen sich im Wesentlichen auf das gewählte Rechtsverfahren der
Planfeststellung einer Kreisstraße, die der Kläger im Hinblick auf die Selbständigkeit des Radweges für
unzulässig hielt, sowie auf den Schutz des NSG „Gabelstein-Hölloch“ und den Artenschutz insbesondere
in Bezug auf die Wildkatze. Im Rahmen des Erörterungstermins am 27. Mai 2008 in Diez wurden die
Einwendungen des Klägers nicht ausgeräumt. Bezüglich der Einwendungen der Ortsgemeinden
Laurenburg und Scheidt und der Verbandsgemeinde Diez gegen die Übertragung der
Verkehrssicherungspflicht und der Unterhaltungslast ist in der Niederschrift ausgeführt, dass sowohl der
Bau als auch die spätere Unterhaltung dem Rhein-Lahn-Kreis als künftigem Baulastträger des Rad- und
Gehweges oblägen. Der Kreis beabsichtige, im Rahmen einer späteren freiwilligen Vereinbarung mit den
Kommunen unter Anrechnung eines eventuellen Vorteils für den besseren Ausbau der bisherigen
Wirtschaftswege, die Unterhaltung auf die jeweiligen Gemeinden bzw. die Verbandsgemeinde zu
übertragen. Die Brückenbauwerke würden in der Unterhaltung des Kreises verbleiben. Die Übertragung
der Unterhaltung sowie die diesbezügliche Regelung seien jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens.
Der Rhein-Lahn-Kreis als Vorhabenträger legte nach Inkrafttreten der „Kleinen Naturschutznovelle" vom
12. Dezember 2007 zwei artenschutzrechtliche Gutachten zur Aktualisierung der Bewertung vor, die beide
die artenschutzrechtliche Unbedenklichkeit des geplanten Radweges bestätigten. Die
Planfeststellungsbehörde leitete diese beiden Artenschutz-Gutachten sowie ein ebenfalls aktualisiertes
FFH-Verträglichkeitsgutachten im September 2009 u.a. auch dem Kläger zur Einsicht zu. Der Kläger hielt
mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 die zuvor erhobenen Einwendungen aufrecht.
Der Landesbetrieb Mobilität erließ den hier angefochtenen Planfeststellungsbeschluss am 22. Dezember
2009. Darin stellte er den Plan „für den Bau des Radfernweges Lahntal im Zuge der Kreisstraßen Nr. 23
und 25 (K 23 und K 25) zwischen Laurenburg und Geilnau im Rhein-Lahn-Kreis" für den Rhein-Lahn-
Kreis als Baulastträger fest. Der Planfeststellungsbereich beginnt am östlichen Ortsausgang von
Laurenburg bei Bau-km 0+000,00 und endet bei ca. Bau-km 7+264 im Bereich der Ortslage Geilnau. Die
Wegeführung der planfestgestellten "Talvariante 1b" orientiert sich in Lage und Höhe weitestgehend am
vorhandenen Bestand. Dementsprechend soll der Weg auch nur in einigen Teilabschnitten (in
asphaltierter Bauweise bzw. mittels wassergebundener Decke) neu gebaut und abschnittsweise über
bereits vorhandene Wege geführt werden. Der Weg soll größtenteils auf der rechten Lahnseite verlaufen.
Lediglich zwischen ca. Bau-km 3+720 und 4+580 soll der Radweg mittels zweier neuer Lahnbrücken auf
die linke Lahnseite überführt werden, wo er fast durchgängig auf einem bereits vorhandenen
(asphaltierten) Wirtschaftsweg verlaufen soll. Hinter der zweiten Lahnbrücke soll er auf dem Betriebsweg
der Bundeswasserstraßenverwaltung weitergeführt werden. Weiterhin wurde gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1a
und 2 LNatSchG eine Befreiung von dem Verbot des § 4 Nr. 2 NSG-VO "Gabelstein-Hölloch" erteilt.
Darüber hinaus wurde auch die artenschutzrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens positiv festgestellt. In
diesem Zusammenhang wurde das Vorliegen von Verbotstatbeständen nach § 42 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5
BNatSchG verneint. Vorsorglich wurde eine Ausnahmegenehmigung nach § 43 Abs. 8 sowie - höchst
hilfsweise - eine Befreiung nach § 62 BNatSchG 2007 namentlich auch für die Wildkatze ausgesprochen.
Die Einwendungen des Klägers wurden im PIanfeststellungsbeschluss zurückgewiesen. Als Vorzug der
festgestellten Linienführung in Gestalt der "Talvariante 1 b" nennt der Planfeststellungsbeschluss, dass
durch die Wegeführung auf dem Forstweg in den Unterabschnitten 1.8 bis 1.10 die Lahnaue gemieden
und das NSG "Gabelstein-Hölloch" lediglich in seinem westlichen Randbereich angeschnitten werde.
Gegen den ihm am 29. Januar 2010 mittels Postzustellungsurkunde zugestellten
PIanfeststellungsbeschluss hat der Kläger am 26. Februar 2010 Klage erhoben. Er führt aus, die Klage sei
sowohl nach § 64 BNatSchG 2010 (2010) als auch nach § 61 BNatSchG 2007 zulässig, ebenso nach § 2
Abs. 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz – UmwRG –. Der Planfeststellungsbeschluss verstoße gegen
zwingende Vorschriften des Naturschutzrechts, weil er eine Befreiung von der NSG-VO „Gabelstein-
Hölloch" und eine Befreiung bzw. Ausnahme von den Verbotsvorschriften des Artenschutzes zulasse. Die
Tatbestandsvoraussetzungen hierfür seien objektiv nicht festgestellt worden und könnten es auch nicht,
denn eine ausreichende Begründung fehle. Die Obere Naturschutzbehörde habe sich in der
Stellungnahme im Verfahren nicht ernsthaft inhaltlich damit auseinandergesetzt, lediglich ein
Einverständnis und kein Einvernehmen erklärt. Es liege keine unbeabsichtigte Härte nach § 48 LNatSchG
vor. Schon mit Bescheid vom 15. März 1995 habe die Bezirksregierung Koblenz den damaligen Antrag
des Vorhabenträgers auf eine Befreiung für einen Radweg auf weitgehend ähnlicher Trasse (vergleichbar
Varianten 1a und 1c) abgelehnt und ausgeführt, das Vorhaben widerspreche dem Schutzzweck,
Ausnahmetatbestände träfen nicht zu und es sei eine nach § 4 NSG-VO „Gabelstein-Hölloch“ verbotene
Maßnahme. Das jetzt durchgeführte Planfeststellungsverfahren für einen unselbständigen Radweg im
Zuge der K 23 / K 25 sei rechtsfehlerhaft, weil es sich tatsächlich um einen selbständigen Radweg
handele, was zudem zu einer anderen Trägerschaft der Straßenbaulast führe. Es möge zwar eine
Entflechtung des Verkehrs beabsichtigt sein. Es stehe aber fest, dass die K 23 / K 25 weiterhin für den
Radverkehr nutzbar seien und auch nutzbar sein müssten, um Radfahrern, die keine direkte Verbindung
zwischen Geilnau und Laurenburg entlang der Lahn suchen, die Erreichung anderer Ziele zu ermöglichen
und offen zu halten, entsprechend der jeweiligen Funktion der Kreisstraßen. Dies und die räumliche
Entfernung zu den K 23 und K 25 offenbarten die eigenständige Bedeutung des Radweges, der mithin als
selbständiger Radweg i.S.d. § 3 Nr. 3 b) aa) LStrG zu klassifizieren sei. Demgegenüber seien die
naturschutzrechtlichen Belange, die gegen eine Befreiung sprächen, nicht umfassend gewürdigt worden.
§ 4 NSG-VO verbiete nicht nur den Straßen- und Wegebau, sondern auch die Störung des Gebiets durch
Lärm, durch Verlassen der Wege und durch sonstige Handlungen, die sich nachteilig auf die Tier- und
Pflanzenwelt auswirken. Insoweit sei auch § 17 Abs. 2 LNatSchG zu beachten. Schließlich seien auch die
erteilte Ausnahme und die Befreiung hinsichtlich des Artenschutzes, insbesondere im Hinblick auf die
Wildkatze, rechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss für den Bau des Radfernweges Lahntal im Zuge der Kreisstraßen Nr. 23
und 25 (K 23 und K 25) zwischen Laurenburg und Geilnau im Rhein-Lahn-Kreis - Az.: 02.4-1726-PF/16 -
vom 22. Dezember 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Planfeststellungsbeschluss und trägt vor, die Zuständigkeit des Landesbetriebs
Mobilität ergebe sich aus § 5 Abs. 1 i.V.m. §§ 6 Abs. 7 und 49 Abs. 2 LStrG. Es bestehe eine hinreichende
Planrechtfertigung. Das hier angefochtene Straßenbauvorhaben sei nach den Zielbeschreibungen im
Planfeststellungsbeschluss und den zugehörigen Planfeststellungsunterlagen gemessen an den Zielen
des LStrG "vernünftigerweise geboten".Das sich aus § 5 Abs. 1 LStrG ergebende Abwägungsgebot sei
ebenfalls nicht verletzt. Der Landesbetrieb Mobilität habe alle für und wider die Planung streitenden
öffentlichen und privaten Belange umfassend gewürdigt und entsprechend ihrer objektiven Gewichtigkeit
in die Abwägung eingestellt. Die vom Kläger in der Anhörung vorgebrachten und nunmehr im Klagewege
weiterverfolgten Planeinwände könnten nicht zu einer anderen Planungsentscheidung führen. Anders als
noch im Planfeststellungsbeschluss trägt er nunmehr vor, die festgestellte Planung sei mit den
Schutzausweisungen des NSG "Gabelstein-Hölloch" vereinbar. § 4 Nr. 2 NSG-VO bedeute nicht, dass der
Wegebau generell verboten sei, sondern nur dann, wenn dieser dem Schutzzweck des NSG (§ 3 der
NSG-VO) tatsächlich zuwider laufe, was hier nicht der Fall sei. Der Radweg liege Luftlinie ca. 200 bis 300
m von den für die Schutzgebietsausweisung besonders relevanten Bereichen „Gabelstein" und „Hölloch"
(linke Lahnsseite) und dem „felsigen Lahnhang" entfernt. Die vorsorglich ausgesprochenen Befreiung
nach § 48 Abs. 1 Nr. 1a und 2 LNatSchG sei in jedem Falle rechtmäßig. Der Artenschutz, insbesondere in
Bezug auf die Wildkatze sei nicht verletzt. Auch bei unterstellter Annahme des Vorliegens von Verbotstat-
beständen in Bezug auf geschützte Arten, namentlich auch in Bezug auf die Wildkatze sei eine
Ausnahmegenehmigung nach § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 BNatSchG 2007 erteilt, äußerst hilfs-
weise eine Befreiung nach § 62 BNatSchG 2007. Dem Kläger stehe hinsichtlich der Einordnung als
unselbständiger oder selbständiger Radweg kein Rügerecht zu, da dies eine Frage des
Landesstraßengesetzes sei und keinen Bezug zum Natur- und Umweltschutz aufweise. Im Übrigen sei der
Radweg unselbständiger Bestandteil der K 23 / K 25. Selbst wenn der Radweg selbständig wäre, könnte
der Planfeststellungsbeschluss nach § 47 VwVfG in einen solchen für einen selbständigen Radweg
umgedeutet werden. Er wäre auf das gleiche Ziel gerichtet und hätte vom Landesbetrieb Mobilität in der
geschehenen Form erlassen werden können. Die Planfeststellung sei in Kenntnis der Obersten
Straßenbaubehörde erfolgt und diese habe mit Schreiben vom 19. August 2010 bestätigt, dass die
Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für den Bau des Lahntalradweges in diesem Abschnitt
aufgrund der besonderen Verkehrsbedeutung in jedem Fall geboten gewesen sei und dieser damit von
ihr befürwortet werde; hilfsweise könne das Verfahren nach § 5 Abs. 5 LStrG weiter betrieben werden.
Dementsprechend hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt,
für den Fall, dass das Gericht gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 47 eine Umdeutung des angefochtenen
Planfeststellungsbeschlusses für den Bau eines „unselbständigen“ Radweges gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2
LStrG in einen Planfeststellungsbeschluss für den Bau eines „selbständigen“ Radweges in der
Trägerschaft des Rhein-Lahn-Kreise im Sinne von § 3 Nr. 3 b) bb) LStrG in Betracht ziehen sollte, nicht
Trägerschaft des Rhein-Lahn-Kreise im Sinne von § 3 Nr. 3 b) bb) LStrG in Betracht ziehen sollte, nicht
ohne vorherige förmliche Beiladung (§ 65 VwGO) des Rhein-Lahn-Kreises, dieser vertreten durch Herrn
Landrat Günter Kern, Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises, Insel Silberau, 56130 Bad Ems zu
entscheiden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Unterlagen der
Beteiligten und die vorgelegten Planfeststellungsakten verwiesen; sämtliche Unterlagen waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
I.
Die Klage ist insgesamt zulässig.
Insbesondere ist der Kläger ist als nach Landesrecht anerkannter Naturschutzverein (§ 60
Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG 2007 – in der Fassung der „Kleinen Naturschutznovelle" vom
12.12.2007, BGBI. I S. 2873; vgl. § 74 Abs. 3 BNatSchG 2010) klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2
VwGO. Er kann daher nach der hier anzuwendenden Vorschrift des § 61 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG
2007 (die abermalige Rechtsänderung durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes
und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBI. I S. 2542, ist gemäß dortigem Art. 27 erst mit Wirkung
vom 01.03.2010 und damit erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 22.12.2009 und der
Klageerhebung am 26.02.2010 in Kraft getreten), ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe
nach der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – einlegen gegen Befreiungen von Verboten zum Schutz
von Naturschutzgebieten und gegen Planfeststellungsbeschlüsse über Vorhaben, die mit Eingriffen in
Natur und Landschaft verbunden sind. Der Kläger hat auch nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG 2007
geltend gemacht, dass der Erlass des hier angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses als
Verwaltungsakt im Sinne des § 61 Abs. 1 S. 1 BNatSchG 2007 Vorschriften, die zumindest auch dem
Naturschutz und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind (vgl. § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG 2007),
widersprechen. Er wird hiervon in seinem satzungsmäßigen Aufgabenbereich berührt, war zur Mitwirkung
nach § 60 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 6 BNatSchG 2007 berechtigt und hat sich mit den Stellungnahmen vom 15.
April 2007 und 12. Oktober 2009 auch in der Sache geäußert.
Da der Kläger lediglich Belange des Naturschutzes geltend macht, kann dahingestellt bleiben, ob er mit
den vorgebrachten rein naturschutzrechtlichen Einwänden auch im Sinne des § 2 Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetzes klagebefugt wäre. Insoweit ist § 61 BNatSchG 2007 die speziellere Vorschrift, so
dass dessen Anwendung durch § 2 UmwRG nicht ausgeschlossen wird.
Die von dem Beklagten aufgeworfenen Fragen der Rügefähigkeit der Einwendungen des Klägers
betreffen nicht die Zulässigkeit der Klage, insbesondere nicht die Klagebefugnis, sondern die Frage, ob
das Gericht Einwendungen des Klägers in der Sache prüfen darf (vgl. § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG, § 61 Abs. 3
BNatSchG).
II.
Die Klage ist begründet. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss leidet an einem Fehler, der von dem
Kläger in diesem Verfahren geltend gemacht werden kann und die ihm zuerkannte Überprüfung des
Naturschutzrechts betrifft; dieser rechtfertigt die Aufhebung des Beschlusses insgesamt (§ 113 Abs. 1 S. 1
VwGO). Der Planfeststellungsbeschluss durfte mangels der Voraussetzungen seiner
Ermächtigungsgrundlage nicht erlassen werden (1.), dieser Fehler ist nicht unbeachtlich und kann weder
durch Heilung noch durch Umdeutung behoben werden (2.) und der Kläger darf ihn auch mit Aussicht auf
Erfolg rügen (3.). Damit kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschriften bezüglich des NSG „Gabelstein-
Hölloch“ und des Artenschutzes ausreichend beachtet wurden (4.).
Maßgebliche Sach- und Rechtslage für die gerichtliche Entscheidung ist der Zeitpunkt des Planfeststel-
lungsbeschlusses am 22. Dezember 2009 unter Geltung des Bundesnaturschutzgesetz 2007 (2007).
Nachträgliche Änderungen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie für das Vorhaben günstiger wären,
was hier für das Bundesnaturschutzgesetz 2010 (2010) nicht gilt.
Da der Kläger als anerkannter Naturschutzverein nicht von den enteignungsrechtlichen Vorwirkungen des
Planes betroffen wird, kann er grundsätzlich nicht jede Rechtswidrigkeit des Planes rügen, sondern nur
die in § 61 BNatSchG 2007 aufgeführten naturschutzrechtlichen Belange (vgl. BVerwG, Beschluss vom
24.09.1997, ‑ 4 VR 21/96 ‑, NVwZ-RR 1998, 297; Urteil vom 23.11.2007 – 9 B 38/07 - juris). Es kommt also
entscheidend darauf an, dass der rechtliche Mangel speziell auf der Verletzung von Vorschriften beruht,
die ihrerseits die Belange des Naturschutzes schützen sollen.
Das Gericht prüft die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des angegriffenen
Planfeststellungsbeschlusses grundsätzlich nur innerhalb des Rahmens der mit der Klage vorgetragenen,
nicht präkludierten und rügefähigen Einwendungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.03.1995, - 11 VR
5.95 -, NVwZ 1995, 904; Urteil vom 31.03.1995, ‑ 4 A 1.93 ‑, BVerwGE 98, 126).
1. Das Bestehen einer Rechtsgrundlage zur Aufstellung des Planes wurde vom Kläger bereits mit der
Einwendung vom 15. April 2007 und sodann auch in der Klageschrift bestritten. Die Voraussetzungen der
Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 22. Dezember 2009
liegen nach Überzeugung des Gerichts nicht vor. Nach § 5 Abs. 1 LStrG dürfen Landes- und Kreisstraßen
nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Ein Neubau einer Kreisstraße
wurde nicht beantragt und nicht planfestgestellt, so dass dahingestellt bleiben kann, ob ein selbständiger
Rad- und Gehweg überhaupt planfestgestellt werden kann (verneinend: Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probst-
feld, Kommentar zum LStrG in: Praxis der Kommunalverwaltung L 12 RhPf, § 5 Erl. 6 und 8). Jedenfalls
würde es sich bei einem selbständigen Geh- und Radweg nach § 3 Nr. 3 b) aa) LStrG um eine sonstige
Straße und nicht um eine Kreisstraße nach § 3 Nr. 2 LStrG handeln.
a) Die von der Planfeststellungsbehörde angenommene Änderung der bestehenden Kreisstraßen K 23
und K 25 durch Ergänzung mit einem unselbständigen Radweg liegt nicht vor. Im Hinblick auf die
vorhandenen Kreisstraßen K 23 (von Laurenburg über Scheidt und Holzappel nach Charlottenberg) und
K 25 (von Birlenbach kommend über Balduinstein und Geilnau nach Holzappel) soll die Substanz beider
Kreisstraßen, d.h. Lage und Ausdehnung der vorhandenen Fahrbahnen, nicht geändert oder ergänzt
werden. Darüber hinaus soll auch die Funktion beider Straßen ebenfalls nicht geändert werden, denn der
Radverkehr von Laurenburg nach Scheidt und Holzappel (K 23) und von Holzappel nach Geilnau (K 25)
soll weiterhin auf den vorhandenen Fahrbahnen ungetrennt vom motorisierten Verkehr zulässig sein. Eine
vollständige oder zumindest weitgehende Entflechtung des mit der Funktion als Kreisstraße (§ 3 Nr. 2
LStrG) verbundenen Radverkehrs von und nach den Orten Laurenburg, Scheidt, Holzappel und Geilnau
auf den bisherigen und künftigen Fahrbahnen beider Kreisstraßen K 23 und K 25 ist weder beabsichtigt
noch wird er im Zusammenhang mit der Planung bezweckt noch ist sie die notwendige Folge der Planung.
Nach den Darlegungen im Erläuterungsbericht und im Planfeststellungsbeschluss ist auf der
vorhandenen Trasse ohnehin nur geringer (Fern-)Radverkehr festzustellen. Allenfalls eine kaum
messbare Verringerung des weiträumigen Radverkehrs auf K 23 / K 25, soweit er über den Nahbereich
der genannten Orte an den Kreisstraßen hinausgeht oder der Verbindung der (nicht benachbarten) Orte
Laurenburg und Geilnau und der darüber hinaus an der Lahn liegenden Orte dient, kann durch den
geplanten Radweg erreicht werden. Darin liegt jedoch keine wirksame Entflechtung. Denn nach dem
Erläuterungsbericht und dem Planfeststellungsbeschluss hat die weit überwiegende Zahl der Benutzer
des Lahn-Fernradweges in der Vergangenheit gerade nicht die Bergstrecke über Scheidt und Holzappel
gewählt. Zudem wurde eine Verbindung der Ortsgemeinde Scheidt mit dem Radweg ausdrücklich
abgelehnt (vgl. Stellungnahme der OG Scheidt und die Niederschrift zum Erörterungstermin vom
27.05.2008, S. 18). Die Anbindung an die der „Umgehung“ der Ortslagen Scheidt und Holzappel
dienende neue Trasse wird dort als „selbständige Wegeverbindung“ bezeichnet.
b) Selbst wenn entgegen den obigen Feststellungen hypothetisch eine teilweise (funktionelle) Änderung
des Verkehrs auf der K 23/K 25 angenommen würde, wäre der Radweg nur dann nach § 5 Abs 1 LStrG
planfeststellungsfähig, wenn es sich um einen unselbständigen Radweg i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 2 LStrG und
damit einen Teil der benannten Kreisstraßen handeln würde. Ansonsten sind selbständige Radwege –
wie oben dargelegt – sonstige Straßen im Sinne des § 3 Abs. 3 Buchstabe b) Doppelbuchstabe aa) LStrG.
Unselbständig i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 2 LStrG sind Radwege, die auf eigenem Straßenkörper im
Zusammenhang mit einer öffentlichen Straße im Wesentlichen mit ihr gleichlaufen. Der hier geplante
Radweg hat zwar auf der vollen Strecke einen eigenen Straßenkörper. Jedoch besteht kein
Zusammenhang mit der K 23 und der K 25. Der planfestgestellte Radweg verlässt die K 23 in Laurenburg
und führt nicht zur K 23 zurück. Nach dem Übergang auf den Betriebsweg der
Bundeswasserstraßenverwaltung bei der Schleuse Scheidt findet er nach über 7,2 km Länge Anschluss
an einen Radweg, der seinerseits in der Ortslage Geilnau zur K 25 führt. Er ist auch nicht, wie § 1 Abs. 3
Nr. 2 LStrG fordert, im Wesentlichen mit den Kreisstraßen gleichlaufend. Vielmehr wurde hier eine völlig
andere Trasse in z.T. weitem Abstand von (Luftlinie) mindestens 300 m bis zu 2,6 km auf einem ganz
anderem Niveau (Höhendifferenz bis über 200 m) bei einer Länge von 7,2 km gewählt.
Nach der Rechtsprechung für Bundesfernstraßen folgt die Unselbständigkeit eines Rad- bzw. Gehweges
bezogen auf eine Straße auch aus der Funktion, den Zwecken der Straße zumindest dadurch zu dienen,
dass sie der Fahrbahn den für den Verkehrsfluss hinderlichen Fußgänger- bzw. Radverkehr entziehen
(vgl. BVerwG, Urteile vom 26.06.1970 – VII C 77.68 – BVerwGE 35, 326, und vom 28.08.1987 – 4 C 54/83,
4 C 55/83 – NVwZ 1988, 146; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.09.1969 – 1 A 33/68 – VkBl. 1970,
289), also soweit ein verkehrstechnischer Zusammenhang besteht (Zeitler, Art. 2 RdNr. 41; Müller/Schulz,
Kommentar zum Fernstraßengesetz § 1 Rn. 32). Eine räumliche Trennung von Fahrbahn und Radweg ist
daher grundsätzlich nicht möglich, es sei denn, die Trennung ist rechtlich geboten (z.B. aus Gründen des
Natur- und Landschaftsschutzes in Alleen) oder bautechnisch bedingt (Umfahrung von Hindernissen;
Schutz der Fußgänger und Radfahrer). Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass der Radweg den Bezug
zur (Bundes-)Straße verliert, in dem er eine Erschließung oder Führung vornimmt, die die Fahrbahn nicht
teilt (Müller/Schulz, a.a.O., § 5 FStrG Rn. 50). Diese funktionsbezogene Rechtsprechung und
Kommentierung kann im Hinblick auf den Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 LStrG ohne Weiteres auch
auf Landes- und Kreisstraßen übertragen werden. Nach den Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an
Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (vom 02.06.1997 – VkBl. 1997, 434), die vom Ministerium
für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau für Landes- und Kreisstraßen für anwendbar erklärt
wurden, ist sogar von einem Neubau auszugehen, wenn eine bestehende Trasse auf einer längeren
Strecke verlassen wird. Maßgeblich ist das räumliche Erscheinungsbild im Gelände, so dass schon eine
Ortsumgehung als Neubau zu verstehen ist (vgl. Bogner/Bitterwolf-de Boer/ Probstfeld, Kommentar zum
LStrG in: Praxis der Kommunalverwaltung L 12 RhPf, § 5 LStrG Anm. 1.3; Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6.
Aufl., Kap. 34, Rn. 7.31; Zeitler, Bay. Straßen- und Wegegesetz, Loseblattkommentar, Art. 36 Rn., 6, 7; a.A.
ohne Begründung: Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 17 Rn.
32: Ortsumgehung sei technisch Neubau, rechtlich Änderung).
Der in § 1 Abs. 3 Nr. 2 LStrG geforderte Zusammenhang mit der öffentlichen Straße ist auch deshalb nicht
gegeben, weil die Verbindungsfunktion der Kreisstraßen nicht einmal teilweise wahrgenommen wird. Die
K 23 läuft von Laurenburg über Scheidt und Holzappel nach Charlottenberg, die K 25 (von Birlenbach und
Balduinstein kommend) über Geilnau nach Holzappel. Holzappel und Scheidt werden, wie dargelegt, von
der Radwegeführung vollständig abgekoppelt, ohne einen gesonderten und von den vorgenannten
Kreisstraßen K 23 bzw. K 25 unabhängigen Zugang hierzu zu haben. Damit ist verkehrstechnisch für
beide Orte bei der Benutzung des Rades als Beförderungsmittel weiterhin das Befahren der Fahrbahn der
K 23/K 25 erforderlich.
Hinzu kommt, dass der Radweg – wie dargelegt – auch nicht im Wesentlichen mit den Kreisstraßen gleich
läuft.
Im Hinblick auf die fehlende Entflechtung des Verkehrs auf den Kreisstraßen K 23 und K 25 und die im
Großräumigen Radverkehrsplan Rheinland-Pfalz dokumentierte Verbindungsfunktion hat der geplante
Radweg im Gegenteil eine selbständige Bedeutung (vgl. Kodal/Krämer, Kap. 6 Rn. 9.33;
Bogner/Bitterwolf-de Boer/ Probstfeld, § 1 LStrG Anm. 3.3.1). Hiervon geht im Zweifel auch der von dem
Planfeststellungsbeschluss bestimmte Straßenbaulastträger, nämlich der Rhein-Lahn-Kreis ausweislich
der Stellungnahmen im Verfahren aus. In der Niederschrift über den Erörterungstermin am 27.05.2008 (S.
14) heißt es bezüglich der Einwendungen der Ortsgemeinde Laurenburg (für die Ortsgemeinde Scheidt
14) heißt es bezüglich der Einwendungen der Ortsgemeinde Laurenburg (für die Ortsgemeinde Scheidt
und die Verbandsgemeinde Diez finden sich in der Niederschrift S. 17-19 ähnliche Ausführungen):
„Sowohl der Bau als auch die spätere Unterhaltung obliegen dem Rhein-Lahn-Kreis als Baulastträger des
Rad- und Gehweges, der unselbständiger Bestandteil der Kreisstraßen K 23/25 ist. Durch die
Mitbenutzung des Wirtschaftswegenetzes ist die Widmung in den mitbenutzten Bereichen als Rad-, Geh-
und Wirtschaftsweg vorgesehen. Der Kreis beabsichtigt mithin im Rahmen einer späteren freiwilligen
Vereinbarung mit den Kommunen unter Anrechnung eines eventuellen Vorteils für den besseren Ausbau
der bisherigen Wirtschaftswege, die Unterhaltung auf die jeweiligen Gemeinden bzw. die
Verbandsgemeinde zu übertragen. Die Brückenbauwerke werden in jedem Fall in der Unterhaltung des
Kreises bleiben. Die Übertragung der Unterhaltung sowie diesbezügliche Regelungen sind jedoch nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.“
Wenn aber der Radweg wieder in die Unterhaltungslast der Gemeinden fallen soll, kann er erst recht kein
unselbständiger Bestandteil der Kreisstraßen sein.
Im Übrigen lässt sich bei sonstigen Straßen (§ 3 Nr. 3 b) aa) LStrG) die Unterhaltungslast nicht von der
übrigen Baulast abtrennen, da sie nach § 15 Abs. 2 LStrG deren einziger Regelungsinhalt ist.
2. Die Planfeststellung auf der Grundlage einer nicht gegebenen Rechtsgrundlage stellt einen schweren,
nicht heilbaren Fehler des Verwaltungsakts dar, der dessen gänzliche Aufhebung rechtfertigt (BVerwG,
Beschluss vom 13.07.2010 – 9 B 104.09 – S. 4 Beschlussabdruck, veröffentlicht in juris; so auch für die
fehlende örtliche Zuständigkeit BVerwG, Beschluss vom 06.05.2008 – 9 B 64/07). Ein selbständiger
Radweg ist – wie dargelegt – nicht nach § 5 Abs. 1 LStrG planfeststellungsbedürftig und nicht
planfeststellungsfähig (so ausdrücklich Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probstfeld, Kommentar zum LStrG, PdK
L 12 RhPf, § 5 Erl. 6 und 8). Er kann auch nicht dadurch planfeststellungsfähig werden, dass er für den
Zeitraum von Bau und Planung insoweit eingestuft und erst nach Umsetzung der Planung in die rechtlich
richtige Kategorie umgestuft wird (§ 38 LStrG). Vielmehr ist bereits für die Anwendung der
Ermächtigungsgrundlage und des dazugehörigen Verfahrens wegen der dem finalen Charakter der
Planung entsprechenden Ausrichtung auf die Ziele des jeweiligen Fachplanungsgesetzes zwingend auf
die zutreffende Einordnung des geplanten Weges (bzw. der geplanten Straße) nach Abschluss der
Bauarbeiten und Eröffnung des Verkehrs abzustellen (BVerwG, Beschluss vom 13.07.2010 – 9 B 104.09 –
S. 4 Beschlussabdruck, veröffentlicht in juris, unter Bestätigung des Urteils des OVG NW vom 02.09.2009
– 11 D 33/08.AK – DVBl. 2009, 1587). Dies gilt nach der vorgenannten Rechtsprechung selbst dann,
wenn die Straße bisher in der für die gewählte Rechtsgrundlage maßgebenden Straßenkategorie
zutreffend eingeordnet war. Das Bundesverwaltungsgericht und das OVG Nordrhein-Westfalen (jeweils
a.a.O.) halten eine andere Handhabung für eine „Umgehung“ der an sich gegebenen
Ermächtigungsgrundlage zur Durchsetzung von (Planung-)Zielen, die für die geplante Straße keine
Geltung beanspruchen können. Damit ist die Abwägung auf der Grundlage nicht maßgeblicher
Gesichtspunkte und Ziele erfolgt und unheilbar fehlerhaft (so ausdrücklich: OVG NW vom 02.09.2009 – 11
D 33/08.AK – DVBl. 2009, 1587, 1590f.). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer ausdrücklich an.
a) Das Fehlen bzw. Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage zur verbindlichen
Planung ist – ebenso wie das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit – nicht nach §§ 45, 46, 75 Abs. 1a
VwVfG heilbar. Der Bundesgesetzgeber hat für den hier anwendbaren § 75 Abs. 1a VwVfG die Heilung
formeller Fehler nicht vorgesehen und bewusst gegenüber etwa der Regelung des § 17 Abs. 6 BFStrG
2007 ausgeschlossen (vgl. BVerwG Urteil vom 17.01.2007 - 9 C 1/06 - BVerwGE 128, 76 m.w.N.;
Beschluss vom 06.05.2008 – 9 B 64/07 – NVwZ 2008, 795). Eine Fehlerheilung nach § 45 und 46 VwVfG
ist ebenfalls nicht vorgesehen. Weder erklärt § 45 VwVfG das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit für
heilbar, noch kann hierdurch das Fehlen der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage ersetzt
werden. Im Gegensatz zur örtlichen Zuständigkeit wird auch in § 46 VwVfG die sachliche Zuständigkeit
nicht genannt und kann damit auch nicht hineininterpretiert werden (h.M.; Nds OVG Beschluss vom
11.01.2006 – 7 ME 288/04 – NVwZ-RR 2006, 378, 380; OVG NW Urteil vom 02.09.2009 – 11 D 33/08.AK
– DVBl. 2009, 1587, 1591f.; Kopp-Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 10. Aufl., § 46 Rn. 23; Schwarz in:
Fehling-Kastner, HK-VerwR, 2. Aufl., § 46 VwVfG, Rn. 20 m.w.N.). Im Übrigen liegt auch kein bloßer
formeller Fehler in der fehlerhaften Annahme (nur) der sachlichen Zuständigkeit vor, da hier unter die
Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage fehlerhaft subsumiert wurde und dies immer
eine – über § 46 VwVfG nicht heilbare – Verletzung materiellen Rechts darstellt (BVerwG, Urteil vom
20.02.1992 – 5 C 66/88 - BVerwGE 90, 25, 32; Kopp-Ramsauer, § 46 Rn. 15; Schwarz in: HK-VerwR § 46
VwVfG Rn. 18 m.w.N.). Auch die Grundsätze der Planerhaltung können eine Aufrechterhaltung des hier
angefochtenen Plans nicht rechtfertigen, da es hierzu zumindest erforderlich wäre, dass zu Recht eine
Planfeststellung (hier nach § 5 Abs. 1 LStrG) eingeleitet worden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
b) Der Beklagte hat den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss nicht nach § 47 VwVfG in einen
solchen nach § 5 Abs. 5 LStrG umgedeutet, so dass dahingestellt bleiben kann, ob hierfür überhaupt die
formellen und materiellen Voraussetzungen vorlagen und der Verwaltungsakt in der umgedeuteten Form
rechtmäßig wäre.
Für eine gerichtliche Umdeutung liegen die materiellen Voraussetzungen jedenfalls nicht vor, so dass es
keiner Entscheidung bedarf, ob das Gericht eine Umdeutung vornehmen kann, wenn die Verwaltung
diese – trotz entsprechender Erkenntnisse zur Rechtswidrigkeit des bisher beschrittenen Weges – selbst
nicht vornimmt und nicht vornehmen will. Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in
einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der
erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden
können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Auch eine Planfeststellung nach § 5
Abs. 5 LStrG liefe auf das Ziel einer Planfeststellung eines Geh- und Radweges hinaus. Es bedarf hier
keiner Entscheidung, ob im Einzelfall exakt die gleiche Verfahrensweise und Form erforderlich wäre (vgl.
die Anlage 1 zu § 5a LStrG). Denn die Voraussetzungen für den Erlass einer Planfeststellung auf der
Grundlage des § 5 Abs. 5 LStrG liegen nicht vor.
aa) Es liegt kein Antrag des Straßenbaulastträgers vor, eine Planfeststellung auf der Grundlage des § 5
Abs. 5 LStrG vorzunehmen. Der Antrag des Rhein-Lahn-Kreises vom 2. Februar 2007 auf Durchführung
des vorliegenden Planfeststellungsverfahrens kann nicht in einen solchen Antrag umgedeutet werden,
denn der Rhein-Lahn-Kreis ist nach § 15 LStrG nicht ohne Weiteres Straßenbaulastträger für sonstige
Straßen. Wie sich aus dem Grunderwerbsverzeichnis in den Planunterlagen ergibt, hat der Rhein-Lahn-
Kreis (nahezu) kein Eigentum an den Flächen auf der geplanten Trasse. Der größte Teil der geplanten
Strecke verläuft über vorhandene Wege verschiedenster Rechtsnatur. Soweit die Wege auf der Trasse
bereits vorhanden sind, könnte der Rhein-Lahn-Kreis nur im Wege des § 15 Abs. 1 LStrG die
Straßenbaulast übernehmen, was bisher jedoch nicht erfolgt ist. Damit ist er insoweit kein
Straßenbaulastträger und konnte am 2. Februar 2007 keinen Antrag nach § 5 Abs. 5 LStrG stellen. Für
einen wesentlichen Teil der Wege dürfte die Übertragungsmöglichkeit des § 15 Abs. 1 LStrG im Hinblick
auf gesetzliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zur Ausübung der Straßenbaulast nach
§ 16 Abs. 1 LStrG ausgeschlossen sein. Die Betriebswege der Bundeswasserstraßenverwaltung dürften
nach § 14 WaStrG (oder einer Vorgängervorschrift) für Bundeswasserstraßenzwecke planfestgestellt sein
(vgl. zur Planfeststellungsfähigkeit von Betriebswegen bei Bundeswasserstraßen: BVerwG, Urteil vom
17.04.2002 – 9 A 24/01 – BVerwGE 116, 175; BayVGH, Beschluss vom 26.09.1988 – 8 AS 88.40046 –
juris) oder gegebenenfalls zuvor bereits als Leinpfad nach Wasser- bzw. Wasserstraßenrechtlichen
Vorschriften einer öffentlich-rechtlichen Bindung unterlegen haben (vgl. Kodall/Krämer, Kap. 4 Rn. 24).
Gleichfalls öffentlich-rechtlich geregelt ist die Unterhaltung der in einer Flurbereinigung (bzw. in einem
entsprechenden Vorgängerverfahren nach früherem Recht) entstandenen oder festgestellten
Wirtschaftswege (§ 41 und § 58 FlurBG; Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probstfeld § 16 Anm. 2).
bb) Vor der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens am 2. Februar 2007 lag keine Anordnung der
Obersten Straßenbaubehörde vor, in der diese die Planfeststellung eines selbständigen Radweges
vorgeschrieben hätte. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein entsprechender Verwaltungsakt in dem
Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 19. August 2010
enthalten ist, obwohl der Wortlaut dies nicht zwingend nahelegt. Die Formulierung:
„Aufgrund dieser besonderen Verkehrsbedeutung wäre die Durchführung eines
Planfeststellungsverfahrens auch unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 LStrG geboten gewesen.
Bezugnehmend auf den Rechtsstreit mit dem BUND bitte ich, im Bedarfsfall den Radweg als selbständige
Verbindung hilfsweise weiter zu betreiben.“
spricht nicht für eine unbedingte Anordnung des Verfahrens, noch weniger für eine Rückwirkung dieser
Anordnung auf das bereits durchgeführte Planfeststellungsverfahren. Eine solche (rückwirkende)
Anordnung wäre auch nicht geeignet, das Verfahren ohne Wiederholung der erforderlichen
Verfahrensschritte und einer neuen Abwägung zu heilen. Schon das Planziel der unselbständigen
Ergänzung einer Kreisstraße ist eine von der Planfeststellung eines selbständigen Radweges erheblich
abweichende Planungsleitlinie, da die Ziele des § 3 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 2 LStrG nicht mehr im
Vordergrund stünden und die von den Ortsgemeinden Laurenburg, Scheidt und der Verbandsgemeinde
Diez aufgeworfene Frage der Straßenbaulast (vgl. §§ 12 und 15 LStrG) auf anderer Grundlage zu prüfen
und entscheiden wäre. Zudem wäre die Anordnung ohne den – wie oben dargelegt – hier erforderlichen
Antrag erfolgt und damit – derzeit – selbst als einseitige Anordnung rechtswidrig (Bogner/Bitterwolf-de
Boer/Probstfeld, § 5 LStrG Anm. 6 Abs. 4). Weiterhin wäre die Anordnung für die derzeit geplante Trasse in
dem Umfang der erfolgten Planfeststellung getroffen worden, obwohl sie nach § 5 Abs. 5 S. 2 LStrG nicht
für Bereiche erfolgen darf, für die ein Flurbereinigungsplan vorliegt. Ebenso ist eine Überplanung des
Dienstweges der Bundeswasserstraßenverwaltung wegen der wasserstraßenrechtlichen Bindungen und
des fehlenden Eigentums des Rhein-Lahn-Kreises wohl nicht nach § 5 Abs. 5 LStrG zulässig. Zudem
dürfte im Hinblick auf § 15 Abs. 1 LStrG ein Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher
Vorwirkung gegenüber den Wegeeigentümern für den Bereich vorhandener Wege nicht möglich sein, da
diese Norm dem Eigentümer die Straßenbaulast zuerkennt und eine Änderung durch Verwaltungsakt
vorgesehen, hier aber nicht erfolgt ist. Für eine Entziehung des Eigentums wären andere
Planungsinstrumentarien wie ein Bebauungsplan oder ein Flurbereinigungsplan vorrangig (§ 5 Abs. 5 S.
2 LStrG; vgl. Bogner/Bitterwolf-de Boer/ Probstfeld, § 5 LStrG Anm. 6 auch zur Enteignung).
Damit kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die geplante Radwegetrasse eine Straße von besonderer
Verkehrsbedeutung i.S.d. § 5 Abs. 5 S. 1 LStrG ist, wofür jedenfalls die Einbeziehung in das Großräumige
Radwegenetz des Landes Rheinland-Pfalz und der Lückenschluss des Lahnradweges mit seiner
Fortführung in Hessen und Nordrhein-Westfalen spricht.
cc) Da das Gericht einer Umdeutung – wie dargelegt – nicht näher tritt, bedurfte es auch keiner
Entscheidung über den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag auf Beiladung des Rhein-
Lahn-Kreises. Weiterhin können die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 und 4 VwVfG dahinstehen.
3. Dem Kläger steht hinsichtlich des Nichtvorliegens der Ermächtigung zur Durchführung eines
Planfeststellungsverfahrens auch ein vom Gericht zu beachtendes Rügerecht zu. Zunächst hat der Kläger
im Anhörungsverfahren (vgl. Schreiben vom 15.04.2007, S. 2; sowie Bl. 86f des
Planfeststellungsbeschlusses) und im Klageverfahren (Bl. 49 der Gerichtsakte) die Rechtswidrigkeit des
Planfeststellungsbeschlusses wegen des fehlenden unselbständigen Radwegs ausreichend gerügt. Es
handelt sich auch um Rechtsvorschriften im Sinne des § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG 2007.
a) Die Regelung des § 5 Abs. 1 LStrG über die Planfeststellung ist i.S.d. § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG 2007
eine andere Rechtsvorschrift, die hier zu beachten ist und zumindest auch den Belangen des
Naturschutzes zu dienen bestimmt ist. Das OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 09.01.2003 – 1 C
10393/01.OVG – NuR 2003, 438) und das BVerwG (vgl. Urteil vom 19.05.1998, 4 A 9/97, NVwZ 1998,
961) nehmen in ihrer Rechtsprechung zu § 17 Abs. 1 FernStrG (2007) an, dass in dieser die
Planfeststellung anordnenden und die Abwägung mit Naturschutzbelangen vorschreibenden Vorschrift
ein ausreichender Naturschutzbezug gegeben ist. Nach dieser Rechtsprechung kann die Abwägung im
Hinblick auf die Eingriffe in Natur und Landschaft von dem Kläger als anerkanntem Naturschutzverein mit
Aussicht auf Erfolg gerügt werden, wenn sie (zu Lasten der Natur) fehlerhaft ist. Gleiches ist hinsichtlich §
5 Abs. 1 LStrG anzunehmen. Nach dessen S. 2 sind bei der Planfeststellung die öffentlichen Belange
einschließlich der Umweltverträglichkeit abzuwägen und es können nach S. 3 die nach dem
Landesnaturschutzgesetz notwendigen Maßnahmen einbezogen werden. Damit hat die Abwägung im
Rahmen der Planfeststellung nach § 5 Abs. 1 LStrG ebenfalls Naturschutzbezug, da auch das
Bundesnaturschutzgesetz und die hierauf beruhenden Regelungen des Landesnaturschutzgesetzes zu
den öffentlichen Belangen gehören. Wenn der Kläger schon rügen darf, dass eine Abwägung fehlerhaft zu
Lasten der Natur erfolgt ist, dann kann er erst recht rügen, dass eine Abwägung nach der von dem
Beklagten herangezogenen Vorschrift des § 5 Abs. 1 LStrG gar nicht erst (zu Lasten der Natur) erfolgen
durfte, da deren Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen.
Selbst wenn man annehmen wollte, dem § 5 Abs. 1 LStrG fehle wegen der leicht unterschiedlichen
Formulierung im Vergleich zu § 17 Abs. 1 FernStrG 2007 ein ihr innewohnender ausreichender
Naturschutzbezug, berührte dies die Rügemöglichkeit nicht. Denn die fehlerhafte Anwendung des § 5
Abs. 1 LStG im vorliegenden Fall führt ohne Zwischenschritt zwingend zu einer Verletzung der
Vorschriften des Bundes- bzw. Landesnaturschutzgesetzes. Nach §§ 9 Abs. 1 und 4 und § 10 Abs. 1
LNatSchG i.V.m. § 1 Abs. Nr. 2 der Landesverordnung über die Bestimmung von Eingriffen in Natur und
Landschaft (vom 19.12.2006, GVBl. S. 447) stellt der Bau einer Straße im Außenbereich einen
ausgleichspflichtigen Eingriff in Natur und Landschaft dar. Über die Zulassung der Eingriffsmaßnahme
und die entsprechenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist daher im dem gesetzlich vorgesehenen
Zulassungsverfahren auf der Grundlage der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage von der zuständigen
Behörde zu entscheiden. Gleiches gilt für die hier materiell erforderliche Befreiung von den Festsetzungen
der NSG-VO „Gabelstein-Hölloch“ (§ 48 LNatSchG). Zutreffendes Zulassungsverfahren für den Eingriff und
zutreffendes Befreiungsverfahren kann ein Planfeststellungsverfahren jedoch nur dann sein, wenn dies
rechtmäßig an die Stelle der an sich vorgesehenen naturschutzrechtlichen Verfahrens getreten ist. Der mit
der Konzentrationswirkung (§ 75 Abs. 1 S. 1 VwVfG, vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 7.
Aufl., § 75 Rn. 8) verbundene gesetzlich angeordnete Zuständigkeitswechsel kann nur dann eintreten,
wenn auch die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Dies ist offensichtlich nach dem oben
Gesagten nicht der Fall. Damit liegt in der hier erfolgten Anwendung des § 5 Abs. 1 LStrG gleichzeitig eine
unzulässige Umgehung (vgl. dazu OVG Weimar, Urteil vom 20.07.2003 – 1 KO 389/02 – LKV 2004, 559)
und damit auch Verletzung der Vorschriften der §§ 9, 10, 48 LNatSchG, welche auf §§ 18 bis 20, 42 und
62 BNatSchG 2007 beruhen (vgl. §§ 17, 23, 67 BNatSchG 2010), was ohne Zweifel nach § 61 BNatSchG
2007 rügefähig ist (ebenso NdsOVG, Beschluss vom 05.03.2008 – 7 MS 114/07 – NuR 2008, 265, 269f.).
b) Es besteht hier die konkrete Möglichkeit, dass bei korrekter Anwendung der Vorschriften in den dann
durchzuführenden anderen Verfahren eine andere Entscheidung, die für den Kläger und damit für den
Naturschutz günstiger ausgefallen wäre, getroffen worden wäre (vgl. BVerwG Beschluss vom 06.05.2008
– 9 B 64/07 – NVwZ 2008, 795). Die fehlerhafte Wahl des Zulassungsverfahrens würde nach der früheren
Rechtsprechung des NdsOVG (Urteil vom 01.12.2004 – 7 LB 44/02 – ZUR 2005, 482;) dann nicht zu
einem Nachteil für den Naturschutz führen, wenn im richtigen Verfahren eine Planfeststellungsbehörde
zur Zulassung berufen wäre, die ebenfalls als Programm für ihre Abwägung den (Plan-)Zielen eines
außerhalb des Naturschutzrechts liegenden Gesetzes verpflichtet und die naturschutzrechtlichen Belange
in gleicher Weise wie die tätig gewordene Behörde zu wahren hätte. Diese Voraussetzungen liegen hier
schon nicht vor (vgl. auch die Anmerkung von Palme zu dem vorgenannten Urteil des Nds OVG in ZUR
2005, 487, 488 im Hinblick auf eine „qualifizierte Unzuständigkeit“), was unten näher ausgeführt wird. Im
Übrigen ist das NdsOVG nunmehr (Beschluss vom 05.03.2008 – 7 MS 114/07 – NuR 2008, 265, 269f.) bei
einer naturschutzrechtlichen Verbandsklage zu der Auffassung gelangt, dass eine Verfahrensvorschrift,
die eine fehlerfreie Ermittlung und vor allem Abwägung der relevanten materiellen Belange gewährleisten
soll, auch zu den rügefähigen Rechtsnormen gehört. Das NdsOVG führt insoweit aus (Rn. 37 bei juris):
„Zwar ist grundsätzlich richtig, dass Vorschriften über die staatliche Aufgabenverteilung regelmäßig nicht
zugleich auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind. In
dem vom Bundesverwaltungsgericht hierzu entschiedenen Fall (Beschl. v. 02.10.2002 – 9 VR 11.02 -, juris
Rn. 7 f.) ist dies indessen offengelassen worden; zudem ging es dort um die anders gelagerte Frage der
zulässigen Identität von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde. Wenn die Verfahrensvorschrift
hingegen eine fehlerfreie Ermittlung und vor allem Abwägung der relevanten materiellen Belange
gewährleisten soll, gehört sie zu den rügefähigen Rechtsnormen (Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG
2003, Rn. 20 zu § 61). Damit gehören Normen, welche die sachliche und örtliche Zuständigkeit der
Planfeststellungsbehörde bestimmen, dazu, weil diese Behörde regelmäßig einen gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbaren planerischen Entscheidungsspielraum hat und die Zuständigkeit deshalb
untrennbar mit dem angewendeten materiellen Recht bzw. dem daraus gewonnenen Ergebnis verbunden
ist. Wegen dieser Verbundenheit unterfällt die Zuständigkeitsfrage auch nicht der Präklusion des § 61 Abs.
3 BNatSchG oder 60c Abs. 3 S. 1 NNatG, wenn sie bei den Einwendungen, wie auch hier, nicht gesondert
angesprochen ist (vgl. dazu Nds.OVG, Urt. V. 06.06.2007 – 7 LC 97/06 -, juris; dass., Beschl. v. 11.01.2006
– 7 ME 288/04 -, Nds.VBl. 2006, 198 = NVwZ-RR 2006, 378 <380 „rechtlicher Rahmen der
Planfeststellung“>).“
Selbst wenn eine Kausalität des Fehlers für das Ergebnis und eine rechtzeitige Rüge für erforderlich
gehalten werden, sind diese Voraussetzungen hier gegeben. Die Rechtzeitigkeit der Rügen des Klägers
wurden oben bereits festgestellt. Die Möglichkeit einer anderen Entscheidung ergibt sich bereits aus den
bei richtiger Rechtsanwendung hier zu beachtenden Verfahren für einen Radweg auf der geplanten
Trasse. Für den überwiegenden Teil der Strecke ist kein spezielles Zulassungsverfahren ersichtlich. Für
die Brückenbauwerke und den Weg entlang des Gewässers (im 40 m-Bereich, Gewässer erster Ordnung)
wäre die Wasserbehörde zuständig, wobei sich die Verfahrensart je nach Gestaltung des Bauwerks nach
§ 72 oder § 76 LWG richten würde. Würde die Brücke über die Schleuse Scheidt wieder ins Auge gefasst,
wäre nach § 14 WaStrG die Bundeswasserstraßenbehörde zuständig. Weiterhin bedürfte es
gegebenenfalls noch einer Entscheidung nach § 15 Abs. 1 LStrG durch die Straßenaufsichtsbehörde.
Jedenfalls für die Wegeführung im überwiegenden Bereich des NSG „Gabelstein-Hölloch“ wäre –
mangels derzeit anderer einschlägiger Zulassungsvorschrift – gemäß § 48 i.V.m. § 42 Abs. 2 S. 2
LNatSchG die mit entsprechendem naturschutzfachlichem Sachverstand ausgestattete Obere
Naturschutzbehörde zur Entscheidung berufen (vgl. den Bescheid der Bezirksregierung Koblenz vom 15.
März 1995 zu einem Antrag des Rhein-Lahn-Kreises für einen Radweg auf ähnlicher Trasse durch das
hiesige NSG „Gabelstein-Hölloch“). Damit besteht schon wegen der nicht mehr in einer Hand liegenden
Trassenfestlegung in verschiedenen Verfahren die konkrete Möglichkeit, dass zumindest die
Entscheidung der Oberen Naturschutzbehörde – auch im Hinblick auf den dort gegebenen
naturschutzfachlichen Sachverstand und die nunmehr dieser Behörde obliegenden
naturschutzrechtlichen Einschätzungsprärogative – anders ausgefallen wäre. Denn der Oberen
Naturschutzbehörde stünde im Hinblick auf die andersartige Fassung des § 48 LNatSchG kein
fachgesetzlich ausgerichtetes Planungsermessen für ihre Entscheidung zu, insbesondere läge es nicht in
ihrem Ermessen, planzielkonform zur Straßenplanung die „optimale“ Trasse auszuwählen und diese im
Wege der Abwägung (oder ggf. über Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) genehmigungsfähig zu machen
(vgl. zur naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der zuständigen Planungsbehörde BVerwG,
Urteil vom 17.01.2007 – 9 C 1/06 – BVerwGE 128, 76, insbesondere Leitsatz 3). Die Naturschutzbehörde
ist vorrangig den Zielen des Bundes- und des Landesnaturschutzgesetzes verpflichtet und hat in diesem
Licht die öffentlichen und privaten Belange in ihre Entscheidung einzustellen, so dass die Trassenaus-
wahl zunächst allein durch den Vorhabenträger erfolgt. Die Prüfung der Trassenauswahl durch die
zuständige Naturschutzbehörde kann daher nicht außerhalb der Befreiungsvoraussetzungen des § 48
LNatSchG verortet werden, denn eine andere Prüfung ist nicht vorgesehen, erst recht keine Abwägung
oder Planung durch die Behörde insoweit. Zudem wäre die Naturschutzbehörde bei der Beteiligung des
Naturschutzbeirates gezwungen, soweit sie – wie hier mit der Stellungnahme im
Planfeststellungsverfahren erfolgt – von einem Vorschlag des Naturschutzbeirats abweicht, diesem und
der nächsthöheren Naturschutzbehörde die Gründe hierfür mitzuteilen (vgl. § 36 Abs. 2 LNatSchG). Im
vorliegenden Planfeststellungsverfahren hat der Naturschutzbeirat einen abweichenden Vorschlag
gemacht, die Obere Naturschutzbehörde hat hierzu jedoch keine eingehende Stellungnahme abgegeben,
insbesondere nicht zu der nicht geprüften weitgehenden Trassenführung über die linke Lahnseite. Im
Übrigen ist die Stellungnahme der Oberen Naturschutzbehörde im vorliegenden
Planfeststellungsverfahren nicht in einer Breite und Tiefe erfolgt, wie sie an sich nach § 20 BNatSchG
erforderlich wäre (vgl. Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, Kommentar, § 20 Rn. 7
und 8). Die Vorabsprachen zwischen Oberer Naturschutzbehöre mit dem Landesbetrieb Mobilität, die
nach der Stellungnahme vom 25. April 2007 erfolgt sein müssen, sind nicht Gegenstand der
Planfeststellungsakten geworden und daher nicht bekannt. Daher kann hier ein absoluter Gleichklang der
Auffassungen von Landesbetrieb Mobilität und Oberer Naturschutzbehörde nach den Akten nicht
festgestellt werden. Das erklärte Einverständnis steht dem nicht gleich, da die Obere Naturschutzbehörde
die Planfeststellung durch den Landesbetrieb Mobilität bei einer Verweigerung des Einverständnisses
nicht hätte hindern können (vgl. § 13 Abs. 1 LNatSchG: „Benehmen“).
Aus den Regelungen des Bundes- und Landesnaturschutzgesetzes ist ersichtlich, dass die
naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative vom Gesetzgeber grundsätzlich der Naturschutzbehörde
zugewiesen wurde. Diese Zuweisung darf nicht von einer naturschutzferneren Behörde umgangen
werden, wenn nicht ein Gesetz diese der anderen Behörde etwa in einem Planfeststellungsverfahren
ausdrücklich zuweist (vgl. BVerwG Urteil vom 7.12.2006 – 4 C 16/04 – NVwZ 2007, 576).
Dem gefundenen Ergebnis kann nicht entgegen gehalten werden, dass dem Kläger in dem anderen
Verfahren kein gleichwertiges Beteiligungsrecht zustehe und ihm daher durch die fehlerhafte Wahl der
Planfeststellung ein „Mehr“ an Einflussmöglichkeit auf die Entscheidung zugestanden worden sei. Denn
im Rahmen der naturschutzrechtlichen Befreiung ist der Kläger nach § 60 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG 2007, §
62 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG 2010, § 39 Abs. 1 Nr. 5 LNatSchG ebenso zu beteiligen. Bei dieser
Entscheidung kann der naturschutzfachliche Sachverstand auch im Rahmen der naturschutzrechtlichen
Einschätzungsprärogative, also bei der Auswahl und der Bewertung des Entscheidungsmaterials
vollständig zur Geltung kommen. Es ist dann nicht ein Beitrag unter vielen in einem
Planfeststellungsverfahren. Im Übrigen kommt dem Umstand der von dem Beklagten gerade im Schriftsatz
vom 19. August 2010 in den Vordergrund gerückten so genannten „Planzielverwirklichung“ (im Sinne der
Ziele des Landesstraßengesetzes) bei einer selbständigen Entscheidung nach § 48 LNatSchG nicht
dieselbe Wertigkeit zu wie bei der Planfeststellung nach § 5 LStrG. Eine vorausgesetzte
Planrechtfertigung und damit die Intention, die Maßnahme im Regelfall bei Fehlen unüberwindlicher
Hindernisse auch umzusetzen, gibt es so im Landesnaturschutzgesetz nicht. Die Ziele des Planes sind
dort im Rahmen der Gründe des Wohls der Allgemeinheit (§ 48 Abs. I Nr. 2 LNatSchG) als einer dieser
Gründe einzubeziehen und können nur insoweit zu einem Überwiegen dieser Gründe für eine Befreiung
beitragen.
4. Wie oben bereits dargelegt, hält die Kammer – wie auch die Obere Naturschutzbehörde (SGD-Nord,
Referat 42) in ihrer Stellungnahme vom 25. April 2007 – eine Befreiung von § 4 Nr. 2 NSG-VO
„Gabelstein-Hölloch“ gemäß § 48 Naturschutzgesetz für erforderlich. Insoweit überzeugt die Auffassung
des Beklagten nicht, das Verbot gelte für den Wegebau nur, soweit dieser dem Schutzzweck zuwiderlaufe.
Diese Auffassung widerspricht dem gesetzlichen Rahmen für Naturschutzgebiete. Nach § 17 Abs. 2
LNatSchG ist ein absolutes Verbot der in der jeweiligen NSG-VO benannten verbotenen Handlung
vorgesehen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder
seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können. Dementgegen bestimmt § 20
Abs. 2 LNatSchG für den Schutz von Landschaftsschutzgebieten, dass es nicht allein auf die Möglichkeit
einer Störung oder Veränderung ankommt, sondern dass der Charakter des Gebiets tatsächlich verändert
wird oder die Handlung dem besonderen Schutzzweck zuwiderläuft. Damit kann in § 17 LNatSchG i.V.m.
§ 4 Nr. 2 NSG-VO „Gabelstein-Hölloch“ keine teleologische Beschränkung hineininterpretiert werden, die
eine konkrete Gefahr für den Schutzzweck fordert. Auch der systematische Zusammenhang in §§ 4 und 5
NSG-VO verbietet eine solche teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs. Denn in § 5 Abs. 1
NSG-VO, der Ausnahmen von dem Verbot des § 4 NSG-VO vorsieht, wurde eine (fehlende)
Schutzweckwidrigkeit mit der Formulierung „soweit sie dem Schutzzweck nicht zuwiderlaufen“ als
Tatbestandsmerkmal gerade aufgenommen. § 4 NSG-VO enthält ein absolutes Verbot der
schutzzweckwidrigen Handlungen, wobei die dortigen Nummern 1 bis 21 beispielhaft die von der
Verordnung ausnahmslos (vorbehaltlich des § 5 NSG-VO) für schutzzweckwidrig gehaltenen Handlungen
aufzählen. Auch die Formulierung des § 4 Nr. 4 NSG-VO mit dem dortigen Zusatz „soweit sie nicht auf den
Schutz des Gebietes hinweisen“ zeigt (wie auch § 5 NSG-VO), dass der Normgeber eine Relativierung
des Schutzes ausdrücklich und eindeutig an verschiedenen Stellen der NSG-VO vorgesehen hat, sodass
eine generelle Relativierung im Sinne der Auffassung des Beklagten dem Wortlaut widerspricht.
Weiterhin weist die Kammer darauf hin, dass im Hinblick auf die bereits bei Erlass der NSG-VO
„Gabelstein-Hölloch“ vorhandenen Absichten des Baus eines Radweges eine nicht beabsichtigte Härte
durch das Verbot aller Wegebaumaßnahmen in § 4 Nr. 2 NSG-VO „Gabelstein-Hölloch“ nicht ersichtlich
ist. Vielmehr liegt eine gewollte Härte nahe. Denn wenn der Wegebau im Gegensatz zur
Wegeunterhaltung absolut verboten ist, dann gilt das ausnahmslos für jeden Wegebau im
Naturschutzgebiet. Damit wird es für die Entscheidung darauf ankommen, ob überwiegende Gründe des
Wohls der Allgemeinheit die Befreiung der dann die Anlegung des Radwegs auf der zur Entscheidung
gestellten Trasse erfordern. Insoweit ist davon auszugehen, dass Straßen und Wege nach der
Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 12. April 2005, NuR 2005, 538) immer ein atypisches Ereignis
darstellen.
b) Auch wenn es vorliegend nicht mehr darauf ankommt, weist die Kammer weiter darauf hin, dass der
Artenschutz durch den Planfeststellungsbeschluss materiell nicht verletzt wird. So sind nach § 42
Bundesnaturschutzgesetzt 2007 i.V.m. FFH-Richtlinien Bestandsermittlungen lediglich bezüglich des
Habitatschutzes innerhalb des FFH-Gebiets vorzunehmen. Jedoch besteht für die hier allein im Streit
stehende Wildkatze kein Habitatschutz im Sinne der vorgenannten Vorschriften, weil die Wildkatze nicht
zu den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets Lahnhänge gehört (vgl. die Anlage 1 „5613-301 Lahnhänge“
der Landesverordnung über die Erhaltungsziele in den Natura 2000 Gebieten vom 18. Juli 2005, GVBl.
2005, 323). Deshalb geht die Kritik des Klägers an der Methode der Bestandsermittlung ins Leere
(BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 – 9 A 14/07 – BVerwGE 131, 274).
Hinsichtlich des Artenschutzes ist das Vorkommen der Wildkatze in dem hier betroffenen Gebiet unstreitig.
Auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung kann ein Verstoß gegen das Tötungsverbot des
§ 42 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alternative BNatSchG 2007 für die besonders geschützte Wildkatze (§ 10 Nr. 10
BNatSchG i.V.m. Anhang A 2 der EG-Verordnung 338/97 durch den Bau bzw. Betrieb des Radweges
ausgeschlossen werden. Dies bestreitet der Kläger nicht ausdrücklich. Auch das Vorliegen des
Störungstatbestand, § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 und des Schutztatbestandes für Fortpflanzungs-
und Ruhestätten, § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2007 für die auch streng geschützte Wildkatze (§ 10 Nr. 11
BNatSchG 2007 i.V.m. Anhang 4 FFH-Richtlinie) ist nach den vorliegenden Unterlagen der Beteiligen
nicht ersichtlich und wurde von dem Kläger nicht substantiiert behauptet. Selbst wenn die Fortpflanzung
bzw. Aufzucht betroffen würde, würde laut Gutachten vom 14. August 2009 (Seite 61) jedenfalls der
Erhaltungszustand der lokalen Population nicht verschlechtert. Damit liegt nach § 42 Abs. 5 Satz 2
BNatSchG ein Verstoß gegen § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2007 nicht vor, da die ökologische Funktion der
Fortpflanzungs- und Ruhestätten weiterhin erfüllt wird. Soweit der zuständigen Behörde eine
naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zugestanden wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom
28. Dezember 2009 – 9 B 26/09, NuR 2010, 191), beschränkt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob die
Annahmen im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem Bewertungsverfahren
beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen
Anforderungen gerecht zu werden. Der Kläger hat hierfür bisher keine ausreichenden Anhaltspunkte
vorgetragen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Anordnung der vorläufigen
Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung
zuzulassen. Diese liegt nicht hinsichtlich der Annahme der Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit eines
ohne Vorliegen des Tatbestandes der Ermächtigungsgrundlage von der sachlich unzuständigen Behörde
erlassenen Planfeststellungsbeschlusses vor, da insoweit, wie oben dargelegt, die höchstrichterliche
Rechtsprechung eindeutig in dem hier dargelegten Sinne ist. Jedoch ist die Rügefähigkeit dieses Fehlers
im Rahmen einer naturschutzrechtlichen Verbandsklage ersichtlich bisher nur in einem
Beschwerdebeschluss des NdsOVG in einem Eilverfahren (Beschluss vom 05.03.2008 – 7 MS 114/07 –
NuR 2008, 265, 269f.) eindeutig behandelt und in dem hier vertretenen Sinne angenommen worden,
ohne dass dies dort entscheidungserheblich gewesen wäre. Das NdsOVG hat in der vorgenannten
Entscheidung sein – jedenfalls teilweise – dem widersprechende Urteil vom 01.12.2004 (– 7 LB 44/02 –
ZUR 2005, 482) nicht erwähnt. Das vorliegende Verfahren bietet die Gelegenheit zu einer
höchstrichterlichen Klärung der Reichweite der Rügemöglichkeiten in einem Hauptsacheverfahren. Daher
liegen nach Auffassung der Kammer auch die Voraussetzungen des § 134 Abs. 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO vor.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Dr. Bayer
gez. Porz
gez. Hübler
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden.
gez. Dr. Bayer
gez. Porz
gez. Hübler