Urteil des VG Hannover vom 03.06.2014

VG Hannover: schutz der persönlichkeit, grundstück, zutritt, wohnung, wiederholungsgefahr, durchsuchung, fraktion, veröffentlichung, quelle, unterrichtung

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Kein Anspruch auf Unterlassung von Äußerungen
einer Ministerin bei fehlender konkreter
Wiederholungsgefahr
1. Für die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder
Wertung ist der Gesamtzusammenhang entscheidend. Aus diesem kann
sich ergeben, dass die Rolle einzelner wertender Elemente so zentral ist,
dass die Bedeutung gleichzeitig vermittelter tatsächlicher Elemente
zurücktritt.
2. Die für den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch erforderliche
konkrete Wiederholungsgefahr bemisst sich nach den Umständen des
Einzelfalls. Allein die Weigerung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung
abzugeben, reicht für die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht aus.
Eine Wiederholungsgefahr kann ausscheiden, wenn der Themenkomplex
der angegriffenen Äußerungen nicht mehr von öffentlichem Interesse ist.
VG Hannover 1. Kammer, Beschluss vom 03.06.2014, 1 B 7660/14
§ 1004 Abs 1 S 2 BGB, Art 2 GG, Art 1 GG
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EURO festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Unterlassung bestimmter Äußerungen im
Hinblick auf das Verhalten des Antragstellers zu 2) während der
Durchsuchung der Privatwohnung des seinerzeitigen
Bundestagsabgeordneten G. am 10. Februar 2014.
Die Antragstellerin zu 1) ist Herausgeberin der H. Tageszeitung „I.“. Für diese
wird der Antragsteller zu 2) als Redakteur tätig.
Ende Januar 2014 leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren
gegen G. ein. Am 10. Februar 2014 erwirkte sie mehrere
Durchsuchungsbeschlüsse, u. a. für die Privatwohnung des Beschuldigten in
J., K.. Diese wurde am Nachmittag des gleichen Tages von mehreren
Beamten unter Leitung des zuständigen Oberstaatsanwalts durchsucht. Die
Wohnung befindet sich im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Der in
einem Winkel des Hauses liegende Wohnungseingang ist - wie auch weitere
Wohnungseingänge - über einen an dem Gebäude entlangführenden Weg zu
erreichen, der sich bereits auf dem zu dem Wohnhaus gehörenden
Privatgrundstück befindet. Dieser ist nicht durch eine Pforte oder Ähnliches
von dem öffentlichen Straßenbereich abgetrennt. Da der Beschuldigte
abwesend und auch nicht über seinen Anwalt zu erreichen war, wurde die
Wohnungstür von einem Schlüsseldienst geöffnet.
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Der Antragsteller zu 2) hatte einen Hinweis erhalten, dass die Wohnung des
Beschuldigten durchsucht werde. Als er vor Ort eintraf, wurde er weder durch
Absperrungen noch auf andere Art an dem Betreten des Privatweges
gehindert. Auch der Bereich vor der Wohnung des Beschuldigten war frei
zugänglich. Von diesem Weg aus fotografierte der Antragsteller zu 2) die
Wohnungstür und den davor liegenden Bereich sowie durch ein
geschlossenes, aber nicht durch Vorhänge o. ä. verdecktes Fenster einen
Wohnraum des Beschuldigten. Nachdem der Antragsteller zu 2) am Fenster
bemerkt worden war, ließ einer der Beamten das Fensterrollo herunter.
Der Antragsteller zu 2) ging zur Wohnungstür, an der noch ein Mitarbeiter des
Schlüsseldienstes beschäftigt war. Dort kam es zu einem Gespräch mit dem
zuständigen Oberstaatsanwalt, der es ablehnte, Auskünfte zu erteilen. Später
verließ der Antragsteller zu 2) das Grundstück.
Am 11. Februar 2014 veröffentlichte die Zeitung „I.“ einen Artikel des
Antragstellers zu 2) unter der Überschrift „Staatsanwaltschaft ermittelt gegen
L.“, illustriert von Fotografien des Eingangsbereichs der Privatwohnung und
des Wohnungsinneren. Der Verteidiger des Beschuldigten L. stellte am selben
Tag unter anderem wegen der Tätigkeiten des Antragstellers zu 2) während
der Durchsuchungsmaßnahme Strafanzeige gegen Unbekannt. In diesem
Zusammenhang ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Antragsteller zu 2).
Ebenfalls am 11. Februar 2014 gab der Antragsteller zu 2) dem NDR-Magazin
„M.“ ein mehrminütiges Interview N., in dem er beschreibt, wie er von der
Durchsuchung erfahren hat („… Tipp aus der Bevölkerung: Da ist Polizei in J.,
die durchsucht die Wohnung von Bundespolitiker G.. Und dann setzen wir uns
in den Wagen und fahren da schleunigst hin. …“), was er vor Ort beobachten
konnte und wie er sich selbst verhalten hat.
In der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27. Februar 2014
beantwortete die Antragsgegnerin zu 1) in ihrer Eigenschaft als Justizministerin
zwei an die Landesregierung gerichtete dringliche Anfragen zum
Themenkomplex „L.“. Gegenstand des Tagesordnungspunktes 13 a) war die
dringliche Anfrage der FDP-Fraktion vom 24. Februar 2014 unter der
Überschrift „,O. ‘ - Wie steht die SPD zum Rechtsstaat“. In der Antwort der
Antragsgegnerin zu 1) auf die Frage „Welche niedersächsischen Behörden
haben zu welchem Zeitpunkt durch wen oder aufgrund welcher Umstände
Kenntnis von den Vorgängen erlangt, die letztlich zur Aufnahme
strafrechtlicher Ermittlungen geführt haben?“ wurde hinsichtlich der Vorgänge
am 10. Februar 2014 unter anderem ausgeführt:
„… An diesem Tag fanden auch Durchsuchungsmaßnahmen statt, wobei
sich ein Reporter, der aus bislang ungeklärter Quelle von dem
Durchsuchungstermin erfahren hatte, Zutritt zu dem betreffenden
Grundstück verschafft und unerlaubt fotografische Aufnahmen gefertigt
hatte. …“
Unter dem Tagesordnungspunkt 13 b) äußerte sich die Antragsgegnerin zu 1)
auf die Frage aus der dringlichen Anfrage der CDU-Fraktion vom 24. Februar
2014 „Wie war der Verlauf der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen?“ unter anderem wie folgt:
„… Dabei wurden verschiedene Beweismittel sichergestellt. Ein Reporter,
der aus bislang ungeklärter Quelle von dem Durchsuchungstermin
erfahren, sich Zutritt zu dem betreffenden Grundstück verschafft und
unerlaubt fotografische Aufnahmen gefertigt hatte, wurde während der
laufenden Maßnahme des Grundstücks verwiesen. …“
An beiden Stellen wurde unmittelbar im Abschluss ausgeführt:
„Wegen dieses Sachverhalts hat die Staatsanwaltschaft Hannover am
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12. Februar 2014 auf eine Strafanzeige des Verteidigers des
Beschuldigten L. vom Vortag hin das Verfahren 1141 UJs 11665/14
eingeleitet. …“
Am 4. März 2014 veröffentlichte der Antragsteller zu 2) einen Artikel, in dem er
unter der Überschrift „Der Platzverweis, den es nie gab - Schilderung der
Justizministerin über L. -Durchsuchung entspricht nicht Tatsachen“ der seiner
Ansicht nach falschen Darstellung seines Verhaltens während der
Durchsuchungsmaßnahme am 10. Februar 2014 entgegentritt. Die in dem
Artikel angelegte Argumentation vertiefte der Verfahrensbevollmächtigte der
Antragsteller in seinem an die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Schreiben
vom 7. März 2014. In diesem rügte er, dass durch die streitgegenständlichen
Passagen unwahre Tatsachen behauptet worden seien. Es sei der Eindruck
entstanden, dass der Antragsteller zu 2) sich widerrechtlich auf dem
Grundstück aufgehalten habe. Dieser habe jedoch lediglich den öffentlich
zugänglichen Weg, den jeder Passant frei betreten könne, genutzt,
Zugangshindernisse habe er nicht überwinden müssen. Auch die
Formulierung „unerlaubt fotografische Aufnahmen gefertigt“ sei nicht
zutreffend. Der Antragsteller zu 2) habe die publizierten Bilder von dem
öffentlich zugänglichen Weg zu der Wohnung aufgenommen, wie es jeder
andere Passant hätte tun können. Dabei habe er nicht gegen ein
Fotografierverbot verstoßen. Ebenso sei es nicht zutreffend, dass er „während
der laufenden Maßnahme des Grundstücks verwiesen worden sei“, vielmehr
habe er nach Abschluss seiner Recherchen das Grundstück aus eigenem
Entschluss verlassen. Die Antragsgegnerin zu 1) wurde zur Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert, was mit Schreiben des
Staatssekretärs des Justizministeriums vom 17. März 2014 mit der
Begründung abgelehnt wurde, dass die Ausführungen in allen Punkten
zutreffend seien.
Zwischenzeitlich hatte die Antragsgegnerin zu 1) in der Sitzung des
Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen am 13. März 2014 die
streitgegenständlichen Äußerungen bestätigt, nachdem die CDU-Fraktion als
Reaktion auf den Artikel vom 4. März 2014 eine Unterrichtung beantragt hatte.
Ebenfalls am 13. März 2014 hatte der Beschwerdeausschuss 2 des
Deutschen Presserats getagt und die „P.“ gerügt. Ausweislich der
Pressemitteilung des Deutschen Presserats sah der Ausschuss in der
Veröffentlichung des Fotos, auf dem Details aus einem Zimmer der
Privatwohnung des ehemaligen Abgeordneten zu sehen waren, wegen des in
dem Pressekodex festgelegten besonderen Schutz des privaten Wohnraums
einen schweren Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit.
Die Antragsteller haben am 24. März 2014 beim Landgericht Hamburg den
Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Mit Beschluss vom 26. März
2014 hat dieses den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Hamburg
verwiesen. Von dort ist das Verfahren mit Beschluss vom 1. April 2014 an das
hiesige Gericht verwiesen worden.
Die Antragsteller vertiefen ihre Argumentation aus dem an die Antragsgegnerin
zu 1) gerichteten Schreiben vom 7. März 2014 wie folgt:
Die Antragsgegnerin zu 1) sei (auch) passivlegitimiert, da sie die
streitgegenständlichen Passagen selbst geäußert habe. Für diese müsse sie
auch selbst die Verantwortung übernehmen und sei persönlich zur
Unterlassung zu verpflichten.
Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Erkennbarkeit der
Antragsteller sei gegeben, selbst wenn in den streitgegenständlichen
Äußerungen die Namen der Antragsteller nicht genannt würden. Durch die
mediale Aufmerksamkeit seien sie mühelos zu ermitteln gewesen. So erhalte
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man bei Google für den Suchbegriff „Berichterstattung L. 12.2.2014“ ca. 1.970
Einträge, wobei bereits unter dem ersten Eintrag sowohl der Verlag des
Antragstellers zu 1) als auch die Person des Antragstellers zu 2) in Wort,
Schrift und Bild vorgestellt werde.
Die streitgegenständlichen Äußerungen seien allesamt
Tatsachenbehauptungen, die in der gebotenen kontextbezogenen Auslegung
den Eindruck vermitteln würden, dass der Zugang zu dem Durchsuchungsort
versperrt gewesen sei, ein Fotografierverbot bestanden habe, sich der
Antragsteller zu 2) unter Missachtung des Zugangsverbots gleichwohl Zugang
zu dem Grundstück verschafft habe, das Fotografierverbot ebenfalls
missachtet habe und dementsprechend auf behördliche Anordnung das
Grundstück habe verlassen müssen. Dies sei nicht zutreffend. Vielmehr gelte
Folgendes:
Am 10. Februar 2014 habe der Antragsteller zu 2) Herrn L. in seiner Wohnung
aufsuchen wollen und daher - wie jeder andere, der zu einer der Wohnungen
des Mehrfamilienhauses gelangen wolle - den öffentlichen, frei zugänglichen
Zuweg benutzen dürfen. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass sich Herr L.
nicht in seiner Wohnung befunden habe. Für einen Journalisten sei es „das
Selbstverständlichste auf der Welt“, sofort zur Wohnung des Beschuldigten zu
fahren und den Versuch zu machen, ihn dort zu interviewen. Der Formulierung
„Zutritt verschaffen“ sei im Hinblick auf die tatsächlichen Gegebenheiten am
10. Februar 2014 objektiv falsch. Wegen fehlender Hindernisse war der
Zugang zu dem Grundstück frei, der Reporter habe sich folglich nichts
„verschaffen“ müssen. Der unwahre Eindruck, der Antragsteller zu 2) habe
Hindernisse überwinden müssen, werde noch durch die ebenfalls
angegriffenen weiteren Äußerungen verstärkt.
Er sei vor Ort auch nicht aufgefordert worden, Fotoaufnahmen zu unterlassen
oder den Film bzw. den Chip mit den Fotoaufnahmen herauszugeben.
Vielmehr sei das Fotografieren anstandslos geduldet worden. In der
verwendeten Formulierung, insbesondere im Kontext mit der Wendung „Zutritt
verschaffen“ komme nicht zum Ausdruck, dass „unerlaubt“ im Sinne einer
Meinungsäußerung verwendet worden sei, sondern es werde suggeriert, dass
der Antragsteller zu 2) ein ausgesprochenes Fotografierverbot missachtet
habe. Im Übrigen sei die Bewertung als „unerlaubt“ auch nicht zutreffend.
Jeder habe von dem Zugangsweg zu den Wohnungen durch das Fenster
ungehindert in die Wohnung von Herrn L. sehen können. Ein Foto, das
lediglich diesen Einblick wiedergebe, sei nicht als
Persönlichkeitsrechtsverletzung zu werten, was vor allem dann gelte, wenn die
Veröffentlichung in Zusammenhang mit einem von bundesweiter
Aufmerksamkeit begleiteten Vorgang stünde.
Der zuständige Oberstaatsanwalt habe den Antragsteller zu 2) nicht
aufgefordert, das Grundstück zu verlassen, sondern habe das Gespräch
dadurch beendet, dass er aus dem Türbereich in das Innere der Wohnung
zurückgekehrt sei. Anschließend habe der Antragsteller zu 2) noch mit einem
Ermittler der Polizeiinspektion Q. gesprochen. Auch dieser habe ihn nicht
aufgefordert, das Grundstück zu verlassen, sondern habe sich mit den Worten
„ich muss jetzt weitermachen“ verabschiedet. Für ihren gegenteiligen Vortrag
sei die Antragsgegnerin zu 1) den Wahrheitsbeweis schuldig geblieben.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegner könne auch der Hinweis auf ein
„öffentliches Informationsinteresse“ unwahre Tatsachenbehauptungen nicht
legitimieren. Wenn die Antragsgegnerin zu 1) überhaupt auf das Verhalten des
Antragstellers zu 2) habe eingehen müssen, habe sie keine unwahren
Äußerungen tätigen dürfen. Sei die Wahrheit zum Zeitpunkt ihrer Rede noch
nicht ermittelt, müsse dies deutlich werden, indem beispielsweise
angesprochen werde, welche Informationen der Antragsgegnerin zu 1)
vorlägen. Auch hätte offengelegt werden müssen, dass diese noch nicht
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hätten überprüft werden können, insbesondere der Reporter und sein Verlag
noch gar nicht angehört worden seien.
Durch die bis heute fehlende Anhörung der Betroffenen seien die
Sorgfaltspflichten gröblichst verletzt worden. Die Antragsteller seien durch die
streitgegenständlichen Äußerungen öffentlich als diejenigen an den Pranger
gestellt worden, die in ihrer Pressearbeit Gesetz und Recht missachten
würden.
Auch der Vortrag der Antragsgegner, dass die Antragsteller nur in geringerem
Maße schutzbedürftig seien, verfange nicht. Allein der Umstand, dass der
Antragsteller zu 2) sich mit seinem Artikel vom 4. März 2014 („Der
Platzverweis, den es nie gab“) öffentlich gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt
habe, lasse den Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die
streitgegenständlichen Äußerungen nicht entfallen.
Die Wiederholungsgefahr sei bereits durch die erstmalige Rechtsverletzung
indiziert. Zudem habe die Antragsgegnerin zu 1) zu keinem Zeitpunkt
erkennen lassen, dass sie von den beanstandeten Äußerungen Abstand
nehme. Vor dem Hintergrund eines gegen den Antragsteller zu 2) anhängigen
Ermittlungsverfahrens sei es dringend erforderlich, die ungerechtfertigte und
das Ermittlungsverfahren erheblich belastende Vorverurteilung aus der Welt zu
schaffen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, es zu unterlassen, folgende Äußerungen zu tätigen oder
tätigen zu lassen:
„An diesem Tag [10.02.2014] fanden auch
Durchsuchungsmaßnahmen statt, wobei sich ein Reporter, der aus
bislang ungeklärter Quelle von dem Durchsuchungstermin erfahren
hatte, Zutritt zu dem betreffenden Grundstück verschafft und unerlaubt
fotografische Aufnahmen gefertigt hatte.“
und/oder
„Dabei wurden verschiedene Beweismittel sichergestellt. Ein Reporter,
der aus bislang ungeklärter Quelle von dem Durchsuchungstermin
erfahren, sich Zutritt zu dem betreffenden Grundstück verschafft und
unerlaubt fotografische Aufnahmen gefertigt hatte, wurde während der
laufenden Maßnahme des Grundstücks verwiesen.“
Die Antragsgegner beantragen,
die Anträge abzulehnen.
Zur Begründung führen sie aus:
Gegen die Antragsgegnerin zu 1) sei der Antrag bereits unzulässig, da diese
die streitgegenständlichen Passagen in Ausübung ihrer Amtsgeschäfte als
Niedersächsische Justizministerin geäußert habe. In diesem Fall sei das
Verhalten eines Ministers nach dem im Verwaltungsrecht geltenden
Rechtsträgerprinzip seiner Anstellungskörperschaft zuzurechnen.
Für den Unterlassungsanspruch fehle es bereits an der Erkennbarkeit der
Antragsteller. Diese seien namentlich nicht genannt worden und die durch die
Äußerung selbst vermittelten Erkennbarkeitsmerkmale reichten nicht aus, um
aus Sicht eines verständigen Durchschnittsrezipienten auf die Identität der
Antragsteller schließen zu können. Die streitgegenständlichen Äußerungen
bezögen sich abstrakt, ohne Nennung weiterer Identifikationsmerkmale auf
„einen Reporter“, dessen Identität keine Rolle spiele. Von einem Verlag, einer
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„einen Reporter“, dessen Identität keine Rolle spiele. Von einem Verlag, einer
Zeitung oder dem Verantwortlichen einer Online-Veröffentlichung sei nicht die
Rede.
Zudem liege keine Verletzung des dem Antragsteller zu 2) zustehenden
Rechts auf Ehre als Ausprägung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts
und auch nicht des deutlich geringer geschützten
Unternehmenspersönlichkeitsrechts des Antragstellers zu 1) vor.
Bei der Formulierung „… ein Reporter [hatte sich] Zutritt zu dem betreffenden
Grundstück verschafft“ handele es sich um eine wertende Äußerung, die auf
einem wahren Tatsachenkern beruhe. Ausweislich der eidesstattlichen
Versicherungen des Antragstellers zu 2) habe dieser sich ohne Erlaubnis und
ohne vorhergehende Aufforderung auf dem zu dem Wohnhaus gehörenden
Grundstück aufgehalten. Es werde bestritten, dass der Antragsteller zu 2) den
Beschuldigten L. in seiner Wohnung habe aufsuchen wollen, vielmehr habe er
das Grundstück betreten, um über die Durchsuchung zu berichten. Die
Formulierung „Zutritt verschaffen“ bedeute, sich faktisch unaufgefordert auf ein
Grundstück zu begeben. Konkrete Verhaltensweisen wie das Überwinden von
Hindernissen oder Einfriedungen seien aus Sicht eines unvoreingenommenen
und verständigen Publikums mit dieser sprachlichen Wendung nicht zu
verbinden.
Die Äußerung „… ein Reporter [hatte] unerlaubt fotografische Aufnahmen
gefertigt“ sei bereits keine Tatsachenbehauptung, da die Qualifikation eines
Verhaltens als „unerlaubt“ eine Frage der subjektiven Einschätzung und damit
nicht der Beweisaufnahme zugänglich sei. Es handele sich um eine zulässige
Bewertung tatsächlicher Umstände, nämlich dass der Antragsteller zu 2) die
Fotos ohne Erlaubnis des Wohnungsinhabers gemacht habe. Dafür spreche
auch, dass der Deutsche Presserat dieses Verhalten am 13. März 2014 als
schweren Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit gerügt habe. Auch der
Antragsteller zu 2) selbst räume diese Bewertungsmöglichkeit ein, wenn er in
einem Interview für den NDR davon spreche, dass eine Verletzung der
Persönlichkeitssphäre vorliegen könne, die allerdings seiner Ansicht nach
presserechtlich gedeckt sei.
Die Wendung „Ein Reporter … wurde während der laufenden Maßnahmen des
Grundstücks verwiesen“ stelle lediglich eine Einstufung eines Vorgangs dar
und beruhe auf zutreffender Tatsachengrundlage. Ob man „verwiesen“,
„weggeschickt“ oder „zur Entfernung aufgefordert“ wird, sei eine Frage der
subjektiven Einschätzung. Was der eine als „Verweis“ empfinde, könne für
einen anderen eine freundliche Aufforderung oder ein Wegschicken sein. In
tatsächlicher Hinsicht sei dieser Äußerung lediglich immanent, dass jemand
den Reporter aktiv zum Verlassen des Ortes aufgefordert haben müsse, wie
es hier der Fall gewesen sei. Die Antragsgegnerin zu 1) habe sich insoweit auf
den mündlichen Bericht des für die Durchsuchung zuständigen
Oberstaatsanwalts gegenüber dem Ministerialbeamten gestützt. Danach habe
der Oberstaatsanwalt gegenüber dem Reporter erklärt, „er möge sich
entfernen“, woraufhin sich der Antragsteller zu 2) tatsächlich entfernt habe.
Für alle Äußerungen gelte, dass sie in der gebotenen Kürze erfolgt und
insbesondere nicht mit unsachlichen Angriffen gegen die Antragsteller im
Sinne von Anprangerung und Diffamierung verbunden worden seien. Es sei
diesen zuzumuten, sich mit dieser Darstellung des Geschehens konfrontiert zu
sehen.
Abgesehen davon könne sich die Antragsgegnerin zu 1) zur Legitimation der
beanstandeten Äußerungen auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung
berechtigter Interessen berufen. An den streitgegenständlichen Äußerungen
bestand ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse. Sie waren im
Rahmen der Unterrichtung des niedersächsischen Landtages nicht nur
zulässig, sondern geboten. Es sei zentrale Aufgabe der Landesregierung, ihr
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Handeln und auch dessen Hintergründe offenzulegen. Dies gelte umso mehr,
wenn die Opposition dies ganz konkret einfordere.
Im Hinblick auf die angegriffenen Äußerungen sei auch die gebotene Sorgfalt
umfassend gewahrt worden. Sie hätten inhaltlich in Gänze auf belastbaren
Informationen, insbesondere den Berichten der ermittelnden
Staatsanwaltschaft, beruht, deren Wahrheitsgehalt nicht in Zweifel gezogen
werden musste und müsse.
Die Antragsteller hätten die Darstellung auch deshalb hinzunehmen, weil sie
durch eigenes Verhalten ihre Schutzwürdigkeit herabgestuft hätten. Sie hätten
die Vorgänge, die Gegenstand der angegriffenen Äußerungen seien, selbst
und wiederholt öffentlich zugänglich gemacht. Zudem habe der Antragsteller
zu 2) im Anschluss an die streitgegenständlichen Äußerungen seine Sicht der
Dinge in seinem Artikel „Der Platzverweis, den es nie gab“ (4. März 2014)
öffentlich gemacht und die Antragsgegnerin zu 1) mit dem Vorwurf, ihre
Darstellung entspreche nicht den Tatsachen, als Person schwer angegriffen.
Darüber hinaus fehle es an der für den Unterlassungsanspruch materiell
erforderlichen konkreten Wiederholungsgefahr. Hierfür müsse im öffentlichen
Recht - anders als im Zivilrecht - nach den Umständen des Einzelfalles zu
erwarten sein, dass die beanstandeten Äußerungen wiederholt würden. Daran
fehle es hier, da diese sich mit der Beantwortung der dringlichen Anfragen
erledigt hätten. Die Bestätigung der streitgegenständlichen Äußerungen durch
die Antragsgegnerin zu 1) anlässlich einer Unterrichtung des Ausschusses für
Rechts- und Verfassungsfragen am 13. März 2014 sei aufgrund eines Antrags
der CDU-Fraktion erfolgt, der eine Reaktion auf den Artikel des Antragstellers
zu 2) vom 4. März 2014 gewesen sei. Seitdem habe es weder innerhalb noch
außerhalb des Landtages ein Forum gegeben, in dem sich die Antragsgegner
zu den Umständen der von dem Presserat beanstandeten Aufnahme hätten
äußern müssen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass diese Umstände erneut
Gegenstand einer öffentlichen Debatte werden könnten.
Schließlich hätten die Antragsteller auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft
gemacht. Eine konkret drohende Rechtsbeeinträchtigung, die allein durch eine
Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes abgewendet werden könnte, sei
nicht ersichtlich. Auch die (berechtigte) Weigerung, eine entsprechende
Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, begründe die erforderliche
Dringlichkeit nicht. Selbst ein - hier nicht gegebenes - berechtigtes Interesse an
einer Unterlassung vergleichbarer Äußerungen reiche für die Eilbedürftigkeit
nicht aus.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Soweit er sich gegen die Antragsgegnerin zu 1)
richtet ist er bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Die Antragsgegnerin zu 1) ist nicht passiv legitimiert. Ein Anspruch auf
Unterlassung von Äußerungen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung
hoheitlicher Aufgaben stehen, ist nach in der Rechtsprechung
übereinstimmend vertretener Ansicht nicht gegen den Beamten persönlich,
sondern aufgrund des im öffentlichen Recht geltenden Rechtsträgerprinzips
gegen den Hoheitsträger zu richten, dem die Äußerungen seines Amtswalters
zugerechnet werden. Mit amtlichen Äußerungen wird die Auffassung der
Anstellungskörperschaft rechtlich festgelegt, so dass auch nur diese selbst auf
deren Korrektur in Anspruch genommen werden kann. Ausnahmen gelten nur
dann, wenn die Äußerung so sehr Ausdruck einer persönlichen Meinung oder
Einstellung des Amtsträgers ist, dass das persönliche Gepräge überwiegt und
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eine Unterlassungserklärung der Anstellungskörperschaft nicht geeignet wäre,
der Wiederherstellung der Ehre des Anspruchstellers zu dienen (BVerwG,
Urteil v. 29.01.1987 - 2 C 34.85 -, juris Rn. 10 f., Beschluss v. 27.12.1967 - VI B
35.67 -, DÖV 1968, 429 im Anschluss an BGH - Großer Senat, Beschluss v.
19.12.1967 - GSZ 1/60, juris, OVG Lüneburg, Beschluss v. 17.12.2009 - 2 ME
313/09 -, juris Rn. 9 m. w. N.). Die streitgegenständlichen Äußerungen sind Teil
der Beantwortung auf dringliche Anfragen der Oppositionsfraktionen, die die
Antragsgegnerin zu 1) als Justizministerin für die Landesregierung und damit
in Ausübung ihres Amtes beantwortet hat. Beide Passagen stehen im Kontext
mit einer Beschreibung des Verlaufs der Tätigkeit der zuständigen
Staatsanwaltschaft, die in die Ressortverantwortlichkeit der Antragsgegnerin
zu 1) fällt. Die streitgegenständlichen Passagen bieten weder isoliert noch im
Gesamtzusammenhang Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin zu 1)
in ihnen eine nur von ihr persönlich und nicht mit ihrem Amt
zusammenhängende Auffassung zum Ausdruck gebracht hat.
Die Passivlegitimation des Antragsgegners zu 2) ergibt sich aus dem
Rechtsträgerprinzip in Verbindung mit dem Gemeinsamen Runderlass der
Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien vom 12. Juli 2012 (Nds. MBl. Nr.
26/2012, S. 578), geändert durch Runderlass vom 30. Januar 2014 (Nds. MBl.
Nr. 6/2014, S. 124).
2. Allerdings ist der insoweit zulässige Antrag unbegründet. Die
Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO liegen nicht vor. Danach kann
das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden
Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder
Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft
zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Dies ist den
Antragstellern jedoch nach Auffassung der Kammer nicht gelungen.
Die Antragsteller haben eine aus dem öffentlich-rechtlichen
Unterlassungsanspruch resultierende Rechtsposition gegenüber dem
Antragsgegner zu 2) und damit einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft
machen können. Der in der Rechtsprechung allgemein anerkannte öffentlich-
rechtliche Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung
setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich
geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen
erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht (BVerwG,
Beschluss v. 11.11.2010 - 7 B 54/10 -, juris Rn. 14).
a) Der Antragsteller zu 2) ist von den angegriffenen Äußerungen betroffen und
kann sich auf sein grundrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht berufen.
Die Äußerungen haben für einen Durchschnittsrezipienten erkennbar sein
Verhalten während der Durchsuchungsmaßnahme zum Gegenstand.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegner steht dem nicht entgegen, dass
lediglich von „einem Reporter“ die Rede ist. Dieser wird insoweit näher
bestimmt, als dass es im Folgenden um ein konkret beschriebenes Verhalten
während der Durchsuchung der R. Privatwohnung des Beschuldigten L. am
10. Februar 2014 geht. Dies reicht aus, um ohne weitere Recherchen die
dargestellten Umstände mit der Person des Antragstellers zu 2) zu verknüpfen.
Er hat mit seinem Artikel am folgenden Tag die staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen sowie deren Zielrichtung an die Öffentlichkeit gebracht und den
Rücktritt des Abgeordneten in ein neues Licht gerückt. Seine Nachricht wurde
im Folgenden von bundesweit erscheinenden Medien aufgegriffen. Als
Erstvermittler dieser Informationen, als „Augenzeuge“ der konkreten
Durchsuchungsmaßnahme, aber auch als Urheber des zumindest
umstrittenen Fotos des Wohnungsinneren hatte er für einige Zeit ein mediales
Forum von einiger Bedeutung. Dies zeigt sich beispielsweise an dem
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mehrminütigen Interview, welches er am 11. Februar 2014 dem NDR für die
Sendung „Hallo Niedersachsen“ gab. Weiterhin belegen dies auch die
zahlreichen Verweise auf seine Person und seinen Artikel, die sich in diesem
Zusammenhang im Internet finden lassen. Dies reicht nach Ansicht der
Kammer für die Erkennbarkeit aus, insbesondere vor dem Hintergrund, dass
sich die streitgegenständlichen Äußerungen vom 27. Februar 2014 an den
niedersächsischen Landtag richteten. Es kann davon ausgegangen werden,
dass zumindest die Mehrheit der Landtagsabgeordneten und auch die
interessierte Öffentlichkeit trotz der anonymen Nennung auf den Antragsteller
zu 2) geschlossen haben.
Ob auch der Antragsteller zu 1), der in den angegriffenen Äußerungen noch
nicht einmal anonymisiert auftaucht, in diesem Sinne von den angegriffenen
Äußerungen betroffen ist und er sich insoweit auf ein
Unternehmenspersönlichkeitsrecht berufen kann (vgl. dazu BVerfG, Beschluss
v. 08.09.2010 - 1 BvR 1890/08 -, juris Rn. 25 m. w. N.), ist zweifelhaft, kann
aber vorliegend dahinstehen, da die weiteren Voraussetzungen des
Unterlassungsanspruchs nicht vorliegen.
b) Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass in Teilen der von den
Antragstellern angegriffenen Äußerungen bei isolierter Betrachtung eine
Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers zu 2) zu sehen sein
könnte. Überwiegendes spricht gleichwohl dafür, dass die Äußerungen bei der
gebotenen Betrachtung im sprachlichen Kontext eine Wertung darstellen, die
jedenfalls nicht schon wegen der darin enthaltenen tatsächlichen Elemente
einen Unterlassungsanspruch zu begründen vermag.
Im Hinblick auf die angegriffenen Äußerungen ist eine differenzierte
Betrachtungsweise erforderlich. Ob eine Äußerung in unzulässiger Weise
Rechte Dritter beeinträchtigt, ist nach ihrem objektiven Sinngehalt zu
beurteilen. Es kommt also nicht auf die subjektive Absicht des sich Äußernden
oder das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen an.
Maßgeblich ist der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines
unvoreingenommenen und verständigen Empfängers hat. Ausgangspunkt der
Deutung ist der Wortlaut der Äußerung, der jedoch deren Sinn nicht
abschließend festlegt. Zusätzlich sind der sprachliche Kontext, in dem die
umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu
berücksichtigen, soweit diese für die Empfänger erkennbar sind (vgl. BVerfG,
Beschluss v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92 und
1 BvR 221/92 -, juris Rn. 124 f., Bay. VGH, Beschluss v. 13.11.2009 - 7 CE
09.2455 -, juris Rn. 17). Darüber hinaus erstreckt sich die Ermittlung des
Aussagegehalts nicht nur auf „offene“ Behauptungen, sondern auch auf die
Prüfung ehrkränkender Inhalte, die im Gesamtzusammenhang der offenen
Einzelaussagen „versteckt“ bzw. „zwischen den Zeilen“ stehen könnten. Bei
der Ermittlung sogenannter verdeckter Aussagen ist zwischen der Mitteilung
einzelner Fakten, aus denen der Empfänger eigene Schlüsse ziehen kann und
soll, und der erst eigentlich „verdeckten“ Aussage, mit der der Autor durch das
Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht
bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahelegt, zu
unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2005 - VI ZR 204/04 -, juris Rn. 16
f.). Soweit vermeintliche Eindrücke streitgegenständlich sind, ist
Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch daher stets, dass eine
bestimmte Aussage aus dem Text für den Leser als Eindruck unabweislich
folgt. Bei verdeckten Äußerungen ist ein Unterlassungsanspruch mithin nicht
schon dann begründet, wenn sich aus den im Text enthaltenen Aussagen
mehrere Schlüsse ergeben und ein solcher Schluss in einer nicht
fernliegenden Auslegungsvariante das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen
verletzen würde. Für die Anwendung der sogenannten „Stolpe-
Rechtsprechung“ (BVerfG, Beschluss v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -, juris) ist
nur bei Aussagen Raum, die vom maßgeblichen Publikum überhaupt als eine
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geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige Tatsachenbehauptung
wahrgenommen werden (BVerfG, Beschluss v. 08.09.2010 - 1 BvR 1890/08
„Genmilch“ -, juris Rn. 23). Dies ist jedoch bei nur zwischen den Zeilen zum
Ausdruck kommenden Aussagen nicht anzunehmen, wenn sich die Aussage
für den Leser nicht geradezu aufdrängt (LG Köln, Urteil v. 13.02.2013 - 28 O
773/11 -, juris Rn. 78).
Diese skizzierten Grundsätze gelten nach Auffassung der Kammer auch für
schriftlich niedergelegte verbale Äußerungen. Steht anhand der Auslegung ein
Sinngehalt der Äußerung fest, richtet sich die rechtliche Bewertung danach, ob
es sich um eine Tatsachenbehauptung oder um eine Meinungsäußerung
handelt. Während Letztere in der Regel bis zur Grenze der Schmähkritik oder
Formalbeleidigung zulässig sind, müssen jedenfalls unwahre
Tatsachenbehauptungen regelmäßig nicht hingenommen werden. Ist die
Tatsachenbehauptung in dem konkreten Äußerungszusammenhang geeignet,
den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, liegt die
Beweislast für die Wahrheit der Behauptung entsprechend dem
Rechtsgedanken des § 186 StGB bei dem sich Äußernden.
Unter Beachtung dieser Prüfungsmaßstäbe und bei der gebotenen Deutung
gilt für die streitgegenständlichen Äußerungen Folgendes:
aa) Bei der Äußerung „ein Reporter … sich Zutritt zu dem Grundstück
verschafft“ handelt es sich um die Beschreibung eines Verhaltens des
Antragstellers zu 2). Ausgedrückt wird zunächst, dass dieser das in Rede
stehende Grundstück betreten hat. Diese Tatsache ist zwischen den
Beteiligten unstreitig. Dem Begriff „Zutritt“, der einzeln als objektive
Beschreibung des Betretens eines Bereichs dient, wird durch die Kombination
mit dem Verb „verschaffen“ allerdings eine weitere Aussage hinzugefügt. Nach
Auffassung der Antragsgegner wird damit zum Ausdruck gebracht, dass sich
jemand faktisch unaufgefordert an einen Ort – hier auf ein Grundstück –
begeben hat. Die Wendung lässt aber auch die Deutung zu, dass dem
Ortswechsel das Überwinden von Hindernissen – denkbar sind physische wie
Absperrungen oder psychische wie ein entgegenstehender Wille des
Berechtigten - vorausging. Verben wie „eindringen“ oder „einbrechen“ werden
auch mit der Wendung „Zutritt verschaffen“ - allerdings jeweils noch um
Adverbien wie „unbefugt“ oder „unberechtigt“ ergänzt - umschrieben. Es
erscheint durchaus denkbar, dass Teile der Öffentlichkeit assoziativ mehr mit
dieser Äußerung verbinden als einen bloßen Ortswechsel ohne vorherige
Aufforderung. Möglicherweise klingt für den juristisch nicht vorgebildeten Laien
sogar der Tatbestand des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) an, auch wenn
die Begrifflichkeiten dieser Norm („widerrechtlich eindringen“, „ohne Befugnis
verweilen“) nicht verwendet werden. Letztgenannte Auslegungsvariante ist
daher nicht fernliegend. Bei einer isolierten Betrachtungsweise handelt es sich
bei der in Rede stehenden Phrase auch um eine aus sich heraus
aussagekräftige Tatsachenbehauptung, so dass unter Zugrundelegung der
skizzierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von dieser
Deutungsvariante auszugehen wäre.
bb) Im Hinblick auf die Wendung „unerlaubt fotografische Aufnahmen gefertigt“
handelt es sich bei isolierter Betrachtung um eine zulässige Bewertung eines
tatsächlichen Vorgangs, nicht jedoch um eine reine Tatsachenbehauptung.
Die Einstufung einer Tätigkeit als „unerlaubt“ ist eine Frage der Wertung, die
wiederum von den jeweiligen von dem sich Äußernden herangezogenen
Werten und Normen abhängt. Es ist damit möglich, dass eine andere Person
dasselbe Verhalten nicht als „unerlaubt“ bezeichnen würde. Der Begriff
„unerlaubt“ ist somit nicht dem Beweis zugänglich, sondern erkennbar eine
wertende Aussage. Der Antragsteller zu 2) hat nach eigenen Angaben ohne
Einwilligung des Beschuldigten L. dessen Wohnungseingang und durch ein
Fenster Teile des Wohnungsinneren fotografiert. Dieser der sprachlichen
Wendung zugrundeliegende Tatsachenkern ist zwischen den Beteiligten auch
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unstreitig. Abweichend ist jedoch die an diesen tatsächlichen Vorgang
anknüpfende Bewertung. Während die Antragsteller der Ansicht sind, dass es
sich um ein „erlaubtes“ Verhalten handele, hat die Antragsgegnerin zu 1) die
gegenteilige Auffassung zum Ausdruck gebracht. Entgegen der Ansicht der
Antragsgegner wird ihre Auffassung nicht durch den Deutschen Presserat
bestärkt, da dieser mit seiner Rüge vom 13. März 2014 keine Bewertung im
Hinblick auf das Anfertigen der Bilder vorgenommen, sondern lediglich die
Veröffentlichung des Bildes vom Wohnungsinneren gerügt hat. Soweit die
Antragsteller vortragen, dass durch die gewählte Formulierung der nicht
zutreffende Eindruck entstünde, dass der Antragsteller zu 2) sich über ein
bestehendes Fotografierverbot hinweggesetzt habe, müsste dieser Eindruck
für den Durchschnittsrezipienten unabweislich sein. Dies ist jedoch nach
Auffassung der Kammer zumindest bei isolierter Betrachtung nicht der Fall.
Wie oben ausgeführt ist es gerade im Hinblick auf das Verhalten von
Medienvertretern nicht unüblich, dass bestimmte Verhaltensweisen kontrovers
bewertet werden. Die verschiedenen Ansichten beruhen teilweise auf
unterschiedlichen moralisch-sittlichen Vorstellungen oder rechtlichen
Bewertungen, nicht jedoch notwendigerweise auf einem konkreten Verbot.
Daher musste der verständige Empfänger nicht zwangsläufig von dieser
Wendung auf ein Fotografierverbot schließen.
cc) Die sprachliche Formulierung „des Grundstücks verwiesen“ erfasst bei
isolierter Betrachtungsweise zunächst nur den tatsächlichen Umstand, dass
jemand aktiv zum Verlassen des Grundstücks aufgefordert wurde. Ob diese
Tatsachenbehauptung der Wahrheit entspricht, ist zwischen den Beteiligten
streitig. Die Antragsgegnerin zu 1) stützt sich insoweit auf den mündlichen
Bericht des vor Ort anwesenden Oberstaatsanwalts, der gegenüber dem
Antragsteller zu 2) erklärt habe, „er möge sich entfernen“. Der Antragsteller zu
2) hat hingegen an Eides statt versichert, dass er weder von diesem noch von
einem weiteren Polizeibeamten zum Verlassen des Grundstücks aufgefordert
worden sei. Nach dem auch in diesem Zusammenhang geltenden
Rechtsgedanken des § 186 StGB müssten die Antragsgegner die Wahrheit
ihrer Darstellung des Geschehensablaufs beweisen können. Die Verbreitung
unwahrer Tatsachen kann nicht dem öffentlichen Informationsinteresse - als
Ausprägung des Rechtsgedankens des § 193 StGB (Wahrnehmung
berechtigter Interessen) - dienen und lässt sich durch dieses nicht
rechtfertigen. Auch der Umstand, dass der Antragsteller zu 2) dem seiner
Ansicht nach dem Geäußerten immanenten Sinngehalt („Platzverweis“)
öffentlich entgegengetreten ist, berührt seine Schutzwürdigkeit gegenüber
nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptungen nicht.
dd) Die vollständige Auslegung des Sinngehalts der Äußerung muss jedoch
auch deren Kontext, in diesem Fall den unmittelbaren und weiteren Kontext
einbeziehen. Betrachtet man zunächst die Aufzählung als solche, beeinflussen
die einzelnen Glieder den Sinngehalt der übrigen. So ließe sich mit den
Antragstellern vertreten, dass die Kombination der einzelnen Wendung bei
dem Empfänger den Eindruck hervorruft, dass der Antragsteller zu 2) zunächst
ein Zugangs-, dann ein Fotografierverbot missachtet hat und in der Folge
aufgefordert wurde, das Grundstück zu verlassen. Allerdings neigt die Kammer
der Auffassung zu, dass dem Begriff „unerlaubt“ eine Schlüsselrolle für die
Auslegung der Äußerung als Ganzes zukommt. Wie oben ausgeführt wird
damit eine (rechtliche) Wertung zum Ausdruck gebracht. Dieser
Wertungsaspekt strahlt auf die übrigen Glieder der Aufzählung aus und führt
dazu, dass auch bei den beiden anderen Äußerungsteilen der
Wertungsaspekt im Vordergrund steht. Wie oben gezeigt, lässt sich die
Formulierung „Zutritt verschaffen“ ebenso wie die Formulierung „verweisen“ in
die Nähe des Tatbestands des Hausfriedensbruchs rücken. Der Antragsteller
zu 2) verbindet selbst mit der Formulierung „verweisen“ den Begriff
„Platzverweis“, der der im niedersächsischen Ordnungsrecht verwendeten
Wendung „Platzverweisung“ nahe steht. Diese Zuordnung ist aber von einem
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juristischen Laien nicht zu erwarten, so dass die vorgenommene Wertung aus
Sicht des Durchschnittsrezipienten auf möglicherweise strafrechtlich
relevantes Verhalten hindeutet. Dafür spricht auch, dass jeweils unmittelbar im
Anschluss an die streitgegenständlichen Äußerungen von dem gegen den
Antragsteller zu 2) eingeleiteten Ermittlungsverfahren die Rede ist. Auch der
Umstand, dass die Ausführungen zu dem Verhalten des Antragstellers zu 2)
für die Beantwortung der jeweiligen dringlichen Anfrage nicht zwingend waren,
stützt diese Sichtweise auf die getätigten Äußerungen. Es ist denkbar, dass
die Antragsgegnerin zu 1) bereits in diesem Zusammenhang Kritik an der
Durchführung der Durchsuchungsmaßnahme entgegengetreten wollte, indem
sie das Verhalten des Antragstellers zu 2) als von den Ermittlungsbehörden
unabhängig darstellte und sich durch die vorgenommene, in erster Linie
rechtliche Bewertung von diesem distanzierte. Die Einstufung eines Vorgangs
als strafrechtlich relevanten Tatbestand bringt indessen regelmäßig nur die
ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des
Äußernden zum Ausdruck (BGH, Urteil v. 03.02.2009 - VI ZR 36/07 -, juris Rn.
15).
c) Ob im vorliegenden Fall die normative Wertung so stark im Vordergrund
steht, dass die Äußerung insgesamt nicht mehr den Charakter einer
Tatsachenbehauptung hat, mit der Folge, dass die Zulässigkeit im Rahmen
einer Abwägung der betroffenen grundrechtlich geschützten Positionen
(allgemeines Persönlichkeitsrecht, Meinungsfreiheit) zu ermitteln wäre, kann
hier letztlich allerdings offen bleiben, weil die Antragsteller die für einen
Unterlassungsanspruch erforderliche konkrete Wiederholungsgefahr nicht
glaubhaft gemacht haben. Diese ist im Bereich des öffentlichen Rechts nicht
schon dann gegeben, wenn gegenüber den Betroffenen - wie hier - keine
strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wurde. Maßgeblich sind
stattdessen die Umstände des Einzelfalls. Bei deren Bewertung ist die
verweigerte Unterlassungserklärung zu berücksichtigen und kann ein Indiz für
eine bestehende Wiederholungsgefahr sein (OVG NRW, Beschluss v.
26.01.2004 - 12 B 2197/03 -, juris Rn. 11ff.). Danach ist vorliegend nicht
ersichtlich, dass die angegriffenen Äußerungen zukünftig wiederholt werden.
Die streitgegenständlichen Äußerungen wurden in der Landtagssitzung am 27.
Februar 2014 getätigt. Sie waren Bestandteil der Beantwortung dringlicher
Anfragen der Oppositionsfraktionen, die sich mit dem Informationsfluss in den
niedersächsischen Behörden bzw. mit dem Verlauf der polizeilichen und
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Fall L. befassten. Dabei waren die
Begleitumstände der Durchsuchung der Privatwohnung lediglich ein Detail,
das durch die Berichterstattung der Antragsteller für kurze Zeit in den Fokus
der Öffentlichkeit rückte. Dies gilt auch für die Bestätigung der Äußerungen am
13. März 2014 anlässlich einer von der CDU-Fraktion beantragten
Unterrichtung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen. Diese
waren letztlich eine „Spätfolge“ der Äußerungen am 27. Februar 2014, war der
Auslöser für den Antrag der CDU-Fraktion doch der Artikel des Antragstellers
zu 2) vom 4. März 2014. Soweit die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
derzeit noch von medialem Interesse sind, richtet sich der Fokus in diesem
Zusammenhang jedoch nicht auf die Durchsuchungsmaßnahme vom 10.
Februar 2014 und das Verhalten des Antragstellers zu 2), sondern auf den Fall
L. als solchen, beispielsweise auf die Frage, ob der Beschuldigte L. im Vorfeld
gewarnt wurde. Insoweit sind weitere Stellungnahmen, die das Verhalten des
Antragstellers zu 2) zum Gegenstand haben, mit dem streitgegenständlichen
Inhalt nicht zu erwarten (vgl. zu einer ähnlich gelagerten Situation der
Verschiebung des öffentlichen Interesses: Nds. OVG, Beschluss v. 12.07.2014
- 13 ME 112/13 -, juris Rn. 10). Dagegen spricht nicht, dass die Antworten
weiterhin auf der Internetseite des Landesjustizministeriums abrufbar sind. Aus
der Veröffentlichung geht klar hervor, dass es sich um die Texte der am 27.
Februar 2014 gehaltenen Reden handelt. Mithin haben diese
Veröffentlichungen eine rein archivarische Funktion.
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Entgegen der Ansicht der Antragsteller ergibt sich die konkrete
Wiederholungsgefahr auch nicht aus dem wohl noch gegen den Antragsteller
zu 2) laufenden Ermittlungsverfahren. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die
Antragsgegner zu diesem Verfahren öffentlich äußern werden.
2. Aus denselben Erwägungen, aus denen sich schon keine hinreichend
konkrete Wiederholungsgefahr ergibt, fehlt es erkennbar auch an einer
Eilbedürftigkeit der erstrebten gerichtlichen Anordnung, d.h. an einem
Anordnungsgrund.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 und §
52 Abs. 2 GKG.