Urteil des VG Kassel vom 06.05.2009

VG Kassel: stadt, gespräch, gütliche einigung, beleidigung, polizeibeamter, strafverfahren, initiative, geldzahlung, ordnungswidrigkeit, motorradfahrer

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Gericht:
VG Kassel
Disziplinarkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
28 K 1006/08.KS.D
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 57 DG HE, § 69 S 2 BG HE, §
90 Abs 1 S 1 BG HE, § 12 DG
HE, § 69 S 3 BG HE
Disziplinarmaß bei Verquickung privater und dienstlicher
Belange (hier: Zurückstufung)
Leitsatz
Disziplinarmaß bei Durchsetzung privater Schadensersatzansprüche mit dienstlichen
Mitteln
Tenor
Der Polizeibeamte A. wird von der Besoldungsgruppe A 11 in ein Amt der
Besoldungsgruppe A 10 zurückgestuft.
Der Beamte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beamte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht
der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zurückstufung des Beklagten.
Der Beklagte, geboren am 20.01.1965, steht als Polizeibeamter in Diensten des
Landes Hessen. Derzeit versieht er seinen Dienst im Polizeirevier H-Stadt Süd-
West. Nach dem Realschulabschluss absolvierte er eine Ausbildung bei der Polizei
und besuchte ab 1993 die Verwaltungsfachhochschule, wo er die 2. Fachprüfung
bestand. Am 01.02.1996 wurde der Beklagte zum Polizeikommissar ernannt. 1996
wurde der Beklagte zur Polizeistation C versetzt und am 01.07.1998 zum
Polizeioberkommissar ernannt. Am 01.10.2002 erfolgte die Beförderung zum
Polizeihauptkommissar. Ab dem 14.06.2004 hatte der Beklagte das Amt des
Dienstgruppenleiters bei der Polizeistation C inne.
Der Beklagte ist verheiratet und hat 2 Kinder, geboren 1994 und 1996.
Gemeinsam mit seiner Familie und seinen Eltern lebt er in einem Haus in A-Stadt,
das er 1986 erwarb.
Die Disziplinarklage gründet sich auf zwei Tatvorwürfe:
1. Am 01.08.2006 befuhr der Zeuge G. zusammen mit 10 weiteren
Motorradfahrern die Bundesstraße 252 in Fahrtrichtung Arolsen. Nachdem die
Gruppe kurz angehalten hatte, konnte sie nicht geschlossen auf die Bundesstraße
einfahren und wurde durch den Beklagten mit seinem Privat-Pkw mit Anhänger
geteilt. Während der Weiterfahrt kam es dann zu verschiedenen Fahrmanövern,
wobei nach Angaben des Zeugen G. der Beklagte versucht haben soll, sich durch
Überholen in die Gruppe der Motorradfahrer hineinzudrängeln, während nach
Angaben des Beklagten der Zeuge G. sich durch absichtliches Langsamfahren
habe zurückfallen lassen. Während dieser Fahrt kam es dann auch zu einer
Handbewegung des Zeugen G., seinen Angaben zufolge ein Abwinken. Am selben
Tag rief dann der Beklagte bei der Festnetznummer des Zeugen G. an und bat, da
dieser nicht anwesend war, um einen Rückruf. Bei diesem Rückruf äußerte der
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dieser nicht anwesend war, um einen Rückruf. Bei diesem Rückruf äußerte der
Beklagte, er werde Anzeige erstatten, falls der Zeuge G. nicht an ihn 500,00 EUR
zahle. Nach Angaben des Zeugen G. fielen während dieses Gesprächs auch die
Bemerkungen, dass er, der Beklagte, Polizist sei und Gerichte Polizisten immer
glaubten. Dem Zeugen G. werde ohnehin kein Glauben geschenkt.
2. Am 18.03.2007 war der Beklagte außerhalb des Dienstes mit seinen beiden
Kindern mit dem privaten Pkw unterwegs. Er bog an der Einmündung " F " von der
K 79 links auf die B 252 in Richtung A-Stadt ab. Der Zeuge I. befuhr ebenfalls diese
Straße in gleiche Richtung. Als der Beklagte vor ihm auf die Straße auffuhr, musste
der Zeuge I. abbremsen, fuhr dann dicht auf den Beklagten auf und schließlich
neben ihn. Der Zeuge I. zeigte dem Beklagten dabei einen Vogel und überholte ihn
anschließend im Überholverbot. Der Beklagte fuhr hinter dem Fahrzeug des
Zeugen I. her und schließlich neben dieses. Seine auf dem Beifahrersitz
mitfahrende Tochter zeigte dem Zeugen I. den Dienstausweis des Beklagten.
Daraufhin hielt der Zeuge I. an. Nach einem Gespräch zwischen dem Zeugen und
dem Beklagten fuhren beide in ihren Pkw zur Polizeistation K, wo der Zeuge
Polizeioberkommissar H. gerade seinen Dienst verrichtete. Der Beklagte schilderte
dem Zeugen H. den Sachverhalt und dieser notierte den Vorfall in einer
sogenannten Schmierkladde, schrieb aber keine förmliche Anzeige. Während einer
kurzzeitigen Abwesenheit des Beklagten schilderte auch der Zeuge I. dem Zeugen
H. den Sachverhalt.
Beide, also Beklagter und Zeuge I., verließen sodann die Polizeistation. Vor dem
Polizeigebäude kam es zu einem Gespräch, dessen Inhalt zwischen den Beteiligten
umstritten ist. Nicht bestritten ist, dass der Beklagte dem Zeugen I. die
Telefonnummer der Dienststelle in C mitteilte, wo der Beklagte seinen Dienst
verrichtete.
In einem Telefonat am 19.03.2007, das von dem Zeugen I. mit dem Handy
aufgezeichnet wurde, ging es dann um die Frage einer finanziellen Kompensation
für den Verzicht auf eine Anzeige. Der Beklagte teilte mit, dass im Falle eines
förmlichen Verfahrens der Zeuge I. mit Kosten in Höhe von ca. 1.800,00 EUR zu
rechnen habe. Mit den 500,00 EUR, die nach dem Gespräch vor der Polizeistation
im Raum standen, müsse er daher zufrieden sein. Bei einem späteren zufälligen
Treffen mahnte der Beklagte gegenüber dem Zeugen I. die Zahlung der 500,00
EUR dann noch mal nachdrücklich an. Inzwischen hatte er den Zeugen
Polizeioberkommissar H. in D-Stadt angerufen und mitgeteilt, dass die Sache
anderweitig geregelt worden sei.
Der Zeuge I. wandte sich in der Folgezeit an einen privaten Fernsehsender. Mit
diesem wurde vereinbart, dass dem Beklagten eine Falle gestellt werden solle. Der
Zeuge I. verabredete daraufhin in einem weiteren Telefonat mit dem Beklagten,
dass am 19.04.2007 gegen 15:00 Uhr das geforderte Geld auf einem Parkplatz
zwischen M und N übergeben würde. Der Zeuge I. war an diesem Tag zur Stelle
und brachte einen Umschlag mit, in dem sechs 50,00 Euro-Scheine eingelegt
worden waren. Das Geld hatte er von dem privaten Fernsehsender bekommen. Als
der Beklagte auf dem besagten Parkplatz zum Fahrerfenster des Pkw des Zeugen
I. ging und letzterer ihm das Geld übergab, kam das Kamerateam des
Privatsenders hinzu und filmte das Geschehen. Der Beklagte fuhr sofort rückwärts
mit seinem Auto von dem Parkplatz, wobei er beim Zuschlagen der Autotür die
Jacke des Reporters einklemmte. Die Szene wurde vom Kamerateam gefilmt, und
der Beitrag wurde am 24.04.2007 ausgestrahlt. Am gleichen Tag wurde der
Beklagte von einem Sondereinsatzkommando des Polizeipräsidiums Nordhessen
festgenommen. Die Beamten gingen seinerzeit davon aus, dass der Beklagte
seine Dienstwaffe mit sich führe, was jedoch nicht der Fall war. Über den Vorfall
wurde nicht nur im Privatfernsehen, sondern auch in der regionalen Presse
berichtet.
Gegen den Beklagten wurde ein Strafverfahren wegen Erpressung und
Bestechlichkeit eingeleitet. Das Verfahren wurde in der Hauptverhandlung vor dem
Amtsgericht I-Stadt - Schöffengericht - am 15.11.2007 gegen Zahlung einer
Geldauflage in Höhe von 4.000,00 EUR gemäß § 153 a StPO eingestellt.
Ausweislich des Sitzungsprotokolls (Blatt 14/15) äußerte der Vorsitzende bei der
mündlichen Verhandlung, dass "die Sache mit der Beleidigung" nicht
tatbestandsmäßig sei. Die Ordnungswidrigkeit stehe noch im Rahm, hier könne
eine angemessene Geldbuße angebracht sein. Auch über den Ausgang des
Strafverfahrens wurde in der örtlichen Presse und im Privatfernsehen berichtet.
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Am 15.07.2008 wurde Disziplinarklage erhoben.
Dem Beklagten wird vorgeworfen, er habe ein schweres Dienstvergehen
begangen, indem er eklatant gegen seine Pflicht zu einem uneigennützigen sowie
innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdigen
Verhalten verstoßen habe. Das Dienstvergehen sei sowohl innerhalb als auch
außerhalb des Dienstes begangen worden und sei in besonderem Maße geeignet,
Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt und das Ansehen des Beamtentums
bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Beklagte habe das Ansehen der
Hessischen Polizei stark beschädigt. Selbst wenn er, wie er behaupte, die Anzeige
wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit noch später geschrieben hätte, so hafte
der Verbindung einer privatrechtlichen Schmerzensgeldforderung mit dem
Stoppen, nicht Weiterleiten oder Zurücknehmen einer strafrechtlichen Verfolgung
der Beleidigung der Vorwurf der Korruption an. Obwohl der Beklagte glaubhaft
gemacht habe, dass er davon ausgegangen sei, dass ihm ein Schmerzensgeld
zivilrechtlich zustehe, sei er disziplinarrechtlich nicht entlastet. Er habe sich
nämlich, indem er auf der Bundesstraße B 252 dem Zeugen I. seinen
Polizeiausweis gezeigt habe, selbst in den Dienst versetzt und den Vorfall damit zu
einer polizeilichen Angelegenheit gemacht. Damit habe er die Berechtigung
verloren, die Erhebung einer Strafanzeige oder das Stellen eines Strafantrages
von der Zahlung einer Kompensation abhängig zu machen. Zur Durchsetzung
seiner Forderung habe er seine polizeiliche Autorität dadurch benutzt, indem er
dem Zeugen I. wahrheitswidrig vorgespielt habe, dieser müsse im Fall einer
strafrechtlichen Verurteilung mit einer finanziellen Belastung von ca. 1.800,00 EUR
rechnen. Er habe damit rechnen müssen, dass der Zeuge I. die Verbindung der
polizeilichen Autorität mit der Geltendmachung eines privatrechtlichen Anspruches
als korruptives Verhalten einordnen würde. Er hätte auch damit rechnen müssen,
dass der Zeuge I. an die Öffentlichkeit gehen würde und damit eine
Ansehensschädigung der gesamten deutschen Polizei riskiert werde. Die privat
mitgeschnittenen Telefongespräche, aus denen sich ergebe, dass der Beklagte
auch zugesagt habe, die Anzeige wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit (des
Überholens) fallen zu lassen, seien verwertbar. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht müsse insoweit zurückstehen. In der Sache könne sich der
Beklagte auch nicht auf einen Verbotsirrtum berufen. Er hätte wissen müssen,
dass ein Beamter im Falle einer Beleidigung außerhalb des Dienstes seine
dienstliche Autorität als Beamter nicht nutzen dürfe, um einem
Kompensationsanspruch zur Durchsetzung zu verhelfen. Hinsichtlich des
Disziplinarmaßes komme nur eine Zurückstufung als angemessene
Disziplinarmaßnahme in Betracht.
Soweit der Beklagte behaupte, dass die Initiative zur Zahlung eines
Schmerzensgeldes von dem Zeugen I. ausgegangen sei, so sei dem nicht zu
folgen. Tatsächlich habe der Beklagte nach dem Verlassen der Polizeistation D-
Stadt dem Zeugen I. angeboten, die Sache gegen Zahlung von 500,00 EUR aus
der Welt zu schaffen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zurückzustufen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Verfahren einzustellen.
Er trägt vor, die Initiative für die Zahlung des Geldes sei vom Zeugen I.
ausgegangen. Dieser habe ihm zunächst Schuhe angeboten, was sich daraus
erkläre, dass der Zeuge I. in einem Schuhgeschäft tätig gewesen sei. Danach
habe der Zeuge I. einen Geldbetrag angeboten, woraufhin schließlich eine Einigung
über 500,00 EUR zustande gekommen sei. Diesen Gesprächsablauf könnten auch
die Kinder des Beklagten bestätigen.
Im Übrigen habe der Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen
Schmerzensgeldes gehabt. Auch der Hinweis auf die mögliche finanzielle
Belastung in Höhe von 1.800,00 EUR für den Fall gerichtlicher Durchsetzung sei
nicht überzogen, wie sich aus verschiedenen tabellarischen Übersichten ergebe.
Im Gespräch mit dem Zeugen I. sei es von Seiten des Beklagten immer nur um
einen Verzicht auf die Strafanzeige und den Strafantrag wegen des
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einen Verzicht auf die Strafanzeige und den Strafantrag wegen des
Beleidigungsdeliktes gegangen, niemals um die unterbleibende Weiterverfolgung
der Verkehrsordnungswidrigkeit. Dies habe der Beklagte dem Zeugen I. niemals
zugesagt. Grund für das gemeinsame Aufsuchen der Polizeistation sei gewesen,
die wechselseitigen Beschuldigungen vorzutragen. Ein Streifenwagen wäre bei
einer solchen Situation nicht zur Aufnahme von Anzeigen herausgekommen. Der
Beklagte habe vorgehabt, die Verkehrsordnungswidrigkeit noch zur Anzeige zu
bringen. Es seien noch mehrere Wochen bis zum Verjährungseintritt gewesen.
Dass dies dann schließlich nicht geschehen sei, habe daran gelegen, dass der
Beklagte suspendiert gewesen sei.
Im Übrigen liege auch ein Verbotsirrtum vor. Der Beklagte habe von
unterschiedlichen Rechtsanwälten in unterschiedlichen Fällen Auskünfte
dahingehend erhalten, dass sein Vorgehen in jeder Hinsicht gerechtfertigt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Disziplinarklage ist nach § 57 Hessisches Disziplinargesetz (HDG) zulässig,
insbesondere wurden Form und Frist gewahrt.
Die Klage ist auch begründet, denn nach dem Ergebnis der Beweiserhebung und
aufgrund des Inhalts der beigezogenen Akten ist die Kammer zu dem Ergebnis
gelangt, dass der Kläger ein Dienstvergehen begangen hat, das mit einer
Zurückstufung zu ahnden ist.
Der Beklagte hat durch sein Gesamtverhalten ein Dienstvergehen im Sinne des §
90 Abs. 1 HBG begangen. Er hat schuldhaft die ihm nach § 69 S. 2 und 3 HBG
obliegenden Dienstpflichten verletzt. Nach § 69 S. 2 und 3 HBG hat der Beamte
sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten. Sein Verhalten
innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen
gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Gegen diese Dienstpflichten hat der
Beklagte sowohl gegenüber dem Zeugen G. als auch gegenüber dem Zeugen I.
verstoßen, indem er seine Dienstpflichten mit privaten Angelegenheiten verquickt
und dienstliche Befugnisse zur Durchsetzung privater Ansprüche missbraucht hat.
A. Zu den tatsächlichen Feststellungen
Aufgrund der Aussagen des Zeugen G. in der mündlichen Verhandlung hat das
Gericht den Vorfall am 01.08.2006 und die nachfolgenden Gespräche zwischen
dem Beklagten und Mitgliedern der Familie G. wie folgt festgestellt:
Am 01.08.2006 befuhr der Zeuge G. zusammen in einer Gruppe Motorradfahrer
die B 252 in Richtung B. Dabei kam es zu verschiedenen Fahrmanövern des
Zeugen, anderer Motorradfahrer und des Beklagten, der in seinem PKW Golf
inmitten der Motorradfahrer unterwegs war, ohne dass jedoch eine direkte
Kontaktaufnahme stattfand. Schon 40 Minuten nach dem Befahren der B 252
nahm der Beklagte Kontakt mit dem Zeugen G. auf und telefonierte mit dessen
Tochter. Zuvor hatte er über eine Halterabfrage die Telefonnummer des Zeugen
G. in Erfahrung gebracht, da auf dessen Ehefrau das Motorrad zugelassen war.
Gegen Ende des Gesprächs gab sich der Beklagte als Polizeibeamter zu erkennen
und wollte in Erfahrung bringen, wer das Motorrad am fraglichen Tage gefahren
hatte. Bei dem Rückruf am gleichen Tage behauptete der Beklagte, der Zeuge G.
habe ihn mit einer Handbewegung beleidigt, und dies würde ihn teuer zu stehen
kommen. Bereits zu Beginn dieses Gesprächs gab sich der Beklagte als
ermittelnder Polizeibeamter zu erkennen und forderte dann im weiteren Verlauf
von dem Zeugen G. die Zahlung von 500,00 €, andernfalls werde der Beklagte ihn
wegen Beleidigung anzeigen. Auf die Einwände des Zeugen G. erklärte der
Beklagte mehrfach, man würde dem Zeugen G. nicht glauben, schließlich sei er,
der Beklagte Polizeibeamter.
Am darauffolgenden Tage, dem 02.08.2006, fertigte der Beklagte als
Sachbearbeiter einen Vermerk, in dem er die Geschehnisse am 01.08.2006 aus
seiner Sicht darstellte, wobei die Geldforderung keine Erwähnung fand (vgl.
Behördenakte Behördliches Verfahren, Kap. 14 Bl. 9). Später, nachdem sich der
Zeuge G. geweigert hatte, den geforderten Betrag zu zahlen, führte der Beklagte,
wiederum als Sachbearbeiter, eine Zeugenvernehmung durch und vernahm
seinen eigenen Vater als Zeugen, der während der Fahrt auf der B 252 bei ihm im
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seinen eigenen Vater als Zeugen, der während der Fahrt auf der B 252 bei ihm im
PKW gesessen hatte.
Zu einer Geldzahlung kam es nicht, wohl aber zu zwei Strafverfahren, jeweils
angestrengt von dem Beklagten und dem Zeugen G.. Beide Verfahren wurden
eingestellt.
Dieser Geschehensverlauf ergibt sich für die Kammer zunächst aus den
Behördenakten und weiterhin aus der Zeugenaussage des Zeugen G.. Dieser hat
detailgetreu, in sich schlüssig und damit vollumfänglich glaubhaft den
Geschehensverlauf geschildert, insbesondere auch den Gesprächsverlauf am
Abend des 01.08.2006. Die von dem Beklagten erstmals in der mündlichen
Verhandlung vorgetragene Behauptung, nicht der Beklagte habe Geld gefordert,
sondern der Zeuge G. habe von sich aus 100,00 € angeboten, nimmt das Gericht
dem Beklagten nicht ab. Von einem solchen Geschehensverlauf war bislang nicht
die Rede, obwohl der Beklagte sich zu den gesamten Vorwürfen mehrfach
geäußert hatte. Wie auch für den Zeugen G. ist auch der Kammer kein Grund
einsichtig, warum der Zeuge G. von sich aus Geld hätte anbieten sollen. Er war
damals ebenso wie heute der Meinung, den Beklagten nicht beleidigt zu haben; für
ihn bestand damit gar kein Interesse an einem Angebot einer Geldzahlung. Die
Behauptung des Klägers, der Zeuge G. habe ihm Geld angeboten, kann damit nur
als Schutzbehauptung bewertet werden.
Hinsichtlich des Vorfalls am 18.03.2007 folgt das Gericht ebenfalls nicht den
Angaben des Beklagten, sondern vielmehr denen des Zeugen I., soweit diese von
den Angaben des Beklagten abweichen.
Unstreitig ist zunächst, dass es am Nachmittag des 18.03.20078 an der
Einmündung Mühlhäuser Hammer B 252 zu einem Vorfall, kam, bei dem der
Zeuge I. verbotswidrig das zuvor auf die Bundesstraße eingebogene Fahrzeug des
Beklagten überholte und ihm dabei einen "Vogel" zeigte. Ebenso unstreitig ist,
dass daraufhin der Beklagte den Zeugen I. wiederum überholte und dabei die
Tochter des Beklagten den Dienstausweis an das Fenster hielt.
Nach dem Anhalten beider Fahrzeuge stieg sodann der Beklagte aus und sprach
den Zeugen I. an. Dabei verlangte er Führerschein und Fahrzeugschein des
Zeugen I. und nahm diese an sich. Letzteres haben die beiden Kinder des
Beklagten, die Zeugen und A. bestätigt; dies wurde auch von dem Beklagten nicht
bestritten. Dass dies alles freiwillig geschah und der Zeuge I. den Beklagten
freiwillig zu der Polizeiwache in H begleitete, wie dies der Beklagte in der heutigen
mündlichen Verhandlung und auch in der Verhandlung vor dem Schöffengericht in
I-Stadt angegeben hat (vgl. Bl. 4 des Protokolls der Hauptverhandlung am
15.11.2007), ergibt sich aus den Zeugenaussagen nicht. Dagegen sprechen nicht
nur die glaubwürdigen Angaben des Zeugen I., sondern auch der Umstand, dass
der Beklagte die Ausweisdokumente des Zeugen einbehalten hat. Dies würde
keinen Sinn ergeben, wenn sich der Zeuge bereiterklärt hätte, freiwillig zur
Polizeiwache in H mitzukommen. Tatsächlich war es so, dass der Beklagte mit
deutlichen Worten und unter nochmaligem Vorzeigen des Dienstausweises den
Zeugen I. aufforderte, ihn zur Polizeiwache zu begleiten. Dass der Beklagte seinen
Dienstausweis nicht, wie er dies heute angab, im PKW gelassen hatte, hat die
Zeugin A. heute bestätigt.
Das Geschehen auf der Polizeiwache in H ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Zeuge H., der an diesem Tag dort seinen Dienst verrichtete, hat den
Geschehensablauf geschildert und mitgeteilt, dass dort sowohl der Beklagte als
auch der Zeuge I. ihre Version des Vorfalls schilderten und die Personalien beider
Beteiligten in eine sog. "Schmierkladde" eingetragen wurden. Eine förmliche
Anzeige wurde nicht gefertigt, nach den Angaben des Zeugen H. hatte dieser vor,
dies am kommenden Morgen nachzuholen.
Umstritten ist jedoch, wie das Gespräch außerhalb der Polizeiwache nach der
Anzeigenerstattung verlief und dort insbesondere, wer die Initiative für eine
gütliche Einigung, d.h. den Vorschlag für eine Geldzahlung des Zeugen I. an den
Beklagten zuerst äußerte. Nach den Schilderungen des Beklagten soll dies der
Zeuge I. gewesen sein, der zunächst ein Paar Schuhe als Gegenleistung für das
Absehen von einer Anzeige anbot und dann dem Beklagten einen Betrag von max.
500,00 € geboten haben soll. Der Zeuge I. hingegen hat in der mündlichen
Verhandlung ebenso wie bei den vorherigen Vernehmungen angegeben, dass es
der Beklagte war, von dem die Initiative ausging.
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Das Gericht schenkt den Angaben des Zeugen I. Glauben und nicht denen des
Beklagten. Dafür spricht zunächst, dass es nicht der erste Vorfall war, in dem der
Beklagte Geld für vermeintliche Beleidigungen forderte. Weiterhin sind die
Angaben des Beklagten insoweit auch unschlüssig. Wenn der Zeuge I. von sich aus
500,00 € angeboten haben soll, so passt dies nicht mit den weiteren Gesprächen
zusammen, nach denen er immer wieder äußerte, er könne den Betrag nicht in
dieser Höhe zahlen, da er nicht über das Geld verfüge. Warum der Zeuge I. eine
Summe nennen sollte, die er nicht in der Lage war aufzubringen, erschließt sich
dem Gericht nicht.
Die Angaben der Kinder des Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung die
Aussage des Vaters bestätigt haben, hält das Gericht für Gefälligkeitsaussagen,
die vorher abgesprochen worden waren. Das folgt zunächst schon aus der
identischen Wortwahl, die zur Überzeugung der Kammer nicht mit der von
Jugendlichen bzw. Kindern übereinstimmt. Mit nahezu identischen Worten haben
die Kinder geschildert, dass Herr I. ihrem Vater zunächst Schuhe angeboten habe
und dann Geld. Zur Überzeugung der Kammer schildern Jugendliche einen
Geschehensablauf nicht mit derart förmlichen Ausdrücken, wie sie eher in einem
Gerichtsprotokoll zu finden sind. Dies ist ein deutliches Indiz dafür, dass die
Aussagen zuvor abgesprochen wurden. Außerdem widersprechen sich die Zeugen
und A. insoweit, als die Zeugin A. angab, der PKW des Beklagten sei während des
Gesprächs noch verschlossen gewesen, während der Zeuge A. angab, er sei offen
gewesen.
Zusammenfassend geht das Gericht damit davon aus, dass der Beklagte auch
gegenüber dem Zeugen I. die Initiative ergriffen und von diesem Geld als
Gegenleistung für einen Verzicht auf die Anzeigeerstattung gefordert hat, wobei -
und dies ist unstreitig - bei dem Gespräch zu keiner Zeit zwischen der
Weiterverfolgung der Ordnungswidrigkeit (Überholen im Überholverbot) und der
Beleidigung durch Vogelzeigen unterschieden wurde.
Fest steht, dass genau eine Woche nach dem Vorfall, also am 25.03.2007, der
Beklagte das polizeiliche Informationssystem nutzte und sowohl nach den
Personalien des Zeugen I., als auch nach dem Halter des von diesem am
18.03.2007 gefahrenen PKW nachfragte. Ein dienstlicher Anlass bestand zu diesem
Zeitpunkt nicht mehr, denn der Beklagte hatte bereits zuvor den Zeugen H.
angerufen und diesem mitgeteilt, dass man sich gütlich einigen werde.
Im weiteren Verlauf kam es dann zu mehreren Telefonaten zwischen dem
Beklagten und dem Zeugen I.. Bei den Gesprächen hat der Beklagte insbesondere
zugesichert, auch wegen der Ordnungswidrigkeit nichts zu unternehmen, sofern
der Zeuge I. 500,00 € zahle. Auf Frage des Zeugen I.: "Dann nehmen Sie aber
auch alles zurück, was gegen mich vorliegt", antwortete der Beklagte: "Ja, ja, so
sind wir ja verblieben" und auf weitere Nachfrage "Komplett alles zurück" bestätigte
er: "So sind wir verblieben, ja." Gegenstand der Vereinbarung war damit nicht nur
die Rücknahme des Strafantrages wegen der Beleidigung, sondern auch ein
weiteres Untätigbleiben hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit.
Der Inhalt der Telefonate ergibt sich aus den Abschriften der Mitschnitte, die von
dem Zeugen I. mit seinem Mobiltelefon angefertigt wurden (Bl. 132 ff der Akte des
Ermittlungsverfahrens).
Diese Mitschnitte durfte das Gericht verwerten, auch wenn der Beklagte der
Verwertung nicht zugestimmt hat. Ein Verstoß gegen das allgemeine
Persönlichkeitsrecht liegt nicht vor. Das Rechtsstaatsprinzip misst dem Erfordernis
einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung zu, so dass dem
Streben nach einer materiell-richtigen Entscheidung grundsätzlich der Vorrang
gebührt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann einer Beweiserhebung nur
dann entgegengehalten werden, wenn es sich um einen Bereich unantastbarer
Lebensgestaltung handelt, in allen anderen Fällen ist im Wege einer
Güterabwägung zu entscheiden (einhellige Auffassung vgl. z.B. BVerfG, Entsch. v.
31.01.1973, Az.: 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238 ff; OLG Düsseldorf, Urt. v.
31.01.2008, Az.: I-20 U 151/07 u.a.).
Um ein Gespräch im Bereich unantastbarer Lebensgestaltung handelt es sich
nicht. Hierunter fallen Gespräche persönlichen Inhalts, etwa innerhalb der Familie
oder über private Inhalte (vgl. BVerfG, Entsch. v. 31.01.1973, a.a.O.). Vorliegend
handelt es sich jedoch um ein geschäftsähnliches Gespräch, das dem Abschluss
eines privatrechtlichen Vertrages dienen sollte. Derartige Gespräche sind zwar
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eines privatrechtlichen Vertrages dienen sollte. Derartige Gespräche sind zwar
durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, fallen jedoch nicht unter den Kernbereich des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts, in den unter keinen Umständen eingegriffen
werden darf.
Die damit erforderliche Interessenabwägung fällt zugunsten der Verwertbarkeit
aus. Das überwiegende Interesse der Allgemeinheit, das dem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht des Beklagten entgegengehalten werden kann, besteht darin,
dass bei amtsmissbräuchlichem Verhalten eines Beamten die Allgemeinheit ein
Interesse daran hat, dass der Betreffende zur Verantwortung gezogen wird.
Vorliegend konnte der Zeuge I. den Nachweis nur durch die Aufzeichnung der
Telefonate führen, denn seine Zeugenaussage allein hätte, da der Beklagte alle
Vorwürfe abstreitet, nur geringes Gewicht.
2. Zu der rechtlichen Würdigung
Sowohl hinsichtlich des Vorfalls am 01.08.2006 als auch hinsichtlich des Vorfalls
am 18.03.2007 hat der Beklagte ein Dienstvergehen gem. § 90 Abs. 1 S. 1 HBG
begangen, da er schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt hat. Beide
Vorfälle und die in diesem Zusammenhang begangenen Pflichtverletzungen sind,
da sie inhaltlich zusammenhängen, als ein Dienstvergehen anzusehen.
In Übereinstimmung mit dem Schöffengericht I-Stadt geht auch das
Disziplinargericht jedoch davon aus, dass allein der Umstand, dass der Beklagte in
zwei Fällen dafür Geld gefordert hat, dass er auf eine Strafanzeige verzichtet,
keine Dienstpflicht verletzt hat.
Eine Verletzung der Dienstpflichten stellt es jedoch dar, dass der Beklagte unter
Ausnutzung seiner Stellung als Polizist und unter Vornahme von Amtshandlungen
versucht hat, die Geldansprüche einzutreiben. Dadurch hat der Beklagte zunächst
gegen seine Dienstpflichten aus § 69 S. 2 und 3 HBG verstoßen. Danach hat ein
Beamter sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten, sein
Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem
Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert.
Der Pflichtenkatalog des § 69 HBG verlangt von dem Beamten eine strikte
Trennung zwischen dienstlichen Tätigkeiten und privaten Vorteilen.
Amtshandlungen, die sich auch nur mittelbar für den Beamten vorteilhaft
auswirken könnten, sind zu unterlassen. Selbst der böse Anschein, ein Beamter
könnte käuflich sein oder seine Dienststellung für private Vorteile nutzen, hat zu
unterbleiben (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.1969, Az.: I D 17.69, BVerwGE 43, 42 ff;
Crisolli/Schwarz, Hessisches Beamtengesetz, Loseblatt, Stand: September 2006, §
69 Rn. 5, beide m.w.N.). Ein Beamter, der gegenüber der Öffentlichkeit den
Eindruck erweckt, er lasse sich in seiner Amtsführung durch private Vorteile
beeinflussen, schädigt das Ansehen der gesamten Beamtenschaft, und zwar auch
dann, wenn das Verhalten keinen Straftatbestand nach den §§ 331 ff StGB
verwirklicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.02.1967, Az.: II C 29.65, ZBR 1967, 262
m.w.N.).
Ausgehend hiervon hat der Kläger in mehrfacher Hinsicht gegen § 69 HBG
verstoßen.
Ein Verstoß gegen § 69 HBG liegt zunächst darin, dass der Beklagte kurz nach
dem Vorfall mit dem Zeugen G. am 01.08.2006 unter Zuhilfenahme des
polizeiinternen Informationssystems Polis sich die Telefonnummer der Halterin des
von dem Zeugen G. gefahrenen Motorrads besorgt mit dem Ziel, dort anzurufen
und die Geldzahlung zu erwirken. Ein dienstlicher Anlass für das kurz nach dem
Vorfall geführte Telefonat bestand nicht, was sich insbesondere aus dem
nachfolgenden Telefonat am gleichen Tage ergibt. Dem Beklagten ging es nur
darum, seinen Zahlungsanspruch gegenüber dem Zeugen G. durchzusetzen,
hierfür hat er dienstliche Ressourcen genutzt und damit Privates nicht von
Dienstlichem getrennt, sondern zum eigenen Vorteil gehandelt. Die
ungerechtfertigte Datenabfrage stellt einen Verstoß gegen das informationelle
Selbstbestimmungsrecht der Kfz-Halterin dar, der nicht durch dienstliche Belange
gedeckt ist. Dadurch hat der Kläger gegen den Pflichtenkatalog des § 69 HBG
verstoßen (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 13.08.2008, Az.: 16b DZ 07.2822 zu einem
vergleichbaren Sachverhalt, der nach Bundesrecht zu beurteilen war).
Bei dem zweiten Telefonat hat der Beklagte dadurch, dass er seine dienstliche
Stellung als Polizeibeamter mehrfach erwähnt und sich auch als ermittelnder
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Stellung als Polizeibeamter mehrfach erwähnt und sich auch als ermittelnder
Polizeibeamter zu erkennen gegeben hat, ebenfalls gegen § 69 HBG verstoßen.
Durch das Herausstellen einer dienstlichen Stellung, verbunden mit dem Hinweis,
dass man einem Polizisten mehr glaube als einer Privatperson, hat der Beklagte
versucht, einen privaten Anspruch mit dienstlichen Mitteln und unter
Inanspruchnahme einer besonderen Vertrauensstellung eines Polizisten
durchzusetzen. Ein solches Verhalten ist in hohem Maße geeignet, das Vertrauen
der Öffentlichkeit in die Polizei zu untergraben. Selbst wenn ein Anspruch auf
Zahlung von 500,00 € gerechtfertigt gewesen wäre, hätte ihn der Beklagte nur so
durchsetzen dürfen, wie jede andere Privatperson auch. Es war ihm verwehrt, die
Autorität seines Berufsstandes als Polizeibeamter dafür einzusetzen.
Auch in dem Verhalten gegenüber dem Zeugen I. hat der Beklagte mehrere
Verstöße gegen die Dienstpflichten des § 69 HBG begangen.
Dabei geht die Kammer zu Gunsten des Beklagten davon aus, dass es nicht
bereits dienstpflichtwidrig war, dass der Beklagte unter Vorzeigen seines
Dienstausweises den Zeugen I. zum Anhalten veranlasst hat. Hierfür ist ein
dienstlicher Beweggrund durchaus denkbar. So wäre zur zweifelsfreien Feststellung
des Fahrers es durchaus notwendig gewesen, den PKW anzuhalten und die
Personalien festzustellen, was der Beklagte dann auch getan hat.
Wohl auch noch von dienstlichen Befugnissen gedeckt, ist es, dass der Beklagte
den Zeugen I. dann aufgefordert hat, mit zur Polizeiwache in H zu fahren. Dies
kann zwar auch dazu gedient haben, den Zeugen unter Druck zu setzen, denkbar
ist aber auch, dass der Beklagte auf diese Art und Weise den Sachverhalt
protokollieren und damit weitere Ermittlungen entbehrlich machen wollte.
Mit diesem Vorzeigen des Dienstausweises, dem Stoppen des PKW des Zeugen I.
und der Aufforderung, zur Polizeiwache mitzukommen, hat sich der Beklagte
jedoch selbst in den Dienst versetzt und dienstliche Befugnisse in Anspruch
genommen. Es war ihm ab diesem Zeitpunkt verwehrt, private Interessen, wie
etwa die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs wegen Beleidigung, mit seiner
dienstlichen Tätigkeit zu vermengen. Im Interesse des Vertrauens der
Allgemeinheit in eine unparteiische und nur am Allgemeinwohl orientierte Polizei ist
es nicht zu vereinbaren, wenn ein Beamter zunächst dienstliche Befugnisse in
Anspruch nimmt und dann später diese zum privaten Vorteil nutzt.
Genau dies hat der Beklagte jedoch getan. Er hat nach Verlassen der Polizeiwache
die von ihm selbst geschaffene Drucksituation ausgenutzt und versucht, einen
privaten Schadensersatzanspruch durchzusetzen. Der Zeuge I. befand sich zu
diesem Zeitpunkt in einer Zwangslage, da er damit rechnen musste, mit einem
Strafverfahren überzogen zu werden. Diese Situation hat der Beklagte genutzt und
dabei bei dem Zeugen I. den Eindruck erweckt, er könne sich von einem
Strafverfahren "freikaufen". Ohne detaillierte Kenntnis von den einschlägigen
Normen, insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit eines Strafantrages bei
Beleidigungsdelikten, musste sich bei dem Zeugen I. der Eindruck der Käuflichkeit
der Polizei bzw. eines Polizeibeamten aufdrängen. Derselbe Polizist, der zuvor als
Amtsträger die Sachverhaltsermittlung übernommen hatte, bot ihm an, das
Verfahren gegen Geldzahlung einzustellen. Wenn auch, wie bereits ausgeführt, der
Beklagte einen Anspruch auf die 500,00 € gehabt haben mag, so ist diese
Inanspruchnahme von dienstlichen Befugnissen zur Durchsetzung der
Geldforderung nicht mit den Pflichten aus § 69 HBG zu vereinbaren. Der "böse
Schein" der Käuflichkeit wurde durch das Verhalten des Beklagten erweckt, wobei
dieser sogar gezielt die von ihm selbst geschaffene Drucksituation zum eigenen
Vorteil ausnutzte.
Dieses Verhalten des Beklagten setzte sich dann auch in den folgenden
Telefonaten mit dem Zeugen I. fort. Wie sich aus den Protokollen (Bl. 132 ff Bd. 1
der Akte des Ermittlungsverfahrens) ergibt, übte der Beklagte weiterhin Druck auf
den Zeugen aus mit dem Ziel, ihn zur Zahlung der 500,00 € zu bewegen. So
erwähnte der Beklagte in dem Gespräch am 19.03.2007 die "Liste", aus der sich
ergeben sollte, dass für Vergehen der hier in Frage stehenden Art 1.800 € Strafe
verhängt würden. Die Art und Weise der Erwähnung jener "Liste", bei der es sich in
Wahrheit um einen Artikel aus der ADAC-Motorwelt handelte, sollte bei dem
Zeugen den Eindruck erwecken, dass hier aus amtlichen Dokumenten zitiert
wurde. Auch hier hat der Beklagte vermeintliches "Insiderwissen" zum eigenen
Vorteil nutzen wollen und damit gegen seine Pflicht zur uneigennützigen
Amtsführung (§ 69 S. 2 HBG) verstoßen.
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Zusammenfassend hat der Beklagte damit mehrfach gegen § 69 S. 2 und 3 HBG
verstoßen. Soweit der Beklagte seine Dienstpflichten außerhalb des Dienstes
verletzt hat, also hinsichtlich der Telefonate mit dem Zeugen G. bzw. dessen
Tochter und dem Zeugen I., liegen auch die Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 S. 2
HBG vor, da sein Verhalten in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und
Vertrauen in einer für das Amt des Beklagten und das Ansehen des Beamtentums
bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
3. Zu der Bemessung der Disziplinarmaßnahme
Das Dienstvergehen des Beklagten gebietet grundsätzlich eine empfindliche
Disziplinarmaßnahme. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HDG ergeht die Entscheidung über
eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemäß § 16 Abs. 1
Sätze 2 bis 4 HDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des
Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist
angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem
Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherren oder der Allgemeinheit
beeinträchtigt hat.
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist auszugehen von dem Antrag des
Klägers, der in der mündlichen Verhandlung die Zurückstufung begehrt hat. An
das Klagebegehren ist das Gericht gemäß § 6 HDG i.V.m. § 88 VwGO gebunden
und darf in seiner Entscheidung nicht darüber hinaus gehen.
Eine Zurückstufung des Beklagten ist auch nach § 16 Abs. 1 HDG die
angemessene Disziplinarmaßnahme.
Dienstvergehen im Umfeld von Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und verbotener
Geschenkannahme wiegen grundsätzlich schwer. Ein Beamter, der auch nur den
Verdacht erweckt, er werde sich bei seinen Dienstgeschäften möglicherweise nicht
ausschließlich an sachlichen Erwägungen orientieren, setzt das Ansehen der
Beamtenschaft empfindlich herab und gefährdet das Vertrauen des Dienstherrn
und der Allgemeinheit in seiner Zuverlässigkeit. Wenn auch der Beklagte wegen
seines Verhaltens gegenüber den Zeugen I. und G. strafrechtlich nicht verurteilt
wurde, so hat er dennoch das Ansehen der Polizei erheblich geschädigt.
Zu seinen Lasten hat die Kammer berücksichtigt, dass der Beklagte nach dem
Vorfall mit dem Zeugen G. mehrfach darauf angesprochen wurde, dass eine
Verquickung privater und dienstlicher Belange in Zukunft zu unterbleiben habe.
Ausweislich des Vermerks des KHK Z, an dessen Richtigkeit die Kammer keine
Zweifel hegt, wurde der Beklagte im September 2006 detailliert über die Probleme
unterrichtet, die auftreten können, wenn Anzeigeerstatter, Geschädigter und
Ermittler personenidentisch sind. Diese Fragestellung wurde dann auch zum
Gegenstand von Dienstbesprechungen gemacht, so dass der Beklagte
hinreichend darüber informiert war, wie er sich zu verhalten hat. Über die
Anordnungen des KHK Z hat sich der Beklagte im April 2007 bewusst und
vorsätzlich hinweggesetzt und wiederum zum eigenen Vorteil dienstliche
Befugnisse missbraucht. Von daher war eine empfindliche Disziplinarmaßnahme
angezeigt, schon deshalb, um das Vertrauen der Allgemeinheit in die
unparteiische Dienstführung der Polizeibeamten wiederherzustellen.
Nicht zu seinen Lasten geht allerdings der Umstand, dass die Vorfälle im Jahr 2007
an die Öffentlichkeit gelangt sind und der Sachverhalt zum Gegenstand eines
Fernsehberichts gemacht wurde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es der Kläger
in der Hand hatte, den Fernsehbericht zu verhindern. Bereits am 17.04.2007, also
zwei Tage vor der Geldübergabe auf dem Parkplatz, war der Kläger hierüber
informiert worden und am Tag darauf waren sowohl der Zeuge I. als auch der
Beklagte namentlich bekannt. Dass die nachfolgende Geldübergabe noch
notwendig gewesen sei, um den Beklagten zweifelsfrei überführen zu können und
von daher auf sie nicht verzichtet werden konnte, hält die Kammer nicht für
stichhaltig. In dem Fax des Präsidenten des Hessischen Landeskriminalamts vom
19.04.2007, das um 11.41 Uhr bei der Staatsanwaltschaft in H-Stadt einging, wird
ausgeführt, dass eine Verschlechterung der Beweissituation nicht mehr zu
befürchten sei, jedoch eine überzogene TV-Berichterstattung drohe. Der Präsident
bat die Staatsanwaltschaft um Zustimmung, sofort einzuschreiten, um damit den
TV-Bericht zu verhindern. Dieser fachlichen Einschätzung ist nichts
entgegenzusetzen, so dass der Ansehensverlust der Polizei durch die
Berichterstattung über das Verhalten des Beklagten durch den Kläger hätte
verhindert werden können. Dies kann damit dem Beklagten nicht zugerechnet
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verhindert werden können. Dies kann damit dem Beklagten nicht zugerechnet
werden.
Zugunsten des Beklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er disziplinarisch
bislang nicht in Erscheinung getreten ist und seinen Dienst vor dem August 2006
beanstandungsfrei verrichtet hat. Ebenso zugunsten des Beklagten fällt ins
Gewicht, dass er durch die Berichterstattung im Fernsehen und in den Printmedien
in seinem privaten und beruflichen Umfeld erheblich belastet ist, wobei allerdings
hier dem Beklagten entgegengehalten werden muss, dass er mit einer
Öffentlichmachung des Vorfalls im Jahr 2007 hätte rechnen müssen.
Insgesamt hält die Kammer unter Abwägung aller für und gegen den Beklagten
sprechenden Gesichtspunkte eine Zurückstufung nach § 12 HDG für die
angemessene Disziplinarmaßnahme. Allein eine Kürzung der Dienstbezüge oder
gar eine Geldbuße wären nicht ausreichend, um den Beklagten anzuhalten, in
Zukunft sich bei der Durchsetzung privater Ansprüche mit dienstlichen Mitteln zu
mäßigen. Dabei hält die Kammer jedoch eine Zurückstufung um eine
Besoldungsstufe für ausreichend und hat insoweit die für den Beklagten
sprechenden Gesichtspunkte berücksichtigt. Eine Verkürzung des
Beförderungsverbots (§ 12 Abs. 3 S. 2 HDG) ist angesichts der Schwere des
Dienstvergehens nicht angezeigt.
Dieser Disziplinarmaßnahme steht auch nicht entgegen, dass das Strafverfahren
gem. § 153a StPO eingestellt wurde. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17
HDG ist eine Zurückstufung in derartigen Fällen nicht ausgeschlossen. Wenn auch
in den Disziplinargesetzen einiger Bundesländer und dem des Bundes sich eine
abweichende Regelung findet, so sieht die Kammer keine Veranlassung allein
deshalb von einer Disziplinarmaßnahme abzusehen bzw. eine solche nur zu
verhängen, wenn dies erforderlich ist, um den Beklagten zur künftigen
Pflichtenerfüllung anzuhalten. Es gehört zum Wesen der föderalen Ordnung der
Bundesrepublik, dass unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern
existieren, einen Verfassungsverstoß vermag die Kammer hier nicht zu erkennen.
Die Kostentragungspflicht des Beamten folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1 HDG. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§
167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.