Urteil des VG Hannover vom 19.02.2014

VG Hannover: verordnung, asylbewerber, mitgliedstaat, abschiebung, forum shopping, genfer flüchtlingskonvention, dubliner übereinkommen, aufschiebende wirkung, eugh, ukraine

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Subjektive Rechtsverletzungen im Rahmen der Dublin
II VO nur bei Grundrechtsverletzungen
Die Dublin II VO verleiht nur insoweit subjektive Rechte, als dass
Grundrechtsverletzungen geltend gemacht werden. Daraus folgt, dass sich
der Asylbewerber nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die
Fristenregelungen aus Art. 16 ff. Dublin II VO oder andere
Verfahrensvorschriften der Dublin II VO berufen kann.
VG Osnabrück 5. Kammer, Beschluss vom 19.02.2014, 5 B 12/14
Art 5 Abs 1 EGV 343/2003, Art 3 Abs 1 EGV 343/2003, Art 19 Abs 2 EGV 343/2003,
Art 17 EGV 343/2003
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
Der Antrag, mit dem sich die aus der Ukraine stammenden Antragsteller gegen
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.01.2014, mit dem unter
Feststellung der Unzulässigkeit ihres Asylantrages die Abschiebung nach
Schweden angeordnet wird, wenden, hat keinen Erfolg. Im Wesentlichen
machen die Antragsteller eine unangemessen lange Verzögerung des
Verfahrens (hier: 7,5 Monate zwischen Asylantragstellung und Übersendung
des Wiederaufnahmegesuchs an Schweden) sowie eine mit der Abschiebung
einhergehende Trennung der Antragstellerin zu 1. von ihrem Verlobten - ein
Asylantragsteller aus Georgien, der ebenfalls nach Schweden abgeschoben
werden soll (vgl. Beschluss der Kammer v. 28.01.2014, 5 B 7/14) geltend.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung
der Klage anordnen. Ein solcher Antrag ist in materieller Hinsicht begründet,
wenn das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der
Vollziehung eines belastenden Bescheides das Interesse der Allgemeinheit an
der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei der
Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
gebotenen Zurückhaltung auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu
berücksichtigen. Erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt bei der im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden
summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich
rechtswidrig, so überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse des
Antragstellers. Umgekehrt geht die Interessenabwägung zu Ungunsten des
Antragstellers aus, wenn die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung
offensichtlich rechtmäßig ist. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die
Interessenabwägung hier zu Lasten der Antragsteller aus, weil der
angegriffene Bescheid vom 17.01.2014 nach der sich dem Gericht derzeit
darbietenden Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach rechtmäßig ist.
Die Abschiebungsanordnung findet ihre rechtliche Grundlage in § 34a Abs. 1
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AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in
einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des
Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die
Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt
werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem
anderen aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines
völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens
zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes
zurückgenommen hat. Einer vorherigen Anhörung bedarf es nicht. Diese
Voraussetzungen liegen hier vor. Dabei gelten angesichts des vorherigen
Aufenthalts der Antragsteller in Schweden weiterhin die Bestimmungen der
Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO). Diese ist zwar durch Art. 48 der
Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (Dublin III-VO) aufgehoben
worden; gemäß Art. 49 der letztgenannten Verordnung gelten jedoch die
Bestimmungen der Dublin II-VO für alle Verfahren, in denen sowohl der Antrag
auf Gewährung von internationalem Schutz als auch das
Wiederaufnahmeersuchen - wie im hiesigen Fall - , vor dem 01.01.2014
gestellt werden. Aufgrund der Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, nach
der bei der Bestimmung des nach den Kriterien der Dublin II-VO zuständigen
Mitgliedstaates von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt
gegeben ist, zu dem die Asylbewerber ihren Antrag zum ersten Mal in einem
Mitgliedstaat stellen, ist Schweden zuständig.
Diese Zuständigkeit ist auch nicht wieder entfallen. Denn entgegen der
Auffassung der Antragsteller ist die Zuständigkeit nicht auf die Antragsgegnerin
übergegangen.
Die Antragsteller können sich zunächst nicht auf eine unangemessen lange
Verfahrensdauer berufen.
Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO legt fest, dass der Asylantrag eines
Drittstaatsangehörigen im Grundsatz nur in dem für die Durchführung des
Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat geprüft wird. Daraus wird abgeleitet,
dass der Ausländer keinen Anspruch auf Prüfung seines Asylantrags in einem
Mitgliedsstaat seiner Wahl hat. Die Bestimmung des zuständigen
Mitgliedsstaates bestimmt sich nach den Kriterien des Kapitel III (Art 5 - 14) der
Dublin II-VO.
Der Mitgliedsstaat muss diese Kriterien nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung in
der in diesem Kapitel aufgeführten Rangordnung anwenden (Urteile des
EuGH Urt. v. 21.12.2011, N.S. u. a., - C-411/10 und C-493/10 -, juris, Urt. vom
10.12.2013 – Abdullahi gegen Bundesasylamt, C-394/12 – und vom
14.11.2013 – Bundesrepublik Deutschland gegen Puid - C 4/11 –).
Auf die Einhaltung dieser Kriterien durch die Mitgliedsstaaten kann sich der
Asylbewerber nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 10.12.2013 –
Abdullahi gegen Bundesasylamt, C-394/12 – und vom 14.11.2013 –
Bundesrepublik Deutschland gegen Puid - C 4/11 –) im Rahmen seines
Rechtsbehelfs gem. Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin II-VO bzw. § 34 a AsylVfG
allerdings nur mit der Begründung berufen, dass er in seinen Grundrechten
verletzt wird.
Dazu hat der EuGH ausgeführt (Urteil vom 10.12.2013, Abdullahi gegen
Bundesasylamt, - C-394/12 – , Rnrn. 49 bis 60 des amtlichen
Entscheidungsabdrucks, InfAuslR, 2014, S. 69, nur Leitsatz):
„49 Es ist zu klären, in welchem Umfang die Bestimmungen in Kapitel III der
Verordnung Nr. 343/2003 tatsächlich Rechte der Asylbewerber begründen, die
die nationalen Gerichte schützen müssen.
50 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 343/2003 nur
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einen Rechtsbehelf in ihrem Art. 19 Abs. 2 vorsieht. Nach dieser Bestimmung
kann der Asylbewerber einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einlegen,
einen Antrag nicht zu prüfen und den Asylbewerber in den zuständigen
Mitgliedstaat zu überstellen. Im Übrigen wird im 29. Erwägungsgrund der
Richtlinie 2005/85, die insbesondere in ihrem Kapitel V die Rechtsbehelfe im
Zusammenhang mit der Prüfung von Asylanträgen regelt, hervorgehoben,
dass diese Richtlinie nicht die Verfahren im Rahmen der Verordnung Nr.
343/2003 betrifft
51 Was die Reichweite des in Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003
vorgesehenen Rechtsbehelfs angeht, so sind bei der Auslegung dieser
Verordnung nicht nur der Wortlaut ihrer Bestimmungen, sondern auch ihr
allgemeiner Aufbau, ihre Ziele und ihr Kontext zu berücksichtigen. Dazu gehört
insbesondere die Entwicklung, der sie im Zusammenhang mit dem System, in
das sie sich einfügt, unterworfen war.
52 Unter diesem Aspekt ist zum einen zu beachten, dass das Gemeinsame
Europäische Asylsystem in einem Kontext entworfen wurde, der die Annahme
zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder
Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre
Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967
sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit
Vertrauen entgegenbringen dürfen (Urteil N. S. u. a., Randnr. 78).
53 Gerade aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der
Unionsgesetzgeber die Verordnung Nr. 343/2003 erlassen, um die
Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das
System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge
desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit
hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags
zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“
zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der
Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden
Staaten zu beschleunigen (Urteil N. S. u. a., Randnr. 79).
54 Zum anderen wurden die für Asylanträge geltenden Regelungen in
weitem Umfang auf Unionsebene harmonisiert, so insbesondere jüngst durch
die Richtlinien 2011/95 und 2013/32.
55 Der von einem Asylbewerber gestellte Antrag wird daher weitgehend
nach den gleichen Regelungen geprüft werden, welcher Mitgliedstaat auch
immer für seine Prüfung nach der Verordnung Nr. 343/2003 zuständig ist
56 Im Übrigen bezeugen verschiedene Bestimmungen der Verordnungen
Nr. 343/2003 und 1560/2003 die Absicht des Unionsgesetzgebers, für die
Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats
organisatorische Vorschriften festzulegen, die die Beziehungen zwischen den
Mitgliedstaaten regeln, so wie dies im Dubliner Übereinkommen geschehen
war (vgl. entsprechend Urteile vom 13. Juni 2013, Unanimes u. a., C-671/11
bis C-676/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 28,
und Syndicat OP 84, C-3/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung
veröffentlicht, Randnr. 29
57 So sollen Art. 3 Abs. 2 (sogenannte Souveränitätsklausel) und Art. 15
Abs. 1 (humanitäre Klausel) der Verordnung Nr. 343/2003 die Prärogativen der
Mitgliedstaaten wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem
Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten
Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig ist. Da es sich dabei um
fakultative Bestimmungen handelt, räumen sie den Mitgliedstaaten ein weites
Ermessen ein (vgl. in diesem Sinne Urteile N. S. u. a., Randnr. 65, und vom 6.
November 2012, K, C-245/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung
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veröffentlicht, Randnr. 27).
58 Im gleichen Sinne gestattet es Art. 23 der Verordnung Nr. 343/2003 den
Mitgliedstaaten, untereinander bilaterale Verwaltungsvereinbarungen
bezüglich der praktischen Modalitäten der Durchführung der Verordnung zu
treffen, die insbesondere die Vereinfachung der Verfahren und die Verkürzung
der Fristen für die Übermittlung und Prüfung von Gesuchen zur Aufnahme
bzw. Wiederaufnahme von Asylbewerbern zum Gegenstand haben können.
Weiter sieht Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1560/2003 – jetzt Art. 37 der
Verordnung Nr. 604/2013 – vor, dass die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen,
in denen sie über die Anwendung der Verordnung Nr. 343/2003 nicht einig
sind, ein Schlichtungsverfahren in Anspruch nehmen können, an dem
Mitglieder eines Ausschusses, die drei nicht an der Angelegenheit beteiligte
Mitgliedstaaten vertreten, beteiligt sind, aber in dessen Rahmen eine Anhörung
des Asylbewerbers nicht vorgesehen ist.
59 Schließlich besteht einer der Hauptzwecke der Verordnung Nr.
343/2003, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der
Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die
Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven
Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu
gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu
gefährden.
60 Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der angefochtenen
Entscheidung um die von dem Mitgliedstaat, in dem die Beschwerdeführerin
des Ausgangsverfahrens ihren Asylantrag gestellt hat, getroffene
Entscheidung, diesen Antrag nicht zu prüfen und die Betroffene in einen
anderen Mitgliedstaat zu überstellen. Dieser zweite Mitgliedstaat hat der
Aufnahme der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens nach Maßgabe
des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 festgelegten Kriteriums
zugestimmt, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise der
Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens in das Unionsgebiet. In einer
solchen Situation, in der der Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, kann unter
Berücksichtigung der oben in den Randnrn. 52 und 53 wiedergegebenen
Erwägungen der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit
entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der
Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend
macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme
darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder
erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu
werden (vgl. in diesem Sinne Urteile N. S. u. a., Randnrn. 94 und 106, und vom
14. November 2013, Puid, C-4/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung
veröffentlicht, Randnr. 30).“
Daraus folgt, dass eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Übernahme-
bzw. Wiederaufnahmebegehrens der Antragsgegnerin durch die
Verwaltungsgerichte nicht vollständig, sondern nur insoweit zu erfolgen hat, als
der Asylbewerber geltend machen kann, in seinen Grundrechten verletzt zu
sein. Das bedeutet wiederum, dass sich der Asylbewerber nicht auf einen
möglichen Verstoß gegen die Fristenregelungen aus Art. 16 ff. Dublin II-VO
oder andere Verfahrensvorschriften der Dublin II-VO berufen kann. Insoweit
werden nämlich keine subjektiven Rechte geltend gemacht.
Die Antragsteller machen im vorliegenden Fall eine überlange
Verfahrensdauer geltend, da sie am 25.03.2013 einen Asylantrag bei der
Antragsgegnerin gestellt hatten und diese am 11.11.2013 ein
Wiederaufnahmegesuch an Schweden übersandten, welchem am 15.11.2013
entsprochen wurde. Die Antragsteller hatten in ihrer Anhörung am 25.03.2013
mitgeteilt, dass sie in Schweden bereits einen Asylantrag gestellt hätten. Dies
wurde durch einen Eurodac-Treffer am 28.03.2013 bestätigt. Der ablehnende
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Bescheid vom 17.01.2014 ist den Antragstellern am 23.01.2014 zugestellt
worden. Wenn sich die Antragsteller aufgrund des Zeitraumes zwischen
Asylantragstellung und Wiederaufnahmegesuch (ca. 7,5 Monate) auf den
vierten Erwägungsgrund der Dublin-II-VO, d.h. auf eine rasche Bestimmung
des zuständigen Mitgliedstaates, berufen, ist dem entgegenzuhalten, dass es
sich dabei um Regelungen handelt, die der gerichtlichen Kontrolle entzogen
sind, da sie keine Grundrechte betreffen. Sie regeln vielmehr das Verfahren
und richten sich an die Mitgliedstaaten. Eine Kontrolle durch den Einzelnen
erfolgt nicht (vgl. EuGH, Urt. vom 10.12.2013 –Abdullahi gegen
Bundesasylamt, C-394/12 – und vom 14.11.2013 – BRD gegen Puid - C 4/11
–).
Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass eine überlange Verfahrensdauer
bei 7,5 Monaten wohl nicht gegeben ist. Denn die Antragsteller können sich -
selbst wenn hier subjektive Regelungen betroffen wären - auch nicht auf Art.
17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO berufen. Nach dieser Vorschrift hat der
Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, der einen anderen
Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig hält, diesen in jedem
Fall innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrages zu ersuchen,
den Asylbewerber aufzunehmen. Nach Satz 2 dieser Regelung geht die
Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat über, wenn das Gesuch um
Aufnahme nicht innerhalb von drei Monaten unterbreitet wurde. Zwar ist
vorliegend diese Frist überschritten worden. Gleichwohl ist die Zuständigkeit
nicht auf Schweden übergegangen, weil die in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO
enthaltene Regelung für den vorliegenden Fall nicht gilt. Denn dieser
Zuständigkeitsübergang betrifft nur Aufnahmeersuchen, nicht jedoch den hier
vorliegenden Fall eines Wiederaufnahmeersuchens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e)
Dublin II-VO (vgl. dazu: Stattgabe des Übernahmegesuchs Schwedens vom
15.11.2013, Bl. 60 VV).
Die Dublin II-VO unterscheidet nicht nur in der Überschrift des Kapitels V sowie
in Art. 16 Abs. 1 lit. a), c), d) und e) zwischen der Überstellung des
Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 der
Dublin II-VO und einer Überstellung des Asylsuchenden im
Wiederaufnahmeverfahren gemäß Art. 20 Dublin II-VO. Durch Art. 16 Dublin II-
VO wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 bestimmt.
Art. 17 bis 19 Dublin II-VO betreffen schon dem Wortlaut nach nur das
Aufnahmeverfahren, während Art. 20 Dublin II-VO das in der Überschrift zu
Kapitel V an zweiter Stelle genannte Wiederaufnahmeverfahren behandelt.
Zudem enthält Art. 20 Abs. 1 lit. a) Dublin II-VO eine Regelung, die der in Art.
17 Abs. 3 Dublin II-VO entspricht. Gleiches gilt für die Regelung in Art. 20 Abs.
1 lit. e) Dublin II-VO und Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO, Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO
und Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO sowie Art. 20 Abs. 4 Dublin II-VO und Art. 19
Abs. 5 Dublin II-VO. Da der Verordnungsgeber also in jeweils eigenständigen
Vorschriften für die Aufnahme und das Wiederaufnahmeverfahren jeweils
inhaltliche eigene Regelungen erlassen hat, geht die Kammer davon aus, dass
zwischen dem Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren sorgfältig
unterschieden wurde und die ihrem Wortlaut sich auf einen Aufnahme- bzw.
einen Wiederaufnahmeantrag beziehenden Vorschriften jeweils abschließend
sind. Insofern ist es schon aus systematischen Gründen ausgeschlossen,
dass die in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO enthaltene Fristenregelung für den
Zuständigkeitsübergang über den ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift
(„Aufnahme“) hinaus auch für Wiederaufnahmegesuche - hier gemäß Art. 16
Abs. 1 lit. c) Dublin II-VO, für den lediglich Art. 20 Dublin II-VO Beachtung
finden soll - gilt. Vor dem Hintergrund, dass für ein solches
Wiederaufnahmeverfahren eine entsprechende Frist nicht vorgesehen ist,
kommt ein Zuständigkeitsübergang aufgrund eines Fristablaufs vorliegend
nicht in Betracht (vgl. Urteil der Kammer vom 20.01.2014 - 5 A 25/13 -; VG
Düsseldorf, Urteil vom 23.04.2013 - 17 K 1506/12 - juris, Rdnr. 31 ff. m.w.N.;
VG Augsburg, Gerichtsbescheid vom 09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - juris,
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Rdnr. 21).
Eine Gefahr der Verletzung von Grundrechten, z.B. von Art. 8 EMRK (EuGH,
Urteil vom 06.11.2012 – C-245/11 -, InfAuslR 2013, S. 40ff) oder Art. 3 EMRK
bei systemischen Mängeln des Asylverfahrens (EuGH, Urteil N.S. a.a.O.) ist
ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Insofern besteht auch kein
Selbsteintrittsrecht der Antragsgegnerin aus humanitären Gründen (Art. 15
Abs. 1 Dublin-II-VO). Denn die Behauptung der Antragsteller, die zwischen der
Antragstellerin zu 1. und ihrem Verlobten - der sich als georgischer
Asylbewerber nach Aufenthalt in Schweden ebenfalls in Deutschland aufhält
(vgl. zu der Ablehnung seines Antrages auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes hinsichtlich einer Überstellung nach Schweden: Beschluss
der Kammer vom 28.01.2014, 5 B 7/14) - bestehende Lebensgemeinschaft
würde durch ihre Abschiebung nach Schweden aufgehoben, da die
Antragsteller im Anschluss in die Ukraine abgeschoben werden würden und
der Verlobte „aufgrund seines Verfolgungsschicksals“ in Schweden verbleiben
könnte, ist zum einen nicht glaubhaft gemacht worden und nicht substantiiert.
Zum anderen wären für die Prüfung einer eventuellen Trennung einer nach Art.
8 EMRK geschützten Lebensgemeinschaft die schwedischen Behörden gem.
Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO zuständig. Die der Dublin-II-VO zugrunde liegende
gemeinsame Asylpolitik sowie das damit einhergehende Prinzip des
gegenseitigen Vertrauens führen dazu, dass auch diese Prüfung dem
zuständigen Mitgliedstaat überlassen wird. Denn Gegenstand des hiesigen
Vorbringens ist keine Trennung der Antragsteller von dem Verlobten der
Antragstellerin zu 1. durch die nunmehr anstehende (gemeinsame)
Abschiebung nach Schweden, die hier streitgegenständlich ist, sondern erst
durch die möglicherweise im Anschluss folgende (alleinige) Abschiebung aus
Schweden in die Ukraine. Ob ggf. ein gemeinsamer Aufenthalt in der Ukraine
möglich sein könnte, ist zumindest nicht in diesem Verfahren Streitgegenstand.
Die Antragsgegnerin ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO zur
Ausübung des eigenen Prüfrechts (sog. Selbsteintrittsrecht) verpflichtet. Denn
die Antragsteller haben weder vorgetragen, noch bestehen für die erkennende
Kammer Anhaltspunkte, dass in Schweden systemische Mängel des
Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Sinne der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 21.12.2011 -
V-411/10 und C-493/10 -, InfAuslR 2012, S. 108 ff, zitiert nach juris) bestehen
(vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 13.04.2011 - A 3 K 2110/10 -, zitiert nach juris,
Rdnr. 32 m.w.N.).
Außerdem muss feststehen, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat
nicht - wenn auch nur vorübergehend - aus anderen Gründen rechtlich
unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist (vgl. dazu: Nds. OVG, Beschl. v.
02.05.2012 - 13 MC 22/12 - zitiert nach juris, Rdnr. 27). Anhaltspunkte dafür
liegen nicht vor.
Die Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Gem. § 34a Abs. 1 S. 1
AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung
des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht,
dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen
liegen - wie ausgeführt - vor.
Gemäß §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu
gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten
aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen
liegen hier nicht vor, denn der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ihrer in der Hauptsache anhängigen Klage hat aus
den vorstehenden Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden
gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).