Urteil des VG Hannover vom 29.10.2013

VG Hannover: bauvorschrift, gestaltung, farbe, bebauungsplan, gebäude, rechtfertigung, dach, augenschein, ermächtigung, konzept

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Zur Rechtmäßigkeit einer örtlichen Bauvorschrift
1. Hellgrau ist als Farbvorgabe in einer örtlichen Bauvorschrift zu
unbestimmt.
2. Zur fehlenden städtebaulichen Besonderheit eines am Stadtrand
gelegenen Neubaugebietes.
VG Hannover 4. Kammer, Urteil vom 29.10.2013, 4 A 3611/12
§ 84 BauO ND
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 10.02.12 und der Widerspruchsbescheid
vom 20.04.12 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 sind erstattungsfähig.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 sind nicht
erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von
110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine bauaufsichtliche Anordnung der
Beklagten, mit der ihnen aufgegeben wird, ihr Hausdach in einer anderen
Farbe einzudecken.
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten
Grundstücks E. 18 in F.. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der seit
2007 rechtsverbindlichen ersten Änderungsfassung des Bebauungsplans Nr.
1529 „G.“, der es als allgemeines Wohngebiet ausweist. Diese
Änderungsfassung umfasst einen Teil des Geltungsbereich des
Bebauungsplanes Nr. 1529 und enthält erstmals örtliche Bauvorschriften, u. a.
eine Regelung zur Farbe der Dächer in § 11 Abs. 1:
„…..Es sind nur Satteldächer ohne Walmelemente und Dachpfannen in
den Farben rot bis rotbraun oder hellgrau zulässig.“
Nach der Planbegründung sollen mit dieser Festsetzung die neu zu
errichtenden Gebäude den bereits fertiggestellten Gebäuden des ersten
Bauabschnitts angepasst werden, damit ein städtebaulich homogenes
Erscheinungsbild erreicht und ein unverwechselbares Wohngebiet geschaffen
werden könne. Da sich das Baugebiet von Westen kommend als
Eingangssituation für die Stadt Hannover darstelle, solle verhindert werden,
dass eine stark abweichende Farbauswahl den Gesamteindruck
beeinträchtige.
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Die Kläger zeigten ihr Bauvorhaben am 29.04.10 gemäß § 69 a NBauO a.F.
an. Dabei erklärte ein Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2, das Vorhaben
entspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans. Anschließend errichtete
die Beigeladene zu 1 als Bauträgerin für die Kläger das Wohnhaus. Das Dach
wurde mit Sigma-Pfannen Top 2000 „Granit“ eingedeckt, einem Farbton, der
nach Angaben der Herstellerfirma dem RAL-Ton 7024 „graphitgrau“ entspricht.
Bei einer Baukontrolle im Mai 2011 stellte die Beklagte fest, dass das Dach
eine dunkle Farbe aufweist. Nach Anhörung der Kläger ordnete die Beklagte
mit Verfügung vom 10.02.12 an, das Dach umgehend, spätestens bis zum
14.03.12 in den Farben rot bis rotbraun oder hellgrau einzudecken. Sie drohte
weiter ein Zwangsgeld in Höhe von 600,00 € an. Die Dachfarbe sei dunkelgrau
bis schwarz und entspreche damit nicht den Bestimmungen der örtlichen
Bauvorschrift. Eine Ausnahme könne schon aus
Gleichbehandlungsgrundsätzen nicht zugelassen werden. Den dagegen
gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 20.04.12 zurück.
Am 16.05.12 haben die Kläger Klage erhoben, die sie im Wesentlichen wie
folgt begründen: Die örtliche Bauvorschrift sei unwirksam, weil ihr die
städtebauliche Rechtfertigung fehle; der bloße Wunsch nach Einheitlichkeit
reiche hier nicht aus. Es sei willkürlich, den vom Bauträger im ersten
Bauabschnitt frei gewählten Farbmix für den zweiten Bauabschnitt zwingend
vorzuschreiben. Ein „unverwechselbares Wohngebiet“ könne ohnehin nicht
erreicht werden. Der „G.“ sei ein typisches Neubaugebiet, wie es sie in
Hannover dutzendfach gebe. Außerdem seien einige Häuser im ersten
Bauabschnitt ebenfalls dunkel eingedeckt, es hätte daher nahegelegen, diese
Farbe auch im zweiten Bauabschnitt zuzulassen. Das Verbot dunkler
Dachpfannen sei unverhältnismäßig, da die Dachlandschaft u. a. auch durch
dunkle Sonnenkollektoren geprägt werde. Zudem sei es nur eine Frage der
Zeit, wann das Gebiet seine Ortsrandlage verliere. Es sei bereits abzusehen,
dass die Bebauung bis zur Stadtgrenze vorgeschoben werde.
Im Übrigen hätten sie sich nicht bewusst für eine nach Auffassung der
Beklagten fehlerhafte Dachfarbe entschieden. Die hohen Kosten für eine
Neueindeckung seien nicht eingeplant.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 10.02.12 sowie den
Widerspruchsbescheid vom 20.04.12 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die Verfügungen und ergänzt: Bei Aufstellung der ersten
Änderung zum Bebauungsplan Nr. 1529 sei der erste Bauabschnitt bereits
nach vom Bauträger selbst gewählten Farb- und Gestaltungsregeln
fertiggestellt gewesen. Diese Gestaltung habe fortgeschrieben werden sollen
mit dem Ziel zu verhindern, dass einzelne Vorhaben zu stark differierten und
den Gesamteindruck beeinträchtigten. Die von den Klägern angesprochenen
dunkel gedeckten Gebäude seien nicht zum Ortsrand, sondern zum Willy-
Spahn-Park ausgerichtet. Im Übrigen entspreche auch die von den Klägern
gewählte Fassadenfarbe nicht den Vorgaben. Dieser Umstand sei wegen des
Gartenbewuchses für die geschlossene Wirkung des Ortsrandes aber weniger
relevant.
Die Beigeladene zu 1 beantragt ebenfalls,
den Bescheid der Beklagten vom 10.02.12 sowie den
Widerspruchsbescheid vom 20.04.12 aufzuheben.
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Sie hält die örtliche Bauvorschrift für unwirksam, weil das Baugebiet keine
Besonderheiten aufweise, an die eine städtebauliche Gestaltungsabsicht
anknüpfen könne. Durch die zugelassenen Sonnenkollektoren könne eine
einheitliche Dachlandschaft ohnehin nicht erreicht werden.
Die Beigeladene zu 2 hat sich nicht geäußert.
Die Kammer hat die Örtlichkeiten in Augenschein genommen. Wegen des
Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen des weiteren
Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die angefochtenen Bescheide der
Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 NBauO a.F. (§ 86 Abs. 1 NBauO) kann die
Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen
anordnen kann, die zur Herstellung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind,
wenn bauliche Anlagen dem öffentlichen Baurecht widersprechen. Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn die von den Klägern für ihr Haus
gewählte Dacheindeckung steht nicht im Widerspruch zum öffentlichen
Baurecht. Zwar entspricht die gewählte Dachfarbe „graphitgrau“ nicht den
Vorgaben der örtlichen Bauvorschrift. Davon konnte sich die Kammer während
der Ortsbesichtigung ein Bild machen und dies ist zwischen den Beteiligten
auch unstreitig. Nach Auffassung der Kammer ist die örtliche Bauvorschrift
jedoch unwirksam, weil sie zumindest hinsichtlich der vorgeschriebenen Farbe
„hellgrau“ zu unbestimmt ist (dazu unter 1.) und sich darüber hinaus nicht auf
eine ausreichende städtebauliche Rechtfertigung stützen kann (dazu unter 2.).
1. Nach § 11 Abs. 1 der örtlichen Bauvorschrift zum Bebauungsplan Nr. 1529
in seiner ersten Änderungsfassung sind nur Satteldächer ohne Walmelemente
und Dachpfannen in den Farben rot bis rotbraun oder hellgrau zulässig. Diese
Regelung ist zumindest hinsichtlich der Vorgabe „hellgrau“ zu unbestimmt.
Dabei folgt die Unbestimmtheit nicht bereits aus dem Umstand, dass die
Beklagte die Farben physikalisch nicht eindeutig beschrieben bzw. keine
konkreten Farbmuster (etwa Nummern der RAL-Farbtabellen) vorgegeben hat.
Der Plangeber kann durchaus ein Spektrum von Farbtönen zulassen. Dann
handelt es sich bei den vorgegebenen Farbtönen um auslegungsbedürftige
unbestimmte Rechtsbegriffe und Schwierigkeiten bei der Feststellung in
Grenzbereichen, ob ein Farbton noch diesem Spektrum entspricht, führen
nicht zur Unbestimmtheit (so für das Spektrum „rot bis rotbraun“: Urt. der
Kammer vom 01.10.13 - 4 A 6569/12 - m. w. N., Juris). Mit der Vorgabe
„hellgrau“ hat die Beklagte jedoch kein Farbspektrum zugelassen, sondern die
Auswahl der Bauwilligen auf eine bestimmte Schattierung im Farbspektrum
„grau“ begrenzt. Das Farbspektrum „grau“ reicht aber vom beinahe weißen
„lichtgrau“ bis zum beinahe schwarzen „schwarzgrau“ und lässt sich bei
objektiver Betrachtung nicht nur nach hell und dunkel, sondern mit gleicher
Berechtigung auch in hell, mittel und dunkel unterteilen. Grenzfeststellungen
gestalten sich somit nicht nur an den Rändern des Farbspektrums schwierig.
Auch die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragene
Definition, hellgrau sei weiß mit einem Anteil schwarz und dunkelgrau sei
schwarz mit einem Anteil weiß, hilft hier nicht weiter. Die Farbschattierungen im
mittleren Graubereich mit annähernd gleichen Anteilen schwarz und weiß -
etwa das lebhafte „mausgrau“ - lassen sich danach nicht eindeutig zuordnen.
Von diesen Schwierigkeiten konnte sich die Kammer auch bei ihrer
Ortsbesichtigung überzeugen. Das Gebäude E. 8, das wie das Haus der
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Kläger im Geltungsbereich der örtlichen Bauvorschrift liegt, ist ebenfalls mit
grauen Dachsteinen eingedeckt. Diese Dacheindeckung ist eine Schattierung
heller als die von den Klägern gewählte Dachfarbe, aber deutlich dunkler als
die Dachfarben der Bauträgerhäuser im ersten Bauabschnitt, die nach der
Begründung zur örtlichen Bauvorschrift als Referenzfarben dienen sollen.
Entsprechendes gilt für ein weiteres Nachbargebäude, das Haus E. 14:
Dessen Dachsteine weisen ein Grau auf, das wiederum eine Schattierung
heller ist als die Dachfarbe des Gebäudes E. 8. Im Vergleich zu den
Referenzdächern ist aber auch diese Dacheindeckung eher dunkel-,
zumindest aber mittelgrau. Warum die Beklagte die mittleren
Grauschattierungen der Häuser Nr. 8 und 14 dennoch als hellgrau ansieht und
die Grenze zwischen hell- und dunkelgrau erst zwischen den Grautönen der
Dacheindeckungen der Häuser Nr. 18 und 14 und nicht zwischen denen der
Nr. 8 und 14 zieht, erschließt sich nicht. Nach dem bei der Ortsbesichtigung
gewonnenen Eindruck der Kammer sind die Dächer aller drei Häuser (E. 8, 14
und 18) verglichen mit den Referenzdächern des ersten Bauabschnitts eher
dunkelgrau, so dass die Beklagte nach Art. 3 GG zu einem gleichmäßigen
Einschreiten verpflichtet gewesen wäre. Nach den Gestaltungsabsichten, die
die Beklagte mit der örtlichen Bauvorschrift verfolgt, hätte es nahegelegen, den
gewünschten hellgrauen Farbton zusätzlich mit bestimmten Farbmustern oder
mit einer Bezugnahme auf die Referenzdächer näher zu definieren (etwa wie
„anthrazitfarben oder wie Schiefer“, vgl. dazu: OVG Rheinland-Pfalz, Urt.
01.10.08 - 1 A 10362/08 -, Juris). Ohne einen solchen Zusatz kann die Grenze
zwischen einem noch zulässigen „hellgrau“ und einem nicht mehr zulässigen
„mittel- oder dunkelgrau“ nach objektiven Gesichtspunkten nicht bestimmt
werden.
2. Der örtlichen Bauvorschrift fehlt ferner eine hinreichende sachliche
Rechtfertigung. Sie ist deshalb nicht von der Ermächtigung gedeckt und
verletzt so die auf Art. 14 Abs. 1 GG beruhende Baufreiheit der Kläger.
Nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 NBauO a.F. können die Gemeinden für bestimmte Teile
des Gemeindegebietes durch örtliche Bauvorschriften besondere
Anforderungen an die Gestaltung von Gebäuden, namentlich u.a. für die
Farben der von außen sichtbaren Bauteile einen Rahmen setzen, um
bestimmte städtebauliche, baugestalterische oder ökologische Absichten zu
verwirklichen. Eine solche örtliche Bauvorschrift hat die Beklagte - zwischen
den Beteiligten unstreitig - formgültig gem. § 97 Abs. 1 NBauO zusammen mit
der ersten Änderungsfassung des Bebauungsplanes Nr. 1529 erlassen.
Die mit § 56 Abs. 1 Nr. 1 NBauO a. F. den Gemeinden gegebene
Ermächtigung zu "positiver Baupflege" wird allerdings dadurch begrenzt, dass
die örtliche Bauvorschrift der Verwirklichung bestimmter städtebaulicher oder
baugestalterischer Absichten dienen muss und nur für bestimmte Teile des
Gemeindegebietes eingesetzt werden darf. Es genügt daher nicht, dass die
Gemeinde gewisse Bauformen, Materialien oder Farben für unschön und
daher unerwünscht hält. Aber auch das Ziel, eine einheitliche Bebauung zu
erreichen, lässt in der Regel noch keine baugestalterische Absicht erkennen,
die eine Einschränkung der Baufreiheit rechtfertigt, weil gerade Einheitlichkeit
die Gefahr der Gleichförmigkeit heraufbeschwört. Erforderlich ist vielmehr ein
konkretes gestalterisches Konzept für die Ausgestaltung eines konkreten
überschaubaren Ortsteils. Die städtebauliche Gestaltungsabsicht muss also
an die Besonderheiten des zu schützenden Gebietes anknüpfen; einem
einheitlich gestalteten Ortsbild als solchem muss ein städtebaulicher Wert
zukommen (OVG Lüneburg, Urt. v. 13.03.02 - 1 KN 1310/01 -; Urt. v. 12.07.11 -
1 KN 197/09 -, jeweils Juris). Für die in § 11 Abs. 1 der örtlichen Bauvorschrift
vorgeschriebene Farbgestaltung der Dächer mit rot bis rotbraunen und
hellgrauen Tönen fehlt nach Auffassung der Kammer ein derartiges,
städtebaulich begründetes Konzept.
Nach der Planbegründung sollen mit dieser Festsetzung die in einem zweiten
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Bauabschnitt zu errichtenden Gebäude dem bereits fertiggestellten Gebäuden
des ersten Bauabschnitts angepasst werden, damit ein städtebaulich
homogenes Erscheinungsbild erreicht und ein unverwechselbares
Wohngebiet geschaffen werden könne. Ein eigenständiges
Gestaltungskonzept der Beklagten ist darin nicht erkennbar. Die Beklagte hat
vielmehr die vom Bauträger des ersten Bauabschnitts rein zufällig - der
Bebauungsplan Nr. 1529 in seiner Ursprungsfassung enthält keinerlei
Farbvorgaben - gewählte Farbpalette für die Dachfarben übernommen und mit
dem Wunsch nach einheitlicher Gestaltung fortgeführt. Die Kammer muss
daher annehmen, dass die Beklagte auch blau und grün als Dachfarben
fortgeschrieben hätte, wenn diese Farben vom Bauträger des ersten
Bauabschnittes denn gewählt worden wären. Damit aber erscheinen die
Farbvorgaben willkürlich.
Zudem wird sich das Ziel der Beklagten - eine einheitliche Gestaltung beider
Bauabschnitte -, das als Rechtfertigung für die örtliche Bauvorschrift ohnehin
nicht ausreichen würde, durch die Farbvorgaben der örtlichen Bauvorschrift
auf lange Sicht nicht erreichen lassen. Denn die Vorschrift gilt nur für den
Bereich der ersten Änderungsfassung des Bebauungsplanes, nicht aber für
das gesamte Gebiet des Ursprungsplanes. So weisen bereits jetzt zwei am H.
weg im ersten Bauabschnitt gelegene Häuser, die nicht vom Bauträger
errichtet wurden, eine schwarze Dacheindeckung auf und die Dachfarben
schwarz, blau oder grün sind allgemein zulässig, wenn im ersten Bauabschnitt
Dachneueindeckungen erforderlich werden.
Die Kammer konnte bei ihrer Ortsbesichtigung auch keine städtebaulichen
Besonderheiten des Gebietes erkennen, an die die Beklagte mit ihren
Gestaltungsvorgaben hätte anknüpfen können. Zwar ermächtigt § 56 NBauO
a. F. nicht nur zur Gestaltung besonders wertvoller historischer Stadtviertel, ein
gewisser städtebaulicher Wert muss aber vorhanden sein. Das hier zu
beurteilende Neubaugebiet in I. weist einen solchen Wert nicht auf. Beim
Bebauungsplanbereich Nr. 1529 handelt es sich nach Auffassung der Kammer
um ein typisches innerstädtisches Neubaugebiet, wie sie im Stadtgebiet der
Beklagten vielfach anzutreffen sind. Die Aufteilung zwischen Straßen- und
Bauflächen ist ersichtlich davon getragen, möglichst viel Baufläche zu
erhalten. Hausgruppenfestsetzungen und hohe Ausnutzungszahlen
ermöglichen auf den meisten Flächen kostengünstige verdichtete Bebauung.
Daneben finden sich aber - dem Bedarf entsprechend - auch
Einfamilienhäuser auf kleinen Grundstücken. Die Baukörper sind
unterschiedlich ausgerichtet, die Fassaden mit Klinker, Putz in
unterschiedlichen Farben oder großflächigen Balkonvorbauten unterschiedlich
gestaltet. Die Gestaltung ist erkennbar von dem Bestreben getragen,
preiswerten Wohnraum und Eigenheime für eine anhaltende Nachfrage (vgl. S.
1 der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 1529) zu schaffen; an besondere
örtliche Gegebenheiten wie etwa topographische Besonderheiten oder
vorhandene historische Bebauung knüpft sie nicht an.
Entgegen der Auffassung der Beklagten begründet auch die Lage des
Neubaugebietes am Stadtrand („Eingangssituation für die Stadt Hannover“)
keine städtebauliche Besonderheit. Die Kammer hat den Stadtrand von Letter-
Süd aus in Augenschein genommen und konnte ein besonderes
städtebauliches Erscheinungsbild nicht feststellen. Von Westen kommend
bietet sich dem Betrachter vielmehr ein buntes Durcheinander von
Hausformen und Dachfarben. Die erste Reihe der traufständig angeordneten
Einzel- und Doppelhäuser wird durch zahlreiche Zwerchgiebel und Gauben
unterbrochen. Zwischen diesen Häusern hindurch fällt der Blick auf die
giebelständig angeordneten Reihenhäuser. Die Farbpalette der Dachfarben
reicht von rot und hellrau über mittelgrau bis zu einem dunklen braunrot beim
Nachbarhaus der Kläger. Dahinter sind wegen der leichten Hanglage des
Gebietes die schwarzen Bedachungen der Altbebauung gut zu erkennen und
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auch das dunkelgrau eingedeckte Haus der Kläger sticht nicht als
Fremdkörper aus der vorhandenen Bebauung heraus. Dieser für
Neubaugebiete typische Mix und die noch nicht errichtete, im Bebauungsplan
Nr. 1529 aber vorgesehene „abschirmende“ Grünverbindung zwischen
Bebauung und freiem Landschaftsraum lassen sich am Stadtrand Hannovers
an beliebig vielen Stellen finden; besonders ist die Stadtrandsituation I. s
gerade nicht.
Ist die zur ersten Änderungsfassung des Bebauungsplanes Nr. 1529
erlassene Regelung zur Farbe der Dächer somit unwirksam, kann die Beklagte
von den Klägern nicht verlangen, dass sie ihr Wohnhaus in einem rot bis
rotbraunen oder hellgrauen Farbton neu eindecken. Mit der von den Klägern
weiter aufgeworfenen Frage nach der Verhältnismäßigkeit der angefochtenen
Anordnung muss sich die Kammer daher nicht auseinandersetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die
Beigeladene zu 1 einen Antrag gestellt und sich so einem Kostenrisiko
ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für
erstattungsfähig zu erklären. Entsprechendes gilt für die Beigeladene zu 2
nicht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 ZPO. Gründe, die Berufung
zuzulassen, sind nicht ersichtlich.