Urteil des VG Hannover vom 31.03.2014

VG Hannover: aufschiebende wirkung, annahme des antrags, überstellung, beginn der frist, mitgliedstaat, wiederaufnahme, asylbewerber, abschiebung, zustellung, aussetzung

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Überstellungsfrist Dublin Verfahren; Asyl; Dublin-
Verfahren (Polen); Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO
Die Überstellungsfrist in Dublin-Verfahren beginnt nicht allein aufgrund der
Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ohne eine
Aussetzungsentscheidung des Gerichts neu zu laufen. Auch die Zustellung
eines die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ablehnenden
Beschlusses bewirkt nicht den erneuten Fristlauf von sechs Monaten.
VG Hannover 1. Kammer, Beschluss vom 31.03.2014, 1 B 6483/14
§ 34a Abs 2 AsylVfG, § 80 Abs 7 VwGO, Art 20 EGV 343/2003
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses vom 11. Oktober 2013 (1 B 6572/13) wird
die aufschiebende Wirkung der Klage 1 A 6571/13 der Antragsteller gegen die
im Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. September 2013 enthaltene
Abschiebungsanordnung nach Polen angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Bei den Antragstellern handelt es sich um russische Staatsangehörige
tschetschenischer Volkszugehörigkeit.
Die Antragsteller reisten am 6. August 2013 in die Bundesrepublik
Deutschland ein und beantragten am 9. August 2013 ihre Anerkennung als
Asylberechtigte. Da nach dem Eurodac-System Anhaltspunkte dafür
bestanden, dass die Antragsteller vor der Einreise in das Bundesgebiet in
Polen um Asyl nachgesucht hatten, wurden die polnischen Behörden mit
Schreiben vom 27. August 2013 um Wiederaufnahme der Antragsteller
gebeten. Mit Schreiben vom 28. August 2013 entsprachen die polnischen
Behörden dem Ersuchen unter Hinweis auf Art. 16 Abs. 1 c Dublin-II-VO. In
Bezug auf eine Prüfung der Asylanträge in Polen trug die Antragstellerin zu 1.
am 9. August 2013 vor, dass sie nicht zurück nach Polen, sondern in
Deutschland bleiben wolle.
Daraufhin lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag der Antragsteller mit
Bescheid vom 6. September 2013 - zugestellt am 10. September 2013 - unter
Hinweis auf die Zuständigkeit Polens für die Durchführung des
Schutzgesuches als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Polen
an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Bundesrepublik nicht für die
Prüfung des Asylgesuchs zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre
Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr
Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller am 17. September 2013
Klage (1 A 6571/13) erhoben und haben zugleich um die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht (1 B 6572/13). Hierbei haben sich
die Antragsteller im Wesentlichen auf systemische Mängel des Asylverfahrens
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und der Aufnahmebedingungen in Polen berufen. Sie haben insoweit
hervorgehoben, für den schwerbehinderten Antragsteller zu 2. - geboren am
31.03.2005 - sei die nötige medizinische Versorgung nicht gewährleistet. Die
Antragsteller haben hierzu auch auf den Entlassungsbericht eines
Krankenhauses in St. Petersburg vom Juni 2013 verwiesen. Daraus ergibt sich
u.a., dass bei dem Antragsteller zu 2. eine Insuffizienz des
Afterschließmuskels und ein Rückenmarkbruch in der Sakralmarkgegend
gegeben waren.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 11. Oktober 2013 den Eilantrag der
Antragsteller abgelehnt. Hierbei hat das Gericht keine systemischen Mängel
bezüglich des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen
feststellen können. Mit Blick auf den Gesundheitszustand des Antragstellers
zu 2. hat das Gericht ausgeführt, aus dem vorgelegten Entlassungsbericht sei
schon nicht ersichtlich, dass aktuell überhaupt ärztliche Behandlungen
durchgeführt werden müssen.
Am 21. März 2014 haben die Antragsteller bei Gericht einen Antrag nach § 80
Abs. 7 VwGO gestellt. Es seien veränderte Umstände gegeben, so dass auch
der Eilbeschluss vom 11. Oktober 2013 abzuändern sei. Die Antragsteller
verweisen auf ein ärztliches Attest des Klinikums Bremen-Mitte vom 17. Januar
2014. Danach seien umfangreiche weitere Behandlungen des Antragstellers
zu 2. notwendig, u.a. ein therapeutisches Stuhlmanagement, die Behandlung
der ausgeprägten Obstipation und gegebenenfalls eine medikamentöse
Behandlung der neurogenen Blasenentleerungsstörung, eine
Orthesenversorgung sowie Physiotherapie. Zudem legen die Antragsteller eine
ärztliche Bescheinigung vom 25. März 2014 vor. Hieraus ergebe sich, dass bei
dem Antragsteller zu 2. eine sofortige operative Intervention erforderlich sei.
Aus Sicht der Antragsteller sei die notwendige Behandlung in Polen nicht
sichergestellt.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Gerichts vom 11. Oktober 2013 abzuändern und
die aufschiebende Wirkung der Klage 1 A 6571/13 gegen die in dem
Bescheid der Beklagten vom 6. September 2013 enthaltene
Abschiebungsanordnung nach Polen anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verteidigt ihre Vorgehensweise. Für den 3. April 2014 sei die Überstellung
der Antragsteller nach Polen geplant. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die
Überstellungsfrist von sechs Monaten noch nicht abgelaufen sei. Die
Überstellungsfrist sei zunächst am 28. August 2013 durch die Zustimmung
Polens in Gang gesetzt worden. Die Frist sei grundsätzlich am 28. Februar
2014 (24.00 Uhr) abgelaufen. Sie - die Antragsgegnerin - habe jedoch unter
dem 21. Januar 2014 den Mitgliedstaat Polen über ein Überstellungshemmnis
informiert. Dieses sei darin zu sehen, dass das gerichtliche Eilverfahren nach §
80 Abs. 5 VwGO durch die Antragsteller betrieben worden sei. Der ablehnende
Eilbeschluss des Gerichts vom 11. Oktober 2013 sei ihr - der Antragsgegnerin
- am 14. Oktober 2013 zugegangen. Die Überstellungsfrist von sechs Monaten
beginne erst mit Zustellung des Eilbeschlusses zu laufen. Deshalb sei die Frist
noch nicht abgelaufen und eine Überstellung der Antragsteller könne am 3.
April 2014 noch durchgeführt werden. Außerdem könne dem ärztlichen Attest
vom 17. Januar 2014 - welches bereits mehr als zwei Monate alt sei - nicht
entnommen werden, dass die dort bezeichneten medizinischen Behandlungen
akut notwendig und unaufschiebbar seien. Zudem sei in Polen die
medizinische Versorgung des Antragstellers zu 2. gesichert.
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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO ist zulässig und begründet.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse
über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Jeder
Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im
ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter
Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Das Verfahren nach § 80
Abs. 7 VwGO ist dabei kein Rechtsmittelverfahren, sondern vielmehr ein
gegenüber dem ersten Eilverfahren selbständiges Verfahren. Voraussetzung
für die Änderung des zunächst ergangenen Beschlusses ist, dass sich nach
der ersten gerichtlichen Entscheidung die maßgebliche Sach- und Rechtslage
geändert hat. Dasselbe gilt bei einer Veränderung der Prozesslage, etwa
aufgrund neuer Erkenntnisse. Dazu gehören auch nachträglich zur Verfügung
stehende Beweismittel. Darüber hinaus muss die geänderte Sach- oder
Rechtslage geeignet sein, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
Vorliegend hat sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage geändert, mithin
muss eine andere Entscheidung getroffen werden. Die in dem Bescheid vom
6. September 2013 verfügte Abschiebungsanordnung ist inzwischen
rechtswidrig geworden. Die Abschiebungsanordnung beruht auf § 34 a Abs. 1
Satz 1 AsylVfG. Soll danach der Ausländer in einen für die Durchführung des
Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden,
ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den Staat an, sobald feststeht,
dass sie durchgeführt werden kann. Die Anordnung ist auszusprechen, wenn
die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags des betreffenden Mitgliedstaats
feststeht. Hier ist hingegen die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung
des Asylantrags zuständig, weil die für die Überstellung nach Polen geltende
Frist von sechs Monaten inzwischen abgelaufen ist und deshalb die für den 3.
April 2014 vorgesehene Abschiebung der Antragsteller nach Polen nicht mehr
durchgeführt werden kann.
Die Zuständigkeitskriterien der Dublin-II-VO finden nach Art. 49 Unterabs. 2 VO
(EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) auf Asylanträge, die - wie hier - vor dem 1.
Januar 2014 gestellt worden sind, weiterhin Anwendung. Die unabhängig vom
Zeitpunkt der Antragstellung ab dem 1. Januar 2014 vorgesehene
Anwendbarkeit der Dublin-III-VO für Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuche
bezieht sich nicht auf bereits vor diesem Stichtag gestellte und beantwortete
Gesuche. Ist einem Gesuch noch vor dem Stichtag entsprochen worden, hat
deshalb nicht etwa das Gericht unter Heranziehung des § 77 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG die Übernahmezusage bzw. die darauf basierende
Abschiebungsanordnung nunmehr an den Vorschriften der Dublin-III-VO für
Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuche zu messen (vgl. VG Hannover,
Beschluss vom 9. Januar 2013 - 1 B 7895/13 - juris). Es gilt deshalb für den
vorliegend zu entscheidenden Rechtsstreit weiterhin die Dublin-II-VO.
Gemäß Art. 20 Abs. 1 d Dublin-II-VO muss ein Mitgliedstaat, der die
Wiederaufnahme akzeptiert, den Asylbewerber in seinem Hoheitsgebiet wieder
aufnehmen. Die Überstellung erfolgt gemäß den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung
zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und
spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des
Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der
Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung
hat.
Nach Art. 20 Abs. 1 e Dublin-II-VO teilt der ersuchende Mitgliedstaat dem
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Asylbewerber die Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaats über seine
Wiederaufnahme mit. Diese Entscheidung ist zu begründen. Die Frist für die
Durchführung der Überstellung ist anzugeben und gegebenenfalls der Ort und
der Zeitpunkt zu nennen, an dem bzw. zu dem sich der Asylbewerber zu
melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat
begibt. Gegen die Entscheidung kann ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Ein
gegen diese Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf hat keine aufschiebende
Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder
zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres
innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht
zulässig ist.
Polen hat dem Wiederaufnahmegesuch der Antragsgegnerin mit Schreiben
vom 28. August 2013 entsprochen. Die an diesen Zeitpunkt anknüpfende
Überstellungsfrist von sechs Monaten ist am 28. Februar 2014 abgelaufen. Art.
20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO trifft in diesem Zusammenhang die Regelung,
dass die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat übergeht, in dem der Asylantrag
eingereicht wurde, wenn dieser nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten
die Überstellung des Asylbewerbers durchführt.
Der Fristablauf für die Überstellung der Antragsteller ist hier - entgegen der
Auffassung der Antragsgegnerin - nicht durch die Stellung des Eilantrages
nach § 80 Abs. 5 VwGO und die Klageerhebung mit Schreiben vom 17.
September 2013 gehemmt worden (vgl. insgesamt VG Oldenburg, Beschluss
vom 21. Januar 2014 - 3 B 7136/13 - juris). Die Frist beginnt auch nicht erst mit
Zustellung des Eilbeschlusses vom 11. Oktober 2013 - zugestellt am 14.
Oktober 2013 - zu laufen.
Wenn ein nationales Gericht einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsanordnung nach § 80 Abs. 5
VwGO, der gemäß § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zulässig ist, stattgibt, beginnt
die Sechsmonatsfrist erst nach rechtskräftigem Abschluss des zugehörigen
Klageverfahrens zu laufen. Insoweit kann auch die Rechtsprechung des EuGH
vom 29. Januar 2009 (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 - juris)
herangezogen werden. Hieraus ergibt sich, dass die Überstellungsfrist von
sechs Monaten nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung
läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird,
sondern erst ab der endgültigen gerichtlichen Entscheidung, mit der über die
Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die dieser Durchführung
nicht mehr entgegenstehen kann. Hier ist eine Entscheidung über einen
Rechtsbehelf, die aufschiebende Wirkung hätte, vor Ablauf der
Überstellungsfrist schon nicht ergangen. Das Gericht hat den Antrag, die
aufschiebende Wirkung anzuordnen, durch Beschluss vom 11. Oktober 2013
abgelehnt. Durch die bloße Stellung eines Antrags nach §§ 80 Abs. 5 VwGO,
34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG bzw. die ablehnende Eilentscheidung des Gerichts
wird nicht der Lauf einer neuen sechsmonatigen Überstellungsfrist ausgelöst
(vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 7136/13 - juris;
siehe auch VG Magdeburg, Urteil vom 28. Februar 2014 - 1 A 413/13 - juris;
a.A.: VG Göttingen, Beschluss vom 28. November 2013 - 2 B 887/13 - juris).
Diese rechtliche Einschätzung wird auch durch den Wortlaut des Art. 20 Abs. 1
d Dublin-II-VO gestützt, wonach die Überstellung spätestens innerhalb einer
Frist von sechs Monaten entweder nach der Annahme des Antrags auf
Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung
über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, zu erfolgen
hat. Mit der „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ kann hier nur die
gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache gemeint sein. (vgl. VG
Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 7136/13 - juris). Hingegen
kann ein Rechtsbehelf im Rahmen des Eilrechtsschutzes - wie vorliegend -
erst dann „aufschiebende Wirkung“ entfalten, wenn dieser dadurch zu einer
Aussetzung des Vollzugs führt, dass dem gestellten Eilantrag stattgegeben
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wird (vgl. insoweit zu § 34 a AsylVfG a.F.: OVG Lüneburg, Beschluss vom 2.
August 2012 - 4 MC 133/12 - juris). Dies war hier hingegen nicht der Fall.
Diese Rechtslage wird auch durch die Dublin-III-VO fortgeführt, wie aus der
Formulierung in Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO hervorgeht. Insoweit wird auf den
Fristbeginn nach der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, der
gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat, verwiesen. Die
Frist wird vor diesem Hintergrund weder unter Zugrundelegung von Art. 20
Dublin-II-VO noch nach Art. 29 Dublin-III-VO (wenn diese Vorschrift hier
anwendbar wäre) allein aufgrund des Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO
unterbrochen. Nach Art. 27 Abs. 3 c Dublin-III-VO hat die betreffende Person
die Möglichkeit, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine
Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum
Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen. Die
Mitgliedstaaten sorgen für einen wirksamen Rechtsbehelf in der Form, dass
die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag
auf Aussetzung ergangen ist. Dem entspricht § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG.
Die Regelung in § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG, dass die Abschiebung bei
rechtzeitiger Antragstellung gemäß § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG vor der
gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig ist, führt nicht dazu, eine
Aussetzungsentscheidung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 e Dublin-II-VO
annehmen zu müssen (so aber im Ergebnis: VG Göttingen, Beschluss vom 28.
November 2013 - 2 B 887/13 - juris). Diese Vorschrift selbst bewirkt keine
aufschiebende Wirkung, da eine solche nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht
kraft Gesetzes, sondern ausschließlich durch eine Entscheidung der Gerichte
oder zuständigen Stellen angeordnet werden kann (vgl. hierzu VG Magdeburg,
Urteil vom 28. Februar 2014 - 1 A 413/13 - juris). Hierfür spricht auch der
Wortlaut des Art. 27 Abs. 3 c Dublin-III-VO, wonach die Entscheidung, dass die
Durchführung der Überstellungsentscheidung nicht ausgesetzt wird, zu
begründen ist, woraus im Umkehrschluss folgt, dass die bloße Antragstellung
eine Aussetzung gerade nicht bewirkt (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 21.
Januar 2014 - 3 B 7136/13 - juris). Insoweit ist auch kein Anknüpfungspunkt für
den erneuten Beginn der Frist ab Zustellung der Eilentscheidung, die eine
Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerade ablehnt, in Art. 27 Abs. 3 c
Dublin-III-VO ersichtlich.
Es liegt hier zudem kein Fall des Art. 20 Abs. Satz 2 Dublin-II-VO vor. Die
danach vorgesehene Verlängerung der Überstellungsfrist ist nur möglich,
wenn der Asylbewerber inhaftiert oder flüchtig ist. Beides ist hier ersichtlich
nicht der Fall. Insoweit zieht auch die von der Antragsgegnerin unter dem 21.
Januar 2014 an Polen gerichtete Mitteilung, dass eine Überstellung (wegen
des bei Gericht beantragten Eilrechtsschutzes) noch nicht möglich sei, keine
Verlängerung der Überstellungsfrist nach sich. Nichts anderes ergäbe sich
nunmehr aus Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO.
Vor diesem Hintergrund verfängt auch nicht die in der Rechtsprechung
geäußerte Argumentation, die Überstellungfrist von sechs Monaten werde
durch ein gerichtliches Eilverfahren (faktisch) um die Zeit vom Eingang des
Eilverfahrens bei Gericht bis zu dessen Entscheidung verkürzt (vgl. VG
Göttingen, Beschluss vom 28. November 2013 - 2 B 887/13 - juris). Dem steht
auch entgegen, dass das Bundesamt durch die bloße Einlegung des
Eilantrages des Asylbewerbers bei Gericht nicht daran gehindert ist, alle intern
erforderlichen Schritte - also z.B. etwaige Schreiben an den zuständigen
Mitgliedstaat - jedenfalls vorzubereiten. Allein hierin wäre kein Verstoß gegen §
34 a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG zu sehen. Der Normgeber ist nach den obigen
Ausführungen davon ausgegangen, dass innerhalb der Frist von sechs
Monaten ein gerichtliches Eilverfahren und der konkrete Überstellungsvorgang
in den anderen Mitgliedstaat abgewickelt werden können. Zudem ist auch zu
berücksichtigen, dass das Bundesamt hinsichtlich der Überstellungen im
Rahmen von „Dublin-Verfahren“ wegen der Vielzahl der anfallenden Vorgänge
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die Abläufe hinreichend optimiert haben dürfte, um nicht sechs Monate nach
ablehnender Beschlussfassung des Gerichts im Eilverfahren für die von ihm zu
leistenden Planungen hinsichtlich der Überstellung zu benötigen.
Die von der Antragsgegnerin angenommene Fristberechnung geht somit ins
Leere.
Es kommt vor diesem Hintergrund nicht weiter auf die Frage an, ob die bei dem
Antragsteller zu 2. diagnostizierten Erkrankungen in Polen behandelt werden
können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.