Urteil des VG Hannover vom 07.04.2011

VG Hannover: prüfungsordnung, präsidium, niedersachsen, vervielfältigung, datenschutz, beendigung, genehmigung, gerichtsakte, härte, abgabe

1
2
3
4
5
6
Prüfungsanspruch nach Schließung eines
Studiengangs
Der Untergang des Prüfungsanspruchs in einem geschlossenen
Studiengang setzt voraus, dass der Normgeber der Prüfungsordnung selbst
den Zeitpunkt des Außerkrafttretens der Prüfungsordnung bestimmt und
dabei die Frist für die (letztmalige) Anmeldung zur Prüfung verbindlich
festlegt.
VG Hannover 6. Kammer, Urteil vom 07.04.2011, 6 A 421/11
Art 12 Abs 1 GG, § 7 Abs 3 HSchulG ND, § 44 Abs 1 HSchulG ND
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem Wintersemester 1996/1997 bei der Beklagten für das
Magisterstudium mit den Hauptfächern italienische Literatur-, Sprach- und
Kulturwissenschaft und Sportwissenschaften immatrikuliert. Seine Prüfung
richtet sich nach der Magisterprüfungsordnung (MPO) vom 07.11.1994 (vgl. §
26 MPO vom 17.06.1997), die insoweit nicht außer Kraft getreten ist.
Das Präsidium der Beklagten beschloss am 22.12.2004 den
Magisterstudiengang zum Wintersemester 2005/2006 zu schließen. Dieser
Beschluss wurde im Verkündungsblatt der Beklagten vom 05.05.2005
bekanntgegeben.
In der Folge des Schließungsbeschlusses gab das Studiendekanat der
Philosophischen Fakultät die Daten und Fristen der auslaufenden Betreuung
für die bislang eingeschriebenen Studierenden bekannt. Nach einer der
Mitteilungen mussten sich die Studierenden, sofern sie das Fach Italianistik als
ein Hauptfach gewählt hatten, bis zum 30.09.2010 zur Magisterprüfung
anmelden. Wer innerhalb der Beklagten diese Frist beschlossen hat, steht
nicht fest. Ein entsprechender Beschluss des Fakultätsrates existiert nicht.
Ebenso gibt es keinen Beschluss des Fakultätsrates, durch den die MPO 1994
auch für den Personenkreis außer Kraft getreten ist, deren Prüfungsverfahren
sich noch nach dieser Prüfungsordnung richtet.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 22.11.2010 seine Zulassung zur
Magisterprüfung und legte dabei diverse Leistungsnachweise vor. Nach einem
Vermerk des Prüfungsamtes fehlten jedoch noch die Nachweise von zwei
Hauptseminaren im Fach Italianistik. Nachdem die Beklagte den Kläger auf
den Ablauf der Anmeldefrist (30.09.2010) hingewiesen hatte, beantragte der
Kläger, diese Frist in seinem Fall zu verlängern.
Mit Bescheid vom 15.12.2010 gab die Beklagte die Entscheidung des
Magisterprüfungsausschusses vom 29.11.2010 bekannt, dass eine
Anmeldung zur Magisterprüfung wegen Versäumung der (letzten) Anmeldefrist
endgültig nicht mehr möglich sei.
Daraufhin hat der Antragsteller Klage erhoben und die noch fehlenden
Leistungsnachweise vorgelegt. Die Versagung der Verlängerungsmöglichkeit
stelle eine unbillige Härte dar. Er habe alle Scheine erfolgreich absolviert. Das
Thema der Magisterarbeit im Fach Sportwissenschaft sei bereits angemeldet.
Der Betreuer der Arbeit habe bestätigt, dass der Kläger diese Arbeit aller
Voraussicht nach bis zum 31.03.2011 abgeschlossen haben werde. Zwar
beabsichtige die Beklagte, dass Magisterfach Italianistik zum 31.03.2011
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
abgewickelt zu haben. Allerdings würden andere Magisterfächer (z.B.
Sportwissenschaften) noch bis zum 31.03.2012 laufen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 15.12.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zulassung zur
Magisterprüfung. Nach § 19 Abs. 3 MPO 1994 sei der Antrag auf Zulassung
zur Magisterprüfung beim Prüfungsausschuss innerhalb des vom
Prüfungsausschuss festzusetzenden Zeitraums zu stellen. Der
Prüfungsausschuss habe hier den 30.09.2010 als letzten Termin für die
Abgabe des Zulassungsantrages festgesetzt. Diesen Termin habe der Kläger
nicht eingehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des
vorgelegten Verwaltungsvorganges der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Streitgegenstand der Klage ist die endgültige und dauerhafte Versagung der
Zulassung des Klägers zur Magisterprüfung nach der
Magisterprüfungsordnung der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften
der Beklagten vom 07.11.1994 (MPO 1994).
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Anspruch des Klägers auf
Zulassung zur Magisterprüfung nach § 19 Abs. 1 MPO 1994 ist bislang nicht
erloschen.
Das Gericht kann dabei offenlassen, ob der Kläger derzeit sämtliche
Voraussetzungen für die Zulassung nach § 19 Abs.1 MPO 1994 erfüllt. Nach
dem Vorbringen des Klägers im Klageverfahren hat er die beiden
ausstehenden Leistungsnachweise inzwischen nachgereicht, so dass
nunmehr alle Zulassungsvoraussetzungen gegeben sind. Dem hat die
Beklagte nicht widersprochen.
Jedenfalls ist ein möglicher Zulassungsanspruch des Klägers bislang nicht
erloschen. Der Versagungsgrund des § 19 Abs. 2 MPO 1994 (endgültiges
Nichtbestehen der Magisterprüfung) liegt unstreitig nicht vor. Ein
Zulassungsanspruch des Klägers ist auch nicht untergegangen, weil die
Beklagte den Magisterstudiengang geschlossen hat.
Zwar hat das Präsidium der Beklagten am 22.12.2004 beschlossen, den
Magisterstudiengang zum Wintersemester 2005/2006 zu schließen.
Rechtsfolge dieses Beschlusses ist jedoch nur, dass ab dem Wintersemester
2005/2006 keine Studienbewerber mehr in diesem Studiengang neu
aufgenommen werden dürfen. Auswirkungen auf den Prüfungsanspruch der
bis dahin eingeschriebenen Studierenden hat dieser Beschluss jedoch nicht.
Auch die von der Beklagten bekanntgegebene Fristenregelung für die
letztmalige Anmeldung zur Magisterprüfung ist nicht geeignet, einen
Prüfungsanspruch des Klägers aufzuheben. Ein bestehender
Prüfungsanspruch kann im Fall der Schließung eines Studiengangs nur
dadurch aufgehoben werden, in dem die anzuwendende Prüfungsordnung
19
20
entsprechend geändert wird, z.B. durch Einfügung von Fristen für die
letztmalige Prüfungsanmeldung in die Prüfungsordnung oder durch einen
Beschluss, dass die Prüfungsordnung zu einem bestimmten Zeitpunkt außer
Kraft tritt. Notwendig ist in jedem Fall eine entsprechende Entscheidung des
Gremiums der Beklagten, welches für die Abänderung oder die Aufhebung von
Prüfungsordnungen zuständig ist. Dies wäre gem. § 44 Abs. 1 NHG der
Fakultätsrat. Eine entsprechende Entscheidung des Fakultätsrates liegt jedoch
unstreitig nicht vor.
§ 19 Abs. 3 MPO 1994 ist ebenfalls nicht geeignet, den Prüfungsanspruch des
Klägers endgültig aufzuheben. Diese Verfahrensnorm regelt lediglich
Meldefristen, die einzuhalten sind, wenn man an einem bestimmten
Prüfungsdurchgang teilnehmen möchte. Sie kann aber nicht dafür zur
Grundlage genommen werden, einen Zulassungsanspruch endgültig
aufzuheben.
Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass der Beklagten die formalen
Möglichkeiten der Beendigung eines Prüfungsanspruchs im Zusammenhang
mit Schließung von Studiengängen auch bekannt sind. Dies ergibt sich z.B.
aus der Verfahrensweise bei der Schließung des Diplomstudiengangs
Wirtschaftsingenieur (Schließungsbeschluss des Präsidiums vom 26.07.2006,
Änderung der Diplomprüfungsordnung vom 11.09.2006). Wenn dieser Weg -
aus welchen Gründen auch immer - nicht gegangen wird, kann dies nicht zu
Lasten des Studierenden mit der Folge gehen, dass der Prüfungsanspruch
jedenfalls nicht in Folge der Schließung des Studiengangs erlischt.