Urteil des VG Hannover vom 29.04.2014

VG Hannover: beihilfe, öffentliches verkehrsmittel, fahrtkosten, bad, besitz, wohnung, rechtsgrundlage, behandlung, fahren, klinik

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Beihilfe, hier anteilige Berücksichtigung der Kosten
einer privat angeschafften Monatskarte und einer
Bahncard
VG Hannover 13. Kammer, Urteil vom 29.04.2014, 13 A 55/14
§ 26 Abs 2 Nr 3 BhV ND
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine weitergehende Beihilfe für Fahrtkosten anlässlich
einer ambulanten Untersuchung in einer Klinik in Bad Pyrmont.
Der Kläger ist als Beamter der Beklagten mit einem Bemessungssatz von 70
v.H. beihilfeberechtigt.
Er war zum Zeitpunkt der streitigen Reise sowohl im Besitz einer Monatskarte
für den ÖPVN in Hannover (sogenannte „Mobilcard“) als auch im Besitz einer
Bahncard 25.
Der Kläger reiste am 25.01.2013 von seinem Wohnort nach Bad Pyrmont und
zurück. Nach einer ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Neurologie
und Psychiatrie Dr. C. vom 18.03.2013 hatte sich der Kläger am 25.01.2013
auf Veranlassung des bescheinigenden Arztes in einer psychosomatischen
Klinik in Bad Pyrmont ambulant vorgestellt. Diese Vorstellung erfolgte im
Hinblick auf eine geplante stationäre Aufnahme.
Der Kläger wendete unter Einsatz seiner Bahncard für die Hin- und
Rückfahrkarte der Deutschen Bahn insgesamt 18,70 € auf. Für die Hin- und
Rückreise von seiner Wohnung zum Hauptbahnhof in Hannover setzte der
Kläger seine Mobilcard ein.
Anfang Februar 2013 beantragte der Kläger eine Beihilfe für seine
Fahrtkosten. Zunächst lehnte die Beklagte eine Beihilfe hierfür mit Bescheid
vom 14.02.2013 insgesamt ab.
Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Widerspruch ein und reichte eine
am 28.06.2013 erfolgte „Verordnung einer Krankenbeförderung“ für eine vor-
oder nachstationäre Krankenhausbehandlung am 25.01.2013 bei der
Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 25.09.2013 gewährte nunmehr die Beklagte für die
Fahrtkosten eine Beihilfe iHv. 6,09 €. Bei der Berechnung ging sie von
Fahrtkosten iHv. 18,70 € aus, setzte hiervon insgesamt 10 € als Eigenanteil ab
und gewährte auf den verbleibenden Rest von 8,70 € eine Beihilfe
entsprechend dem Bemessungssatz von 70 v.H.
Auch gegen diesen Bescheid vom 25.09.2013 legte der Kläger Widerspruch
ein. Die Fahrtkosten von seiner Wohnung zum Bahnhof und zurück seien
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unberücksichtigt geblieben. Der Beihilfeverordnungsgeber habe nicht geregelt,
dass der Einsatz einer privaten Monatskarte zum Ausschluss von
Erstattungsansprüchen führe. Der niedrige Preis der Zugfahrkarte sei nur
durch den Einsatz seiner Bahncard erzielt worden. Die Kosten der Bahncard
müssten deshalb ebenfalls anteilig berücksichtigt werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid
vom 28.11.2013, zugestellt am 04.12.2013, zurück.
Der Kläger hat am 03.01.2014 Klage erhoben.
Er trägt vor: Die Beklagte habe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26
Abs. 2 NBhVO anerkannt. Deshalb seien seine Aufwendungen für seine
Mobilcard und die Bahncard mit zu berücksichtigen. Es liege eine
Ungleichbehandlung mit Beamten vor, die mit dem eigenen Kfz fahren. Wegen
seiner Schwerbehinderung könne er nicht selbst mit dem Auto fahren. Damit
liege eine verfassungswidrige ungerechtfertigte mittelbare
Ungleichbehandlung vor.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.09.2013 und den
Widerspruchsbescheid vom 28.11.2013 aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, ihm, den Kläger, die Beihilfe in voller Höhe von 32,94 €
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Klage entgegen.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und
mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer
einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2
und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO
weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Das Gericht versteht das Aufhebungsbegehren des Klägers dahingehend,
dass er nur insoweit den Bescheid der Beklagten vom 25.09.2013 aufgehoben
haben möchte, wie er seinem Verpflichtungsbegehren entgegensteht. Denn
soweit die Beklagte nunmehr eine Beihilfe zu den Fahrtkosten bereits bewilligt
hat, ist der Kläger dadurch nur begünstigt und nicht beschwert. Die so
verstandene Klage ist zulässige, jedoch unbegründet. Der angefochtene
Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der
Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitergehende Beihilfe.
Die Beklagte zieht als Rechtsgrundlage für eine Fahrtkostenerstattung § 26
Abs. 2 Nr. 3 NBhVO heran. Danach sind Aufwendungen für andere als in
Absatz 1 der Vorschrift genannten Rettungsfahrten nur beihilfefähig, wenn die
Fahrt ärztlich verordnet ist und die Fahrten im Zusammenhang mit einer vor-
oder nachstationären Behandlung stehen, wenn durch die vor- oder
nachstationäre Behandlung eine andernfalls medizinisch gebotene stationäre
Krankenhausbehandlung verkürzt oder vermieden werden kann.
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Das Gericht hat bereits seine Zweifel, ob die von der Beklagten angenommene
Rechtsgrundlage hier überhaupt einen Anspruch auf die bereits bewilligte
Beihilfe begründet. Zwar wurde die Fahrt - nachträglich - noch verordnet. Nach
der Bescheinigung des Dr. C. vom 18.03.2013 fuhr der Kläger aber nur nach
Bad Pyrmont, um sich für eine geplante stationäre Aufnahme ambulant
vorzustellen. Dass dadurch eine medizinisch gebotene stationäre
Krankenhausbehandlung verkürzt oder vermieden wurde, ergibt sich nicht aus
der Bescheinigung und wurde vom Kläger auch sonst nicht dargelegt.
Letztendlich muss dies hier nicht abschließend entschieden werden. Eine wohl
rechtswidrige Beihilfegewährung insoweit begünstigt den Kläger nur und
verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Jedenfalls lässt sich aus § 26 Abs. 2 Nr. 3
NBhVO kein Anspruch auf die vom Kläger begehrte weitergehende
Fahrtkostenerstattung ableiten. Auch die übrigen Regelungen des NBhVO,
insbesondere die weiteren Tatbestände des § 26 NBhVO, bieten dafür keine
Anspruchsgrundlage.
Als Fahrtkosten sind gem. § 26 Abs. 4 NBhVO die tatsächlichen
Aufwendungen bis zur Höhe der niedrigsten Kosten eines regelmäßig
verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels beihilfefähig. Tatsächlich hat der
Kläger für die Hin- und Rückfahrt nach Bad Pyrmont am 25.01.2013
ausweislich der vorgelegten Bahnfahrkarte einen Betrag von 18,70 €
aufgewendet.
Die beihilfefähigen Aufwendungen mindern sich jedoch nach § 45 Abs. 1 Nr. 3
NBVO um einen Eigenbehalt in Höhe von 10 Prozent, jedoch mindestens fünf
und höchstens zehn Euro, jedoch jeweils nicht um mehr als die tatsächlichen
beihilfefähigen Aufwendungen bei Fahrten. Der Eigenanteil berechnet sich
dabei je einfacher Fahrt (vgl. zu dieser Frage auch VG Hannover, Beschluss
vom 29.04.2004 - 7 B 1907/04 - hinsichtlich der Vorschriften zum SGB V, die
aber der Verordnungsgeber wirkungsgleich auf die Beihilfe übertragen wollte).
Mithin waren hier - wie geschehen -zweimal jeweils fünf Euro Eigenanteil
abzusetzen. Vom verbleidenden Restbetrag hat die Beklagte korrekt die
Beihilfe nach dem Bemessungssatz von 70 v.H. berechnet.
Die Monatskarte des örtlichen ÖPNV-Unternehmens und die Bahncard 25 hat
sich der Kläger privat gekauft. Die Beklagte hat den Kläger nicht dazu
verpflichtet. Da er aufgrund der Monatskarte ohne zusätzliche Aufwendungen
zum Hauptbahnhof und wieder zurück gelangen konnte, fehlt es entsprechend
auch an einem Beihilfeanspruch. Auch hinsichtlich der Bahnfahrkarte hat der
Kläger tatsächlich durch den Einsatz seiner privaten Bahncard nur
Aufwendungen von 18,70 € gehabt. Dass er seine Monatskarte (Mobilcard)
und seine Bahncard privat angeschafft hat, ändert nichts an dem Umstand,
dass seine tatsächlichen beihilfefähigen Aufwendungen sich durch deren
Verwendung verringert haben. Die gegenüber dem Dienstherrn bestehende
Treuepflicht gebietet es im Übrigen auch, dass ein Beamter - soweit er im
Besitz solcher Karten ist - diese für Reisen einsetzt, um damit mögliche
Erstattungsleistungen des Dienstherrn zu mindern. Für einen - ggf. anteiligen -
Ersatz der Kosten der GVH-Monatskarte und der Bahncard findet sich weder
im Beihilferecht noch sonst eine Anspruchsgrundlage. Diese folgt auch nicht
aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht. Die Kosten dieser Karten sind
Kosten der normalen Lebensführung.
Grundsätzlich sind nach § 26 Abs. 4 NBhVO nur die tatsächlichen
Aufwendungen bis zur Höhe der niedrigsten Kosten eines regelmäßig
verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels beihilfefähig. Lediglich dann, wenn
ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benutzt werden konnte, kommt eine
Fahrtkostenerstattung für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges in Betracht. Da
das Krankenhaus in Bad Pyrmont für den Kläger aber ohne weiteres mit
öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen war, kann er schon deshalb keine
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höheren Aufwendungen geltend machen. Deshalb spielt es auch absolut
keine Rolle, ob der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung nun überhaupt
in der Lage gewesen wäre, ein Kraftfahrzeug zu benutzen oder nicht. Für eine
„mittelbare Diskriminierung“ des Klägers aufgrund einer Behinderung kann im
vorliegenden Fall nicht die Rede sein.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3
und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.