Urteil des VG Karlsruhe vom 15.12.2016

vorbehalt des gesetzes, besoldung, ernennung, versorgung

VG Karlsruhe Urteil vom 15.12.2016, 6 K 3313/16
Verlängerung der Absenkung der Eingangsbesoldung gemäß BesG BW 2010 bei Elternzeit
Leitsätze
Die Absenkung der Eingangsbesoldung gemäß § 23 Abs. 1 LBesGBW verlängert sich nach dem eindeutigen
Wortlaut dieser Vorschrift nicht um Zeiträume ohne Anspruch auf Dienstbezüge (hier Elternzeit); eine
Erweiterung des Anwendungsbereichs über den Wortlaut hinaus kommt nach den in ständiger Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen zur Auslegung der Besoldungsgesetze nicht in
Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.07.2009 - 2 B 36.09 -, juris).
Tenor
1. Der Widerspruchsbescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 15.06.2016 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger ist seit dem 03.06.2013 - zunächst als Staatsanwalt, später als Richter - im Dienst des Landes
Baden-Württemberg tätig. In der Zeit vom 30.05.2014 bis zum 29.07.2014 war er aufgrund von Elternzeit
ohne Dienstbezüge beurlaubt.
2 Die auch hier Beteiligten streiten bereits in einem Parallelverfahren unter dem Aktenzeichen - 6 K 4048/14 -
um die Rechtmäßigkeit der Absenkung der Eingangsbesoldung des Klägers um 8 Prozent für die Dauer von
drei Jahren nach Entstehen des Anspruchs gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 des Landesbesoldungsgesetzes Baden-
Württemberg vom 09.11.2010 in der seit 01.01.2013 gültigen Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes
2013/2014 (LBesGBW). Der Kläger trägt dort vor, die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 LBesGBW verstoße
sowohl gegen nationales Verfassungsrecht, namentlich gegen die Vorgaben aus Art. 33 Abs. 5 GG sowie aus
Art. 3 Abs. 1 GG, als auch gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, wie es sich aus den Vorgaben des
Rechts der Europäischen Union, namentlich der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur
Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und
Beruf, ergebe.
3 Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 09.06.2016 an das Landesamt für Besoldung und Versorgung
(LBV) und teilte mit, er habe auf Nachfrage die telefonische Auskunft erhalten, dass die Absenkung seiner
Bezüge um 8 Prozent noch nicht mit Ablauf des 03.06.2016 beendet sei, da er in den letzten drei Jahren
zwei Monate Elternzeit genommen habe und sich die Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 LBesGBW daher um diese
Zeit verlängere. Seiner Auffassung nach sei die Kürzung über die Dauer von drei Jahren seit der Ernennung -
unabhängig von der Frage, inwieweit die Vorschrift des § 23 LBesGBW grundsätzlich verfassungswidrig sei -
aufgrund des klaren Wortlauts der Vorschrift von dieser nicht gedeckt. So heiße es dort ausdrücklich, dass
die Kürzung für die Dauer von drei Jahren nach Entstehen des Anspruchs zu erfolgen habe, der mit der
Ernennung entstehe. Es sei gerade nicht formuliert, dass die Kürzung in den ersten 36 Monaten erfolgen
solle, in denen Bezüge gezahlt würden. Der Kläger bat um eine kurze schriftliche Bestätigung der
telefonisch mitgeteilten Rechtsauffassung des LBV, um diese in das laufende Verfahren - 6 K 4048/14 -
einführen zu können.
4 Das LBV behandelte dieses Schreiben des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2016 unter
Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.06.2001 - 2 C 48.00 - als
Leistungswiderspruch gegen die weitere Absenkung des Grundgehalts ab dem 03.06.2016 und wies diesen
als unbegründet zurück (Ziffer 1), legte dem Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf (Ziffer 2),
erhob allerdings keine Gebühren und Auslagen (Ziffer 3).
5 Zur Begründung führte das LBV aus, in diesem Verwaltungsverfahren stehe nicht (mehr) die Tatsache der
Absenkung im Streit. Hierüber werde in dem bereits anhängigen Klageverfahren unter dem Aktenzeichen - 6
K 4048/14 - entschieden. Gegenstand dieses Verfahrens sei ausschließlich die Berechnung der Dauer des
Absenkungszeitraumes. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 LBesGBW seien bei Beamten und Richtern mit Anspruch
auf Dienstbezüge aus einem Eingangsamt der Besoldungsgruppe A 9 und höher, der Besoldungsgruppe R 1
oder aus einem Amt der Besoldungsgruppe W 1 für die Dauer von drei Jahren nach Entstehen des Anspruchs
die jeweiligen Grundgehälter und Amtszulagen abzusenken. In der Zeit vom 30.05.2014 bis 29.07.2014
habe der Kläger wegen der Elternzeit keinen Anspruch auf ein Grundgehalt gehabt. Die Gründe hierfür
seien nicht entscheidungserheblich. Deshalb sei es ohne Belang, ob er in dieser Zeit ohne Bezüge beurlaubt
gewesen sei oder ob er sich in Elternzeit befunden habe oder aus anderen Gründen keinen Anspruch auf das
Grundgehalt gehabt habe. Deshalb könne in der Regelung auch kein gleichheitswidriger Verstoß erkannt
werden. Im Übrigen würde sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen eine jeweils gleiche
Absenkungsdauer von drei Jahren ergeben. Nicht gleichheitswidrig sei es, wenn sich die reine
Absenkungsdauer durch Unterbrechung auf einen längeren Zeitraum erstrecke. Würde die Zeit ohne
Anspruch auf Grundgehalt auf den Absenkungszeitraum angerechnet, so könne eher darin eine
Ungleichbehandlung liegen, weil das Grundgehalt gegenüber den sich in Elternzeit befindlichen Beamtinnen,
Beamten, Richterinnen und Richtern unterschiedlich lang abgesenkt wäre. Im Extremfall könne durch
Elternzeit der dreijährige Absenkungszeitraum ausgefüllt werden. Auch die Erstattung des Kranken- und
Pflegeversicherungsbeitrags nach § 47 der Verordnung der Landesregierung über die Arbeitszeit, den
Urlaub, den Mutterschutz, die Elternzeit, die Pflegezeiten und den Arbeitsschutz der Beamtinnen, Beamten,
Richterinnen und Richter (Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung - AzUVO) vom 29.11.2005 führe zu keinem
anderen Ergebnis. Bei diesen Leistungen handele es sich eindeutig nicht um die Zahlung eines
Grundgehalts.
6 Da nach dem eindeutigen Wortlaut des § 23 LBesGBW u.a. das Grundgehalt für drei Jahre abgesenkt sein
müsse, ende der Absenkungszeitraum nicht am 02.06.2016, sondern verlängere sich entsprechend um die
Zeit der Elternzeit. In einem vergleichbar gelagerten Fall habe das Bundesverwaltungsgericht in einem
Beschluss von 01.07.2009 - 2 B 36.09 - ausgeführt, die gesetzliche Formulierung „Dienstbezüge
zugestanden haben“ sei nach ihrem Wortlaut eindeutig und könne demzufolge nicht durch
gesetzessystematische oder teleologische Erwägungen in Frage gestellt werden; einem Beamten stünden
Dienstbezüge zu, wenn er einen Anspruch auf Zahlung der Dienstbezüge habe.
7 Daher sei vom Beginn des Wiederantritts der Dienstaufnahme (30.07.2014) der anzurechnende Zeitraum
von 11 Monaten und 27 Tagen in Abzug zu bringen. Die Berechnung von anzurechnenden Zeiträumen auf
den Fristbeginn sei nach der besoldungsrechtlichen Berechnungsweise vorzunehmen (ein anzurechnender
Zeitraum sei nach Jahren, Monaten und Tagen zu rechnen, wobei jeder Monat mit 30 Tagen anzusetzen sei).
Damit beginne die Absenkungsfrist mit dem 03.08.2013 zu laufen und ende voraussichtlich am 02.08.2016,
soweit durchgehend in der Zeit vom 03.06.2016 bis 02.08.2016 ein Anspruch auf Grundgehalt bestehe.
8 Hiergegen ist am 12.07.2016 vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben worden, mit welcher der
Kläger ursprünglich beantragt hat,
9
1. den Widerspruchsbescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 15.06.2016 -
Personalnummer ... - aufzuheben,
10 2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 703,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11 Nach Auffassung des Klägers ist die Klage bereits unzulässig, da die Rechtshängigkeit des Verfahrens - 6 K
4048/14 - entgegen stehe und es ihm an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte. Nachdem das
Schreiben des Beklagten vom 15.06.2016 sich jedoch als Widerspruchsbescheid dargestellt habe, was sich
nicht zuletzt daraus ergebe, dass dieses Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalte, sei er faktisch
gezwungen gewesen, Klage einzureichen. Der Beklagte verkenne, dass es sich vorliegend um ein und
denselben Sachverhalt handle und der diesem Verfahren zu Grunde liegende Prozessstoff bereits Bestandteil
des Verfahrens - 6 K 4048/14 - sei. Der Zeitraum der Kürzungen für die Monate Juni und Juli 2016 sei bereits
Gegenstand des Verfahrens - 6 K 4048/14 -. Ihm komme es in beiden Verfahren gerade darauf an, dass er
seine Besoldungsbezüge für den gesamten Zeitraum, der sich aus § 23 LBesGBW ergebe, ungekürzt
ausgezahlt erhalte. Dass es sich um ein und dasselbe Verfahren handele, ergebe sich auch aus der
Überlegung, dass das Gericht - theoretisch betrachtet - im vorliegenden Verfahren zu dem Ergebnis
gelangen könne, dass der Anspruch für die Monate Juni und Juli zwar nach § 23 LBesGW hätte gekürzt
werden können, da die Zeiten einer Elternzeit den Kürzungszeitraum unterbrächen, diese Kürzung aber
ohnehin nicht hätte erfolgen dürfen, da die Norm verfassungswidrig sei. Sofern die Klage unzulässig sein
sollte, habe der Beklagte die Kosten dieses Verfahrens zu tragen, da er ihn durch Erlass des
Widerspruchsbescheids zur Klage gezwungen habe.
12 Sofern die Klage zulässig sei, sei sie auch begründet. Zunächst sei festzustellen, dass § 23 LBesGBW
verfassungswidrig und damit nichtig sei. Diesbezüglich verweist der Kläger auf seine Ausführungen in dem
Verfahren - 6 K 4048/14 -. Darüber hinaus sei eine Kürzung über den 02.06.2016 hinaus aber auch schon
auf Grund des eindeutigen Wortlauts der Norm unzulässig. Ausweislich dessen könne eine Kürzung der
Bezüge - ungeachtet der Verfassungswidrigkeit der Norm - längstens für den Zeitraum von drei Jahren seit
Entstehen des Anspruchs vorgenommen werden. Der Beginn dieser dreijährigen Absenkung errechne sich ab
dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf Dienstbezüge erstmalig entstehe, was vorliegend der 03.06.2013,
der Zeitpunkt der Ernennung gewesen sei, sodass der Absenkungszeitraum mit Ablauf des 02.06.2016
geendet habe und ihm ab dem 03.06.2016 ungekürzte Besoldungsbezüge zustünden. Entgegen der
Auffassung des Beklagten habe die Zeit der Elternzeit, in der er keine Besoldung erhalten habe,
unberücksichtigt zu bleiben. Sofern der Beklagte der Auffassung sei, dass eine Berücksichtigung dieser Zeit
dazu führen würde, dass eine Ungleichbehandlung im Vergleich zwischen den sich in Elternzeit befindlichen
Richtern und solchen, die diese Zeit nicht in Anspruch nähmen, vorliegen würde, verkenne er hierbei, dass
derjenige, der sich in Elternzeit befinde, faktisch eine hundertprozentige Kürzung erhalte. Eine
Besserstellung liege bereits deswegen nicht vor.
13 Vor dem Hintergrund, dass die Einführung der Norm ausweislich der Gesetzesbegründung zum
Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 zur Haushaltskonsolidierung erfolgt sei, entspreche dieses Ergebnis
zudem gerade auch dem Interesse des Gesetzgebers, sodass bereits hiernach die Elternzeit keine
Berücksichtigung für die Dauer der Absenkung finden könne. Darüber hinaus fänden sich bei Auslegung des
Wortlauts der Norm für die von dem Beklagten vertretene Auffassung keine Anhaltspunkte. Würde man das
„Entstehen des Anspruchs“ dahingehend auslegen, dass der Gesetzgeber hiermit das Entstehen des
jeweiligen monatlichen Anspruchs hätte erfassen wollen - nur so könne man zu dem Ergebnis gelangen, dass
der Kürzungszeitraum für die Dauer der Elternzeit unterbrochen wäre -, so hätte dies das Ergebnis, dass
sich jeweils mit Beginn eines neuen Monats die Besoldung für drei Jahre senken würde, was faktisch eine
endlose Absenkung zur Folge hätte, die offensichtlich nicht gewollt sei. Diese Überlegungen zeigten, dass als
einzig mögliche Auslegung diejenige in Betracht komme, dass es auf den Zeitpunkt des erstmaligen
Entstehens des Anspruchs auf Dienstbezüge ankomme. Die weiteren Überlegungen des Beklagten,
insbesondere, dass im Extremfall durch Elternzeit der gesamte dreijährige Absenkungszeitraum überbrückt
werden könne, rechtfertigten ebenfalls kein anderes Ergebnis. Neben dem Umstand, dass in diesem
Zeitraum eine hundertprozentige Kürzung stattfinde, fänden sich hierfür keine Anhaltspunkte im Wortlaut
der Norm. Insbesondere sei eine Erweiterung oder Ergänzung besoldungsrechtlicher Regelungen durch
allgemeine Rechtsgrundsätze und erst recht durch wirtschaftliche Gesichtspunkte unzulässig (hierfür
verweist der Kläger seinerseits auf BVerwG, Beschluss vom 01.07.2009 - 2 B 36.09 -). Hätte der
Gesetzgeber das vom Beklagten vertretene Ergebnis umsetzen wollen, so hätte er formulieren müssen, dass
die Besoldung für die ersten 36 Monate gekürzt werde, in denen Besoldung gezahlt werde. Dies habe er
jedoch nicht getan.
14 Sofern der Beklagte sich zur Begründung seiner Auffassung auf den Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 01.07.2009 - 2 B 36.09 - beziehe, verkenne er hierbei, dass es im dortigen
Fall auf die Frage angekommen sei, ob der Klägerin zu einem bestimmten Zeitpunkt Dienstbezüge
zugestanden hätten oder nicht. Dies sei jedoch hier für den Zeitraum seiner Elternzeit unstreitig. Das
Bundesverwaltungsgericht führe dort im Übrigen aus, dass bei der Auslegung der Besoldungsgesetze dem
Wortlaut besondere Bedeutung zukomme und stütze damit seine Rechtsauffassung. Der
Anwendungsbereich besoldungsrechtlicher Regelungen könne danach nicht durch allgemeine
Rechtsgrundsätze erweitert oder ergänzt werden. Daher sei insbesondere die analoge Anwendung
derartiger Regelungen ausgeschlossen. Der Wille des Gesetzgebers könne danach nur berücksichtigt
werden, wenn er im Gesetzeswortlaut deutlich Ausdruck gefunden habe.
15 Der Kläger kündigte ferner eine Klageerweiterung für den Fall an, dass der Beklagte - wie angekündigt - die
Absenkung auch auf den Zeitraum vom 01.08.2016 bis zum 02.08.2016 erstrecken werde.
16 Mit am 11.08.2016 beim Gericht eingegangenem und am 19.08.2016 dem Beklagten zugestellten
Schriftsatz vom 11.08.2016 hat der Kläger die Klage hinsichtlich einer weiteren Kürzung in Höhe von 22,70
Euro für den Monat August 2016 erweitert.
17 Der Kläger beantragt nunmehr (nur noch),
18 den Widerspruchsbescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 15.06.2016 aufzuheben.
19 Der Beklagte beantragt,
20 die Klage abzuweisen.
21 Er ist der Auffassung, die Klage sei zulässig, insbesondere sei keine anderweitige Rechtshängigkeit gegeben,
sie sei jedoch unbegründet. Zur Begründung verweist er auf die Begründung des angegriffenen
Widerspruchsbescheids vom 15.06.2016 und führt ergänzend aus, im Streit stehe ein Absenkungsbetrag in
Höhe von insgesamt 703,06 Euro für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.08.2016.
22 Dem Gericht haben die einschlägigen Behördenakten (2 Bände) vorgelegen. Hierauf sowie auf die im
Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten
verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
23 Die Kammer geht hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Begrenzung des Klagebegehrens
auf den Anfechtungsantrag von einer Klarstellung des tatsächlichen Begehrens des Klägers i.S.d. § 88 VwGO
aus, der bereits mit der Klageschrift hinreichend zum Ausdruck gebracht hatte, den Widerspruchsbescheid
vom 15.06.2016 lediglich insoweit angreifen zu wollen, als die Rechtshängigkeit des Verfahrens - 6 K
4048/14 - dem nicht entgegenstehe.
24 Die so verstandene Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Alt, § 113 Abs. 1 VwGO statthaft
und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht dem in der mündlichen Verhandlung (nur noch) gestellten
Anfechtungsantrag hinsichtlich des Widerspruchsbescheids nicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG die
Rechtshängigkeit des bereits im Verfahren - 6 K 4048/14 - bei der Kammer anhängigen Leistungs-,
Verpflichtungs- bzw. Feststellungsbegehrens hinsichtlich der Zahlung der vollen Dienstbezüge des Klägers
ohne Absenkung (auch) für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.08.2016 entgegen, da es sich hierbei um
verschiedene Streitgegenstände handelt und die auch hier relevante Vorfrage der Verfassungswidrigkeit des
§ 23 Abs. 1 LBesGBW - entgegen der Annahme des Beklagten - als solche nicht rechtshängig wird (vgl. dazu
nur Rennert, in Eyermann, VwGO-Kommentar, 14. Auflage 2014, § 41/§§ 17-17b GVG ).
25 Der Kläger hat ferner auch ein Rechtschutzbedürfnis für die vorliegende „isolierte“ Anfechtungsklage, da -
umgekehrt - eine Bestandskraft des hier angegriffenen Widerspruchsbescheids vom 15.06.2016 seinem
Leistungs-, Verpflichtungs- bzw. Feststellungsbegehren hinsichtlich der Zahlung seiner vollen Dienstbezüge
ohne Absenkung für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.08.2016 im Verfahren - 6 K 4048/14 - das
Rechtsschutzbedürfnis entziehen würde.
II.
26 Die Klage ist auch begründet. Der Widerspruchsbescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom
15.06.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
27 1. Die angegriffene Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 1 Satz 1 des
Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg vom 09.11.2010 (GBl. S. 793, 826) in der seit 01.01.2013
gültigen Fassung des Art. 5 Nr. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/14 vom 14.12.2012 (GBl. S. 677, 681).
Danach sind bei Beamten und Richtern mit Anspruch auf Dienstbezüge aus einem Eingangsamt der
Besoldungsgruppe A 9 und höher, der Besoldungsgruppe R 1 oder aus einem Amt der Besoldungsgruppe W 1
für die Dauer von drei Jahren nach Entstehen des Anspruchs die jeweiligen Grundgehälter und Amtszulagen
abzusenken. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 LBesGBW beläuft sich die Absenkung in den Besoldungsgruppen A 9
und A 10 auf 4 Prozent, in den anderen Besoldungsgruppen auf 8 Prozent der jeweiligen Grundgehälter und
Amtszulagen. Beamte und Richter, denen spätestens am 31. Dezember 2012 im Geltungsbereich dieses
Gesetzes Dienstbezüge zugestanden haben, unterliegen in den Besoldungsgruppen A 9 und A 10
abweichend von Satz 1 nicht der Absenkung, im Übrigen gilt abweichend von Satz 2 eine Absenkung von 4
Prozent (§ 23 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW).
28 Diese Vorschrift ist nach Auffassung der Kammer mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar, soweit sich diese
Vorschrift auf Richter mit Anspruch auf Dienstbezüge aus einem Eingangsamt der Besoldungsgruppe R 1
bezieht (vgl. dazu den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 15.12.2016 im Parallelverfahren - 6 K
4048/14 -). Gleichwohl bedurfte es in dem vorliegenden Verfahren mangels Entscheidungserheblichkeit der
Frage der Verfassungswidrigkeit der genannten Norm keiner Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, weil die Klage bereits - unabhängig hiervon - aus
Gründen des einfachen Rechts Erfolg hat (vgl. dazu nur BVerfGE 64, 251 <254>, 105, 48 <56>).
29 2. Der Klage war hier ohne Aussetzung des Verfahrens stattzugeben, weil auch bei einer - entgegen der
Überzeugung der Kammer - unterstellten Vereinbarkeit der Vorschrift des § 23 Abs. 1 LBesGBW mit Art. 33
Abs. 5 GG für den hier relevanten Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.08.2016 schon nach dem eindeutigen
Wortlaut der Vorschrift die vom Beklagten angenommene (weitere) Absenkung der Eingangsbesoldung des
Klägers ausscheidet (unter a), wie auch ein Gegenschluss aus vergleichbaren Vorschriften zur (zeitlichen)
Einbeziehung der Elternzeit in anderem systematischem Zusammenhang belegt (unter b) und eine
teleologische Erweiterung der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung der Besoldungsgesetze unzulässig ist (unter c).
30 a) Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 LBesGBW sind bei Beamten und Richtern mit Anspruch auf
Dienstbezüge aus einem Amt der dort im Einzelnen abschließend benannten Besoldungsgruppen, darunter
das vom Kläger bekleidete Eingangsamt der Besoldungsgruppe R 1, „für die Dauer von drei Jahren nach
Entstehen des Anspruchs“ die jeweiligen Grundgehälter und Amtszulagen abzusenken. Die Vorschrift knüpft
damit den dreijährigen Zeitraum der Absenkung der Eingangsbesoldung explizit allein an das Entstehen des
Anspruchs (auf Dienstbezüge). Nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 Satz 2 LBesGBW entsteht dieser
Anspruch mit dem Tag, an dem die Ernennung, Versetzung, Übernahme oder der Übertritt eines Beamten in
den Dienst eines in § 1 Abs. 1 genannten Dienstherrn wirksam wird. Im Falle des Klägers ist dies der
Zeitpunkt seiner Ernennung und seines Dienstantritts am 03.06.2013. Eine (ausdrückliche) Regelung zu
etwaigen Verlängerungstatbeständen hinsichtlich des Zeitraums der Absenkung findet sich im Gesetz nicht.
31 Das beklagte Land vertritt demgegenüber die Auffassung, der Lauf des Absenkungszeitraums sei von
vornherein (implizit) in solchen Zeiträumen gehemmt, in denen - aus welchen Gründen auch immer - ein
Anspruch des Beamten oder Richters auf Dienstbezüge bzw. auf ein Grundgehalt nicht bestehe. Die
Gesetzesbegründung zu ihrer gegenwärtigen Fassung wie auch zu den Vorgängerfassungen ist insoweit
allerdings unergiebig (vgl. LT-Drs. 13/3832, S. 11 f. zum früheren § 1a Landessonderzahlungsgesetz - LSZG -
i.d.F. des Haushaltsstrukturgesetzes vom 01.03.2005; LT-Drs. 14/1601, S. 50 f. zu § 3a LBesGBW i.d.F. des
BVAnpG 2008 vom 11.12.2007; LT-Drs. 14/6694, S. 463 zu § 23 LBesGBW i.d.F. des
Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg vom 09.11.2010 sowie zuletzt LT-Drs. 15/2561, S. 48 zu §
23 LBesGBW i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/14 vom 14.12.2012).
32 Diese Rechtsauffassung hat auch keinen Niederschlag im Wortlaut der Vorschrift gefunden. Insbesondere
bezieht sich der einleitende Satzteil „mit Anspruch auf Dienstbezüge“ nach seiner Stellung im Satzgefüge
allein auf die folgende enumerative Benennung der erfassten Ämter und Besoldungsgruppen, nicht aber auf
den Zeitraum der Absenkung. Gleiches gilt für die Formulierung in § 23 Abs. 1 Satz 1 LBesGBW a.E., wonach
„die jeweiligen Grundgehälter und Amtszulagen“ abzusenken sind. Diese Formulierung lässt gerade offen,
ob und in welchem Umfang solche Grundgehälter und Amtszulagen während des dreijährigen Zeitraums der
Absenkung vom Dienstherrn aktuell geschuldet sein müssen oder nicht.
33 Nichts anderes folgt auch aus dem vom beklagten Land für seine Rechtsauffassung in Anspruch
genommenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.07.2009 - 2 B 36.09 - zu der Frage, ob
einer Beamtin im Sinne der früheren §§ 1a Abs. 1 LSZG, 3a Abs. 1 LBesGBW (vgl. nunmehr § 23 Abs. 2 Nr. 1
LBesGBW), „spätestens am 31. Dezember 2004 Dienstbezüge im Geltungsbereich dieses Gesetzes
zugestanden haben“ bzw. ob nach diesem Stichtag „ein Anspruch auf Dienstbezüge entsteht“, wenn vor
diesem Stichtag zwar ihr Beamtenverhältnis begründet wurde, sie jedoch vom Tag ihrer Ernennung bis zu
einem Zeitpunkt nach diesem Stichtag ohne Dienstbezüge beurlaubt war (vgl. BVerwG, Beschluss vom
01.07.2009 - 2 B 36.09 -, juris ). Die vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Auslegung
des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, wonach es mit Blick auf diesen Stichtag allein auf den Zeitpunkt
des (konkreten) Entstehens des Anspruchs auf Dienstbezüge, nicht aber auf die Begründung des
Beamtenverhältnisses als solche ankommt, erbringt nichts für die hier in Rede stehende Auslegungsfrage, ob
sich nach Entstehen dieses Anspruchs und auch tatsächlich erfolgter erstmaliger Auszahlung von
Dienstbezügen für nachfolgende Zeiträume ohne Anspruch auf Dienstbezüge der dreijährige
Absenkungszeitraum des § 23 Abs. 1 Satz 1 LBesGBW „verlängert“.
34 b) Die Richtigkeit der gefundenen Auslegung lässt sich auch mit einem Gegenschluss aus dem Wortlaut
derjenigen Vorschriften des Landesrechts weiter abstützen, die sich zur Frage der (zeitlichen) Einbeziehung
einer Elternzeit in verwandten Regelungskomplexen - im Gegensatz zu § 23 Abs. 1 Satz 1 LBesGBW -
ausdrücklich verhalten.
35 So bestimmt § 31 Abs. 2 Satz 2 LBesGBW ausdrücklich, dass Zeiten ohne Anspruch auf Grundgehalt den
Aufstieg in den Erfahrungsstufen des Besoldungssystems um diese Zeiten verzögern, soweit in § 32 Abs. 2
LBesGBW nichts anderes bestimmt ist (Hervorhebung durch die Kammer). Mit Blick auf die Elternzeit hat der
Gesetzgeber insoweit in § 32 Abs. 2 Nr. 2 LBesGBW geregelt, dass abweichend von § 31 Abs. 2 Satz 2
LBesGBW der Aufstieg in den Stufen nicht durch Zeiten einer Kinderbetreuung bis zu drei Jahren für jedes
Kind verzögert wird (vgl. zur Auslegung dieser Vorschriften zuletzt VG Sigmaringen, Urteil vom 27.09.2016
- 3 K 5436/15 -, juris).
36 Entsprechend sieht § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von
Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO) vom 28.07.1995 explizit
vor, dass die in der Verordnung näher bezeichneten Personen beihilfeberechtigt sind, wenn und solange sie
Dienstbezüge, Anwärterbezüge, Unterhaltsbeihilfe, Entpflichtetenbezüge, Ruhegehalt, Übergangsgeld auf
Grund gesetzlichen Anspruchs, Witwengeld, Witwergeld, Waisengeld nach dem Satz für Vollwaisen oder
Unterhaltsbeitrag erhalten (Hervorhebung durch die Kammer). § 46 Abs. 1 der AzUVO regelt in Ergänzung
hierzu, dass soweit in Absatz 2 der Vorschrift nichts anderes bestimmt ist, während der Elternzeit
Krankenfürsorge in Form des prozentualen Krankheitskostenersatzes entsprechend den Beihilfevorschriften
gewährt wird, sofern Beihilfe nicht bereits auf Grund einer Teilzeitbeschäftigung unmittelbar gewährt wird
(vgl. zur Auslegung dieser Vorschriften zuletzt VG Karlsruhe, Urteil vom 09.06.2016 - 9 K 5175/15 -, juris).
37 c) Ist danach in Ermangelung einer den Vorschriften der §§ 31 Abs. 2 Satz 2 LBesGBW, 2 Abs. 2 Satz 1 BVO
strukturell entsprechenden ausdrücklichen Koppelung des Laufs des dreijährigen Absenkungszeitraums nach
§ 23 Abs. 1 Satz 1 LBesGBW an den - fortlaufenden - Bezug eines Grundgehalts nach dem Wortlaut dieser
Vorschrift (allein) an den Zeitpunkt des „Entstehens“ des Anspruchs auf ein solches anzuknüpfen, ohne dass
das Gesetz eine Verlängerung dieses Zeitraumes vorsieht, besteht nach der zutreffenden Auffassung des
Klägers keine Möglichkeit einer erweiternden Auslegung der Norm etwa mit Blick auf die vom Beklagten
angestellten Überlegungen zu einer Besserstellung in Elternzeit befindlicher Beamter und Richter gegenüber
solchen, die während des dreijährigen Absenkungszeitraums fortlaufend im Dienst stehen und Anspruch auf
ein Grundgehalt haben.
38 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht es einem hergebrachten
Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, dass Besoldungsleistungen dem
Vorbehalt des Gesetzes unterliegen. Sie dürfen nur zugesprochen werden, wenn und soweit sie gesetzlich
vorgesehen sind. Bei der Auslegung der Besoldungsgesetze kommt dem Wortlaut danach besondere
Bedeutung zu. Der Anwendungsbereich besoldungsrechtlicher Regelungen kann nicht durch allgemeine
Rechtsgrundsätze erweitert oder ergänzt werden. Daher ist insbesondere die analoge Anwendung
derartiger Regelungen ausgeschlossen. Der Wille des Gesetzgebers kann nur berücksichtigt werden, wenn
er im Gesetzeswortlaut deutlich Ausdruck gefunden hat (vgl. dazu wiederum nur BVerwG, Beschluss vom
01.07.2009 - 2 B 36.09 -, juris m.w.N.).
39 Diese - zum besoldungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes entwickelten - Grundsätze müssen nach dem
Dafürhalten der Kammer auch in der vorliegenden - gegenläufigen - Fallgestaltung Beachtung finden, in
denen die Verwaltung sich auf einen (unterstellten) Willen des Gesetzgebers beruft, den Anspruch auf
bestimmte Besoldungsbestandteile über einen im Gesetz ausdrücklich bestimmten Zeitraum hinaus (weiter)
auszuschließen, der im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden hat. Danach war der Klage
stattzugeben.
III.
40 Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. In Anwendung des § 167 Abs. 2 VwGO wird
davon abgesehen, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
IV.
41 Die Berufung gegen dieses Urteil war gemäß § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
42
Beschluss
43 Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 und 2 GKG auf 726,52 Euro festgesetzt (in Anlehnung an Nr. 10.4
des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt beschlossenen
Änderung vom 18.07.2013; die Kammer setzt hier den vom Kläger angenommenen Wert der Absenkung für
die zwei Monate seiner Elternzeit lediglich einfach an, da der Absenkungszeitraum jedenfalls im Zeitpunkt
der Entscheidung des Gerichts endgültig abgeschlossen ist).
44 Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und
5 GKG verwiesen.