Urteil des VG Hannover vom 21.02.2014

VG Hannover: aufschiebende wirkung, grundsatz der öffentlichkeit, persönliche daten, wirtschaftliches interesse, subjektives recht, erlass, zwangsgeld, vollziehung, verwaltungsakt, androhung

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Zu den Anforderungen an ein Hausverbot für
Gerichtsgebäude in einem Einzelfall
VG Osnabrück 6. Kammer, Beschluss vom 21.02.2014, 6 B 3/14
Tenor
Die in dem mit Klage vom 17.1.2014 - 6 A 13/14 - angefochtenen Bescheid
des Antragsgegners vom 12.12.2013 unter Ziffer 2 angeordnete sofortige
Vollziehung wird bis zum 30.6.2014 mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass
die Antragstellerin
1. anberaumte Termine wahrnehmen kann, zu denen ihr als
Verfahrensbeteiligte oder Bevollmächtigte eines Verfahrensbeteiligten
Zutritt zu gewähren ist;
2. zur Abgabe von Erklärungen zur Niederschrift beim Antragsgegner als
Verfahrensbeteiligte oder Bevollmächtigte eines Verfahrensbeteiligten
nach vorheriger telefonischer Terminsvereinbarung die ihr hierfür vom
Antragsgegner zu benennende Räumlichkeit aufsuchen kann.
Mit Wirkung ab dem 1.7.2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage
bezüglich der Anordnung zu Ziffer 1 des Bescheids wiederhergestellt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird hinsichtlich der unter Ziffer 3 des
Bescheids ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin zu 2/3, der
Antragsgegner zu 1/3.
Der Streitwert wird auf 2500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen ein ihr unter Anordnung der sofortigen
Vollziehung erteiltes und bis zum 31.12.2014 befristetes Hausverbot.
Nach gegenwärtiger Sachlage verfolgte die Antragstellerin das Interesse,
persönliche Daten, die in einem Gutachten enthalten sind, das in einem
Versteigerungsverfahren eingeholt wurde, entfernt zu bekommen. Über ihren
diesbezüglichen Rechtsbehelf hat das Beschwerdegericht abschließend mit
Beschluss vom 12.7.2013 abschlägig entschieden. Am Freitag, den
11.10.2013, sprach die Antragstellerin in Verfolgung ihres Anliegens beim
Antragsgegner vor. Die sachbearbeitende Rechtspflegerin war im Urlaub. In
ihrer Vertretung nahm eine dienstführende Rechtspflegerin einen Antrag der
Antragstellerin entgegen, stellte ihr in Aussicht, dass zumindest das
Geburtsdatum aus dem Gutachten gestrichen werden könne. Die
Antragstellerin wurde auf die Rückkehr der sachbearbeitenden Rechtspflegerin
am folgenden Montag verwiesen. Diese fand bei ihrem Dienstantritt den
Aktenvorgang nebst Antrag auf ihrem Schreibtisch vor. Gegen 8.30 Uhr
erschien die Antragstellerin bei ihr. Sie lehnte eine Neubefassung mit dem
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Antrag der Antragstellerin unter Hinweis auf die abschlägige
Beschwerdeentscheidung ab. Die nachfolgende verbale Auseinandersetzung
beider führte dazu, dass die Rechtspflegerin Gerichtswachtmeister zu ihrer
Unterstützung anforderte. Im weiteren Fortgang wurden Polizeikräfte
angefordert, um die Antragstellerin entfernen zu lassen. Unter Einsatz
körperlicher Gewalt entfernten die Polizeikräfte die sog. passiven Widerstand
leistende Antragstellerin.
Ergänzend wird insbesondere wegen des Hergangs der dem angegriffenen
Hausverbot zugrunde gelegten Ereignisse im Einzelnen auf den
beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners, insbesondere auf
die Aktenvermerke der sachbearbeitenden Rechtspflegerin vom 14.11.2012,
14.10.2013 sowie undatiert zum Aktenzeichen - E. - sowie einen unleserlich
unterzeichneten Vermerk vom 7.1.2013 zum Aktenzeichen - F. - und die mit
Vermerk vom 31.10.2013 protokollierten dienstlichen Äußerungen sowie die
per Fragebogen von mehreren Beschäftigten eingeholten dienstlichen
Stellungnahmen, u.a. des zu dem Vorfall hinzugezogenen
Gerichtswachtmeisters, Bezug genommen.
Ausweislich eines Vermerks vom 31.10.2013 teilte die Polizei zur
Vorgangsnummer G. mit, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Widerstands
gegen die Staatsgewalt und Hausfriedensbruchs eingeleitet sei.
Am 31.10.2013 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin unter
Übersendung des Vermerks der sachbearbeitenden Rechtspflegerin vom
14.10.2013 zum beabsichtigten Erlass eines Hausverbots an. Mit
Stellungnahme ihrer Bevollmächtigten widersprach die Antragstellerin. Mit
Bescheid vom 12.12.2013, zugestellt am 20.12.2013, erteilte der
Antragsgegner ihr ein Hausverbot für alle Räumlichkeiten des Antragsgegners.
Auf die vorgenannten Schriftstücke wird wegen deren Inhalts Bezug
genommen.
Die Antragstellerin hat am 17.1.2014 Klage erhoben - 6 A 13/14 - und die
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Sie macht geltend, der
Antragsgegner habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt, das Hausverbot
sei jedenfalls unverhältnismäßig und es habe keine hinreichende
Interessenabwägung zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit
stattgefunden. Sie sei keinesfalls „unangekündigt“ im Büro der Rechtspflegerin
erschienen, sondern habe bereits am Freitag zuvor vorgesprochen (wird
ausgeführt). Sie habe keinen Hausfriedensbruch begangen, denn weder von
der Rechtspflegerin noch vom Wachtmeister sei erklärt worden, dass sie das
Büro verlassen solle. Sie habe die Rechtspflegerin nicht bedroht oder beleidigt.
Es habe eine rein verbale Auseinandersetzung gegeben. Sie habe lediglich
nachdrücklich Aufklärung über den Umfang der persönlichen Daten sowie die
Anzahl der Gutachten gefordert. Dass ihr ein Auskunftsanspruch zustehe,
könne nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Sie habe gefordert, die Angelegenheit
„hier und jetzt“ zu regeln, also ihr die Auskünfte zu erteilen. Einen Verweis auf
eine schriftliche Erläuterung habe es nicht gegeben; hierauf hätte sie sich auch
nicht einlassen müssen, zumal es um relativ einfach zu beantwortende Fragen
gegangen sei. Richtig sei, dass sie mit massiver Polizeigewalt aus dem
Gebäude verbracht worden sei; die Verhältnismäßigkeit dieses Einsatzes
werde gesondert zu beurteilen sein. Die Arbeitsabläufe seien allenfalls durch
den Polizeieinsatz bzw. die Polizeikräfte gestört worden. Ihr „Geschrei“ sei
erfolgt, weil sie sich „willkürlicher Polizeigewalt ausgesetzt sah und insoweit um
Hilfe schrie“ und „nach einem Anwalt“ verlangt habe. - Die
Unverhältnismäßigkeit folge daraus, dass ihr ein Einzelfall vorgehalten werde,
was nicht die Nachhaltigkeit einer Störung des Hausfriedens begründen
könne. Zu Unrecht werde ihr ein „aggressives Verhalten“ vorgeworfen; dies
habe der Antragsgegner nicht dargelegt. Sein Schluss, sie werde auch
zukünftig Störungen begehen, sei unbegründet. Als milderes Mittel habe es
ausgereicht, ihr ein Hausverbot zunächst für den Wiederholungsfall
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anzudrohen. - Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ausreichend
begründet worden. Es würden vielmehr ausschließlich die zur Begründung des
Hausverbots herangezogenen Aspekte wiederholt, ohne ein besonderes
öffentliches Interesse darzulegen. - Das Zwangsgeld sei weder in konkreter
Höhe angedroht noch ausreichend begründet worden.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er macht geltend, die Antragstellerin sei am Vorfallstag unangekündigt im Büro
der Rechtspflegerin erschienen. Im Gesprächsverlauf - wird im Einzelnen
dargelegt - habe die Antragstellerin der Rechtspflegerin vorgeworfen, er
herrschten „rechtlose, archaische Zustände“ und diese habe „jede
Bodenhaftung verloren“. Die Rechtspflegerin habe die Antragstellerin
aufgefordert, ihr Büro zu verlassen. Auch nach Ankündigung, einen
Wachtmeister zu holen, sei diese indes geblieben. Der Wachtmeister habe die
Antragstellerin vergeblich zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert. Die
Antragstellerin habe stattdessen auf Sachfragen beharrt und der Aufforderung
zum Gehen nicht Folge geleistet. Zwei angeforderte Polizeibeamte hätten
versucht, die Antragstellerin mit körperlicher Gewalt zu entfernen. Diese habe
sich hiergegen gesperrt und sei zu Boden gefallen. Sie habe sich weiterhin
geweigert, das Büro zu verlassen. Unter Zuziehung weiterer zwei
Polizeibeamter habe die lauthals um Hilfe schreiende Antragstellerin
schließlich entfernt werden können. Der Vorfall habe annähernd eine Stunde
gedauert und einen erheblichen Personaleinsatz gefordert. Hierdurch und
durch das Geschrei der Antragstellerin seien die Arbeitsabläufe erheblich
beeinträchtigt worden. Eine ähnliche Verhaltensweise habe die Antragstellerin
bereits am 29.10.2012 an den Tag gelegt, trotz Aufforderung das Büro der
Rechtspflegerin nicht verlassen und erklärt, „die Akte wegnehmen und selbst
Hand anlegen“ zu wollen und sie lasse die Rechtspflegerin „nicht gehen
… wenn sie ihr die Akte nicht geben würde“. Bei derartigen unangekündigten
Besuchen, wie auch beim Landgericht am 7.1.2013, sei die Antragstellerin mit
Argumenten und Erklärungen nicht zu erreichen. Ihre Interessen seien mit der
Ausgestaltung des Hausverbots angemessen berücksichtigt. Das
Vollzugsinteresse sei mit der Notwendigkeit des sofortigen Schutzes der
Bediensteten und Besucher des Gerichtsgebäudes hinreichend begründet.
Die Zwangsgeldandrohung sei dahingehend auszulegen, dass ein
Zwangsgeld von 10.000.- € angedroht worden sei. Ein eventueller „Mangel in
der Bestimmtheit“ sei „jedenfalls nachholbar“. Deshalb werde der
Antragstellerin „hiermit hilfsweise für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die
Untersagung nach Ziffer 1. des Beschlusses vom 12.12.2013 die Festsetzung
eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 € angedroht“. Die Höhe des
Zwangsgelds orientiere sich an dem Interesse an der Befolgung des
Hausverbots und bewege sich „im unteren Bereich des Rahmens von § 67
Abs. 1 Nds. SOG“.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze,
wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat teilweise Erfolg.
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO
ist eröffnet. Für die Frage, ob für ein Hausverbot das öffentliche Recht oder das
Privatrecht gilt, ist mangels eines öffentlich-rechtlichen Sonderrechts
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maßgeblich darauf abzustellen, welche Rechtsnormen die
Rechtsbeziehungen der Beteiligten und damit das Hausverbot prägen. Davon
ausgehend ist das hier ausgesprochene Hausverbot öffentlich-rechtlicher
Natur. In einem Gerichtsgebäude steht das Hausrecht dem Behördenleiter als
einem Organ der Justizverwaltung zu.
Ein öffentlich-rechtliches Hausverbot stellt einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, der mit der Anfechtungsklage
angefochten werden kann. Einstweiliger Rechtsschutz kann daher gegen eine
solche Maßnahme nach den Bestimmungen des § 80 VwGO in Anspruch
genommen werden.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der Antragsgegner die
Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend im Sinne des § 80 Abs. 3
VwGO begründet. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn eine
einzelfallbezogene und nicht lediglich „formelhafte“ Begründung vorliegt, die
über die Gründe hinausgeht, die für die Maßnahme selbst maßgeblich waren.
Im vorliegenden Fall genügt die Sofortvollzugsanordnung den vorstehenden
Anforderungen. Die dafür gegebene Begründung beschränkt sich nicht auf die
Wiedergabe der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Hausverbots als
solchem. Vielmehr stellt der Antragsgegner darauf ab, dass der aus seiner
Sicht von der Antragstellerin ausgehenden Gefahr erneuter Störungen ohne
Verzug wirksam begegnet werden muss. Dass diese Einschätzung
maßgeblich aus der vorhergehenden Begründung für die zu vollziehende
Maßnahme selbst hergeleitet wird, liegt in der Natur der Sache und ändert im
Hinblick auf das Begründungserfordernis nichts an der Rechtmäßigkeit der
Sofortvollzugsanordnung, auch wenn die Antragstellerin die Einschätzung des
Antragsgegners in der Sache nicht teilt.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer
Klage anordnen oder wiederherstellen. Diese Entscheidung beruht auf einer
Abwägung der öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung einerseits
mit den Interessen des Rechtsschutzsuchenden an der vorläufigen
Aussetzung des angefochtenen Verwaltungsakts unter Berücksichtigung der
Erfolgsaussichten der Klage hinsichtlich des zur Hauptsache verfolgten
Rechtsschutzzieles andererseits. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze
überwiegen vorliegend im ausgesprochenen Umfang die öffentlichen
Interessen an der sofortigen Befolgung des Hausverbots durch die
Antragstellerin, wobei deren Interessen mit den ausgesprochenen inhaltlichen
Beschränkungen hinreichend gewahrt sind.
Das vom Direktor des Antragsgegners als Behördenleiter gegenüber der
Antragstellerin ausgesprochene Hausverbot findet seine
Ermächtigungsgrundlage in der Ausübung des gewohnheitsrechtlichen
Hausrechts. Das Hausrecht des Behördenleiters umfasst die Befugnis,
Ordnungsmaßnahmen zu treffen, um die Verwirklichung des
Widmungszwecks zu gewährleisten, Störungen des Dienst- einschließlich des
Sitzungsbetriebes abzuwenden, die Rechte der Mitarbeiter nach Maßgabe der
dienstrechtlichen Fürsorgepflicht und die Belange der übrigen Besucher der
Behörde zu wahren und dabei insbesondere auch über den Aufenthalt von
Personen in den Räumen des öffentlichen Gebäudes zu bestimmen.
Grenzen für die Ausübung des Hausrechts an Gerichtsgebäuden ergeben sich
dabei aus der behördlichen Aufgabenstellung eines Gerichts, insbesondere
der mit den subjektiven Rechten der Rechtsschutzsuchenden
korrespondierenden Verpflichtung zur Justizgewährleistung, und für
anberaumte (Gerichts-) Verhandlungen aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit
der Verhandlung sowie den sitzungspolizeilichen Befugnissen des
Vorsitzenden des erkennenden Gerichts. Bei Erlass eines öffentlich-
rechtlichen Hausverbots sind die Grundsätze des
Verwaltungsverfahrensrechts (§§ 1 Abs. 1 und 4, 2 Abs. 3 Nr. 1 Nds. VwVfG)
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zu beachten.
So ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Ausübung des
gewohnheitsrechtlichen Hausrechts nicht um eine gebundene, gesetzlich
verbindlich vorgegebene Entscheidung handelt, sondern dass die Verhängung
eines Hausverbotes im pflichtgemäßen Ermessen der Behördenleitung steht.
Da ein Hausverbot eine freiheitsverkürzende Maßnahme präventiven
Charakters darstellt, indem sie darauf abzielt, zukünftige Störungen des
Betriebsablaufs in der Behörde zu vermeiden, bedarf es entsprechend § 28
Abs. 1 BVwVfG regelmäßig der vorherigen (mündlichen oder schriftlichen)
Anhörung des Betroffenen. Ergeht ein Hausverbot nicht unmittelbar auf eine im
Gerichtsgebäude eskalierende Konfliktsituation, ist dem Betroffenen
grundsätzlich auch schriftlich der dem beabsichtigten Hausverbot
zugrundeliegende Sachverhalt zu schildern, die Verhängung des Verbots
anzukündigen und ihm Gelegenheit zu geben, sich vor dem Erlass des
Hausverbotes zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
Mit der Hausverbotsverfügung sind die Tatsachen zu benennen, die in
vorangegangener Zeit den Hausfrieden gestört haben. Weiter ist auszuführen,
dass und warum in Zukunft wieder mit Störungen zu rechnen und das
Hausverbot daher erforderlich ist, um erneute Vorfälle zu verhindern. Da eine
Behörde aber auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen
muss, ist ihr die Möglichkeit der Verhängung eines Hausverbotes erst dann
eröffnet, wenn es durch das Verhalten des Adressaten zu einer beachtlichen,
das heißt mehr als nur leichten und/oder vorübergehenden Beeinträchtigung
der öffentlichen Tätigkeit innerhalb der Behörde gekommen ist. Dies ist
anzunehmen, wenn der Dienstablauf nachhaltig gestört worden ist, weil
beispielsweise Bedienstete beleidigt werden oder der Besucher in nicht
hinnehmbarer Weise aggressiv reagiert und mit einer Wiederholung derartiger
Vorfälle zu rechnen ist.
Als Verwaltungsakt muss das öffentlich-rechtliche Hausverbot hinreichend
bestimmt sein (§ 37 Abs. 1 BVwVfG), das heißt, der Adressat, der
Geltungsbereich, die Art und die Dauer des Hausverbots müssen genau
bezeichnet werden. Ferner bedarf es einer Begründung unter Darlegung des
sanktionierten Sachverhalts und der wesentlichen Entscheidungsgründe (§ 39
Abs. 1 BVwVfG). Begründungsanforderungen erwachsen auch aus dem
Umstand, dass die Verhängung des Hausverbots dem allgemeinen Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Das Hausverbot muss auch die geeignete
Maßnahme sein, die verursachte Störung zu beenden und/oder für die Zukunft
den ordnungsgemäßen Ablauf der Geschäfte innerhalb des Gerichtsgebäudes
sicherzustellen, es muss gerade in Ansehung der für die Ausübung des
Hausrechts an Gerichtsgebäuden bestehenden Grenzen das mildeste in
Betracht kommende Mittel sein und es muss hinsichtlich des
Bezugsbereiches, für den es verhängt wird, sowie bezüglich seiner Dauer
auch insoweit angemessen sein, weshalb grundsätzlich mit der Verhängung
des Hausverbotes eine dementsprechende Befristung auszusprechen ist.
Dabei ist zu beachten, dass durch das Hausverbot nicht die Inanspruchnahme
von gesetzlich zu erbringenden Leistungen der Behörde verhindert wird.
Zudem ist gerade bei einer Ermessensentscheidung wie einem Hausverbot
die hinreichende Begründung von besonderer Bedeutung, weil sich nur so
feststellen lässt, ob die Behördenleitung das ihr zustehende Ermessen erkannt
und von diesem in sachgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat.
Mangelt es an einer dieser Voraussetzungen, so ist der Verwaltungsakt
rechtswidrig und im Hauptsacheverfahren vom Gericht aufzuheben, es sei
denn die Behörde zieht zuvor aus einer erkannten Rechtswidrigkeit die
Konsequenzen und hebt ihren Bescheid auf oder ändert diesen entsprechend
den rechtlichen Erfordernissen durch weiteren Bescheid ab.
In Ansehung dieser Rechtsgrundsätze spricht nach gegenwärtiger
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Erkenntnislage die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich das
gegen die Antragstellerin ausgesprochene Hausverbot - jedenfalls mit
Maßgabe der ausgesprochenen Einschränkungen - für den Zeitraum bis zum
30.6.2014, mithin für etwa 6 Monate, als rechtmäßig erweisen wird, hingegen
eine längere Dauer des Hausverbots im Licht des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als unangemessen und deshalb rechtswidrig
zu bewerten sein wird, weil es dieses Ausmaßes zur Vermeidung künftiger
Gefahrenlagen wegen einer voraussichtlich bereits hinreichenden Einwirkung
auf die Antragstellerin und einer dementsprechend zu erwartenden
Verhaltensänderung nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht bedarf.
Dabei begreift das erkennende Gericht die im Übrigen tenorierten
Beschränkungen als Auslegung des im angefochtenen Bescheid wohl
bewusst anstelle des zivilprozessualen Parteibegriffs verwendeten, einen
größeren Personenkreis umfassenden Beteiligtenbegriffs. Ob die
Antragstellerin bei Nachweis einer Bevollmächtigung ggf. an deren Ausübung
gehindert ist, mag sich ggf. aus einer erst nach der jeweils einschlägigen
Verfahrensordnung (vgl. z.B. § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ZPO) ergehenden
Entscheidung ergeben.
Eine ordnungsgemäße Anhörung der Antragstellerin nach § 28 BVwVfG vor
Erlass des Hausverbots hat stattgefunden. Sie ist schriftlich unter
Übersendung des die Vorkommnisse aus Sicht des Antragsgegners detailliert
schildernden Vermerks der Rechtspflegerin über die beabsichtigte Regelung
und deren Begründung informiert worden und hat sich hierzu über ihre
Bevollmächtigten inhaltlich einlassen können.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Hausverbots lagen nach
gegenwärtiger Sachlage vor. Danach kam es durch das Verhalten der
Antragstellerin am 14.10.2013 zu einer erheblichen Störung des
Dienstbetriebs, weil sich die Antragstellerin ohne hinreichenden Grund
wiederholt und hartnäckig weigerte, das Büro der Rechtspflegerin zu
verlassen, und diese dadurch daran hinderte, ihren dienstlichen Aufgaben
nachzugehen. Die beharrlich fortgesetzte Störung des Dienstbetriebs wurde
von der Antragstellerin offenkundig in Verkennung ihrer subjektiven Rechte in
Kauf genommen, um die Rechtspflegerin zu zwingen, ihren Wünschen zu
entsprechen. Dabei spielt es im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle, ob
die Antragstellerin - aus ihrer Sicht - die Rechtspflegerin nach Ankündigung
ihres Besuchs am Freitag zuvor oder - aus der Sicht der zu diesem Zeitpunkt
noch im Urlaub befindlichen und deshalb in Unkenntnis hiervon gebliebenen
Rechtspflegerin - insofern „unangekündigt“ bei dieser erschienen ist. Für eine
Berechtigung der Antragstellerin, das Verlassen des Büros und des Gebäudes
zu verweigern, besteht - nachdem das Gespräch seitens der Rechtspflegerin
ersichtlich für beendet erklärt worden war - keinerlei Anhaltspunkt.
Unzufriedene Antragsteller und Rechtsschutzsuchende sind auf die
Inanspruchnahme von förmlichen und nicht-förmlichen Rechtsbehelfen
verwiesen, aber nicht berechtigt, einen Amtswalter durch Einsatz von
„passiver“ oder „verbaler“ Gewalt zu einem Verhalten zu nötigen. Dabei stellt
sich dem Verwaltungsgericht nicht - wie die Antragstellerin wohl meint - die
Frage, ob sie verlangen kann, dass ihr seitens der Bediensteten des
Antragsgegners „auch auf spontan vorgebrachte Fragen fundierte Auskünfte
gegeben werden“. Hierauf kommt es nicht an und in dieser Allgemeinheit wäre
die Frage ohnehin zu verneinen. Jedenfalls ist es der Antragstellerin verwehrt,
ihr Begehren in der praktizierten Art und Weise im Wege der Selbsthilfe
durchzusetzen. In Anbetracht des Geschehensablaufs ist es auch vollkommen
unglaubhaft, wenn die Antragstellerin insoweit ohne nähere Substantiierung
behauptet, weder von der Rechtspflegerin noch vom Wachtmeister sei erklärt
worden, sie solle das Büro verlassen. Bereits die von der Rechtspflegerin
geschilderte Herbeirufung eines Wachtmeisters, erst recht die von
Polizeibeamten und der von der Antragstellerin geleistete Widerstand erklären
sich ausschließlich vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin sich
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weigerte, dem Verlangen der Bediensteten zu entsprechen, Büro und
Gebäude zu verlassen. Die Zuziehung von Vollstreckungskräften konnte auch
unzweideutig gar keinem anderen Zweck dienen. Ob das Verhalten der
Antragstellerin letztlich im strafrechtlichen Sinn einen Hausfriedensbruch
darstellt, ist hierbei nicht entscheidungserheblich. Nicht das Verhalten der
Antragstellerin, sondern den durch ihr Verhalten erforderlich gewordenen
Polizeieinsatz als Störung des Dienstbetriebs anzusehen, wie es die
Antragstellerin vortragen lässt, hieße wegen der Zurechenbarkeit der
Einsatzfolgen zum Verhalten der Antragstellerin jedoch, die Dinge auf den
Kopf zu stellen. Gerade weil ein so erheblicher, vom üblichen Dienstbetrieb
abweichender und diesen störender Einsatz von Ordnungskräften wegen des
Verhaltens der Antragstellerin erforderlich wurde, stellte ihr Verhalten - und
damit auch ihr „Geschrei“ - eine besonders nachhaltige Störung des
Dienstbetriebs dar. Soweit sie meint, ihr werde zu Unrecht ein „aggressives
Verhalten“ vorgeworfen, verkennt die Antragstellerin, dass auch die intensive
und beharrliche Störung anderer durch „passiven“ und „verbalen“ Widerstand
als ein im Wortsinn aggressives, nämlich ein an den anderen „herangehendes“
und diesen „angreifendes“, Verhalten bewertet werden kann.
Aufgrund von Dauer und Intensität des Vorfalls und seiner
Begleiterscheinungen steht auch außer Frage, dass die Befürchtung des
Antragsgegners berechtigt ist, es könne aus derzeitiger Sicht erneut zu
Störungen des Dienstbetriebs durch die Antragstellerin kommen. Bei dieser
Prognose hat der Antragsgegner neben der besonderen Intensität des Vorfalls
am 14.10.2013 zu Recht die von mehreren Bediensteten ausgemachte
Uneinsichtigkeit der Antragstellerin wie auch das von diesen beobachtete
fordernde und unzureichend vernunftgesteuerte Verhalten einbezogen, das
angesichts ihrer Bereitschaft zur kompromisslos erscheinenden und betont
beharrlichen Verfolgung beanspruchter Rechtsstellungen eine ausgeprägte
Prädisposition vermuten lässt, sich künftig erneut störend zu verhalten.
Allein der Umstand, dass es sich insofern um einen „Einzelfall“ - so die
Antragstellerin - gehandelt hat, als die Antragstellerin ausweislich der
aktenkundigen Angaben verschiedener Bediensteter des Antragsgegners ihr
als uneinsichtig und beharrlich empfundenes Verhalten zuvor nicht in
vergleichbarer Weise auf die Spitze getrieben hat, sondern schließlich doch
bereit war, das Büro bzw. Gebäude zu verlassen, steht angesichts von Dauer
und Intensität des Vorfalls am 14.10.2014 weder der Annahme einer ein
Hausverbot rechtfertigenden hinreichend gravierenden Störung des
Dienstbetriebs noch der Prognose zu befürchtender künftiger Störungen
entgegen.
Waren somit die Voraussetzungen für den Erlass eines Hausverbots insoweit
gegeben, begegnet es keinen durchgreifenden Zweifeln, dass eine solche
Maßnahme im Sinn des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geeignet ist, die
Gefahr weiterer vergleichbarer Störungen seitens der Antragstellerin
auszuschließen oder jedenfalls zu verringern. Das Hausverbot war indes nicht
in vollem Umfang im Sinn dieses Rechtsgrundsatzes erforderlich, denn auch
eine in zeitlicher Hinsicht begrenztere und mit Zwangsmitteln tatsächlich
durchzusetzende Maßnahme - hier von der Dauer eines halben Jahres - ist
jedenfalls im ersten Zugriff nach Einschätzung der Kammer ausreichend, eine
maßgebende Verhaltensänderung der Antragstellerin herbeizuführen. Insoweit
ist nicht erkennbar, dass es bereits zum jetzigen Zeitpunkt eines länger
dauernden Hausverbotes bedürfte, um eine hinreichende Wirkung zu erzielen.
Auch die erkennbar gewordene Bereitschaft der Antragstellerin, ihre
Interessenwahrnehmung massiv zu betreiben und die Belange anderer dabei
zu ignorieren, begründet noch nicht die Annahme, ein halbjähriges Hausverbot
sei nicht in gleichem Maße geeignet, sondern es bedürfe bereits zum jetzigen
Zeitpunkt einer längerwährenden Maßnahme. Eine Uneinsichtigkeit oder
Unbelehrbarkeit als solche gereicht der Antragstellerin dabei solange nicht
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zum Nachteil, wie dies nicht - wie am Vorfallstag - in einer
darüberhinausgehenden Störung des dienstlichen Betriebs kulminiert.
Einsichtsfähigkeit und -bereitschaft wird auch der Antragsgegner von ihr nicht
verlangen, muss sich mit deren Fehlen allerdings auch nur in Grenzen
auseinandersetzen. Diese Grenzen hat die Antragstellerin überschritten. Um
sie ihr aufzuzeigen genügt indes ein zeitlich begrenzteres Hausverbot, dessen
obere Grenze nach Auffassung der Kammer in Anbetracht der Umstände des
vorliegenden Einzelfalls wie ausgesprochen festzulegen ist. Ein solchermaßen
zeitlich und - wie klarstellend ausgesprochen - auch inhaltlich begrenztes
Hausverbot wahrt weitgehend die Möglichkeiten der Antragstellerin, in
Verfolgung ihrer Interessen beim Antragsgegner vorstellig zu werden und mit
diesem in Kontakt zu treten. Ein subjektives Recht, sich vollkommen grundlos
in den Räumlichkeiten des Antragsgegners aufzuhalten, steht der
Antragstellerin nicht zu und wird von ihr auch nicht geltend gemacht. Ihr wird
zwar die Verfolgung ihrer Anliegen dadurch erschwert, dass sie - sofern nicht
bereits die Terminsbestimmung vom Gericht erfolgte - sich zuvor anmelden
und vom Antragsgegner angeordnete Begleitumstände wie eine Begleitung
während ihres Aufenthalts durch einen Justizwachtmeister vergegenwärtigen
muss. Dabei bleibt ihr indes durch die ausgesprochenen Beschränkungen des
Hausverbots bei Hinnahme dieser Kautelen eine in der Sache
uneingeschränkte Verfolgung ihr berechtigt erscheinender Interessen im
Umfang der dem Antragsgegner obliegenden Aufgaben möglich, ohne dass
insofern eine qualitative oder quantitative Beschränkung der Wahrung
subjektiver Rechte für die Antragstellerin zu befürchten wäre, so dass auch
das Gericht entsprechend seinem Aufgabenkreis seiner besonderen Funktion
auch ihr gegenüber in vollem Umfang entsprechen kann.
Die unter Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene
Zwangsgeldandrohung ist mit der gewählten Formulierung „von bis zu“ nicht -
entgegen ihrem klaren Wortlaut - auslegungsfähig und deshalb rechtswidrig.
Gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG muss sich die Androhung auf ein
bestimmtes Zwangsmittel beziehen und ein Zwangsgeld ist nach Abs. 5 der
Bestimmung in bestimmter Höhe anzudrohen. Das bedeutet, dass das
angedrohte Zwangsgeld konkret zu beziffern ist. Der Antragsgegner hat indes
mit seiner Formulierung nur einen noch der Konkretisierung bedürftigen und
deshalb unzureichenden Rahmen angegeben (vgl. Sadler, VwVG VwZG,
7. Auflage, § 13 VwVG Rn. 120 m.w.N.). Insoweit ist die aufschiebende
Wirkung, die der Klage gemäß § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG fehlt, anzuordnen.
Soweit der Antragsgegner seinen Bescheid durch Schriftsatz im vorliegenden
Verfahren durch eine „hilfsweise“ getroffene Änderung ergänzt hat, stellt sich
dies wohl bereits deshalb als rechtswidrig dar, weil die Verbindlichkeit einer
durch Verwaltungsakt getroffenen Anordnung nicht von der Beurteilung der
Rechtsfrage der Rechtmäßigkeit einer anderen Regelung abhängig gemacht
werden kann. Jedenfalls fehlt es jedoch an tragfähigen Anhaltspunkten dafür,
dass es einer Zwangsgeldandrohung in dieser Höhe bedürfte, um mittels der
mit der Androhung verbundenen Einwirkung auf die Antragstellerin die
bezweckte Änderung deren Verhaltens durchzusetzen. Nicht nachvollziehbar
ist dabei die Einschätzung des Antragsgegners, ein solches Zwangsgeld
bewege sich „im unteren Bereich“ des gesetzlichen Rahmens von 5 bis
50.000 € (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG). Für ein nach § 67 Abs. 1 Satz 2 Nds.
SOG relevantes wirtschaftliches Interesse der Antragstellerin ist nichts
erkennbar; im Übrigen hat der Antragsgegner diese Bestimmung auch gar
nicht in den Blick genommen. In Höhe von 10.000 € ist die Androhung weder
erforderlich noch angemessen und deshalb wegen Verletzung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtswidrig (vgl. Sadler, a.a.O., § 11
VwVG Rn. 34 zum Rahmen des § 11 Abs. 3 VwVG), weshalb die
aufschiebende Wirkung der Klage insoweit anzuordnen ist. Bei einer künftigen
beharrlichen Uneinsichtigkeit der Antragstellerin könnten wiederholte
Zwangsgelder „verhältnismäßig“ erhöht werden (vgl. Sadler, wie vor). Die
Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung lässt jedoch den
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Grundverwaltungsakt unberührt und erfordert lediglich ggf. die Wiederholung
der Androhung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG (Ziffer
1.5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, Beilage 2/2013
zu NVwZ Heft 23/2013).