Urteil des VG Kassel vom 16.10.2009

VG Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, personalakte, öffentliches interesse, vollziehung, vorläufige dienstenthebung, aufschiebende wirkung, schüler, lehrer, erlass, schule

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Gericht:
VG Kassel 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 L 1108/09.KS
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 74 BG HE, § 39 BeamtStG, §
80 Abs 3 VwGO
Verbot der Führung der Dienstgeschäfte; Lehrer
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
seines am 19.09.2009 eingelegten Widerspruchs gegen den Bescheid des
Antragsgegners vom 09.09.2009, mit dem ihm die Führung seiner
Dienstgeschäfte als auf Probe verbeamteter Lehrer an einer Gesamtschule des
Landkreises A-Stadt gem. §§ 74 HBG i.V.m. § 39 BeamtStG unter Anordnung der
sofortigen Vollziehung verboten wurde.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der durch die Anordnung der sofortigen
Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ausgeschlossenen
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist gem. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft
und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Der Antragsgegner hat mit Verfügung vom 09.09.2009 dem Antragsteller die
Führung der Dienstgeschäfte verboten und zugleich die sofortige Vollziehung
dieses Verbots angeordnet. Diese Anordnung ist zunächst formell nicht zu
beanstanden, da - wie in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgeschrieben - das besondere
Interesse an der sofortigen Vollziehung mit Ausführungen, die sich auf den
konkreten Fall beziehen, schriftlich begründet worden ist. Dies ist hier der Fall.
Dass die Begründung ausdrücklich lediglich auf die Umstände Bezug nimmt, die
schon für den Erlass des Bescheids selbst angeführt worden waren, ist
unschädlich.
Die Begründung des § 80 Abs. 3 VwGO darf sich ausnahmsweise auf die schon für
den Erlass des Bescheides angeführte Begründung beschränken, wenn schon dem
Erlass des Verwaltungsakts die besondere Dringlichkeit der Entscheidung zu
Grunde liegt (vgl. dazu allgemein Hess. VGH, Beschl. v. 31.05.1990, Az.: 8 R
3118/89, in NVwZ 1991, 88; Hess. VGH, Beschl. v. 22.03.1991, Az.: 14 TH 491/91;
in NVwZ 1992, 193; OVG Koblenz Beschl. v. 26.10.1990, Az.: 2 B 12027/90 in
NVwZ-RR 1991, 308; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 15. Auflage 2009, § 80
Rn. 86). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich – wie hier - aus den für den
Verwaltungsakt zu prüfenden Tatbestandsmerkmalen die Eilbedürftigkeit der
Entscheidung bereits selbst ergibt.
Bei dem Ausspruch des Verbots der Dienstgeschäfte handelt es sich um eine
beamtenrechtliche Notmaßnahme, die kurzfristig bis zur endgültigen Regelung der
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beamtenrechtliche Notmaßnahme, die kurzfristig bis zur endgültigen Regelung der
Verhältnisse eine Lösung der entstandenen Problematik herbeiführen soll. Dieser
Maßnahme ist es damit geradezu immanent, dass sie sofort nach ihrem Erlass
Wirkung entfalten soll (vgl. dazu Fürst/Arndt/Bachmann u.a. Beamtenrecht des
Bundes und der Länder, Richterrecht und Wehrrecht, Lfg. 3/02, , § 60 BBG
Rn. 53). Die für den Erlass des Verbots erforderlichen Gründe sind damit
regelmäßig diejenigen, die auch das besondere öffentliche Interesse an ihrem
Sofortvollzug rechtfertigen (vgl. dazu Hess. VGH, Beschl. v. 30.10.1973, Az.: I TH
27/73, DÖV 1974, 605; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 25.03.2009, Az.: 12 L 148/09,
– juris –; VG Karlsruhe, Beschl. v. 29.01.2008, Az.: 2 K 4088/07, – juris –; Fürst/
Arndt/Bachmann u.a. Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Richterrecht und
Wehrrecht, Lfg. 3/02, , § 60 BBG Rn. 53; , Zwangsurlaub und
vorläufige Dienstenthebung, ZBR 1992, 321, 334). Würde man diese Möglichkeit
nicht zulassen und stattdessen zwingend in allen Fällen eine inhaltsverschiedene
Begründung für den sofortigen Vollzug fordern, so könnte in Fällen, in denen die
Rechtsgrundlage eines Bescheids schon eine besondere Eilbedürftigkeit in ihren
Tatbestandsmerkmalen enthält, ein Sofortvollzug niemals angeordnet werden. Die
Vollziehbarkeit wäre dann letztlich von der zufällig weiteren oder engeren Fassung
der Eingriffsermächtigung abhängig und eine Vollzugsanordnung gerade in den
Fällen ausgeschlossen, in denen der Gesetzgeber aus rechtsstaatlichen
Erwägungen besonders enge Voraussetzungen bereits für den Erlass des
Verwaltungsakts festgelegt hat. Der Auffassung, dass der Gesetzgeber dadurch,
dass er in diesen Fällen das Entfallen der aufschiebenden Wirkung nicht
entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO schon selbst geregelt hat, zum
Ausdruck bringen wollte, ein solcher sei auch nicht begründbar, vermag das
Gericht nicht zu folgen (so jedoch das OVG Schleswig, Beschl. v. 19.06.1991, 4 M
43/91, in NVwZ 1992, 689). Vielmehr hat der Gesetzgeber in diesen Fällen die
Rechtsgrundlage für Eilmaßnahmen geschaffen, die Anordnung der sofortigen
Vollziehung jedoch in das Ermessen der Behörde gestellt.
Auch werden die Darlegungen des Antragsgegners den sonstigen Anforderungen
des § 80 Abs. 3 VwGO an eine ordnungsgemäße Begründung gerecht. Sie
erschöpfen sich gerade nicht in bloß formelhaften Ausführungen oder allgemeinen
Begründungen, die lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen des Sofortvollzugs
erläutern, sondern stellen die auf den Einzelfall bezogenen
Abwägungsgesichtspunkte dar, die bei der Entscheidung berücksichtigt wurden.
Der Antragsgegner stellt die Gründe für die vorliegende Interessenabwägung
zugunsten des öffentlichen Interesses der Schulgemeinde an dem sofortigen Ende
der Lehrtätigkeit des Antragstellers unter Erläuterung der wesentlichen
Abwägungsgesichtspunkte dar. Ob die vorgenommene Begründung auch in der
Sache zutreffend ist, ist hier nicht zu prüfen; diese Frage erlangt erst im Rahmen
der nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht selbst vorzunehmenden
Interessenabwägung Bedeutung.
Im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nimmt das
Gericht eine summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage vor. Erweist sich
hiernach der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, so ist die
aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, weil am Vollzug offensichtlich
rechtswidriger Verwaltungsakte kein öffentliches Interesse bestehen kann. Der
Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist dagegen abzulehnen, wenn der
angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig und seine Vollziehung
als eilbedürftig erscheint. Lässt sich dagegen bei summarischer Überprüfung
weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts
noch dessen offensichtliche Rechtswidrigkeit feststellen, so trifft das Gericht seine
Entscheidung im Wege der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am
Sofortvollzug und dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des
Rechtsbehelfs.
Vorliegend erweist sich die angegriffene Verfügung bei summarischer Prüfung
nach Lage der Akten im Eilverfahren als offensichtlich rechtmäßig.
Formelle Mängel liegen nicht vor. Einer vorherigen Anhörung bedurfte es nicht, weil
eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig war (§ 28 Abs. 2
Nr. 1 HVwVfG).
Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Verfügung vom 09.09.2009
offensichtlich rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für das mit Widerspruch vom
19.09.2009 fristgemäß angegriffene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist §
74 HBG i.V.m. § 39 BeamtStG. Danach kann die oberste Dienstbehörde oder die
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74 HBG i.V.m. § 39 BeamtStG. Danach kann die oberste Dienstbehörde oder die
von ihr bestimmte Behörde einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen
die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Ein Vorrang der disziplinarrechtlichen
Maßnahme der Dienstenthebung (§ 43 HDG) bestand nicht, da zum Zeitpunkt des
Erlasses des Bescheids ein Disziplinarverfahren noch nicht eingeleitet worden war.
Der Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe stellt einen unbestimmten
Rechtbegriff dar, der durch das Gericht in vollem Umfang überprüft werden kann.
Ein Beurteilungsspielraum der entscheidenden Behörde besteht insoweit nicht (so
die einhellige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.04.1978, Az.: 1 WB
159/76, 5/77, in NJW 1978, 1597, 1598; VG Ansbach, Urt. v. 19.06.2007, Az.: AN 1
K 03.00900 – juris –). Für den Dienstherrn besteht hinsichtlich der Feststellung
derartig zwingender Gründe kein für das Gericht uneinholbarer Kenntnis- oder
Bewertungsvorsprung, der eine eingeschränkte Überprüfbarkeit der Entscheidung
– entsprechend der sonst in der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen von
behördlichen Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum – notwendig machen
würde.
Zwingende dienstliche Gründe stehen einer weiteren Ausübung der
Dienstgeschäfte dann entgegen, wenn ein dienstliches oder außerdienstliches
Verhalten des Beamten, das sich unmittelbar auf die ihm zugewiesenen
Tätigkeiten auswirkt, derart erheblich in den Dienstbetrieb eingreift, dass eine
Fortsetzung der Dienstausübung zumindest im Zeitpunkt der Entscheidung für
den Dienstherren oder die Öffentlichkeit nicht vertretbar erscheint und keine
weniger einschneidende Möglichkeit zur Verfügung steht, die drohenden
dienstlichen Nachteile abzuwenden. Wie diese Gründe gestaltet sein müssen,
richtet sich im Wesentlichen nach dem Verfahren, dessen Vorstufe das Verbot der
Führung der Dienstgeschäfte bilden soll.
Das gegen den Antragsteller erlassene Verbot der Dienstgeschäfte ist zunächst
als vorläufige Maßnahme im Hinblick auf das mit Schreiben vom 10.09.2009,
zugestellt am 15.09.2009, eingeleitete Disziplinarverfahren zu sehen. Darüber
hinaus hat der Antragsgegner aber auch in der angefochtenen Verfügung den
Antragsteller aufgefordert, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, so
dass auch insoweit das Verbot der Dienstgeschäfte hierin seine Grundlage findet.
Maßgeblich für die Bewertung ist, welche Konsequenzen für den Dienstbetrieb zu
befürchten sind, wenn ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht erfolgt.
Da es sich bei dem Verbot der Dienstgeschäfte nur um die Sicherung des
Dienstbetriebes handelt und anders als bei einer Dienstenthebung gem. § 43 HDG
noch kein Vorgriff auf die im Disziplinarverfahren zu erwartenden Sanktionen
erfolgt, kann es für die Rechtmäßigkeit eines auf § 39 BeamtStG gründenden
Bescheids auch nur auf die Frage des zu erwartenden Verhaltens des
Antragstellers bzw. auf die durch eine mögliche Dienstunfähigkeit zu
befürchtenden Gefahren ankommen, weniger jedoch auf die tatsächliche Schwere
des Disziplinarverstoßes.
Ausschlaggebend ist damit eine Prognoseentscheidung auf Grundlage der
bisherigen Verhaltensweisen des Antragstellers und der festgestellten
gesundheitlichen Konstitution. Da es sich bei dem Verbot der Dienstgeschäfte um
eine kurzfristig – bis zur endgültigen Klärung des Falles – wirkende Maßnahme
handelt, muss der der Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt noch nicht in
seinen Einzelheiten vollständig bewiesen sein. Die Behörde und damit auch das die
Entscheidung überprüfende Gericht muss vielmehr im Wege einer summarischen
Prüfung feststellen, ob ein hinreichender Verdacht einer Dienstpflichtverletzung
bzw. eines sonstigen Fehlverhaltens des Antragstellers oder eine ausreichend
begründbare Gefahr als Resultat einer befürchteten psychischen Erkrankung
vorlag, die eine sofortige Entfernung aus der Lehrtätigkeit rechtfertigen.
Ein Verbot der Dienstgeschäfte ist damit insbesondere dann möglich, wenn durch
die Fortsetzung der Tätigkeiten eine wesentliche Beeinträchtigung des
Dienstbetriebes zu befürchten ist.
Eine solche erhebliche Beeinträchtigung konnte bezüglich des Antragstellers nicht
schon aus dessen Verhalten im Vorfeld der Ereignisse vom 08. und 09.09.2009
gefolgert werden. Ob das Verhalten des Antragsstellers in Bezug auf den Schüler
XY, den er des Unterrichts verwiesen und mit einer Aufgabe vor die Tür entsandt
hatte, im pädagogischen Sinne situationsangemessen war, ist durch das Gericht
nicht zu beurteilen. Jedenfalls stellen dieses Verhalten und auch die sonstigen von
den Eltern gerügten Verhaltensweisen des Antragsstellers im Unterricht (keine
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den Eltern gerügten Verhaltensweisen des Antragsstellers im Unterricht (keine
rechtzeitige Ankündigung von Klassenarbeiten, Tischordnung,
Unterrichtsmethoden etc., vgl. Elternbeschwerde, Bl. 905 u. 929 Band V der
Personalakte; Bl. 1003 Band VI der Personalakte) keine derart erheblichen Gründe
dar, die eine sofortige Beendigung der Lehrertätigkeit des Antragstellers erfordern.
Das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und den Schülerinnen und Schülern
sowie den Eltern war schon seit Beginn der Tätigkeit des Antragsstellers an der D-
E-Schule problematisch. Hierbei scheint es sich jedoch um einen beiderseits
geförderten Konflikt zu handeln, wie die Äußerung eines Schülers vom 09.05.2009
gegenüber dem Antragsteller: „Jetzt machen wir Sie fertig“, (vgl. Bl. 1002 Band VI
der Personalakte) deutlich macht.
Eine auf diesen Vorfällen mit den Schülern beruhende Unmöglichkeit den
Antragsteller weiter als Lehrer zu beschäftigen, vermag das Gericht daher nicht
festzustellen. Bei der bloß vorzunehmenden summarischen Prüfung im
Eilverfahren kann nicht festgestellt werden, inwieweit die Konflikte auf eine
mangelnde fachliche oder pädagogische Eignung des Antragstellers zurückgehen
und eine Fortsetzung des Unterrichts durch den Antragsteller damit unzumutbar
erscheint oder es sich um eine normale Auseinandersetzung zwischen der
Auffassung eines Lehrers und seinen Schülern bzw. deren Eltern über die
verwandten Unterrichtsmethoden handelt. Sollten qualitative Mängel an den
Unterrichtsleistungen des Antragstellers und Mängel in den pädagogischen
Fähigkeiten bestehen, so sind diese jedoch nicht als derart gravierend
einzuordnen, dass eine sofortige Aufgabe der Diensttätigkeiten erforderlich wäre.
Die gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller in seinen
vorherigen Beschäftigungsverhältnissen stets positiv beurteilt wurde (vgl. Bl. 735,
739, 783 Band V der Personalakte).
Jedoch begründet das Verhalten des Antragsstellers am 08. und 09.09.2009 in der
D-E-Schule einen zwingenden dienstlichen Grund im Sinne des § 39 BeamtStG,
der ein Verbot der Dienstgeschäfte rechtfertigt. Durch das Auftreten des
Antragsstellers ist das Vertrauensverhältnis zum Leiter der Schule und zu dessen
Stellvertreter nachhaltig gestört worden. Außerdem hat der Antragsteller seine
fehlende Zuverlässigkeit, was die Wahrnehmung seiner Unterrichtsverpflichtungen
betrifft, demonstriert. Eine reibungslose Zusammenarbeit mit der Schulleitung und
eine problemfreie Gestaltung der Unterrichtsabläufe sind angesichts dieses
Verhaltens des Antragsstellers, auch für die nähere Zukunft, nicht sichergestellt.
Durch den fortwährenden Aufenthalt im Büro der Schulleitung sowohl am 08. als
auch am 09.09. hinderte der Antragsteller diese an der Ausführung ihrer sonstigen
Dienstverpflichtungen. Andere Gespräche, Telefonate oder die sonstige
administrative Tätigkeit der Schulleitung waren durch die Anwesenheit des
Antragsstellers nicht möglich. Trotz mehrfacher Aufforderung des Schulleiters und
seines Stellvertreters verließ der Antragssteller die Räumlichkeiten nicht. Während
des Aufenthalts fertigte der Antragsteller außerdem gegen den Willen des
stellvertretenden Schulleiters von diesem Fotos und weigerte sich anschließend
diese wieder zu löschen. Unabhängig von der Motivation, also auch für den Fall,
dass der Antragsteller sich damit Aufmerksamkeit für sein Anliegen verschaffen
wollte, ist dies ein unangemessenes Eindringen in die Persönlichkeitssphäre des
stellvertretenden Schulleiters und führt zu einer dauerhaften Störung des
Verhältnisses zum Dienstvorgesetzten.
Hinzu kommt, dass der Antragsteller die Durchsetzung seines Gesprächswillens zu
erreichen versuchte, während er eigentlich zur Abhaltung von Unterrichtsstunden
verpflichtet war. Sowohl am Vormittag des 08.09., als auch am 09.09., war der
Antragsteller für den Unterricht eingeteilt. Das Fernbleiben hiervon stellt eine
Verletzung der Dienstpflichten nach § 4 Abs. 3 der Dienstordnung für Lehrkräfte,
Schulleiterinnen und Schulleiter und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter (vom 8.7.1993 (Abl. S. 691) geändert durch VO vom 22.7.1998 (Abl. S.
598)) dar. Trotz wiederholter mündlicher und schriftlicher Aufforderung genügte
der Antragsteller diesen Pflichten nicht. Auch nach mehrfach erfolgten Angeboten
eines Gesprächs außerhalb der Zeit der Unterrichtsverpflichtung und unter
Hinzuziehung seines Mentors übernahm der Antragsteller seine
Unterrichtsverpflichtung nicht, sondern verweilte im Büro des stellvertretenden
Schulleiters. Dieses Verhalten verdeutlicht, dass der Antragsteller auch unter
Schaffung von entsprechenden Gesprächsalternativen nicht bereit war, der
Dienstpflicht nachzukommen.
Eine stringente Unterrichtsplanung unter Verwendung seiner Person erscheint
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Eine stringente Unterrichtsplanung unter Verwendung seiner Person erscheint
damit zunächst ausgeschlossen. Für einen Schulbetrieb ist es jedoch essentiell,
dass der vorgesehene Unterrichtsplan, abgesehen von unvorhergesehenen
Krankheitsfällen und sonstigen wesentlichen die Dienstbefreiung rechtfertigenden
Gründen, eingehalten wird. Der Schulbetrieb kann nur dann funktionieren, wenn
der Unterricht durch den entsprechend eingeteilten Lehrer auch übernommen
wird.
Das Vorliegen eines zwingenden dienstlichen Grundes wird zudem durch die
Feststellung des am 09.09.2009 durch die Schulleitung hinzu gerufenen
psychologischen Notdienstes, der Antragsteller sei psychisch erkrankt und solle
nicht mehr im Unterricht eingesetzt werden, bekräftigt. Eine konkrete Gefahr für
die Schülerinnen und Schüler und das Kollegium hat zwar auch der Mitarbeiter des
Notdienstes, Dr. F, nicht festgestellt, jedoch reicht die aus den Äußerungen
herzuleitende Gefahr einer Beeinträchtigung der Unterrichtsleistung und einer
Begrenzung der Vorbildfunktion als Lehrkraft gegenüber minderjährigen
Schülerinnen und Schülern, die auf eine nach mündlicher Diagnose
wahrscheinliche psychische Erkrankung zurückgeht, zur Begründung einer
erheblichen Gefährdung des Schuldienstbetriebes und damit zur (Mit-)Begründung
eines zwingenden dienstlichen Grundes aus.
Dass der Antragsteller kurz zuvor noch durch amtsärztliches Attest vom
04.08.2009 (Vgl. Bl. 1035 Band VI der Personalakte) für dienstfähig erklärt wurde,
steht dieser Würdigung nicht entgegen. Im Rahmen der Feststellung zwingender
dienstlicher Gründe ist eine Gefahr der künftigen Beeinträchtigung der
Dienstleistungen des Antragstellers ausreichend; bei der Prognoseentscheidung
müssen die Dienstunfähigkeit und die tatsächliche Beeinträchtigung des
Unterrichts überwiegend wahrscheinlich, nicht jedoch vollständig bewiesen sein.
Dass sich die psychologische Konstitution des Antragstellers zwischen der
amtsärztlichen Untersuchung im Juli 2009 und den Vorfällen im September 2009
verändert hat, ist nicht auszuschließen. Auf Grundlage der Angaben des Dr. F ist
ein Einsatz des Antragstellers daher bis zur endgültigen Klärung seiner
Dienstunfähigkeit nicht zu verantworten.
Darüber hinaus hat der Antragsteller sich im Anschluss an die gescheiterten
Gespräche mit der Schulleitung und dem psychologischen Dienst in den
Werkräumen des Schulgebäudes eingeschlossen. Eine derartige Reaktion, die
wiederum das Einschreiten des Direktors erforderlich machte, bindet die
dienstlichen Kapazitäten der Schule auf die Person des Antragstellers und
ermöglicht damit nicht die Wahrnehmung der anderen, an einer Schule im
Vordergrund stehenden, pädagogischen und administrativen Aufgaben der
Schulleitung.
Für die unmittelbare Zukunft erscheinen daher ein reibungsloser Schulbetrieb bei
Anwesenheit des Antragstellers und eine ordnungsgemäße
Unterrichtsdurchführung durch ihn nicht gewährleistet. Damit liegen zwingende
dienstliche Gründe für das Verbot der Dienstgeschäfte vor.
Diesem Ergebnis steht auch nicht das Vorbringen des Antragstellers entgegen, er
habe das gesamte Verhalten nur deshalb vollzogen, weil die Schulleitung sein auf
die Vorfälle mit dem Schüler XY und den Elternbeschwerden bezogenes
Gesprächsbedürfnis ignoriert hätte. Dass seitens der Schulleitung gegenüber dem
Antragsteller eine grundsätzliche Gesprächsbereitschaft in Bezug auf die
Zuordnung der Klassen, in denen er unterrichten sollte und in Bezug auf die
Vorfälle mit dem Schüler XY bestand, ergibt sich schon aus dem dokumentierten
Email-Verkehr (vgl. Email vom 28.5.2009, Bl. 1007 Band V der Personalakte) und
den Gesprächsprotokollen des stellvertretenden Schulleiters (vgl. Bl. 989 ff. Band
VI der Personalakte).
Ob die Schulleitung den Antragsteller im Rahmen der Gespräche vom 08. und
09.09.2009 mit seinen Belangen zunächst vernachlässigt hat, mag dahinstehen,
da es hierauf nicht ankommt. Selbst für den Fall, dass die Schulleitung dem
Gesprächsersuchen des Antragsstellers am 08. und 09.09. nicht vollumfänglich
nachgekommen sein sollte, war dieses Verhalten durch die bestehende
Unterrichtsverpflichtung des Antragstellers gerechtfertigt. Vorrangige Aufgabe der
Schulleitung war es, den Antragsteller zur Aufnahme des Unterrichts zu bewegen.
Das Vorbringen des Antragstellers, sein Gesprächsbedarf habe sich gerade auf
den bevorstehenden Unterricht bezogen, ändert hieran nichts. Der Antragsteller
selbst hatte der Schulleitung mitgeteilt, dass es im Vorfeld zu einer Klärung des
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selbst hatte der Schulleitung mitgeteilt, dass es im Vorfeld zu einer Klärung des
Konflikts mit XY gekommen sei (vgl. Email vom 29.06.2009 Bl. 865 Band V der
Personalakte und Stellungnahme des Schulleiters vom 22.09.2009, Bl. 23 d.A.).
Eine Durchführung des Unterrichts in einer Klasse, die dieser Schüler besuchte,
war damit nicht unzumutbar. In Bezug auf das Vorbringen, der Antragsteller habe
sich generell problematischen Klassen gegenüber gesehen, konnte eine zeitnahe
Klärung auch noch nach Ende der Unterrichtsverpflichtung herbeigeführt werden.
Die Durchführung des Unterrichts war dem Antragsteller jedenfalls in Anbetracht
des Umstandes, dass es wohl kaum konfliktfreie Klassen gibt und es sich nicht um
eine konkrete Bedrohung o.ä. gegen den Antragsteller handelte, nicht derart
unzumutbar, dass eine Verweigerung der Aufnahme des Unterrichts gerechtfertigt
war.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller eine Lösung des Konflikts
durch das Telefongespräch mit seinem Mentor und dessen Vorschlag nach seiner
Rückkehr, in zwei Tagen, ein gemeinsames Gespräch durchzuführen, angeboten
worden war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Antragsteller seinen Dienst
wieder aufnehmen und das Büro des Schulleiters verlassen müssen. Durch die
Fortsetzung der Dienstverweigerung und dem Verbleiben im Büro des Schulleiters
hat der Antragsteller verdeutlicht, dass er auch bei Abhilfeangeboten für sein
Bestreben, nicht zu einer Behebung der Störung des Dienstbetriebs bereit ist. Dies
lässt die Prognose einer, auch in Zukunft zu befürchtenden, Störung des
Schulbetriebes zu.
Der Antragsteller vermag daher auch nicht mit dem Vorbringen durchzudringen,
eine Lösung der Konfliktsituation sei durch eine einfache Unterredung der
Schulleitung mit dem Antragsteller über die Vorfälle mit dem Schüler XY, den
Elternbeschwerden und der Unterrichtsverteilung herbeizuführen gewesen. Aus
dem vorstehend beschriebenen Verhalten ergibt sich, dass der Antragsteller trotz
weiterer konkreter Gesprächsangebote seine Dienstpflicht nicht wieder aufnahm,
sondern weiterhin durch Verbleib im Büro der Schulleitung den Dienstbetrieb
störte.
Zusammenfassend ist damit eine weitere Störung des Dienstbetriebes der Schule
durch den Antragsteller zu befürchten, sollte er nun wieder den Dienst aufnehmen
dürfen. Für ein Verbot der Dienstgeschäfte liegen damit zwingende dienstliche
Gründe vor.
Auch hinsichtlich des auszuübenden Ermessens werden in einem
Hauptsacheverfahren voraussichtlich keine die Rechtswidrigkeit des Verbots
begründenden Ermessensfehler festzustellen sein. Insbesondere wird durch die
Entscheidung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Ein für den
Antragsteller milderes, aber für die Aufrechterhaltung des Schulbetriebes gleich
geeignetes, Mittel ist nicht vorhanden. Zur kurzfristigen Sicherung des
Schulbetriebes ist bei einem Lehrer insbesondere nicht die Beschränkung des
Verbots auf einzelne Tätigkeiten möglich. Das auslösende Verhalten des
Antragstellers bezog sich auf seine insgesamt bestehende Lehrverpflichtung und
nicht lediglich auf Teile davon. Ein teilweises Dienstverbot wäre nur dann denkbar,
wenn ein Lehrer etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage wäre
ein bestimmtes Unterrichtsfach zu erteilen, ohne dabei eine Gefährdung der
Schüler herbeizuführen. Dies ist aber ersichtlich nicht der Fall.
Das Verbot der Dienstgeschäfte ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig und
lässt das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung entfallen,
weil der Antragsteller vorträgt, dass bei Durchführung des Dienstverbots
seinerseits mit erheblichen gesundheitlichen Konsequenzen zu rechnen sei.
Angesichts der durch die Belastungssituation im Schuldienst erst hervorgerufenen
Erkrankung des Antragstellers ist diese Argumentation schon schwer
nachvollziehbar. Ob eine solche Gefährdung aber tatsächlich besteht, vermag im
Rahmen der nur erforderlichen summarischen Prüfung jedoch dahinstehen, da
auch unter Einbeziehung dieses Gesichtspunktes weiterhin das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verbots überwiegt. Die seitens des
Dienstherren bestehende Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) erfordert nicht die
Wiederaufnahme des Dienstes durch den Antragsteller. Eine Erfüllung der
gesetzlich vorgesehenen Fürsorgepflicht muss dann ausgeschlossen sein, wenn
dabei andere – im Ergebnis als vorrangig einzustufende – Pflichten des
Dienstherren gegenüber anderen Beamten oder Schutzpflichten gegenüber
Schülern nicht gewahrt werden können und die Ausnahme von der Fürsorgepflicht
zumutbar und verhältnismäßig erscheint. Wie bereits dargestellt, war aufgrund der
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zumutbar und verhältnismäßig erscheint. Wie bereits dargestellt, war aufgrund der
weiteren, auch künftig zu erwartenden, Verweigerung des Antragstellers den
Dienstpflichten nachzukommen, eine günstige Prognose für einen reibungslosen
Schuldienst unter Einsatz des Antragstellers nicht möglich.
Dass der Antragsteller sich im Hinblick auf den Schuldienst generell in einer
schwierigen Lage befindet, verkennt das Gericht dabei nicht. Durch den später
wieder zurückgenommenen Antrag auf die eigene Entlassung (vgl. Bl. 1015, 1022
Band VI der Personalakte) und die aufgrund der schulischen Belastungssituation
notwendig gewordene ärztliche Betreuung wird dies deutlich. Allerdings muss das
Gericht bei der Abwägungsentscheidung auch die Interessen einer Vielzahl von
Schülerinnen und Schülern an einem insgesamt geregelten Schulunterricht
berücksichtigen. Da der Antragsteller bereits therapeutischen Beistand gefunden
hat, ist für seine psychische Gesundheit in ausreichendem Maße Sorge getragen
und die Nichtbeschäftigung bis zur endgültigen Entscheidung über die Vorfälle
daher zumutbar. Eine Wiederaufnahme des Dienstes zur Förderung der seelischen
Genesung des Antragstellers ist aufgrund der zu befürchtenden weiteren
erheblichen Störungen des Schulbetriebs daher auch aus
Fürsorgegesichtspunkten nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert war
entsprechend § 53 Abs. 3 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG auf die Hälfte
des gesetzlichen Auffangstreitwertes festzusetzen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.