Urteil des VG Göttingen vom 09.01.2014

VG Göttingen: leiter, abberufung, die post, versetzung, verfügung, zur unzeit, berufliche wiedereingliederung, asthma bronchiale, erfüllung, öffentliche sicherheit

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Zurruhesetzungsverfügung ist rechtmäßig; kein
Schadensersatzanspruch wegen Mobbings
Rechtmäßigkeit der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit
hängt nicht davon ab, ob die Dienstunfähigkeit vom Dienstherren zu
vertreten ist. Beim Schadensersatzanspruch wegen Mobbings auf
Grundlage der in § 45 BeamtStG normierten Fürsorgepflicht des
Dienstherren gilt der in § 839 Abs. 3 BGB geregelte
Mitverschuldensgedanke entsprechend.
VG Göttingen 1. Kammer, Urteil vom 09.01.2014, 1 A 28/12
§ 26 Abs 1 BeamtStG, § 45 BeamtStG, § 839 Abs 3 BGB, § 43 Abs 2 BG ND
Tatbestand
Der Kläger wendet sich hauptsächlich gegen seine Versetzung in den
Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.
Er ist am XX.XX.XX geboren und war bis zum XX.XX.1983 als Kreisinspektor
beim Landkreis D. beschäftigt. Zum XX.XX.1983 trat er in den Dienst der
Beklagten über und war dort im J. tätig. Am XX.XX.1989 wurde er zum
Stadtoberinspektor ernannt. Am X.X.1992 wurde er mit der Vertretung des
Amtsleiters des J. beauftragt. Am XX.XX.1994 wurde er zum Stadtamtmann
ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11
Bundesbesoldungsgesetz eingewiesen. Zum XX.XX.2001 wurde er zum
Rechnungsprüfungsamt versetzt und zum Leiter des Rechnungsprüfungsamts
der Beklagten berufen.
Während seiner Tätigkeit als Leiter des Rechnungsprüfungsamts kam es zu
schwerwiegenden Auseinandersetzungen zwischen ihm und der Beklagten.
Der Kläger war der Auffassung, dass die Beklagte mehrfach gegen
Rechtsvorschriften verstoßen und ihn bei seiner Amtsausübung behindert
hätte. Seinen Antrag auf kommunalaufsichtsrechtliches Einschreiten gegen die
Beklagte lehnte der Landkreis D. als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde
mit Verfügung vom 01.08.2003 ab. Auch danach hielt der Kläger seine
Vorwürfe aufrecht und versuchte, die Kommunalaufsichtsbehörde in weiteren
Schreiben von seiner Rechtsauffassung zu überzeugen. Der Rat der
Beklagten beschloss am 25.09.2003, ihn als Leiter des
Rechnungsprüfungsamts abzuberufen, weil eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sei. Nach Zustimmung der
Kommunalaufsicht wurde der Kläger mit Verfügung vom 06.11.2003 als Leiter
des Rechnungsprüfungsamts und als Prüfer abberufen und mit Wirkung vom
07.11.2003 zum Fachbereich 1 in den Bereich Öffentliche Sicherheit und
Ordnung, Feuerschutz, auf die Stelle eines Sachbearbeiters im
Straßenverkehrsrecht umgesetzt. Hiergegen legte er Widerspruch ein und
stellte beim erkennenden Gericht einen Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes (Az.: 3 B 416/03). In dem gerichtlichen Erörterungstermin vom
17.12.2003 nahm er seinen Widerspruch gegen die Abberufungs- und
Umsetzungsverfügung und seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtschutzes zurück. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren wurde vom
Gericht eingestellt. Zum 01.02.2004 wurde der Kläger mit seinem
Einverständnis innerhalb des Fachbereichs 1 zum Bereich Soziales auf die
Stelle eines Sachbearbeiters umgesetzt.
Am 07.09.2004 teilte der Kläger dem Bürgermeister der Beklagten mit, dass er
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wegen der von ihm als Leiter des Rechnungsprüfungsamts aufgedeckten
Vorgänge die Staatsanwaltschaft K. eingeschaltet habe. Mit Bescheid vom
13.01.2006 teilte die Staatsanwaltschaft K. dem Kläger mit, dass es keine
ausreichenden Anhaltspunkte gebe, um gegen Mitarbeiter der Beklagten
Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsnahme u.a. einzuleiten (Az.: 62 Js
34943/05, Bl. 11 der Strafakte). Die hiergegen eingelegten Beschwerden des
Klägers wiesen die Generalstaatsanwaltschaft L. und das Niedersächsische
Justizministerium mit Bescheiden vom 16.06.2006 (Az.: XX Zs XX/06, Bl. 63
der Strafakte) und 15.03.2007 (Az.: XX E – S 2.XX/XX, Bl. 209 der Strafakte)
jeweils zurück. Die auf Veranlassung des Klägers aufgenommenen
Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Beklagten wegen Untreue aufgrund der
Anschaffung eines Dienstwagens stellte die Staatsanwaltschaft K. mit
bestandskräftigem Bescheid vom 20.02.2007 (Az.: NZS XX Js XX/05, Bl. 192
der Strafakte) ein. Die vom Kläger veranlassten Ermittlungsverfahren gegen
den ehemaligen Stadtdirektor der Beklagten M., den derzeitigen Bürgermeister
N., den ehemaligen Ersten Stadtrat O., den Mitarbeiter P. und die Mitarbeiterin
Q. wegen Rechtsbeugung, Nötigung, Körperverletzung (durch Mobbing) und
Beleidigung stellte die Staatsanwaltschaft K. mit Bescheid vom 30.04.2007
gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein (Az.: NZS XX Js XX/06, Bl. 181 der Strafakte).
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers wies die
Generalstaatsanwaltschaft L. mit Bescheid vom 09.08.2007 zurück (Az.: XX Zs
XX/07, Bl. 189 der Strafakte). Der Kläger nahm Kontakt zur Presse auf, um die
angezeigten Vorgänge öffentlich zu machen. Er wollte seinen guten Ruf
wiederhergestellt wissen und wieder als Leiter des Rechnungsprüfungsamts
eingesetzt werden. Nachdem Bürgermeister N. Letzteres in einem Gespräch
mit dem Kläger im September 2004 ablehnte, zog der Kläger seinen Antrag auf
Rückumsetzung in das Rechnungsprüfungsamt zurück.
Am 24.06.2005 hatte der Kläger im Dienst eine starke Auseinandersetzung mit
einem Sozialleistungsempfänger und fühlte sich von diesem bedroht. Er
beantragte am selben Tag seine sofortige Umsetzung in einen anderen
Fachbereich, da das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem
Fachbereichsleiter P. unüberwindbar gestört sei. Er fühle sich von Herrn P.
gedemütigt und kontrolliert; er habe den Eindruck, Herr P. wolle ihn in die
Dienstunfähigkeit treiben.
Nachdem der Kläger seit dem 24.06.2005 krankgeschrieben war, wurde er am
14.10.2005 vom Gesundheitsamt des Landkreises R. auf seine Dienstfähigkeit
untersucht. Die Amtsärztin Frau Dr. S. kam in ihrem Gutachten vom
06.02.2006 zu dem Ergebnis, dass der Kläger am Untersuchungstag nicht
dienstfähig gewesen sei. Der Kläger fühle sich nach eigenen Angaben
psychisch völlig erledigt, weil er im Dienst 2 ½ Jahre lang gemobbt worden sei.
Er leide unter Erschöpfungszuständen, Schlaflosigkeit, Rückenschmerzen und
allergischen Beschwerden. Es sei jedoch damit zu rechnen, dass unter
Berücksichtigung seiner bereits begonnenen Psychotherapie, seiner nerven-
und hausärztlichen Behandlung er in 3 ½ bis 4 Monaten wieder als
Stadtamtmann dienstfähig sei. Aus amtsärztlicher Sicht erscheine es sinnvoll,
ihn auf einem stressarmen Arbeitsplatz einzusetzen.
Am 15.03.2006 trat der Kläger seinen Dienst bei der Beklagten im Fachbereich
1, Bereich Soziales und Senioren, wieder an. Er hatte sich mit seinem
Fachbereichsleiter P. ausgesprochen und war an einer Umsetzung in einen
anderen Fachbereich nicht mehr interessiert. Ihm wurden Aufgaben ohne
unmittelbaren Publikumsverkehr zugewiesen und er bearbeitete Rechtsfälle,
die nicht durchweg den Anforderungen einer nach A 11 bewerteten Stelle
entsprachen (Aktenvermerk vom 16.03.2006, Bl.102 Verwaltungsvorgang,
Beiakte A). Auch nach Wiederantritt seines Dienstes war der Kläger immer
wieder über kürzere und auch längere Zeiträume arbeitsunfähig erkrankt. In
der Zeit vom 26.01. bis 16.04.2009 unterzog er sich einer stationären
psychotherapeutischen Therapie. Seine anschließende Wiedereingliederung
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bei der Beklagten scheiterte. Er ist seit dem 26.03.2010 bis heute
arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 16.03.2010 setzte das
Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie für ihn
rückwirkend ab 15.06.2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 %
fest, wobei der Einzel-GdB mit 50 % für eine seelische Störung und mit 20 %
für eine Neurodermitis festgesetzt wurde.
Am 10.02.2011 wurde er erneut amtsärztlich durch das Gesundheitsamt des
Landkreises D. untersucht. Die Amtsärztin Frau Dr. T. gelangte in ihrem
Gutachten vom 22.03.2011 in der Fassung vom 01.04.2011 zu dem Ergebnis,
dass der Kläger für einen Dienst bei der Beklagten unabhängig von Arbeitszeit
oder Art der Aufgaben dauerhaft dienstunfähig sei. Mit Bescheid vom
27.05.2011 versetzte die Beklagte den Kläger unter Berücksichtigung des
amtsärztlichen Gutachtens mit Ablauf des 31.05.2012 wegen Dienstunfähigkeit
in den Ruhestand. Die Versetzungsverfügung wurde von Mitarbeitern der
Beklagten am 31.05.2011 um 14.10 Uhr in den Briefkasten des Klägers
eingeworfen (Bl. 222, 223 Verwaltungsvorgang, Beiakte A).
Mit Bescheid vom 28.06.2011 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers
auf finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen für die Jahre 2009, 2010 und
2011 ab. Während des Gerichtsverfahrens erkannte sie einen
Urlaubsabgeltungsanspruch i.H.v. 6.806,75 Euro an.
Der Kläger hat am 28.06.2011 Klage erhoben.
Er wendet sich vorrangig gegen seine Versetzung in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit, hilfsweise begehrt er Schadensersatz und die finanzielle
Abgeltung von Urlaubsansprüchen.
Er hält seine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit für
rechtswidrig, weil die Beklagte sich geweigert habe und weiterhin weigere, ihn
nach seiner Abberufung als Leiter des Rechnungsprüfungsamts zu
rehabilitieren. Seine Rehabilitation durch die Beklagte sei Voraussetzung, um
seine Dienstfähigkeit wieder voll herzustellen. Laut amtsärztlichem Gutachten
sei er lediglich für eine Tätigkeit bei der Beklagten dienstunfähig; dagegen sei
er bei einem anderen Dienstherrn und in einem Aufgabenbereich ohne
Kontroll- und Aufsichtsfunktion voll dienstfähig. Darüber hinaus könnte seine
Zurruhesetzung allenfalls zum 30.06.2011 wirksam werden, denn er habe von
der Zurruhesetzungsverfügung erst am Morgen des 01.06.2011 Kenntnis
erlangt, als er um 9.00 Uhr den Hausbriefkasten geleert habe. Unerheblich sei,
dass die Verfügung bereits am 31.05.2011 in seinen Hausbriefkasten
eingeworfen worden sei. Er sei nicht verpflichtet gewesen, nach 12.00 Uhr
nochmals in seinen Briefkasten zu schauen, denn in seinem Wohngebiet
werde die Post regelmäßig bis spätestens 12.00 Uhr verteilt.
Sollte das Gericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die
Zurruhesetzungsverfügung rechtmäßig sei, stehe ihm ein Anspruch auf
Schadensersatz für den Verdienstausfall wegen seiner vorzeitigen Versetzung
in den Ruhestand zu, denn die Beklagte habe seine Dienstunfähigkeit selbst
zu vertreten. Er sei aufgrund der Auseinandersetzungen mit der Beklagten, die
zu seiner Abberufung als Leiter des Rechnungsprüfungsamts geführt hätten,
und wegen der durch seine Abberufung erfolgten Degradierung krank
geworden. Nach seiner Umsetzung in den Fachbereich 1 sei er auch dort,
insbesondere von dem Fachbereichsleiter P., aber auch von weiteren
Mitarbeitern gemobbt worden, ohne dass die Beklagte hiergegen etwas
unternommen habe. Die Beklagte habe es auch versäumt, ihn als
Schwerbehinderten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften wieder in den
Dienst einzugliedern und ihm einen Dienstposten anzubieten, der seiner
Schwerbehinderung Rechnung trage. Hierzu sei sie aufgrund der nach § 84
Abs. 2 Sozialgesetzbuch IX mit dem Personalrat geschlossenen und am
01.01.2009 in Kraft getretenen Dienstvereinbarung zum Betrieblichen
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Eingliederungsmanagement (BEM) verpflichtet gewesen (s. Bl. 155 und 206
Gerichtsakte – Dienstvereinbarung zum Betrieblichen
Eingliederungsmanagement –). Ihre Pflicht zur betrieblichen Eingliederung
habe die Beklagte auch gegenüber neun weiteren
Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen, die ebenfalls über Monate arbeitsunfähig
gewesen bzw. es weiterhin seien, verletzt. (s. Bl. 157 Gerichtsakte).
Der Kläger beantragt,
den Zurruhesetzungsbescheid der Beklagten vom 27.05.2011
aufzuheben,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm durch
seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit
entstanden ist und entstehen wird, konkret die Differenz zwischen seiner
bisherigen Besoldung nach A 11 Bundesbesoldungsgesetz und dem
Ruhegehalt, das er wegen seiner vorzeitigen Versetzung in den
Ruhestand bis zum Zeitpunkt seiner planmäßigen Versetzung in den
Ruhestand am 31.08.2014 erhält, und die Differenz zwischen seinem
regulären Ruhegehalt bei Erreichen der Pensionsaltersgrenze und dem
von ihm unter Berücksichtigung seiner vorzeitigen Versetzung in den
Ruhestand zukünftig zu beanspruchenden Ruhegehalt zu ersetzen.
Soweit der Kläger darüber hinaus hilfsweise beantragt hatte, den Bescheid der
Beklagten vom 28.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm
Urlaubsansprüche für die Jahre 2009, 2010 und für den Zeitraum vom 01.01.
bis 31.05.2011 finanziell abzugelten, haben die Beteiligten das Verfahren in
dem Erörterungstermin vom 09.01.2014 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Zurruhesetzungsverfügung unter Berücksichtigung des
amtsärztlichen Gutachtens von Frau Dr. T. für rechtmäßig. Die Verfügung sei
dem Kläger spätestens am 31.05.2011 zugegangen, denn an diesem Tag
habe er ab 14.10 Uhr die Möglichkeit gehabt, von der
Zurruhesetzungsverfügung Kenntnis zu nehmen. Mit seiner Kenntnisnahme
an diesem Tag habe die Beklagte auch rechnen dürfen. Die Ansicht des
Klägers, mit einer Briefkastenleerung dürfe nur am Vormittag gerechnet
werden, sei überholt. Sowohl die Deutsche Post AG als auch andere Anbieter
würden auch nachmittags zustellen. Insofern würden bis 18.00 Uhr in den
Briefkasten eingeworfene Briefe als am selben Tag zugegangen gelten.
Der Hilfsantrag auf Schadensersatz wegen Mobbings sei bereits unzulässig,
denn insoweit käme nur ein Amtshaftungsanspruch in Betracht, sodass das
Landgericht zuständig sei. Darüber hinaus habe der Kläger es versäumt, vor
Erhebung der Klage einen Schadensersatzantrag bei der Beklagten zu stellen.
Der Schadensersatzanspruch sei aber auch unbegründet. Die Abberufung des
Klägers als Leiter des Rechnungsprüfungsamts am 06.11.2003 sei rechtmäßig
gewesen. Auch für die Zeit danach seien der Beklagten keinerlei
Rechtsverstöße vorzuwerfen. Sie habe aus jedem sachlichen Grund den
Aufgabenbereich des Klägers verändern bzw. den Kläger umsetzen dürfen,
solange ihm ein amtsangemessener Aufgabenbereich verblieben sei und sich
keine finanziellen Nachteile für ihn ergeben hätten. Dies sei der Fall gewesen.
Ihr könne nicht vorgeworfen werden, sich nicht ausreichend um eine berufliche
Wiedereingliederung des Klägers bemüht zu haben. Mit dem Kläger hätten
zahlreiche Personalgespräche stattgefunden, die sich natürlich auch auf
seinen Gesundheitszustand und seine Arbeitsfähigkeit bezogen hätten. Weder
der Kläger selbst noch die Schwerbehindertenvertreterin der Beklagten hätten
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der zuständigen Personalstelle der Beklagten Handlungsempfehlungen
gegeben, die über die ärztlichen und von der Beklagten vollständig
umgesetzten Empfehlungen – keine Stresssituationen, kein Publikumsverkehr,
keine Prüfungstätigkeiten – hinausgegangen seien. Die Beklagte habe dem
Kläger mit seinem Einvernehmen einen seinem gesundheitlichen Zustand
entsprechenden Arbeitsplatz übertragen. Sein weitergehender Wunsch der
Rehabilitation durch Wiedereinsetzung als Leiter des Rechnungsprüfungsamts
wäre auch im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)
nicht erfüllt worden. Ungeachtet dessen habe der Kläger weder einen
Anspruch auf ein BEM-Gespräch geltend gemacht, noch sei es seine Aufgabe,
die Umsetzung der entsprechenden Dienstvereinbarung gegenüber der
Beklagten einzufordern; dies könne allenfalls der Personalrat. Die Frage der
Umsetzung des BEM sei nicht mehr relevant, da seit 2012 das Betriebliche
Eingliederungsmanagement bei der Beklagten stattfinde. Mit den vom Kläger
genannten Beschäftigten seien inzwischen fruchtbare „BEM-Gespräche“
geführt worden.
Das Gericht hat am 09.08.2013 einen Erörterungs- und Beweistermin
durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom
09.08.2013 Bezug genommen (Bl. 449 ff. Gerichtsakte). Mit Beschluss vom
10.12.2013 hat das Gericht weitere Beweisanträge des Klägers abgelehnt.
Insoweit wird auf diesen Beschluss Bezug genommen (Bl. 591 Gerichtsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringen der
Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die vom Gericht beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die von der Staatsanwaltschaft K.
beigezogenen Strafakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Klageverfahren wird in entsprechender Anwendung des § 92 Ab. 3 Satz 1
VwGO eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der
Urlaubsabgeltung übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen hat
die Klage keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 27.05.2011, mit welchem der Kläger gemäß
§ 26 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – und § 43 Abs. 2 Niedersächsisches
Beamtengesetz – NBG – mit Ablauf des 31.05.2011 wegen Dienstunfähigkeit
in den Ruhestand versetzt worden ist, ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) sind
Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu
versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus
gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig
(dienstunfähig) sind. Die Dienstunfähigkeit ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 NBG
aufgrund einer ärztlichen Untersuchung (§ 45 Abs. 1 NBG) festzustellen. Nach
§ 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG soll von der Versetzung in den Ruhestand
abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist; dies ist
der Fall, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben
oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann (§ 26 Abs. 2 Satz 1
BeamtStG). Als dienstunfähig kann nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch
angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von
sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine
Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem
Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.
Diese Frist ist in § 43 Abs. 2 NBG auf sechs Monate festgesetzt.
§ 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begrenzt den Kreis der möglichen Ursachen der
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Unfähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten auf den körperlichen Zustand des
Beamten sowie auf gesundheitliche Gründe. Zur Erfüllung des Begriffs der
Dienstunfähigkeit reicht es aus, wenn die geistig-seelische Verfassung des
Beamten mit Blick auf die Erfüllung seiner amtsgemäßen Dienstgeschäfte
bedeutende und dauernde Abweichungen vom Normalbild eines in dieser
Hinsicht tauglichen Beamten aufweist. Dabei ist diese Abweichung nicht an
dem Normalbild eines im medizinischen Sinn gesunden Menschen zu
messen, sondern an der Verfassung eines vergleichbaren und
durchschnittlichen, zur Erfüllung seiner amtsgemäßen Dienstgeschäfte
tauglichen Amtsinhabers. Es ist daher maßgebend, ob der Beamte aufgrund
seiner gesamten Konstitution und seines Verhaltens, ohne dass eine
Erkrankung im engeren Sinne vorliegen muss, zur Erfüllung seiner
Dienstpflichten dauernd unfähig ist (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht,
Beschluss vom 06.09.2007 - 5 ME 236/07 -, juris; VGH Baden-Württemberg,
Beschluss vom 03.02.2005 - 4 S 2398/04 -, NVwZ-RR 2006, 200). Bei der
Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (z. B. Urteil vom 27.02.1992 - 2 C 45/89 -, DVBl
1992, 912) nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen, sondern es
sind die Auswirkungen seiner körperlichen Beeinträchtigungen auf seine
Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu
erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb
entscheidend. Es kommt nicht allein und ausschlaggebend auf Art und
Ausmaß der einzelnen körperlichen Beeinträchtigungen, den objektiven
ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an,
sondern vielmehr darauf, ob der Beamte aufgrund seiner gesamten
Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Aus
diesem Grund stellt die ärztliche Begutachtung nicht das einzige und allein
ausschlaggebende Beweismittel für die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit
dar (BVerwG, Urteil vom 27.02.1992, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Dabei
ist für die Feststellung der Dienstunfähigkeit nicht erforderlich, dass dem
Beamten die Fähigkeit zur Dienstleistung vollständig verloren gegangen ist. Er
ist auch dann dienstunfähig, wenn er seinen Dienstpflichten infolge der
gesundheitlichen Mängel nur unter Umständen nachkommen kann, die mit
den dienstlichen Anforderungen nicht vereinbar sind, und hierdurch der
ordnungsgemäße Ablauf der Dienstgeschäfte unzumutbar erschwert wird
(OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.03.2009 - 6 A 2615/05 -
, ZBR 2009, 347 m.w.N.). Eine zur Dienstunfähigkeit im jeweiligen Amt
führende Beeinträchtigung kann deshalb beispielsweise bereits vorliegen,
wenn der Beamte wegen seiner geistig-seelischen Konstitution schon
unterhalb der Schwelle einer psychischen Erkrankung nicht mehr imstande ist,
seine Pflicht zur harmonischen Zusammenarbeit mit den übrigen Bediensteten
oder seinen Vorgesetzen zu erfüllen, und dadurch den Verwaltungsablauf
erheblich beeinträchtigt.
Prüfungsmaßstab der vom Dienstherrn zu stellenden Prognose sind die
Anforderungen des dem Beamten zuletzt übertragenen Amts im abstrakt-
funktionellen Sinn, begrenzt auf die Behörde, der der Beamte angehört. Nicht
entscheidend ist, dass der Beamte die Aufgaben bewältigen kann, die ihm das
konkret-funktionelle Amt, d. h. der Dienstposten, stellt (ständige
Rechtsprechung des BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 23.09.2004 - 2 C 27/03 -,
BVerwGE 122, 53, m.w.N.). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der
Beamte nicht dienstunfähig ist, wenn er in der Beschäftigungsbehörde auf
einem anderen Dienstposten verwendet werden kann, der seinem
statusrechtlichen Amt entspricht (Kümmel, a.a.O., Rn. 12 m.w.N.). Der Kläger
hatte zuletzt das abstrakt – funktionelle Amt eines Stadtamtmann (A 11) bei der
Beklagten inne; als konkret – funktionelles Amt war ihm der Dienstposten eines
Sachbearbeiters im Fachbereich 1, Bereich Soziales und Senioren,
übertragen.
In zeitlicher Hinsicht beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung
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eines Beamten danach, ob die zuständige Behörde im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung nach den ihr zur Verfügung stehenden
Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Betroffene dauernd dienstunfähig
ist, sodass danach eingetretene Veränderungen nicht zu berücksichtigen sind
(BVerwG, Urteil vom 16.10.1997 - 2 C 7.97 -, BVerwGE 105, 267, m. w. N. zum
inhaltsgleichen § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG in der bis zum 11.02.2009 geltenden
Fassung). Dauernde Dienstunfähigkeit liegt vor, wenn die Wiederherstellung
der Dienstfähigkeit des Beamten nach den Erkenntnissen der Behörde in
absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist. Nach diesem Maßstab ist die
Zurruhesetzungsverfügung vom 27.05.2011 rechtmäßig. Der Kläger war im
Erlasszeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung dienstunfähig.
Er hatte zu diesem Zeitpunkt innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten mehr
als 3 Monate keinen Dienst getan und nach den vorliegenden ärztlichen
Gutachten bestand auch keine Aussicht, dass seine Dienstfähigkeit innerhalb
einer Frist von 6 Monaten wieder voll hergestellt werden kann. Er war seit
24.06.2005 immer wieder über längere Zeiträume arbeitsunfähig erkrankt und
wurde erstmals am 14.10.2005 vorübergehend als dienstunfähig beurteilt. Seit
26.03.2010 ist er durchgehend bis heute arbeitsunfähig erkrankt. Seine
Erkrankung ist psychischer Natur und steht im Zusammenhang mit seinem
Dienst bei der Beklagten. Laut amtsärztlichem Gutachten vom 22.03.2011 in
der Fassung vom 01.04.2011 und nervenfachärztlich-psychotherapeutischer
Stellungnahme zum amtsärztlichen Gutachten von Dr. U., Nervenfacharzt –
Psychotherapie, vom 04.05.2011, liegen beim Kläger folgende Erkrankungen
vor: mittelgradige depressive Episode mit somatischen Symptomen,
narzisstische Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften Zügen, chronische
Schlafstörung, Asthma bronchiale und Neurodermitis. Der Kläger befindet sich
seit 21.04.2008 in nervenfachärztlicher, psychotherapeutischer Behandlung
bei Dr. U., ohne dass seine Arbeitsfähigkeit langfristig wieder hergestellt
werden konnte. Dr. U. stellte aufgrund klinischer und testpsychologischer
Untersuchungen bereits in seiner nervenfachärztlichen Stellungnahme vom
13.09.2008 (Bl. 160 Verwaltungsvorgang, Beiakte A) einen klaren
Zusammenhang zwischen dem Krankheitsbild des Klägers und dienstlichen
Vorgängen fest. Eine von ihm empfohlene und vom Kläger in der Zeit vom
26.01. bis 16.04.2009 durchgeführte stationäre psychotherapeutische
Therapie führte nicht zu einer langfristigen Verbesserung des
Gesundheitszustands des Klägers. Ein anschließender
Wiedereingliederungsversuch bei der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Dementsprechend gelangte die Amtsärztin Frau Dr. T. In ihrem Gutachten zu
dem Ergebnis, dass der Kläger unabhängig von Arbeitszeit und Art der
Aufgaben für einen Dienst in der Verwaltung der Beklagten dauerhaft
dienstunfähig sei. Ursache für die gesundheitlichen Probleme des Klägers sei
die Entwicklung erheblicher Unstimmigkeiten zwischen ihm und seiner
Dienstherrin seit dem Jahr 2003. Der Kläger sehe sich selbst gesundheitlich
nicht in der Lage, seinen Dienst wieder aufzunehmen, solange die Beklagte
ihn nicht rehabilitiere und wieder als Leiter des Rechnungsprüfungsamts
einsetze. Zurzeit finde lediglich eine homöopathische und eine Asthmatherapie
statt. Eine Therapie der psychischen Erkrankung des Klägers sei von
verschiedenen Therapeuten einschließlich seines behandelnden Psychiaters
Dr. U. abgelehnt worden, da eine solche Therapie ohne Rehabilitation des
Klägers durch seine Dienstherrin für zwecklos gehalten werde. Da die vom
Kläger gewünschte Rehabilitation offenbar nicht realisierbar sei und eine
Therapie deshalb nicht stattfinde, scheide auch die Möglichkeit aus, dass der
Kläger im Rahmen einer Therapie Bewältigungsstrategien zum Umgang mit
unliebsamen und als ungerecht empfundenen Umständen lerne. Gerade dies
wäre bei seiner Persönlichkeitsstruktur aber notwendig, um seine
Dienstfähigkeit bei der Beklagten wieder herzustellen und seine Lebensqualität
zu verbessern. Der Konflikt könne also nicht aufgelöst werden. Unter den
gegebenen Umständen bleibe der Kläger für einen Dienst in der Verwaltung
der Beklagten dauerhaft dienstunfähig. Bei einem anderen Dienstherrn und
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einer Aufgabe ohne Kontroll- und Aufsichtsfunktion wäre dagegen von seiner
vollen Dienstfähigkeit auszugehen.
Demnach beurteilt Frau Dr. T. den Kläger eindeutig als dienstunfähig für den
Dienst bei der Beklagten. Das amtsärztliche Gutachten ist hier maßgebend. Es
gibt keinerlei Anhaltspunkte, die eine andere Beurteilung erfordern. Die
Einschätzung, dass der Kläger für jede Art von Aufgaben bei der Beklagten
dienstunfähig sei, ist nachvollziehbar, denn seit seiner Abberufung als Leiter
des Rechnungsprüfungsamts hatte der Kläger verschiedene Dienstposten
inne und ist trotzdem auf unabsehbare Zeit erkrankt. Es spricht auch nichts
dafür, dass im Erlasszeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung er als Leiter des
Rechnungsprüfungsamts dienstfähig gewesen wäre, denn dieses Amt
beinhaltet eine reine Kontroll- und Aufsichtsfunktion, die er laut amtsärztlichem
Gutachten selbst bei einem anderen Dienstherrn nicht hätte ausüben können.
Der Kläger hadert bis heute mit seiner Abberufung als Leiter des
Rechnungsprüfungsamts. Er kann nicht akzeptieren, dass
Kommunalaufsichtsbehörde und Staatsanwaltschaft ihm „nicht recht gegeben
haben“ und ist nicht zuletzt deshalb langfristig erkrankt. Unter Berücksichtigung
der nach wie vor bestehenden Konflikte zwischen ihm und der Beklagten war
deshalb nicht zu erwarten, dass er dem Amt als Rechnungsprüfer
gesundheitlich gewachsen gewesen wäre. Hinzu kommt, dass nach seiner
bestandskräftigen Abberufung von diesem Amt die Beklagte nicht verpflichtet
war, ihn dort wieder einzusetzen.
Unerheblich für die Beurteilung der Dienstfähigkeit ist, dass Dr. T. den Kläger
für Aufgaben ohne Kontroll- und Aufsichtsfunktion bei jedem anderen
Dienstherrn für dienstfähig hält, denn die Dienstfähigkeit nach § 26 BeamtStG
beurteilt sich allein danach, ob der Beamte seinen Dienst bei seinem
derzeitigen Dienstherrn ausüben kann. Soweit Dr. T. in ihrem Gutachten
Überlegungen zu weiteren Therapiemöglichkeiten für den Kläger anstellt, die
allerdings nur nach dessen vorheriger Rehabilitation durch die Beklagte
erfolgversprechend sein könnten, steht auch dies der Annahme der
Dienstunfähigkeit des Klägers nicht entgegen. Diese Überlegungen betreffen
die Frage, wie die Dienstfähigkeit des Klägers wiederhergestellt werden
könnte. Unerheblich für die Feststellung der Dienstunfähigkeit ist auch, ob –
wie der Kläger behauptet – die Beklagte die Dienstunfähigkeit des Klägers in
rechtswidriger und schuldhafter Weise verursacht hat, denn dies würde nichts
daran ändern, dass der Kläger im Zeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung
tatsächlich seinen Dienst auf unabsehbare Zeit nicht ausüben konnte. Allein
dies ist entscheidend. Die Beklagte musste auch die Behinderung des Klägers
nicht besonders berücksichtigen. Maßstab für die Frage der Dienstfähigkeit ist
bei behinderten ebenso wie bei nichtbehinderten Beamten, ob sie wegen ihres
körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer
Dienstpflichten dauernd unfähig sind (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom
09.07.2013 – 5 LB 99/13 – Rn. 38, zitiert nach juris). Dies war bei dem
Kläger der Fall.
Die Beklagte war auch nicht gehalten, von der Versetzung in den Ruhestand
gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG abzusehen. Danach soll
von der Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn eine
anderweitige Verwendung möglich ist. Eine anderweitige Verwendung ist
gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG möglich, wenn dem Beamten ein
anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden
kann. Dies setzt allerdings – ebenso wie die weiteren in §§ 26 Abs. 3, 27
BeamtStG vorgesehenen Verwendungen – voraus, dass der Beamte über ein
Restleistungsvermögen verfügt, das die Übertragung eines anderen Amts bzw.
Dienstpostens ermöglicht. Die Prüfung einer anderweitigen Verwendung ist
deshalb nur dann erforderlich, wenn der Beamte im Hinblick auf seinen
Gesundheitszustand tatsächlich anderweitig verwendbar ist (vgl.
Niedersächsisches OVG, Urteil vom 09.07.2013, a.a.O., Rn. 40 unter Hinweis
35
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auf Beschluss vom 16.01.2013 – 5 LA 228/12 –, juris Rn. 10). Eine solche
anderweitige Verwendungsfähigkeit bestand beim Kläger ausweislich des
amtsärztlichen Gutachtens vom 22.03.2011 nicht, denn danach ist er
unabhängig von Arbeitszeit oder Art der Aufgaben für einen Dienst in der
Verwaltung der Beklagten dauerhaft dienstunfähig.
Die Zurruhesetzungsverfügung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil
gegenüber dem Kläger kein betriebliches Eingliederungsmanagement nach §
84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch IX - SGB IX - stattgefunden hat. § 84 Abs. 2 SGB
IX findet im Rahmen beamtenrechtlicher Zurruhesetzungsverfahren im Sinne
von § 26 BeamtStG, welcher die Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung
des Beamten einschließt (s.o.), keine Berücksichtigung. Ist im Sinne von § 26
Abs. 1 Satz 1 BeamtStG nach der Prognose des Dienstherrn eine dauernde
Dienstunfähigkeit in Bezug auf das abstrakt-funktionelle Amt zu bejahen bzw.
gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG bei längeren Erkrankungen nicht von der
Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der durch Landesrecht
bestimmten Frist auszugehen und kommt im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 3,
Abs. 2 und 3 BeamtStG eine anderweitige Verwendung des Beamten nicht in
Betracht, ist für die Durchführung eines betrieblichen
Eingliederungsmanagements kein Raum mehr (so auch OVG des Landes
Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.06.2013 – 1 M 56/13 –, Rn. 12 zitiert nach
juris).
Die Versetzung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand ist, wie in dem
Bescheid vom 27.05.2011 ausgesprochen, mit Ablauf des 31.05.2011 wirksam
geworden. Die Zurruhesetzungverfügung ist dem Kläger am 31.05.2011
gemäß § 41 Abs. 1 VwVfG bekannt gegeben worden, da sie ihm an diesem
Tag zugegangen ist. Zugang liegt – entsprechend den zum Zivilrecht
entwickelten Grundsätzen – bereits vor, wenn eine Willenserklärung so in den
Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser bei gewöhnlichem
Verlauf und unter normalen Umständen unter Berücksichtigung der
Verkehrsanschauung die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen
(Stellkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 62). Die
Zurruhesetzungsverfügung wurde am 31.05.2011 um 14.10 Uhr von
Mitarbeitern der Beklagten in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen (s.
Bl. 222 Verwaltungsvorgang, Beiakte A), sodass der Kläger die Möglichkeit
hatte, noch am 31.05.2011 hiervon Kenntnis zu nehmen. Dem kann er nicht
mit Erfolg entgegen halten, tatsächlich erst am 01.06.2011 Kenntnis von der
Verfügung erlangt zu haben, weil die Post in seinem Wohnbereich regelmäßig
vormittags ausgetragen und er spätestens bis 12.00 Uhr eines Tages seinen
Briefkasten leere. Die Zurruhesetzungsverfügung wurde nicht zur Unzeit
(nachts oder in den späten Abendstunden), sondern mittags während der
üblichen Postzustellungszeiten in den Hausbriefkasten des Klägers
eingeworfen. In der heutigen Zeit, wo nicht nur die Deutsche Post, sondern
auch andere Unternehmen Post zustellen, kann man sich als Postempfänger
auch nicht darauf verlassen, dass nur einmal am Tag Post zugestellt wird.
Der Hilfsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Dem Kläger steht kein Anspruch
auf Schadensersatz gegenüber der Beklagten zu, weil diese seine
Dienstunfähigkeit rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführt hätte.
Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist der
Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für das
Begehren des Klägers ist der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch,
der sich aus der im Beamtenverhältnis wurzelnden und in § 45 BeamtStG
normierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten herleitet.
Der Kläger stützt seinen Schadensersatzanspruch auch auf eine Verletzung
der Fürsorgepflicht der Beklagten, indem er behauptet, die Beklagte habe ihre
Fürsorgepflicht ihm gegenüber verletzt, indem sie ihn gemobbt und hierdurch
seine Dienstunfähigkeit verursacht habe.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob unter Berücksichtigung der neueren
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Urteil vom 28.06.2001
– 2 C 48/00 –, juris) die Zulässigkeit einer beamtenrechtlichen
Schadensersatzklage voraussetzt, dass der Beamte vor Erhebung einer
solchen Klage einen Antrag auf Schadensersatz bei seinem Dienstherrn
gestellt hat (so noch BVerwG, Urteil vom 10.04.1997 – 2 C 38/95 –, juris),
woran es hier fehlt. Denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch
nicht zu. Der Kläger hat nicht den notwendigen Nachweis erbracht, dass die
Beklagte durch Mobbing ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger verletzt
und hierdurch seine Dienstunfähigkeit herbeigeführt hat.
Unter Mobbing im juristischen Sinne wird das systematische (fortgesetzte,
aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende) Anfeinden,
Schikanieren und Diskriminieren einer Person verstanden, das jedenfalls in
seiner Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso
geschützte Rechtsgüter wie Ehre oder Gesundheit des Betroffenen verletzt.
Mobbinghandlungen können von Vorgesetzten oder von Mitarbeitern
ausgehen. Ob ein derartiges systematisches Anfeinden, Schikanieren oder
Diskriminieren vorliegt, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab.
Dabei ist eine Abgrenzung zu dem in einem Betrieb allgemein üblichen oder
rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Nicht
jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen
bzw. Vorgesetzten und Untergebenen erfüllt bereits den Begriff „Mobbing“.
Kurzfristigen Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Kollegen fehlt in der
Regel schon die notwendige systematische Vorgehensweise. Auch wenn
einzelne Handlungen den Begriff des Mobbing nicht erfüllen, kann
möglicherweise die Gesamtheit der Handlungen als solches anzusehen sein.
Es muss jedoch zwischen den einzelnen Handlungen im juristischen Sinne ein
Fortsetzungszusammenhang bestehen (VG Regensburg, Urteil vom
20.03.2013 – RO 1 K 12.891 -, juris m. w Rechtsprechungshinweisen).
Soweit der Kläger den Vorwurf des Mobbings mit den Vorfällen begründet, die
im Jahr 2003 zu seiner Abberufung als Leiter des Rechnungsprüfungsamts
geführt haben, können diese Vorfälle im Rahmen des
Schadensersatzanspruchs keine Berücksichtigung finden. Nach dem auch im
Rahmen eines auf die Verletzung der Fürsorgepflicht gestützten
Schadensersatzanspruchs heranzuziehenden, in § 839 Abs. 3 BGB
geregelten Mitverschuldensgedanken (VG Regensburg, a.a.O., Rn. 57) hat der
Kläger es versäumt, den insoweit geltend gemachten Schaden durch
Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, da er seinen Antrag auf
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und seinen Widerspruch gegen
seine Abberufung als Leiter des Rechnungsprüfungsamts jeweils
zurückgenommen hat und eine gerichtliche Entscheidung deshalb nicht
ergangen ist. Da die Vorfälle, die zur Abberufung des Klägers als Leiter des
Rechnungsprüfungsamts geführt haben, hier nicht mehr relevant sind, hat das
Gericht auch den Beweisantrag des Klägers vom 02.10.2013, über die
damaligen Vorfälle Beweis zu erheben, mit Beschluss vom 10.12.2013
abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung zu diesem
Beschluss Bezug genommen.
Aber auch soweit der Kläger den Vorwurf des Mobbings mit dienstlichen
Vorfällen begründet, die sich nach seiner Abberufung als Leiter des
Rechnungsprüfungsamts ereignet haben, ist der Beklagten eine Verletzung
ihrer Fürsorgepflicht nicht vorzuwerfen. Das Gericht hat in dem
Erörterungstermin und Termin zur Beweisaufnahme vom 09.08.2013 zu den
vom Kläger behaupteten Mobbingvorwürfen, ihm sei nach seiner Abberufung
als Leiter des Rechnungsprüfungsamts und seiner Umsetzung in den
Fachbereich 1 der Zugang zu seinem ehemaligen Dienstzimmer durch
Austauschen des Türschlosses versperrt worden, ihm seien z.T. seinem Amt
nicht angemessene Aufgaben übertragen worden, seiner Bitte, ihm andere
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Aufgaben zu übertragen, sei nicht nachgekommen worden, seinem
Umsetzungsantrag vom 24.06.2005 sei nicht entsprochen worden, ihm sei bei
der desolaten Aktenführung in seinem letzten Arbeitsbereich keine
Unterstützung durch die Führungsebene gewährt worden, er habe ein
Dienstzimmer im 4. Stockwerk des Rathauses erhalten, obwohl sich die
Diensträume des Bereichs Soziales im 1. und 2. Stockwerk des Rathauses
befunden hätten, die damalige Personalamtsleiterin Frau Q. sei im Winter
2006/2007, als die Diensträume nachts auf 11 bis 13 Grad ausgekühlt
gewesen seien, seinem Wunsch nach Heizradiatoren erst nach Androhung
rechtlicher Konsequenzen nachgekommen, Beweis erhoben und Frau Q. und
den damaligen und jetzigen Leiter Bereich Soziales bei der Beklagten, V. W.,
als Zeugen vernommen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme (sh. hierzu
Sitzungsniederschrift vom 09.08.2013) rechtfertigt den Mobbingvorwurf
gegenüber dem Kläger nicht.
Zwar hat die Zeugin Q. bestätigt, dass sie nach der Abberufung des Klägers
als Leiter des Rechnungsprüfungsamts am 07.11.2003 das Türschloss des
ehemaligen Dienstzimmers des Klägers habe austauschen lassen. Hierfür gab
es jedoch einen sachlichen Grund; der Kläger wurde hierdurch nicht bewusst
schikaniert und diskriminiert. Da die Zeugin gewusst habe, dass der Kläger mit
seiner Abberufung nicht einverstanden gewesen sei, habe sie befürchtet, dass
er sein Dienstzimmer nicht räumen werde und die neue Leiterin des
Rechnungsprüfungsamts ihren Dienst dort nicht aufnehmen könne. Soweit die
Zeugin sich nicht mehr daran erinnern konnte, ob sie selbst dem Kläger am
06.11.2003 die Abberufung- und Umsetzungsverfügung ausgehändigt hatte,
erklärte sie, dass es wohl so gewesen sei, wenn der Kläger dies so vortrage.
Sie gehe davon aus, dass sie in diesem Zusammenhang mit dem Kläger ein
wahrscheinlich unerfreuliches Gespräch geführt habe und dass dieses
Gespräch ihr Anlass gegeben habe, das Türschloss auswechseln zu lassen.
Sie mache so etwas ja nicht ohne Grund und aus heiterem Himmel. Sie habe
auch deshalb befürchtet, der Kläger könnte sein Dienstzimmer nicht räumen,
weil dieser in der Vergangenheit mehrfach dienstliche Anordnungen nicht
befolgt habe und zu Sitzungsterminen nicht erschienen sei. Der Zeuge W. gab
an, damals lediglich gehört zu haben, dass das Türschloss im ehemaligen
Dienstzimmer des Klägers ausgewechselt worden sei. Er könne sich nicht
daran erinnern, dass dies damals im Kollegenkreis Gesprächsthema gewesen
sei. Weitere Angaben konnte er nicht machen.
Soweit der Kläger in einem Dienstzimmer im 4. Stockwerk des Rathauses
abseits von seinem Fachbereich untergebracht war, erklärte die Zeugin Q.,
andere Mitarbeiter seien in gleicher Weise betroffen gewesen (sh. hierzu im
einzelnen Sitzungsprotokoll Seite 5 4. Absatz). Es habe damals eine Raumnot
bestanden; das Rathaus D. sei aus allen Nähten geplatzt. Die Erstellung eines
neuen Raumkonzepts habe sich immer wieder verzögert. Die Verteilung der
Diensträume sei ein Dauerthema gewesen. Alle Mitarbeiter, die nicht direkt in
ihrem Fachbereich untergebracht gewesen seien, seien damit nicht glücklich
gewesen. Es habe eigentlich immer ein Ringen um Räume gegeben (sh.
hierzu Sitzungsprotokoll Seite 6 3. und 4. Absatz). Auch der Zeuge W.
bestätigte, dass aufgrund der begrenzten räumlichen Kapazitäten des
Rathauses D. nicht alle Mitarbeiter eines Bereichs auf einer Etage hätten
untergebracht werden können und dass dieses Problem noch heute bestünde.
Man habe aber versucht, Mitarbeiter mit gleichem Aufgabengebiet räumlich
zusammenzulegen. Aus diesem Grunde seien alle Sachbearbeiter mit
Publikumsverkehr im Bereich Soziales gemeinsam auf der ersten Etage
untergebracht gewesen. Der Kläger sei bewusst nicht dort untergebracht
worden, weil er ja gerade Probleme im Publikumsverkehr gehabt habe
(Sitzungsprotokoll S. 9 letzter Absatz). Demnach wurde dem Kläger aus
sachlichen Gründen ein Dienstzimmer in der vierten Etage zugewiesen und
nicht um ihn systematisch zu schikanieren und zu diskriminieren.
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Zu dem Vorwurf des Klägers, im Winter 2006/2007 seien ihm erst verspätet
Heizradiatoren zur Verfügung gestellt worden, erklärte die Zeugin Q., dass sie
sich hieran nicht erinnern könne. Mit der Heizung im Rathaus der Beklagten
habe es immer wieder Probleme gegeben. Hiervon seien mehrere Mitarbeiter
betroffen gewesen. Hierzu erklärte Herr X., der jetzige Leiter des Personalamts
bei der Beklagten, ergänzend, das Problem der unzureichenden Heizung im
Rathaus der Beklagten bestehe nach wie vor. Auch er selbst habe schon bei
13 Grad in seinem Dienstzimmer gesessen (sh. Seite 6 6. Absatz
Sitzungsniederschrift). Demnach rechtfertigt auch dieser Vorfall nicht den
Vorwurf des Klägers, er sei sozusagen absichtlich „gefrostet“ worden, um ihn
zu schikanieren und zu diskriminieren. Selbst wenn seine Behauptung zutrifft,
dass Frau Q. zunächst aus Kostengründen keine Heizradiatoren zur
Verfügung stellen wollte, wäre auch dies ein sachlicher Grund und würde nicht
den Mobbingvorwurf rechtfertigen.
Zu den Vorwürfen des Klägers, ihm seien teilweise seinem Amt nicht
angemessene Aufgaben übertragen worden, seiner Bitte, ihm andere
Aufgaben zu übertragen, sei nicht nachgekommen und auch seinem
Umsetzungsantrag vom 24.06.2005 sei nicht entsprochen worden, hat die
Zeugin Q. erklärt, zur Wertigkeit der dem Kläger im J. zugewiesenen Aufgaben
könne sie keine Angaben machen. Die Verteilung der Aufgaben sei Sache des
Amtsleiters. Die Stelle des Klägers (A 11) sei stets im Stellenplan ausgewiesen
gewesen. Der damalige Amtsleiter Herr P. habe darum gebeten, die Stelle
nicht voll auf den Stellenschlüssel des J. anzurechnen, um abzuwarten, wie
der Kläger unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes seine
Aufgaben bewältige. Was seinen Umsetzungsantrag vom 24.06.2005
anbetreffe, so sei es in der Tat nicht möglich gewesen, ihm eine A 11- Stelle in
einem anderen Fachbereich anzubieten. Bei einer kleinen Kommune wie der
Beklagten gebe es nur eine Hand voll A 11- Stellen, die von den
Fachbereichsleitern und dem Leiter des Rechnungsprüfungsamts besetzt
seien. Insofern habe sie keine andere Lösung gesehen, als dem Kläger
vorzuschlagen, sich mit Herrn P. auszusprechen und im Sozialbereich zu
verbleiben. Dies habe der Kläger dann auch getan. Letzteres findet seine
Bestätigung im Verwaltungsvorgang der Beklagten. Nach einem von der
Zeugin gefertigten Vermerk vom 16.03.2006 (Bl. 102 Verwaltungsvorgang,
Beiakte A) begrüßte die Zeugin den Kläger am 15.03.2006 wieder im Dienst.
Hinsichtlich seines Umsetzungsantrags habe der Kläger erklärt, dass er an
einer Umsetzung nicht mehr interessiert sei, da er sich mit seinem
Fachbereichsleiter Herrn P. ausgesprochen habe. Er würde gerne wieder im
Fachbereich 1 im Bereich Soziales arbeiten und dort Aufgaben ohne
Publikumsverkehr wahrnehmen, was ja jetzt der Fall sei. Demnach gab es
einen sachlichen Grund, dass dem Umsetzungsantrag des Klägers vom
24.06.2005 zunächst nicht entsprochen wurde; ab Mitte März 2006 war dieser
Umsetzungsantrag nicht mehr relevant. Insofern ist nicht ersichtlich, inwiefern
der Kläger im Zusammenhang mit seinem Umsetzungsantrag bewusst
schikaniert und diskriminiert worden sein könnte. Soweit dem Kläger nach der
Aussage des Zeugen W. (siehe hierzu Sitzungsprotokoll vom 09.08.2013 Bl. 8
und 9 bis einschließlich vierter Absatz) tatsächlich Aufgaben übertragen
wurden, die von ihrer Wertigkeit nicht einer A 11- Stelle entsprachen, und dies
seine Bestätigung in dem Aktenvermerk der Zeugin Q. vom 16.03.2006 findet,
geschah dies nach den weiteren Angaben des Zeugen W. nicht zuletzt aus
Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Klägers und weil der Kläger nicht
mehr im Publikumsverkehr habe arbeiten wollen (siehe hierzu Vermerk vom
16.03.2006). Nach seinem Dienstantritt im März 2006 erkrankte der Kläger
immer wieder, sodass laut Angabe des Zeugen W. der Kläger nicht so stark
habe belastet werden sollen. Demnach gab es durchaus sachliche Gründe,
warum dem Kläger auch geringerwertige Tätigkeiten zugewiesen wurden. Ein
bewusstes Schikanieren und Diskriminieren vermag das Gericht hierin nicht zu
erkennen. Hinzu kommt, dass der Kläger sich laut Aktenvermerk der Zeugin Q.
vom 16.03.2006 bei seinem Dienstantritt am 15.03.2006 selbst damit
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einverstanden erklärt hatte, auch geringerwertige Tätigkeiten zu übernehmen.
Laut Vermerk wurde er damals darauf hingewiesen, dass er im Bereich
Soziales schwierige Rechtfälle zu Bearbeitung erhalten würde, diese aber
nicht durchweg die Wertigkeit nach A 11 hätten. Hierzu habe der Kläger erklärt,
dies sei ihm bewusst, seine frühere Stelle im J. sei ja auch nur nach A 10
bewertet gewesen und er sehe hierin kein Problem. Soweit die weiteren
Angaben des Zeugen W. und des Klägers in dem Termin vom 09.08.2013
gezeigt haben, dass es unterschiedliche Auffassungen über den
Schwierigkeitsgrad der dem Kläger übertragenen Aufgaben gab und der
Kläger der Auffassung ist, dass ihm mehr oder weniger ausschließlich einfache
Fälle zur Bearbeitung übertragen worden seien, gab es damals offenbar
Meinungsverschiedenheiten über die Angemessenheit der dem Kläger
übertragenen Aufgaben. Dies rechtfertigt allerdings nicht den Vorwurf des
Mobbings gegenüber dem Kläger.
Auch der Vorwurf des Klägers, ihm sei bei der desolaten Aktenführung in dem
von ihm übernommen Arbeitsbereich keine Unterstützung von der
Führungsebene gewährt worden, rechtfertigt nicht den Vorwurf des Mobbings.
Nach der Aussage des Zeugen W. bestanden offensichtlich überschiedliche
Auffassungen darüber, inwieweit der Kläger für die Bearbeitung von
Rückforderungsfällen eine bestimmte Aktenaufbereitung durch die Mitarbeiter
der Leistungsabteilung im Bereich Soziales verlangen konnte. So hat der
Zeuge W. erklärt, es sei sicher zutreffend, dass die Leistungsakten, die
Grundlage der vom Kläger zu bearbeitenden Rückforderungsfällen gewesen
seien, nicht immer sogfältig genug geführt worden seien. Der Kläger habe
allerdings keinen Anspruch auf Vorlage entscheidungsreifer Vorgänge gehabt.
Die Sachbearbeiter seien nicht verpflichtet gewesen, ihm die Akten mit einer
Sachverhaltsdarstellung und einem Vorschlag für das weitere Vorgehen
vorzulegen. Dem Zeugen W. sei damals zugetragen worden, dass der Kläger
dies offenbar erwartet habe. Er selbst habe damals versucht, diese
Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und den Sachbearbeitern der
Leistungsabteilung auszugleichen. Der Mitarbeiter, der den Kläger während
dessen Erkrankungen vertreten habe, habe keine Probleme in der
Zusammenarbeit mit der Leistungsabteilung gehabt. Er habe den Kläger
damals auch nicht als unkollegial und kleinlich abgekanzelt. Er habe ihn
lediglich darauf hingewiesen, dass es seine Aufgabe sei, die Akte
durchzuarbeiten, und dass er von den Sachbearbeitern der Leistungsabteilung
keinen Entscheidungsvorschlag erwarten könne.
Soweit der Kläger auch gegen den früheren Fachbereichsleiter Herrn P.
Mobbingvorwürfe erhoben hat, konnte Herr P. aus gesundheitlichen Gründen
hierzu nicht als Zeuge vernommen werden. Der Kläger konnte die gegen Herrn
P. erhobenen Vorwürfe demnach nicht nachweisen. Ungeachtet dessen ist
aber bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers der Mobbingvorwurf auch
insoweit nicht gerechtfertigt. Soweit der Kläger seinen Vorwurf damit
begründet, er sei nach seiner Abberufung als Leiter des
Rechnungsprüfungsamts gezielt in den von Herrn P. geleiteten Fachbereich 1
umgesetzt worden, damit Herr P., der ein Duzfreund des damaligen
Hauptverwaltungsbeamten M. und dessen Stellvertreter O. gewesen sei, die
Möglichkeit gehabt hätte, ihn zu kontrollieren, einzuschüchtern und im Sinne
seiner Duzfreunde auszuspionieren; so sei Herr P. entgegen seiner sonstigen
Gewohnheit erst zwischen 8.00 und 8.30 Uhr im Dienst zu erscheinen,
mindestens zwei Wochen lang nach Dienstantritt des Klägers im Fachbereich
1 bereits um 6.30 Uhr in seinem Büro gewesen, um den Kläger zu kontrollieren
und sich davon zu überzeugen, dass dieser seinen Dienst ordnungsgemäß
antrete, ist nicht ersichtlich, inwiefern Herr P. den Kläger systematisch
schikaniert und diskriminiert haben sollte. So hatte Herr P. gar keine
Veranlassung, einen pünktlichen Dienstbeginn des Klägers zu kontrollieren, da
bei der Beklagten eine Gleitzeitregelung gilt und der Kläger nicht verpflichtet
war, um 6.30 Uhr in seinem Büro zu sein. Im Gegenteil könnte der frühere
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Dienstbeginn von Herrn P. auch als freundliche Geste gegenüber dem Kläger
gemeint gewesen sein, um diesem in der Anfangszeit als Ansprechpartner zur
Verfügung zu stehen. Soweit der Kläger behauptet, Herr P. habe ihm
gegenüber in beleidigender Weise geäußert, er, Herr P., hätte vermutet, der
Kläger werde einen gelben Schein (Krankmeldung) vorlegen, ist die
Behauptung unsubstantiiert und lässt nicht erkennen, worin genau der
beleidigende Inhalt der Äußerung gelegen haben soll. Auch die Behauptung
des Klägers, obwohl Herr P. gewusst habe, dass er, der Kläger, von einigen
Kollegen im Ordnungsamt als Wichtigtuer, Querulant, Brunnenvergifter,
Erbsenzähler und Unruhestifter beleidigt und gedemütigt worden sei, habe
Herr P. nichts dagegen unternommen, bietet keine Anhaltspunkte für ein
bewusstes Schikanieren und Diskriminieren durch Herrn P.. Denn der Kläger
hat zugleich erklärt, Herr P. habe – zwar um sich selbst zu schützen – immer
wieder betont, welch guter Mann der Kläger sei und dass er wisse, was er an
ihm habe. Demnach hat Herr P. dem Kläger nach dessen eigenen Angaben
durchaus zur Seite gestanden und nach außen hin verteidigt. Hierzu passt,
dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben in der Vergangenheit mit Herrn
P. befreundet war. Soweit der Kläger weiter vorträgt, sein wahres Gesicht habe
Herr P. gezeigt, als er ihm untersagt habe, während des Dienstes mit seinem
damaligen Anwalt Dr. Y. wegen seiner Abberufung als Leiter des
Rechnungsprüfungsamts zu telefonieren, hält das Gericht das Verlangen von
Herrn P., private Telefongespräche nicht während des Dienstes zu führen,
jedenfalls nicht für diskriminierend und schikanierend. Soweit der Kläger
behauptet, Herr P. habe ihm vom Kläger anvertraute Dinge sofort an den
Hauptverwaltungsbeamten und dessen Stellvertreter weitergegeben, handelt
es sich hierbei nach den eigenen Angaben des Klägers offensichtlich um eine
reine Vermutung. So hat der Kläger in dem Termin vom 09.08.2013
ausgeführt, er sei eines Tages von einer Mitarbeiterin angesprochen worden,
ob ihm nicht aufgefallen sei, dass Herr P. nach Gesprächen mit ihm sofort sein
Dienstzimmer verlasse und zum Bürgermeister oder Herrn O. gehe. Er
vermute, dass Herr P. die ihm vom Kläger anvertrauten Dinge dem
Bürgermeister und Ersten Stadtrat sofort weitererzählt habe. Einmal habe er
selbst beobachtet, wie Herr P. nach einem Gespräch mit ihm sofort das
Zimmer von Herrn O. aufgesucht habe. Diese Umstände allein rechtfertigen
sicher nicht die vom Kläger aufgestellte Behauptung.
Soweit der Kläger behauptet, nicht nur er, sondern auch andere Mitarbeiter der
Beklagten seien in gleicher oder ähnlicher Weise wie er selbst Repressalien
durch die Beklagte ausgesetzt gewesen, und hierzu einen Beweisantrag
gestellt hat, ist diese Frage für das vorliegende Verfahren unerheblich. Selbst
wenn andere Mitarbeiter der Beklagten gemobbt worden sein sollten, folgt
hieraus nicht, dass dies in gleicher Weise für den Kläger gilt. Aus diesem
Grund hat das Gericht den entsprechenden Beweisantrag mit Beschluss vom
10.12.2013 abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe dieses
Beschlusses Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 161 Abs. 2 Satz 1
VwGO. Nach letztgenannter Vorschrift entscheidet das Gericht im Fall der
Hauptsacheerledigung nach billigem Ermessen über die Kosten des
Verfahrens, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist.
Das Verfahren hat sich hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten
Urlaubsabgeltung erledigt, da die Beklagte während des Gerichtsverfahrens
ihren Bescheid vom 28.06.2011, mit dem sie eine Urlaubsabgeltung abgelehnt
hatte, aufgehoben und an den Kläger 6.806,75 Euro zur Urlaubsabgeltung
gezahlt hat. Da sie sich insoweit in die Rolle der Unterlegenen begeben hat,
hat sie auch die Verfahrenskosten zu tragen hat. Der Betrag von 6.806,75
Euro macht ca. 1/7 des Gesamtstreitwerts von 45.430,19 Euro aus, sodass die
Beklagte die Verfahrenskosten in Höhe von 1/7 zu tragen hat. Die übrigen 6/7
der Verfahrenskosten hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen, da er
im Übrigen unterlegen ist.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.