Urteil des VG Karlsruhe vom 30.12.2016

künftige nutzung, bad, anhörung, rechtsmittelinstanz

VG Karlsruhe Beschluß vom 30.12.2016, 3 K 2784/15
Rechtsschutzbedürfnis für einen Protokollberichtigungsantrag
Leitsätze
Es besteht grundsätzlich kein Rechtsschutzbedürfnis für die Berichtigung einer Sitzungsniederschrift, wenn das
aufgrund der mündlichen Verhandlung ergangene Urteil rechtskräftig geworden ist.
Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Protokollberichtigung, wenn sich die Rechtsposition des
Beteiligten durch die begehrte Änderung nicht verbessert oder zumindest rechtserheblich ändert.
Ein Protokollberichtigungsantrag muss sich auf Vorgänge beziehen, die protokollierungspflichtig sind; andernfalls
ist das Protokoll nicht unrichtig im Rechtssinne.
Tenor
Der Antrag auf Berichtigung der Sitzungsniederschrift vom 11.05.2016 wird abgelehnt.
Gründe
1 Für die Entscheidung über den Protokollberichtigungsantrag ist die Kammervorsitzende als diejenige Richterin
zuständig, die das Protokoll unterschrieben hat ( § 105 VwGO i.V.m. § 164 Abs. 3 Satz 2 ZPO; BFH, Beschl. v.
22.03.2011 - X B 198/10 - juris).
2 Nach § 105 VwGO i.V.m. § 164 ZPO können Unrichtigkeiten des Protokolls zwar jederzeit berichtigt werden.
Vorliegend hat der Antrag auf Protokollberichtigung aber schon deshalb keinen Erfolg, weil das aufgrund der
mündlichen Verhandlung ergangene Urteil vom 11.05.2016 rechtskräftig geworden ist. Damit ist das
Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag entfallen (vgl. BFH, Beschl. v. 10.11.2011 - IV B 47/11 - juris; Dolderer
in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 105 Rn. 75). Dies folgt aus der Funktion des Protokolls, dem
Rechtsmittelgericht die Nachprüfung des Verfahrens und der Entscheidung zu ermöglichen und den Streitstoff
zu sichern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.06.1975 - VI C 34.75 - juris).
3 Darüber hinaus besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für den Protokollberichtigungsantrag nur dann, wenn sich
die Rechtsposition des Beteiligten durch die begehrte Änderung verbessern oder zumindest rechtlich erheblich
verändern würde (LG Stuttgart, Urt. v. 05.08.2015 - 10 S 10/15 - m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht
ersichtlich. Weder die derzeitige oder künftige Nutzung der Gartens der Klägerin für Pflanzen oder Tiere noch
die Funktion der dortigen Pfosten als Rebenstütze war für die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung
entscheidungserheblich. Auch die Ergänzung des Protokolls um die Äußerung der Vorsitzenden, dass das
Abstellen von (Kraft)Fahrzeugen in dem umstrittenen Schopf nicht genehmigt sei, würde nicht zu einer
rechtlich erheblichen Veränderung der Rechtsposition der Klägerin führen, weil sich dieser Umstand ohne
weiteres aus der streitgegenständlichen Baugenehmigung ergibt und hierauf in dem auf die mündliche
Verhandlung vom 11.05.2016 ergangenen Urteil ohnehin nochmals klarstellend hingewiesen wurde.
4 Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Protokollberichtigungsantrag auch in der Sache keinen Erfolg
gehabt hätte. Für die Frage, ob ein Protokoll im Rechtssinne unrichtig ist, kommt es darauf an, ob aus der
Sicht des Verhandlungstermins, auf den sich das Protokoll bezieht, der Vorgang protokollierungspflichtig ist.
Das Protokoll braucht nur den äußeren Ablauf der Verhandlung wiederzugeben, nicht deren gesamten Inhalt.
Zum notwendigen Inhalt eines Protokolls gehören gemäß § 105 VwGO die in § 160 Abs. 1 ZPO VwGO
bezeichneten Formalien, die in § 160 Abs. 3 ZPO benannten Vorgänge sowie die wesentlichen Vorgänge der
Verhandlung nach § 160 Abs. 2 ZPO. Wesentlich i.S.d. § 160 Abs. 2 ZPO sind alle entscheidungs- und
ergebniserheblichen Vorgänge, damit sich die Rechtsmittelinstanz im Einzelfall von der Ordnungsmäßigkeit
des Verfahrens und der Entscheidungsfindung effektiv überzeugen kann (vgl. zum Ganzen: FG München,
Beschl. v. 07.02.2014 - 10 K 3728/10 - juris m.w.N.).
5 In der Sitzungsniederschrift vom 11.05.2016 werden die Vorgaben des § 160 Abs. 1 - 3 ZPO gewahrt.
Insbesondere ist das Ergebnis des Augenscheins festgestellt worden (§ 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO). Bei der
Erklärung der Klägerin zur Nutzung ihres Gartens, deren Berichtigung sie begehrt, handelt es sich hingegen
nicht um eine bei der Beweisaufnahme getroffene tatsächliche Feststellung oder um eine Erklärung im Sinne
des § 160 Abs. 3 Nr. 3 ZPO, sondern um eine Äußerung im Rahmen der informatorischen Anhörung eines
Beteiligten. Es besteht keine Verpflichtung des Gerichts, solche Äußerungen im Wortlaut zu protokollieren
(Dolderer in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 105 Rn. 54). Auch die von der Klägerin zur Aufnahme in das
Protokoll benannte Äußerung der Vorsitzenden war kein wesentlicher Vorgang im Sinne des § 164 Abs. 2
ZPO, sondern ein allgemeiner rechtlicher Hinweis, der von der im Protokoll enthaltenen Formulierung „Die
Sach- und Rechtslage wurde erörtert.“ umfasst wird.
6 Der Beschluss ist unanfechtbar (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.09.1996 – 5 S 2545/96 – NVwZ-RR
1997, 671).