Urteil des VG Göttingen vom 17.09.2013

VG Göttingen: erwerbsfähigkeit, minderung, rücknahme, wahrscheinlichkeit, sicherheit, mrt, erlass, befund, anerkennung, verwaltungsakt

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Rücknahme bestandskräftig anerkannter
Dienstunfallfolgen, Beweisgrundsätze im
Dienstunfallrecht.
Bei der Rücknahme bestandskräftig anerkannter Dienstunfallfolgen muss
die Behörde den Beweis erbringen, dass ein Ursachenzusammenhang
zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Körperschaden mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist.
VG Göttingen 1. Kammer, Urteil vom 17.09.2013, 1 A 49/13
§ 31 BeamtVG, § 48 VwVfG
Tatbestand
Der XXX geborene Kläger war Vollzugsbeamter beim Bundesgrenzschutz. Er
hatte am 02.11.2001 nach einem Einsatz in N. /O. im Hauptbahnhof N. einen
Unfall. Er blieb beim Treppenaufsteigen an der letzten Stufe hängen, stolperte
und stürzte auf den linken Arm, bei dem Versuch sich über die Schulter
abzurollen. Unmittelbar danach verspürte er brennende Schmerzen in der
linken Hand und Schulter, er zog sich Prellungen im linken Arm zu. Am
03.11.2001 stellte er sich beim Durchgangsarzt in P. vor. Insoweit wird auf den
Bericht von Medizinalrat Dr. Q. vom 03.11.2001 (Bl. 168 Beiakte A) Bezug
genommen. Nach einigen Tagen bemerkte er beim Treppensteigen
Schmerzen sowie ein Instabilitätsgefühl und eine Schwellung im linken Knie.
Wegen der Knie- und Schulterbeschwerden stellte er sich in der
orthopädischen Praxis Dr. R. in S. vor (s. Arztbrief Dr. R. an Medizinalrat Dr. Q.
vom 23.11.2001, Bl. 173 Beiakte A). Dieser veranlasste eine MRT-
Untersuchung der linken Schulter am 13.11.2001. Wegen des Ergebnisses
wird auf den MRT-Befund der Radiologischen Gemeinschaftspraxis S. Dr. T.
pp. vom 14.11.2001 (Bl. 47 Beiakte C) verwiesen. Am 14.12.2001wurde beim
Kläger in der Klinik U. stationär eine Arthroskopie des linken Knie- und des
linken Schultergelenks durchgeführt (s. Arztbrief Klinik U. an Dr. R. pp. vom
22.12.2001, Bl. 174 Beiakte A). Wegen fortbestehender Schmerzen in der
linken Schulter sowie zunehmender Schultersteife erfolgte am 19.04.2002 eine
zweite Arthroskopie des linken Schultergelenks durch Dr. R. (s.
Operationsbericht Dr. R. vom 13.05.2002, Bl. 58 Beiakte C). Im August 2002
suchte der Kläger Dr. V., Arzt für Chirurgie-Unfallchirurgie, in P. auf, weil er seit
dem Unfallereignis vom 02.11.2001 an Kribbelparästhesien im 4. und 5. Finger
der linken Hand beim Aufstützen auf den Ellenbogen sowie bei Beugung des
Ellenbogengelenks und an pathologischen Kontraktionen im Bereich der
Hypotenamuskulatur links litt. Dr. V. diagnostizierte ein posttraumatisches
Ulnarisrinnensyndrom links (Arztbrief Dr. V. vom 09.08.2002, Bl. 63 Beiakte C).
Am 28.08.2002 wurde beim Kläger wegen der Missempfindungen im vierten
und fünften Finger der linken Hand eine Neurolyse des Nervus ulnaris am
linken Ellenbogengelenk in U. durchgeführt (s. Arztbrief Klinik U. an Dr. R. pp.
vom 04.10.2002 und Operationsbericht Klinik U. vom 23.08.2002, Bl. 260-262
Beiakte B).
Mit Bescheid vom 04.03.2002 erkannte das Grenzschutzpräsidium Mitte
aufgrund der gutachtlichen Stellungnahme von Medizinalrat Dr. Q. vom
19.11.2001 den Unfall vom 02.11.2001 als Dienstunfall an. Mit Bescheid vom
02.12.2003 (Bl. 114 Beiakte A) erkannte es folgende Körperschäden als
Dienstunfallfolgen des Dienstunfalls vom 02.11.2001 an: Gebrauchsminderung
der linken Schulter bei Teilsteife und Mobilitätsbehinderung,
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Belastungsschmerz und Schwellneigung im linken Knie, Residualschaden
Nervus ulnaris links, eine Nachuntersuchung sei nicht erforderlich. Es stellte für
den Kläger eine dauerhafte Minderung seiner Erwerbsfähigkeit von 30 % ab
dem 23.04.2003 fest. Unter Berücksichtigung weiterer Operationen der linken
Schulter, aktueller Befunde der Universität S. und der gutachtlichen
Stellungnahme von Medizinaloberrat Q. vom 06.10.2005 (Bl. 162 Beiakte A)
erkannte das Bundespolizeipräsidium Mitte mit Bescheid vom 27.07.2006 (Bl.
164 Beiakte A) die im Bescheid vom 02.12.2003 genannten Körperschäden
erneut als Dienstunfallfolgen des Dienstunfalls vom 02.11.2001 an und setzte
den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf 40 % fest. Eine
Nachuntersuchung sei nicht erforderlich.
Am 20.07.2006 beantragte der Kläger wegen zunehmender Beschwerden in
seiner linken Schulter, einer deshalb für den 07.08.2006 geplanten fünften
Operation und unter Berücksichtigung aktueller Befunde der Universitätsklinik
S. eine Überprüfung des Grads der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit. In
seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 21.09.2006 (Bl. 235 Beiakte A)
bewertete Medizinaloberrat Q. die auf dem Dienstunfall beruhende Minderung
der Erwerbsfähigkeit des Klägers mit 50 %. Eine Nachuntersuchung sei sechs
Monate nach geplanter Endoprothesenversorgung der linken Schulter
erforderlich. Am 07.11.2006 wurde dem Kläger stationär in der
Universitätsklinik S. eine Totalendoprothese in der linken Schulter implantiert
(Bl. 242 Beiakte A).
Zum 01.11.2006 wurde er in den Ruhestand versetzt. Die für ihn nunmehr
zuständige Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 15.10.2007 mit, dass nach
Sichtung der vorhandenen medizinischen Unterlagen Zweifel daran
aufgekommen seien, ob die für ihn als Dienstunfallfolgen anerkannten
Körperschäden ursächlich auf den Dienstunfall vom 02.11.2001
zurückzuführen seien. Nach den Arztbriefen des Chefarztes der Orthopädie
des Krankenhauses Sankt Martini in P. Dr. W. vom 05.11. und 21.11.2001
habe bei ihm bereits vor dem Dienstunfall vom 02.11.2001 eine
Schmerzsymptomatik in der linken Schulter bestanden. Daraufhin übersandte
der Kläger eine Kopie des Arztbriefs vom 05.11.2001 mit einem
handschriftlichen Vermerk von Dr. W. vom 11.08.2003, wonach bei ihm nur an
der rechten Schulter ein Vorschaden bestanden habe. Die Beklagte
beauftragte Dr. X. von der Unfallchirurgie der „Unabhängigen Einrichtung zur
Beurteilung medizinischer Sachverhalte“ in Y. mit der Erstellung eines
orthopädisch-traumatologischen Zusammenhangsgutachtens insbesondere
zu den Fragen, welche Körperschäden beim Kläger durch den Dienstunfall
vom 02.11.2001 hervorgerufen worden seien, ob insoweit
Vorerkrankungen/Vorschäden vorgelegen hätten, welche
Funktionsbeeinträchtigungen sich ergeben hätten und ob alle diagnostizierten
Körperschäden allein durch das Ereignis vom 02.11.2001 – zumindest im
Sinne einer rechtlich wesentlichen Teilursache – verursacht worden seien.
Dr. X. kam in seinem orthopädisch-traumatologischen
Zusammenhangsgutachten vom 13.10.2008 zu dem Ergebnis, dass beim
Kläger unfallunabhängig Verschleißerscheinungen in den Schulter- und
Kniegelenken vorbestanden hätten. Der Kläger habe sich durch den
Dienstunfall vom 02.11.2011 eine Prellung des linken Handballens, eine
Zerrung an der linken Schulter, ggfs. auch Prellungen der Schulter und des
linken Kniegelenks zugezogen, die später festgestellten strukturellen
Veränderungen am linken Schultergelenk mit SLAP-IV-Läsion seien nicht im
Sinne einer wesentlichen Teilursache auf die Folgen des Unfalls vom
02.11.2001 zurückzuführen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit lasse sich
mit den Folgen des Unfalls vom 02.11.2001 nicht begründen. Das Gericht hat
zu diesem Gutachten eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters
eingeholt (Ergänzende Stellungnahme Dr. X. vom 24.06.2013). Der mit der
Erstellung eines fachneurologischen Gutachtens beauftragte Dr. Z., Arzt für
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Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, kam in seinem
fachneurologischen Gutachten vom 07.10.2008 zu dem Ergebnis, dass das
Unfallereignis vom 02.11.2001 als rechtlich wesentliche Teilursache beim
Kläger eine Irritation des Nervus ulnaris links mit einer im Zusammenhang
damit aufgetretenen posttraumatischen fokalen Dystonie hervorgerufen habe.
Zum jetzigen Zeitpunkt könne eine unfallbedingte Minderung der
Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 % angenommen werden. Mit weiteren
Folgeschäden sei nicht zu rechnen.
Mit Bescheid vom 24.09.2009 stellte die Beklagte unter Bezugnahme auf das
Gutachten von Dr. X. gegenüber dem Kläger fest, dass der Dienstunfall vom
02.11.2001 beim Kläger lediglich eine Prellung des Handballen links, eine
Zerrung und Prellung der Schulter links und eine Prellung des Kniegelenks
links verursacht habe (1.). Die im ursächlichen Zusammenhang mit dem
Dienstunfall vom 02.11.2001 stehenden Körperschäden seien ausgeheilt.
Ansprüche auf ein Heilverfahren oder die Zahlung von Unfallausgleich nach
dem Beamtenversorgungsgesetz würden nicht mehr bestehen (2.). Der
Bescheid vom 02.12.2003 sei rechtswidrig, soweit dort eine
Gebrauchsminderung der linken Schulter bei Teilsteife und
Mobilitätsbehinderung, Belastungsschmerz und Schwellneigung im linken Knie
und ein Residualschaden des Nervus ulnaris links als Folgen des
Dienstunfalls vom 02.11.2001 festgestellt worden seien. Der Bescheid vom
27.07.2006, mit dem festgestellt worden sei, dass beim Kläger wegen dieser
Dienstunfallfolgen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 Prozent
vorliege, sei ebenfalls rechtswidrig. Darüber hinaus seien sämtliche Bescheide
rechtswidrig, die eine Anerkennung der in den Bescheiden vom 02.12.2003
und 27.07.2006 festgestellten Dienstunfallfolgen zur Voraussetzung hätten.
Dies gelte insbesondere für die Feststellung der Unfallausgleichszahlung (3.).
Die Beklagte nahm darüber hinaus die Bescheide des Grenzschutzpräsidiums
Mitte vom 02.12.2003 und des Bundespolizeipräsidiums Mitte vom 27.07.2006
rückwirkend ab dem 01.04.2009 zurück. Die Rücknahme dieser rechtswidrigen
Verwaltungsakte sei ermessensgerecht. Der Kläger besitze kein besonderes
schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der
Anerkennungsbescheide vom 02.12.2003 und 27.07.2006, da er die
Erstattung von Heilbehandlungskosten teils aus Beihilfemitteln, teils gegenüber
seiner Krankenversicherung beanspruchen könne. Dagegen verpflichte das
Haushaltsrecht die Verwaltung zu einer sparsamen Bewirtschaftung der
Haushaltsmittel. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2010 zurück.
Der Kläger hat am 20.08.2010 Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, die mit Bescheiden vom 02.12.2003 und 27.07.2006
anerkannten Dienstunfallfolgen seien sehr wohl ursächlich auf seinen
Dienstunfall vom 02.11.2001 zurückzuführen. Nach dem im
Widerspruchsverfahren vorgelegten Gutachten von Dr. AA. 16.04.2009 und
dem Operationsbericht von Dr. R. vom 19.04.2002 habe er sich durch den
Unfall in seiner linken Schulter eine sogenannte SLAP- Läsion IV zugezogen.
Entgegen der Annahme des Sachverständigen Dr. X. könne diese Verletzung
wie in seinem Fall durch einen Sturz auf den ausgestreckten, leicht flektierten
und abduzierten Arm ausgelöst werden. Die äußerst schmerzhafte Verletzung
sei nur schwer zu diagnostizieren. Röntgenbilder, Sonografie und CT könnten
die Läsion nicht darstellen. Bessere Ergebnisse würde eine MRT-
Untersuchung nach Kontrastmitteleinspritzung in das betroffene Gelenk
(Arthro-MRT) bringen; eine solche Untersuchung habe bei ihm jedoch nicht
stattgefunden. Demzufolge komme den intraoperativen Feststellungen von Dr.
R. entscheidende Bedeutung zu. Auch der Sachverständige Dr. AB. vom
Klinikum der AC. -Universität, Klinik für Orthopädie, AD., sei in seinem
fachorthopädischen Zusammenhangsgutachten in dem Zivilrechtsstreit des
Klägers vor dem Landgericht S. zum Aktenzeichen 2 O 594/03 zu den
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Diagnosen „1. posttraumatische SLAP-Läsion der linken Schulter mit
Bewegungseinschränkung, 2. beginnende Gonarthrose des linken
Kniegelenks und 3. Nervus ulnaris-Syndrom links ohne motorische
Beeinträchtig“ gelangt, wobei diese Schäden nach Einschätzung des
Gutachters mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 02.11.2001
zurückzuführen seien. Dr. X. habe sich allerdings geweigert, die Gutachten
von Dr. AA. und Dr. AB. zu berücksichtigen, obwohl der Kläger sie ihm bei der
Begutachtung habe übergeben wollen. Ungeachtet dessen habe die Beklagte
die Bescheide vom 02.12.2003 und 27.07.2006 nicht innerhalb der in § 48
Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz geregelten Jahresfrist zurück
genommen. Der Beklagten hätten bereits 2003 sämtliche medizinische
Unterlagen vorgelegen, die sie im Jahr 2008 veranlasst hätten, die
Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Bescheide in Zweifel zu ziehen. Beginn
der Jahresfrist für die Rücknahme sei hier deshalb spätestens Januar 2004.
Darüber hinaus könne der Kläger sich auch auf Vertrauensschutz berufen. Er
habe seit Anerkennung der streitbefangenen Körperschäden als
Dienstunfallfolgen darauf vertraut, dass er einen Anspruch auf die von der
Beklagten gewährten Leistungen habe. Seine Vermögensverhältnisse seien
nicht so gestaltet, dass er die von der Beklagten bisher erbrachten Leistungen
und die zukünftig noch anfallenden Kosten ohne weiteres selbst erbringen
könne.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2009 und den
Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23.07.2010 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, aufgrund der mit Bescheiden vom
02.12.2003 und 27.07.2006 festgestellten Unfallfolgen des am 02.11.2001
erlittenen Dienstunfalls – Gebrauchsminderung linke Schulter bei Teilsteife
und Mobilitätsbehinderung, Belastungsschmerz und Schwellneigung im
linken Knie, Residualschaden Nervus ulnaris links – für ihn eine Minderung
seiner Erwerbsfähigkeit (MDE) von 50 Prozent festzustellen und die sich
daraus ergebenden Rentenleistungen zu zahlen,
3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig
zu erklären,
4. hilfsweise darüber Beweis zu erheben, ob die bei ihm mit Bescheiden
vom 02.12.2003 und 27.07.2006 festgestellten Dienstunfallfolgen des
Dienstunfalls vom 02.11.2001 – Gebrauchsminderung linke Schulter bei
Teilsteife und Mobilitätsbehinderung und Belastungsschmerz und
Schwellneigung im linken Knie – ursächlich auf den Dienstunfall vom
02.11.2001 zurückzuführen sind,
durch Vernehmung von Dr. R., Dr. W., Dr. AB. und Dr. AA.
als Zeugen,
hilfsweise durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den Klageantrag zu 2. für unzulässig, da es insoweit an einem
abgeschlossenen Verwaltungsverfahren fehle. Die Entscheidung über den
Antrag des Klägers vom 20.07.2006 auf Heraufsetzung des Grads der
Minderung seiner Erwerbsfähigkeit sei zurückgestellt worden, bis die
Entscheidung über den Rücknahmebescheid bestands- bzw. rechtskräftig sei.
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Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Rücknahmebescheid sei
rechtmäßig. Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtenen
Bescheide. Soweit der Kläger sich auf Gutachten von Dr. AA. und Dr. AB.
berufe, seien diese Gutachten der Beklagten im Erlasszeitpunkt des
angefochtenen Bescheids nicht bekannt gewesen. Die Beklagte bestreitet mit
Nichtwissen, dass der Gutachter Dr. X. es abgelehnt habe, vom Kläger zur
Begutachtung mitgebrachte Unterlagen zu berücksichtigen. Ungeachtet
dessen sei das Gutachten von Dr. AA. unbeachtlich, da es in einem
sozialgerichtlichen Klageverfahren zur Feststellung des Grads der
Behinderung erstellt worden sei; die Frage des Ursachenzusammenhangs
zwischen Dienstunfall, Körperschäden und Minderung der Erwerbsfähigkeit sei
dort nicht thematisiert worden. Hinsichtlich der streitbefangenen
Dienstunfallfolge „Residualschaden Nervus ulnaris links“ sei sie der
Einschätzung des Gutachters Dr. Z. nicht gefolgt, weil ein Residualschaden
einen verbliebenen Restschaden bezeichne und damit einen Erstschaden
voraussetze, an welchem es hier fehle. Primärschädigungen der Hand und
des Ellenbogens würden in der Unfallakte des Klägers nicht thematisiert. Nach
herrschender medizinischer Lehrmeinung könne ein Ursachenzusammenhang
zwischen einem Unfall und einer Schädigung des Nervus ulnaris nur
angenommen werden, wenn diese Schädigung innerhalb von drei Monaten
nach dem Unfall diagnostiziert würde. Insofern und auch unter
Berücksichtigung der im Gutachten angesprochenen Prädisposition des
Klägers könne der Einschätzung von Dr. Z., das Unfallereignis vom
02.11.2001 sei rechtlich wesentliche Teilursache eines Nervus ulnaris
Schadens, nicht gefolgt werden. Im Übrigen sei auch dem Gutachten von Dr.
AB. (Seite 13, 4 ad 4) zu entnehmen, dass der Sturz auf den ausgestreckten
Arm ein posttraumatisches Nervus ulnaris Syndrom nicht habe auslösen
können.
Die Beklagte habe bei der Rücknahme auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4
VwVfG gewahrt. Bei dieser Frist handele es sich um eine Entscheidungs- und
nicht um eine Bearbeitungsfrist. Sie habe erst nach Kenntnisnahme der
Gutachten von Dr. X. und Dr. Z. am 15. bzw. 14.10.2008 Kenntnis von neuen
Tatsachen erhalten, die eine Rücknahme der Bescheide vom 02.12.2003 und
27.07.2006 rechtfertigen würden. Infolgedessen sei die Jahresfrist mit dem
Rücknahmebescheid vom 24.09.2009 gewahrt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vom Gericht beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A-C) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat überwiegend Erfolg.
Sie ist unzulässig, soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt,
die ihm bei Minderung seiner Erwerbsfähigkeit von 50 % zustehenden
Rentenleistungen zu zahlen, denn insoweit fehlt es an einem entsprechenden
erfolglosen Antrag gegenüber der Beklagten vor Klageerhebung (vgl.
Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 42 Rn. 6). Es gibt auch keinen Grund
zu der Annahme, dass die Beklagte die begehrten Rentenleistungen nicht
zahlen würde, sollte sie rechtskräftig verpflichtet werden, für den Kläger eine
Minderung seiner Erwerbsfähigkeit von 50 % festzustellen
Soweit der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, für ihn einen Grad
der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit von 50 % festzustellen, und die
Beklagte hierüber noch nicht entschieden hat, ist die Klage als
Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig. Die Beklagte hat über den vor
Klageerhebung gestellten Antrag des Klägers vom 20.07.2006 auf
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Überprüfung des Grads der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit im Sinne des §
75 Satz 1 VwGO ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich
nicht entschieden. Ein zureichender Grund über den Antrag vom 20.07.2006
innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nicht zu entscheiden, ergibt sich
nicht aus dem vorliegenden Rechtsstreit. Spätestens im Erlasszeitpunkt des
hier streitgegenständlichen Rücknahmebescheids vom 24.09.2009 war die
Beklagte zu der Erkenntnis gelangt, dass der Kläger aufgrund des
Dienstunfalls vom 02.11.2001 nicht (mehr) in seiner Erwerbsfähigkeit
beeinträchtigt sei, sodass sie spätestens am 24.09.2009 über dessen Antrag
auf Überprüfung des Grads der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit hätte
entscheiden können und müssen.
Die Klage ist auch ansonsten zulässig. Sie ist insbesondere nach
Durchführung des für Bundesbeamte unverändert nach § 54 Abs. 2
Beamtenstatusgesetz - BeamtStG - verpflichtend vorgesehenen
Widerspruchsverfahrens bei dem gemäß § 52 Nr. 4 Satz 1 Alt. 2 VwGO für den
Wohnsitz des in den Ruhestand versetzten Klägers örtlich zuständigen
Verwaltungsgericht Göttingen erhoben worden.
Soweit die Klage zulässig ist, hat sie auch in der Sache Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2009 und der Widerspruchsbescheid
der Beklagten vom 23.07.2010 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten; sie sind deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Feststellung der Minderung seiner
Erwerbsfähigkeit von 50 % gegenüber der Beklagten zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO).
Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bescheide des
Grenzschutzpräsidiums Mitte vom 02.12.2003 und des
Bundespolizeipräsidiums Mitte vom 27.07.2006 kommt § 48 Abs. 1
Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – in Betracht. Nach dieser Vorschrift
kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die
Vergangenheit zurückgenommen werden. Gewährt der Verwaltungsakt ein
Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil, ist die Rücknahme nur unter
den Einschränkungen der weiteren Absätze des § 48 VwVfG möglich. So darf
ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der Voraussetzung für eine Geldleistung
oder eine Sachleistung ist, gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nur
zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des
Verwaltungsakts nicht vertraut hat oder aber sein Vertrauen unter Abwägung
mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme nicht schutzwürdig ist.
Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres
ab dem Zeitpunkt zulässig, seitdem die Behörde Kenntnis von Tatsachen
erhalten hat, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts
rechtfertigen.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte die Jahresfrist nach §
48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG gewahrt. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts beginnt diese Frist erst zu laufen, wenn die
Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für
die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind.
Es kommt daher nicht darauf an, dass die die Rücknahme rechtfertigenden
Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheids
bekannt waren. Auch wenn der Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts
darauf beruht, dass die Behörde den ihr vollständig bekannten Sachverhalt
rechtsfehlerhaft gewürdigt oder das anzuwendende Recht verkannt hat,
beginnt die Jahresfrist erst mit Kenntnis des Rechtsfehlers zu laufen (BVerwG,
Beschluss vom 28.01.2013 – 2 B 62/12 – mit weiteren
Rechtsprechungshinweisen, juris). Demnach ist es unschädlich, dass die
ärztlichen Unterlagen, die bei der Beklagten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
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Bescheide über die Anerkennung der Dienstunfallfolgen geweckt haben,
dieser bereits länger als ein Jahr vor Erlass des Rücknahmebescheids
bekannt waren. Vollständig aufgeklärt war der Sachverhalt erst, nachdem der
Beklagten die Gutachten von Dr. X. vom 13.10.2008 (Eingang bei der
Beklagten am 15.10.2008, Bl. 498 Beiakte B) und Dr. Z. vom 07.10.2008
(Eingang bei der Beklagten am 14.10.2008, Bl. 502 Beiakte B) vorlagen und
sie nach Kenntnisnahme dieser Gutachten zu der Auffassung gelangt war,
dass die Anerkennung der Dienstunfallfolgen gegenüber dem Kläger
rechtswidrig gewesen sei. Die Jahresfrist für die Rücknahme der Bescheide
über die Anerkennung der Dienstunfallfolgen lief demnach erst am 14.
bzw.15.10.2009 ab, sodass die Beklagte mit ihrem Rücknahmebescheid vom
24.09.2009, dem Kläger zugegangen am 05.10.2009, die Jahresfrist des § 48
Abs. 4 Satz 1 VwVfG gewahrt hat.
Die Bescheide vom 02.12.2003 und 27.07.2006, mit denen für den Kläger als
Unfallfolgen des mit Bescheid vom 04.03.2002 anerkannten Dienstunfalls eine
Gebrauchsminderung der linken Schulter bei Teilsteife und
Mobilitätsbehinderung, Belastungsschmerz und Schwellneigung im linken
Knie, Residualschaden Nervus ulnaris links und eine Minderung der
Erwerbsfähigkeit von 40 % (Bescheid vom 27.07.2003) festgestellt wurden,
waren bei ihrem Erlass nicht rechtswidrig. Die von der Beklagten im Bescheid
vom 24.09.2009 getroffenen Feststellungen zu 1., 2. und 3. sind deshalb
rechtswidrig.
Die Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen nach den §§ 30 ff.
Beamtenversorgungsgesetz 1 – BeamtVG – setzt eine Verletzung des
Beamten durch einen Dienstunfall voraus. Dienstunfall ist gemäß § 31 Abs. 1
BeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und
zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in
Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Ursächlich sind nur solche
Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen)
Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher
Betrachtungsweise an dessen Eintritt mitgewirkt haben. Keine Ursache im
Rechtssinn sind so genannte Gelegenheitsursachen, d.h. Ursachen, bei
denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein
zufällige Beziehung besteht, wenn also etwa die krankhafte Veranlagung oder
das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur
Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart
unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich
vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Der Dienstherr soll
nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie
zurückführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen
dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen
Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und
Abnutzungserscheinungen ergeben (ständige Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, z.B. Urteile vom 28.04.2011 - 2 C 55/09 - und
18.04.2002 - 2 C 22/01 - mit weiteren Rechtsprechungshinweisen, juris).
Abweichend von der sonst im Dienstunfallrecht geltenden Beweisregel,
wonach für das Vorliegen eines Dienstunfalls grundsätzlich vom Beamten der
volle Kausalitätsnachweis zu führen ist, der Beamte also die materielle
Beweislast trägt, wenn das Gericht in Erfüllung seiner Pflicht zur umfassenden
Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) das Vorliegen der
anspruchsbegründenden Tatsachen zu seiner vollen
Überzeugungsgewissheit („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“)
weder feststellen noch ausschließen kann - „non-liquet“ - (vgl. ständige
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z.B. Urteile vom 28.04.2011
und 18.04.2002, a.a.O., Beschluss vom 08.03.2004 – 2 B 54/03 –, juris), trägt
im Fall der Rücknahme einer Dienstunfallanerkennung die Behörde die
Feststellungslast dafür, dass der begünstigende Verwaltungsakt rechtswidrig
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erlassen worden ist. Denn im Fall der Rücknahme eines rechtswidrigen
begünstigen Verwaltungsakts gilt der Grundsatz, dass die zurücknehmende
Behörde die Feststellungslast dafür trägt, dass der begünstigende
Verwaltungsakt rechtswidrig ergangen ist (ständige Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, Urteile vom 25.03.1964 - 6 C 1 50.62 -;
13.12.1984 - 3 C 79/82 - und 08.12.2009 - 1 C 16/08 -, jeweils juris). Deshalb
genügt eine mögliche, aber nicht erwiesene Fehlerhaftigkeit des
Verwaltungsakts für eine Rücknahme ebenso wenig wie der Nachweis, dass
die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts zum
Erlasszeitpunkt gar nicht hinreichend nachgewiesen waren. Eine
Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen ist allerdings nur dann angezeigt,
wenn die zu beweisende Tatsache - hier die Dienstunfallfolgenanerkennung -
nicht aufklärbar ist, also eine sogenannte non - liquet - Situation vorliegt (VG
Bayreuth, Urteil vom 26.06.2009 – B 5 K 08.685 -, juris). Soweit die Beklagte
der Auffassung ist, die Behörde sei der sie treffenden materiellen Beweislast
bereits dann nachgekommen, wenn im Rücknahmeverfahren nach den oben
genannten Grundsätzen der Nachweis der Kausalität zwischen Unfall und
Körperschaden für den Erlasszeitpunkt des begünstigenden Verwaltungsakts
nicht zu führen ist und sich hierbei auf ein Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 12.11.2009 (- 3 B 05.663 -, Rn. 53, zitiert nach
juris) beruft, steht dies nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zu den Beweisanforderungen im
Rücknahmeverfahren. Das Bundesverwaltungsgericht hat es in dem sich an
die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12.11.2009
anschließenden Revisionszulassungsverfahren offengelassen, ob es für die
Rücknahme der Anerkennung von Dienstunfallfolgen genügt, wenn die
Behörde nachweist, dass die Voraussetzungen für den Erlass des
Verwaltungsakts im Erlasszeitpunkt nicht nachgewiesen waren, oder ob sie
nachweisen muss, dass die Voraussetzungen für den Erlass des
Verwaltungsakts im Erlasszeitpunkt nicht vorlagen, denn auf diese Frage kam
es nicht entscheidend an, da das Bundesverwaltungsgericht auch den
letztgenannten Beweis als erbracht ansah(Beschluss vom 04.04.2011 - 2 B
7/10 -, juris). Würde sich der Nachweis im Rücknahmeverfahren darauf
beschränken, dass im Erlasszeitpunkt des begünstigenden Bescheids die
Voraussetzungen für seinen Erlass nicht nachgewiesen waren, obläge
wiederum dem Begünstigten der Nachweis, dass dies doch der Fall war. Im
Fall der Rücknahme obliegt es aber der Behörde, die Möglichkeit des
notwendigen Kausalzusammenhangs zu widerlegen.
Demnach ist es nicht Sache des Klägers, nunmehr erneut den
Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 02.11.2001 und
den festgestellten Dienstunfallfolgen nachzuweisen. Die
Dienstunfallfolgenanerkennungsbescheide vom 02.12.2003 und 27.07.2006
sind bestandskräftig, sodass die dem Kläger eingeräumte, begünstigende
Rechtsposition nur unter den erschwerten Bedingungen des § 48 VwVfG
wieder entzogen werden kann. Die Beklagte muss den Nachweis erbringen,
dass das Geschehen vom 02.11.2001 mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit die festgestellten Dienstunfallfolgen nicht hat auslösen
können (vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 26.06.2009, a.a.O., Rn. 51). Diesen
Nachweis hat sie nicht erbracht. Dabei sind die als Dienstunfallfolgen
anerkannten Körperscheiden einzelnen zu betrachten.
Dr. X. kommt in seinem Gutachten vom 13.10.2008 zu dem Ergebnis, dass der
Körperschaden „Gebrauchsminderung der linken Schulter bei Teilsteife und
Mobilitätsbehinderung“ nicht traumatischer Genese und deshalb nicht als
wesentliche Teilursache auf den Unfall vom 02.11.2001 zurückzuführen sei.
Traumatischer Genese sei der Schulterschaden nur dann, wenn beim Kläger
durch den Unfall eine Schulterluxation ausgelöst worden wäre. Bei einer
Schulterluxation handelt es sich um eine Ausrenkung/Auskugelung des
Schultergelenks, bei der es zum vollständigen (Luxation) oder unvollständigen
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(Subluxation) Kontaktverlust der gelenkbildenden Knochen kommt
(htpp://de.wikipedia.org./wiki/Luxation). Nach Angaben des Sachverständigen
in der mündlichen Verhandlung gibt es anlagebedingte und aufgrund äußerer
Einwirkung hervorgerufene Schulterausrenkungen, wobei anlagebedingte
Schulterausrenkungen, die bereits ohne wesentliche, lediglich alltägliche
Belastungen oder Einwirkungen hervorgerufen werden könnten, nur in
jüngeren Lebensjahren (bis 20 Jahre) auftreten würden. Im Fall des Klägers
würden die Beschreibung des Erstkörperschadens durch Dr. W., der
Unfallhergang, der Seitenvergleich mit der rechten Schulter und der zeitnah
erhobene kernspintomographische Befund eher gegen eine Schulterluxation
aufgrund des Unfalls vom 02.11.2001 sprechen (Gutachten vom 13.10.2008,
Seite 17 ff.; Sitzungsniederschrift vom 17.09.2013, Seite 2). Auf Nachfrage des
Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige einen
Ursachenzusammenhang sogar mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen (Sitzungsniederschrift, Seite 2). Dem
vermag das Gericht nicht zu folgen.
Dagegen spricht, dass Dr. R. beim Kläger bei der zweiten Arthroskopie der
linken Schulter am 19.04.2002 intraoperativ eine SLAP-(Superior Labrum
Anterior Posterior) Läsion IV und eine Bankart-Läsion festgestellt hat. Bei der
SLAP-Läsion handelt es sich um eine Verletzung (Läsion) der Knorpellippe
(Labrum glenoidale) am oberen Rand der Schulterpfanne. Je nach Schwere
der Risse des Labrums (vom Bizepsanker) werden bei der SLAP-Läsion vier
Typen unterschieden, wobei die Stufe vier einen Riss bis in die lange
Bizepssehne klassifiziert. (http://de.wikipedia.org/wiki/SlAP-Läsion). Laut
Angabe von Dr. X. in der mündlichen Verhandlung wird bei der Bankart-Läsion
zusätzlich zur Verletzung der Knorpellippe von der knöchernen Schulter-
gelenkspfanne ein Teil des Randes abgesprengt (s. Sitzungsniederschrift
Seite 2). Dr. R. hat in seinem Arztbrief vom 13.05.2002 an Medizinalrat Dr. Q.
die hierfür typische Bizepssehnenankerläsion mit korbhenkelartiger Ablösung
etwa der Hälfte der Bizepssehne mitsamt dem anhängenden Labrum
festgestellt und ein knöchernes Fragment an typischer Stelle am medio-
caudalen Glenoid gefunden. Auch Dr. X. hat in seinem Gutachten vom
13.10.2008 angenommen, dass die intraoperativ festgestellte „Verkalkungs-
bzw. Verknöcherungsfigur mit Verdacht auf eine Abrissfraktur für eine
stattgehabte Verletzung im Sinne einer Bankart-Läsion spricht“ (Gutachten
vom 13.10.2008, Seite 17). Diesen Befund hat er nach Einsichtnahme der ihm
in der mündlichen Verhandlung überlassen Fotos von der Schulterarthroskopie
vom 19.04.2002 noch einmal bestätigt (Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom
17.09.2013).
Eine Bankart- Läsion ist eine typische Verletzungsfolge einer Schulterluxation,
wovon auch Dr. X. ausgeht (Gutachten vom 13.10.2008, Seite 18). Dr. R. ist in
seinem Arztbrief vom 13.05.2002 deshalb nunmehr von einer traumatischen
Genese der Schulterbeschwerden des Klägers ausgegangen. Soweit Dr. X.
dem entgegenhält, hiergegen würde ein Seitenvergleich der beiden Schultern
sprechen, im Jahr 2000 seien an der rechten Schulter intraoperativ und
kernspintomographisch gleichartige Veränderungen ohne jegliche
traumatische Einwirkungen festgestellt worden (Gutachten vom 13.10.2008,
Seite 18, Operationsbericht Dr. R. vom 31.03.2000, Bl. 320 Beiakte C und
Arztbrief Radiologische Gemeinschaftspraxis S., Dr. T. pp. an Medizinalrat Dr.
Q. vom 03.02.2000, Bl. 321 Beiakte C), dem zeitnah zum Unfall erstellten MRT
der linken Schulter vom 14.11.2001 seien zudem keine verletzungsrelevanten
Befunde am Bizepssehnenanker zu entnehmen und ohne Begleitverletzung
der Rotatorenmanschette lasse sich ein Ursachenzusammenhang mit
Unfalleinwirkungen nicht wahrscheinlich machen (Ergänzungsgutachten Seite
4 oben), überzeugt dies nicht.
Wie Dr. X. in seinem Ergänzungsgutachten selbst ausführt
(Ergänzungsgutachten Seite 3 zweiter Absatz) und was offenbar die
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herrschende Meinung in der Medizin ist (siehe hierzu den vom Kläger im
Verwaltungsverfahren vorgelegten Aufsatz von M. Thomas, MW Busse, SLAP-
Läsion der Schulter: Ätiologie, Klassifikation, Diagnostik und Therapie
[http://klinische-sportmedizin.de], Bl. 580 ff. Beiakte B), lassen sich SLAP-
Läsion und Bankart-Läsion kernspintomographisch nicht immer erkennen,
auch feingeweblich würden sich verletzungsbedingte Veränderungen von
schicksalhaft degenerativen nicht unterscheiden. Letzte Sicherheit biete erst
der arthroskopische Befund, mit dessen Hilfe der exakte Läsionstyp einer
SLAP-Läsion sicher diagnostiziert werden könne (Ergänzungsgutachten Seite
3 zweiter Absatz, s. M. Thomas, MW Busse a.a.O. Seite 14). ). Demnach
kommt dem MRT-Befund vom 14.11.200, der im Übrigen nach der Beurteilung
von Dr. X. durchaus Signalveränderungen, d.h. Verletzungszeichen wie
Ödeme und Mikrofaserrisse aufweist, nur nicht an der Stelle des Labrums, an
der intraoperativ die Labrum-Läsion diagnostiziert wurde (s.
Sitzungsniederschrift Seite 3), und dem Seitenvergleich mit der rechten
Schulter auf Grundlage vor dem Unfall erhobener Befunde keine wesentliche
Bedeutung bei der Frage des Ursachenzusammenhangs zu. Soweit Dr. X. in
seinem Ergänzungsgutachten einen Ursachenzusammenhang auch deshalb
ausgeschlossen hat, weil es an der hierfür notwendigen Begleitverletzung der
Rotatorenmanschette fehle - bei der Rotatorenmanschette handelt es sich um
die bindegewebige Kapsel, die den Oberarmkopf (oder -kugel) der Schulter
umgibt (s. Sitzungsniederschrift Seite 2 oben) -, und Dr. W. in seinen
Arztbriefen vom 05. und 21.11.2001 an Hand der zeitnah zum Unfall erstellten
Röntgenbilder eine solche Verletzung nicht festgestellt hat und auch dem MRT
eine solche Verletzung nicht zu entnehmen war, hat Dr. X. in der mündlichen
Verhandlung erläutert, nur eine totale Schulterausrenkung (Luxation) gehe
zwingend mit einer Veränderung im Bereich der Rotatorenmanschette einher.
Bei einer Subluxation sei dies nicht der Fall, auch eine Subluxation könne auf
ein äußeres Ereignis zurückgeführt werden (Sitzungsniederschrift Seite 3
dritter Absatz).
Eine Arthroskopie der linken Schulter wurde beim Kläger erstmals am
14.12.2001 und damit erst 1 1/2 Monate nach dem Unfallereignis durchgeführt.
Soweit bei dieser ersten Arthroskopie die Bankart-Läsion noch nicht
diagnostiziert wurde, ist auch deshalb ein Ursachenzusammenhang zwischen
dem Unfallereignis und den Schulterbeschwerden des Klägers nicht mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Hierzu hat Dr. AE.
in seinem Gutachten vom 17.04.2004 ausgeführt, dass es durchaus möglich
sei, dass diese Läsion dem Operateur bei der ersten Arthroskopie am
14.12.2001 entgangen und erst bei der zweiten Arthroskopie vom 19.04.2002
aufgefallen sei, da die Art der Operation nicht in jedem Fall geeignet sei, eine
derartige Läsion zu diagnostizieren (Gutachten Dr. AB. Seite 14). Das
Gutachten von Dr. AB. ist hier auch zu berücksichtigen. Dr. X. hat in der
mündlichen Verhandlung bestätigt, dass der Kläger ihm das Gutachten am
Tag der Begutachtung zu seinen Unterlagen habe reichen wollen, er es kurz
überflogen und an den Kläger zurückgegeben habe, um sich sein eigenes Bild
zu machen. Damit bestand für Dr. X. die Möglichkeit der Kenntnisnahme
dieses Gutachtens, was sich die Beklagte zurechnen lassen muss. Auch Dr.
X. hat es in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen, dass die erst
bei der zweiten Arthroskopie der linken Schulter festgestellte Bankart-Läsion
bei der ersten Arthroskopie übersehen worden sei, obwohl sie auch zu diesem
Zeitpunkt bereits vorgelegen habe (Sitzungsniederschrift vom 17.09.2013
Seite 5).
Soweit Dr. X. einen Ursachenzusammenhang auch deshalb verneint, weil eine
erstmalige Luxation des Schultergelenks aufgrund des Unfalls weder dem
Kläger selbst am Unfalltag noch dem erstbehandelnden Arzt Dr. W. am
Folgetag entgangen wäre (Gutachten vom 13.10.2008 Seite 17 unten), steht
dies nicht im Einklang mit seinen weiteren Ausführungen im Gutachten (Seite
18 zweiter Absatz) und seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung
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(Sitzungsniederschrift Seite 2), dass eine solche Luxation auch unbemerkt
erfolgen könne. Soweit er in seinem Gutachten vom 13.10.2008 (Seite 17
unten) auch das Abfangen eines Sturzes mit der Hand für nicht geeignet hält,
die später festgestellte Läsion hervorzurufen, hat er diese Aussage in seinem
Ergänzungsgutachten relativiert und eingeräumt, dass in der Medizin insoweit
unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (Ergänzungsgutachten Seite
3). So ist auch Dr. AB. davon ausgegangen, dass die knöcherne Labrumläsion
der linken Schulter des Klägers und die Bizepssehnenteilruptur am linken Arm,
wie sie von Dr. R. in seinem Arztbrief vom 13.05.2002 beschrieben worden
seien, mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis des Sturzes vom
02.11.2001 zurückzuführen seien (Seite 13 des Gutachtens Dr. AB.). Auch der
den Kläger zuletzt behandelnde Oberarzt der Chirurgie/Orthopädie der
Universitätsmedizin S., Dr. AA., geht in seiner vom Kläger vorgelegten
Stellungnahme vom 16.04.2009 (Bl. 574 Beiakte A) davon aus, dass der in
Rede stehende Unfallhergang mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit geeignet gewesen sei, die späteren Schulterbeschwerden
des Klägers auszulösen.
Ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Schulterschaden des Klägers
und dem Unfall ist hier auch nicht deshalb mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit auszuschließen, weil beim Kläger bereits vor dem
Unfallereignis ein Vorschaden in der linken Schulter bestanden hätte. Soweit
Dr. W. in seinen Arztbriefen vom 05. und 21.11.2001 von einem Vorschaden in
der linken Schulter bzw. einer bereits vor dem Unfall bestehenden
Schmerzsymptomatik in der linken Schulter ausgegangen ist, hat er durch
seinen handschriftlichen Vermerk vom 11.08.2003 richtig gestellt, dass es sich
hierbei um einen Irrtum handelte und beim Kläger lediglich ein Vorschaden in
der rechten Schulter vorlag. Auch aus den Aufzeichnungen von Dr. R. gehen
vorbestehende Beschwerden nur an der rechten Schulter hervor (s. Arztbrief
Dr. R. an Beklagte vom 24.04.2008 mit Anlage, Bl. 275 ff. Beiakte C).
Dementsprechend gibt es auch keine Röntgendiagnostik des linken
Schultergelenks vor dem Unfallereignis vom 02.11.2001 (Gutachten Dr. X. vom
13.10.2008 Seite 17 zweiter Absatz). Nach alledem kann der notwendige
Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und dem als Unfallfolge
anerkannten Schulterschaden des Klägers nicht mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Der Sachverhalt muss auch nicht
durch die Einholung weiterer Sachverständigengutachten oder die
Vernehmung der vom Kläger genannten Ärzte als Zeugen weiter aufgeklärt
werden, da keine Fragen offen geblieben sind. Dr. X. hat - wie ausgeführt - die
Begründung für sein Begutachtungsergebnis in seinem Ergänzungsgutachten
und in der mündlichen Verhandlung selbst relativiert. Das Gericht geht deshalb
mit den Ärzten Dr. R., Dr. AB. und Dr. AA. davon aus, dass ein
Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem als
Unfallfolge anerkannten Schulterschaden jedenfalls nicht mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.
Hinsichtlich des Körperschadens „Belastungsschmerz und Schwellneigung im
linken Knie“ hat Dr. X. einen Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis
verneint, weil aufgrund der Beschreibung des Erstkörperschadens und der
nachfolgend beschriebenen Befunde es hierfür an einem begründeten
Anfangsverdacht fehle (Gutachten vom 13.10.2008 Seite 19). In seinem
Ergänzungsgutachten hat er weiter ausgeführt, da es zu einer Verletzung des
linken Kniegelenks keinen Befund in den Akten gebe, bei der
Erstuntersuchung keine Klagen vorgebracht worden seien und der
nachfolgende Verlauf sich hinreichend durch den schon vorbestehenden
Verschleiß erkläre, habe auf eine ausführliche Diskussion diesbezüglicher
Unfalleinwirkungen verzichtet werden können (Seite 5 des Gutachtens unten).
Hierzu ist festzustellen, dass in der Tat in dem Bericht des Durchgangsarztes
Medizinalrat Dr. Q. vom 03.11.2001 und in den Arztbriefen von Dr. W. vom 05.
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und 21.11.2001 nur von den Schulterbeschwerden des Klägers die Rede ist.
Bereits am 21.11.2001 diagnostizierte Dr. R. neben dem Schulterschaden
jedoch auch eine Kniegelenksprellung links (Arztbrief an Dr. Q. vom
23.11.2001, Bl. 50 Beiakte C). Am 06.12.2001 stellte Dr. R. hinsichtlich des
linken Kniegelenks Zeichen einer medialen Meniskopathie (Meniskusschaden)
links fest (Arztbrief Dr. R. an das Versorgungsamt Hildesheim vom 24.02.2003,
Bl. 66 Beiakte C) und am 14.12.2001 wurde beim Kläger in der Klinik U. eine
operative Arthroskopie des linken Kniegelenks mit Briden-Resektion und
Knorpelglättung durchgeführt (Arztbrief Klinik U. an Dr. R. pp. vom 22.12.2001,
Bl. 51 Beiakte C). Dieser zeitliche Zusammenhang zum Unfallereignis allein ist
sicher kein Nachweis im Sinne einer wesentlichen Teilursache dafür - und
insoweit ist Dr. X. zuzustimmen -, dass die als Dienstunfallfolge anerkannten
Knieschäden im ursächlichen Zusammenhang mit dem Dienstunfall stehen.
Aufgrund dieser Umstände kann jedoch nicht - und allein dies ist maßgebend -
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden,
dass der als Dienstunfallfolge anerkannte Knieschaden als wesentliche
Teilursache auf das Unfallereignis vom 02.11.2001 zurückzuführen ist.
Das gleiche gilt hinsichtlich des Körperschadens „Residualschaden Nervus
ulnaris links“. Auch insoweit werden in dem Bericht des Durchgangsarztes
Medizinalrat Dr. Q. vom 03.11.2001 unmittelbar nach dem Unfall keine
Beschwerden beschrieben. Solche Beschwerden sind aber in dem Arztbrief
von Dr. AF. V. an Dr. AG. V. vom 09.08.2002 (Bl. 63 Beiakte C) dokumentiert.
Danach klagte der Kläger seit seinem Dienstunfall vom 02.11.2001 über
Kribbelparästhesien in den Fingern vier und fünf bei Aufstützen auf den
Ellenbogen sowie bei Beugung im Ellenbogengelenk, gleichzeitig sei es zu
pathologischen Kontraktionen im Bereich der Hypotenamuskulatur links
gekommen. Insofern ist nicht nachvollziehbar - und hierauf beruft sich die
Beklagte -, wie Dr. AB. in seinem Gutachten vom 17.06.2004 zu der Aussage
kommt, beim Kläger seien erstmals im Mai 2002 Kribbelparästhesien im vierten
und fünften Finger, besonders beim Aufstützen des Ellenbogens sowie bei
Beugung im Ellenbogen aufgetreten (Seite 5 des Gutachtens). Dr. AB. erläutert
auch nicht, wie er zu dieser Aussage kommt. Dr. AF. V. diagnostizierte ein
posttraumatisches Ulnarisrinnensyndrom links. Auch Dr. R. trifft in seinem
Arztbrief an Medizinalrat Dr. Q. von Oktober 2002 diese Diagnose (Bl. 65
Beiakte C). Am 23.08.2002 unterzog sich der Kläger einer Operation wegen
eines diagnostizierten Ulnarisrinnensyndroms links (Bl. 64 Beiakte C). Vor
diesem Hintergrund hat das Gericht keinen Anlass, das
Begutachtungsergebnis des von der Beklagten beauftragten Gutachters Dr. Z.
in Zweifel zu ziehen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 07.10.2008 beim
Kläger eine Irritation des Nervus ulnaris links mit einer im Zusammenhang
damit aufgetretenen posttraumatischen fokalen Dystonie diagnostiziert, die mit
ausreichender Wahrscheinlichkeit Folge des Dienstunfalls vom 02.11.2001 sei
(Seite 23 des Gutachtens). Soweit die Beklagte diesem Gutachten nicht gefolgt
ist, weil ein Ursachenzusammenhang zwischen einem Nervus ulnaris
Schaden und einem Unfallereignis nur bis spätestens drei Monate nach dem
Unfall diagnostiziert werden könne, ist dies in keiner Weise belegt und wurde
von Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestätigt (vgl.
Sitzungsniederschrift vom 17.09.2013 Seite 6 oben). Dr. Z. hat die
diagnostizierte Irritation des Nervus ulnaris auch nicht - wie die Beklagte
offenbar meint - auf eine Prädisposition des Klägers zurückgeführt. Er hat in
der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Kläger aufgrund der durch
den Dienstunfall erlittenen Schädigung des Nervus ulnaris links eine
Prädisposition für die darüber hinaus diagnostizierten dystonen Störungen
habe (Sitzungsniederschrift Seite 5). Dies ergibt sich auch Seite 23 des
Gutachtens.
Soweit die Beklagt sich auf Dr. AB. beruft, der einen Ursachenzusammenhang
zwischen dem Nervus ulnaris Syndrom und dem Unfallereignis für nicht
wahrscheinlich hält, weil der Unfallhergang hierfür nicht geeignet sei, hat er
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dies nicht näher erläutert (Seite 14 des Gutachtens, ad 4). Allein die Aussage
von Dr. AB. rechtfertigt unter Berücksichtigung der oben genannten ärztlichen
Unterlagen und des Gutachtens von Dr. Z. nicht die Annahme, dass ein
Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem für den
Kläger als Unfallfolge anerkannten Residualschaden des Nervus ulnaris links
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden
kann.
Dem Kläger steht gemäß § 35 Abs. 2 BeamtVG wegen der mit Bescheiden
vom 02.12.2003 und 27.07.2006 als Dienstunfallfolgen anerkannten
Körperschäden ein Anspruch auf Feststellung der Minderung seiner
Erwerbsfähigkeit von 50 Prozent zu. Grundlage hierfür ist die gutachtliche
Stellungnahme von Medizinaloberrat Dr. Q. vom 21.09.2006, die Dr. Q. nach
dem Antrag des Klägers vom 20.07.2006 auf Überprüfung des Grads der
Minderung seiner Erwerbsfähigkeit abgegeben hat. Dr. Q. hat unter
Berücksichtigung der mit Bescheiden vom 02.12.2003 und 27.07.2006 als
Dienstunfallfolgen anerkannten Körperschäden die auf dem Dienstunfall
beruhende Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf 50 Prozent
geschätzt (Bl. 38 Beiakte C). Soweit er eine Nachuntersuchung sechs Monate
nach der damals noch geplanten, und zwischenzeitlich erfolgten,
Endoprothesenversorgung der linken Schulter für erforderlich gehalten hat,
obliegt es der Beklagten, diese Untersuchung nunmehr zu veranlassen.
Solange die Untersuchung nicht erfolgt ist und ein Untersuchungsergebnis
nicht vorliegt, ist die gutachtliche Stellungnahme von Dr. Q. maßgebend. Dafür,
dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers zu 50 Prozent gemindert ist, sprechen
auch die von der Beklagten eingeholten Gutachten. So ist Dr. X. in seinem
Gutachten vom 13.10.2008 zu der Einschätzung gelangt, dass ungeachtet der
Beurteilung des Ursachenzusammenhangs nach endoprothetischem Ersatz
des Oberarmkopfes links die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers
hinsichtlich seines Schultergelenks mit 40 Prozent zu bemessen sei (Seite 19
des Gutachtens). Dr. Z. hat aufgrund des Nervus ulnaris Schadens eine
unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 Prozent angenommen
(Seite 23 des Gutachtens).
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162
Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig, da die klagende Partei der rechtskundigen
Unterstützung bedurfte, um ihre Rechte und Ansichten gegenüber der
staatlichen Verwaltung ausreichend zu vertreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3
VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 164 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.