Urteil des VG Kassel vom 02.08.2000

VG Kassel: kostenvoranschlag, miteigentümer, grundstück, gemeinde, anschluss, satzung, neubau, reparatur, aufwand, gerichtsakte

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Gericht:
VG Kassel 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 E 1647/98
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 KAG HE, § 242 BGB
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen Bescheid der Beklagten über
die Erstattung von Kosten für einen Grundstücksanschluss.
Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks H.str. (Flurstück 144/42) im Ortsteil
Wilhelmshausen der Beklagten. Im Zuge des Neubaus eines
Regenüberlaufbeckens in der Straße “Kötnerei” wurden die
Abwassersammelleitung und die Wasserversorgungsleitung in der H.str. neu
verlegt. Im Zusammenhang mit dem dadurch notwendig gewordenen Umschluss
der Grundstücksanschlussleitungen wurde die Wasseranschlussleitung zum
Grundstück des Klägers neu erstellt.
Mit Bescheid vom 14.11.1997 über die Erneuerung der Wasseranschlussleitung
forderte die Beklagte von dem Kläger eine Kostenerstattung in Höhe von 945, 35
DM.
Der Kläger legte gegen den Bescheid am 28.11.1997 Widerspruch ein, den die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.4.1998 – zugestellt am 22.4.1998 –
zurückwies.
Dagegen hat der Kläger am 19.5.1998 Klage erhoben, zu deren Begründung er
vorträgt: Der Bescheid sei bereits deshalb rechtswidrig, weil nur er, der Kläger, als
Miteigentümer des Grundstücks für die gesamte Kostenforderung herangezogen
worden sei. Die Kostenforderung sei insgesamt nicht nachvollziehbar, zumal
erheblich vom Kostenvoranschlag abgewichen worden sei. Darin sei z.B. von 5 m
Rohrleitung ausgegangen worden, während tatsächlich nur 1,40 m in Rechnung
gestellt worden sei. Es liege auch der angegebene Tatbestand der Erneuerung
nicht vor. Die Leitung sei erst 1985 erneuert worden, so dass sie nicht verschlissen
gewesen sein könne. Die Leistung habe auch nicht in seinem Sonderinteresse
gelegen, weil ihm kein zusätzlicher Vorteil verschafft worden sei. Außerdem habe
er nicht zugestimmt. Die Veränderung des Wasseranschlusses sei nur erfolgt, weil
das Regenüberlaufbecken gebaut worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Kostenerstattungsbescheid-Wasser der Beklagten vom 14.11.1997 in der
Fassung des Widerspruchbescheides vom 17.5.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert: Der Kläger sei Miteigentümer des Grundstücks und habe deshalb als
Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden können. Dies sei auch nicht
ermessensfehlerhaft gewesen, da er das Grundstück bewohne. Er könne sich auch
nicht auf eine Abweichung vom Kostenvoranschlag berufen, denn dieser sei
unverbindlich. Es komme auch nicht darauf an, ob der Erneuerungstatbestand
vorliege, jedenfalls sei der Veränderungstatbestand gegeben. Ferner habe es auch
nicht des Einverständnisses des Klägers bedurft; ihm müsse auch kein
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nicht des Einverständnisses des Klägers bedurft; ihm müsse auch kein
wirtschaftlicher Vorteil durch die Maßnahme zufließen. Sein Sonderinteresse liege
in der Verschaffung des Anschlusses.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 31.5.2000 dem
Berichterstatter zur Entscheidung übertragen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die
Behördenakten der Beklagten (1 Hefter), die zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom
14.11.1997 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 17.4.1998 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1
VwGO).
Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 26 Abs. 1 der rückwirkend zum 1.1.1991 in
Kraft gesetzten Wasserversorgungssatzung – WVS – der Beklagten vom
23.11.1995, gegen deren Gültigkeit weder formelle noch materielle Bedenken
bestehen.
Nach § 26 Abs. 1 WVS ist der Aufwand für die Herstellung, Änderung, Reparatur
oder Beseitigung der Anschlussleitung der Gemeinde zu erstatten. Die Satzung
ihrerseits beruht auf § 12 Kommunalabgabengesetz - KAG - , der es den
Gemeinden erlaubt, durch Satzung zu bestimmen, dass ihnen solche
Aufwendungen für Grundstücksanschlüsse an Versorgungsleitungen und
Entwässerungsanlagen in der tatsächlich entstandenen Höhe oder nach
Einheitssätzen erstattet werden. Mit der Neuverlegung der Anschlussleitung als
Folge der durch den Neubau des Regenüberlaufbeckens notwendig gewordenen
Verlegung der Versorgungsleitung hat die Beklagte den bestehenden Anschluss
im Sinne des Erstattungstatbestandes der "Änderung" geändert und gleichzeitig
erneuert. Zwar ist der Begriff der “Erneuerung” auf die Fälle der a b n u t z u n g s
b e d i n g t e n - nicht notwendig mit einer Veränderung verbundenen -
Neuverlegung zu beschränken. Wenn eine Gemeinde aber eine notwendig
gewordenen Änderung der Hausanschlussleitung zum Anlass nimmt, diese
gleichzeitig durch Verwendung neuen Materials zu erneuern, ist dies von dem ihr
zustehenden Einschätzungsspielraum gedeckt und stellt sich nicht als willkürlich
dar. Es liegt vielmehr auch im privaten Interesse eines Anschlussnehmers, wenn
mit einer Änderung gleichzeitig eine Erneuerung einer Anschlussleitung
einhergeht, um zukünftig notwendig werdende Erneuerungsarbeit soweit wie
möglich zeitmäßig hinauszuschieben. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich -
wie hier - um eine zum Zeitpunkt der Auswechselung mindestens 9 Jahre
bestehende und damit relativ alte Anschlussleitung gehandelt hat. Es ist deshalb
unerheblich, ob die alte Leitung - wie der Kläger unsubstantiiert behauptet - 1985
ausgewechselt wurde oder nicht. Für den Erstattungsanspruch nach § 12 KAG
reicht es allerdings noch nicht aus, dass die Änderung eines Anschlusses deshalb
notwendig war, weil die zugehörige Versorgungsleitung t a t s ä c h l i c h neu
verlegt wurde. Um ein die Kostenerstattung rechtfertigendes Änderungsbedürfnis
bei Hausanschlüssen annehmen zu können, bedarf es vielmehr weitergehend der
Feststellung, dass die Neuverlegung der Versorgungsleitung ihrerseits eine
notwendige Maßnahme darstellt. Letzteres ist aber im vorliegenden Fall zu
bejahen. Wie die Beklagte nachvollziehbar vorgetragen hat, war es
wassertechnisch erforderlich, ein Regenüberlaufbecken zu errichten, was eine
Neuverlegung der Wasserversorgungs- und Abwassersammelleitungen bedingte.
Das Gericht sieht keinen Anlass, diese Angaben in Zweifel zu ziehen.
Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass der Kläger für die gesamte
Erstattungsforderung allein herangezogen wurde. Der Kläger ist Miteigentümer des
angeschlossen Grundstücks, so dass er gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 WVS als
Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden konnte. Nach dem insoweit
entsprechend anwendbaren § 421 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - kann der
Gläubiger und damit hier die Beklagte im Falle des Bestehens einer
gesamtschuldnerischen Haftung nach ihrem Belieben von jedem der
Gesamtschuldner die Leistung ganz oder teilweise fordern. Wenn sie das ihr damit
zustehende Ermessen in der Weise ausübt, dass sie den Gesamtschuldner für die
gesamte Leistung in Anspruch nimmt, der auf dem Grundstück wohnt, ist dies
nicht sachwidrig und damit nicht ermessensfehlerhaft.
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Entgegen der Ansicht des Klägers ist ihm durch die Maßnahme auch ein
“Sondervorteil” zugeflossen. Dieser besteht in der Erhaltung der
Funktionsfähigkeit der gesamten Wasserversorgungssystem und der ihm durch
den veränderten Anschluss verschafften (neuen) Nutzungsmöglichkeit. Sein
Einverständnis für die Durchführung der Maßnahme war nicht erforderlich, da er
gemäß § 3 WVS dem Anschlusszwang unterliegt.
Schließlich ist es auch unerheblich, dass die Beklagte bei der tatsächlichen
Ausführung der Maßnahme von den Angaben in ihren Kostenvoranschlag vom 20.
09. 1994 abgewichen ist. Zum einen wurde der Kostenvoranschlag von ihr
ausdrücklich als “unverbindlich” bezeichnet. Zum anderen erfolgte die Abweichung
zu Gunsten des Klägers, so dass er dadurch auf keinen Fall in seinen Rechten
verletzt worden sein konnte.
Der Kläger hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen,
weil er mit seiner Klage keinen Erfolg gehabt hat. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 Zivilprozessordnung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.