Urteil des VG Göttingen vom 20.03.2013

VG Göttingen: wahlergebnis, gemeinde, stimmzettel, verteilung der sitze, recht auf akteneinsicht, objektivität, wahllokal, überprüfung, einspruch, öffentlichkeit

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Anfechtung einer Kommunalwahl
VG Stade 1. Kammer, Urteil vom 20.03.2013, 1 A 1517/11
§ 48 KomWG ND, § 46 KomWG ND
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Wahl zum Rat der Gemeinde B. am 11.
September 2011.
Am 14. September 2011 stellte der Wahlausschuss das Wahlergebnis fest.
Danach entfielen auf den Wahlvorschlag der SPD 4.743 Stimmen, auf den
Wahlvorschlag der CDU 7.583 Stimmen, auf den Vorschlag von BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN 2.016 Stimmen und auf den Vorschlag des Bürgerbundes B.
811 Stimmen. Dies führte zu einer Sitzverteilung von 8 Sitzen für die SPD, 14
Sitzen für die CDU, 3 Sitzen für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und 1 Sitz für den
Bürgerbund B.. Das Ergebnis dieser Wahl wurde am 17. September 2011
öffentlich bekannt gemacht.
Der Kläger wandte sich am 19. September 2011 an das Büro des
Gemeindewahlleiters und bat darum, ihm eine "Auflistung der Wahlvorstände mit
personeller Besetzung und jeweiliger Funktion in den 17 Stimmbezirken und die
Mitteilung der genauen Anwesenheitszeiten" sowie der Örtlichkeiten, an denen
sich die Wahllokale befunden hätten, zur Verfügung zu stellen, damit ein
mögliches Einspruchsverfahren geprüft werden könne. Der Gemeindewahlleiter
teilte mit E - Mail vom 21. September 2011 mit, dass er die Übermittlung von
personenbezogenen Daten nicht für zulässig halte. Das Recht auf Akteneinsicht
nach § 29 VwVfG greife nicht ein. Ein rechtliches Interesse des Klägers im Sinne
des § 13 Abs. 1 NDSG sei nicht zu erkennen. Ob ein solches Interesse vorliege,
sei davon abhängig, dass ein wirklicher Grund vorgetragen werde, der die
Annahme einer Unregelmäßigkeit bei der Wahl rechtfertige. Er stelle anheim,
entsprechend vorzutragen.
Der Kläger erhob am 29. September 2011 Wahleinspruch und begründete
diesen im Wesentlichen folgendermaßen:
Die Wahl sei ganz oder teilweise für ungültig zu erklären.
Ein Vergleich der gültigen Stimmzettel mit den gewerteten Stimmen ergebe eine
Differenz zu Lasten der gewerteten Stimmen von 165. Das Wahlergebnis sei
äußerst knapp gewesen. Bereits 7 oder 8 Stimmen hätten genügt, um die
absolute Mehrheit der CDU zu verhindern. Dann wäre BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN nicht auf 3 sondern auf 4 Sitze gekommen.
Der Gemeindewahlleiter und Bürgermeister der Gemeinde B. habe seine Pflicht
zu neutralem und objektivem Verhalten verletzt. Eine Verletzung des Gebotes
zur Objektivität und Neutralität sei zunächst einmal sein Auftritt in einer am 5.
September 2011 ausgestrahlten Videosequenz der Sendereihe Buten & Binnen
von Radio Bremen gewesen, die sich mit den Wahlslogans auf den
Wahlplakaten in B. auseinandergesetzt habe. Der Gemeindewahlleiter habe
eindeutig Partei für die SPD und gegen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergriffen
und dadurch die Wahlaussichten der "Grünen" nicht nur unwesentlich
beeinträchtigt. Hierdurch habe der Gemeindewahlleiter auch seine
beamtenrechtliche Pflicht zur unparteiischen Amtsführung nach § 33 BeamtStG
verletzt. Der Gemeindewahlleiter sei in dem von der CDU verteilten Blatt „E.
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Rundschau“ auf zwei Fotos mit CDU-Gemeinderatskandidaten zu sehen.
Dieses Blatt sei als Wahlwerbebroschüre vor den Kommunalwahlen an alle
Haushalte verteilt worden. Hierbei handele es sich um eine unzulässige
Werbemaßnahme, für die der CDU-Spitzenkandidat verantwortlich sei. Weiter
seien am Wahlsonntag in F. durch den dortigen Wahlvorstand zweimal
unzulässig vier Plakate der Grünen entfernt worden, die sich an zwei
Laternenpfählen befunden hätten. Darauf habe er, der Kläger, den
Gemeindewahlleiter am 12. September 2011 und am 14. September 2011
angesprochen, ohne dass der Gemeindewahlleiter darauf ausreichend reagiert
habe. Bei der Sitzung des Wahlausschusses am 14. September 2011 habe der
Gemeindewahlleiter massiv und unsachlich Einfluss auf die Entscheidung der
anderen Mitglieder des Wahlausschusses genommen und mit einem knappen
Stimmenverhältnis von 4:3 Stimmen erreicht, dass seinem Antrag, das
Wahlergebnis festzustellen, zugestimmt worden sei. Er habe zum Teil massiv
versucht, Beiträge der Öffentlichkeit zu verhindern. Den Einwand, dass
Familienmitglieder von CDU-Kandidaten in den Wahlgremien seien, habe er
zurückgewiesen. Der Gemeindewahlleiter habe es versäumt, den Vater des
CDU-Spitzenkandidaten als Wahlausschussmitglied gegen ein Ersatzmitglied
auszutauschen. Am 16. September 2011 sei in der G. - Zeitung und in den H.
Nachrichten über Unregelmäßigkeiten bei anderen Kommunalwahlen, u. a. in I.,
berichtet worden. Der Gemeindewahlleiter habe es pflichtwidrig unterlassen, den
Wahlausschuss über diese Vorkommnisse zu informieren und innerhalb einer
Woche zur Beratung zusammenzurufen, ob ein begründeter Anlass bestehe,
den am 14. September 2011 gefassten Beschluss abzuändern. Auch durch die
Weigerung, ihm, dem Kläger, die erbetene Auflistung der Wahlvorstände zu
geben, habe der Gemeindewahlleiter seine Pflicht zur Neutralität und Objektivität
verletzt.
Die stellvertretende Gemeindewahlleiterin habe ebenfalls ihre Pflicht zur
Objektivität und Neutralität verletzt. Sie sei die Schwester eines CDU-Kandidaten
und hätte wegen dieser familiären Beziehung beantragen müssen, von ihren
Aufgaben als stellvertretende Gemeindewahlleiterin entbunden zu werden. Vor
der Wahl sei in dem amtlichen Schaukasten in J. Wahlwerbung der fünf
Kandidaten der CDU ausgehängt worden. Es sei auf einem Briefbogen der CDU
auf eine Radtour der Partei mit öffentlicher Beteiligung am 3. September 2011
hingewiesen worden. Am 5. September 2011 habe er, der Kläger, dies
festgestellt und bei der stellvertretenden Gemeindewahlleiterin nachgefragt,
woraufhin der Aushang am gleichen Tag entfernt worden sei. Die
stellvertretende Gemeindewahlleiterin habe es als völlig ausreichend
bezeichnet, dass der Aushang am 5. September 2011 entfernt worden sei.
Durch diese Aussage habe sie den Anschein der Subjektivität nicht vermieden,
denn vor dem Hintergrund, dass die Radtour bereits am 3. September
stattgefunden habe, könne das Entfernen am 5. September 2011 nicht
ausreichen. Durch das Verhalten der Gemeindewahlleiterin habe BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN auch nicht rechtzeitig auf die Postkartenaktion der CDU vom 7.
September 2011 reagieren können, in der die CDU unzutreffend behauptet
habe, dass zwei der CDU - Kandidaten parteiübergreifend die einzigen
Kandidaten unter 30 Jahren gewesen seien. Er, der Kläger, habe die
stellvertretende Gemeindewahlleiterin gebeten, ihm mitzuteilen, wie groß der
Personenkreis der ersten Jungwähler in der Gemeinde B. sei. Dieser Bitte sei
sie erst am darauffolgenden Tag nachgekommen, obwohl es für sie einfach
gewesen wäre, diese Bitte zu delegieren und die Frage noch am 7. September
2011 beantworten zu lassen.
Durch das Verhalten des Ortsvorstehers von J., der die Einladung zu der
Radtour im amtlichen Schaukasten in J. ermöglicht habe, sei es zu einem
Verstoß gegen das Wahlrechtsprinzip der gleichen Wahl gekommen. Das
Gleiche gelte im Hinblick auf den Umstand, dass durch den Wahlvorsteher in F.
vier Plakate der "Grünen" abgehängt worden seien. Hierdurch sei gegen das
Recht der freien Meinungsäußerung und gegen das Parteienprivileg verstoßen
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worden. Die Plakate seien weit entfernt vom Wahlbüro gewesen und auch nicht
in dessen Sichtweite. Dadurch sei BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN in F. nicht
unwesentlich benachteiligt worden. Dagegen seien in J. CDU-Plakate in der
Nähe und in Sichtweite des Eingangs zum Wahlbüro nicht entfernt worden.
Hierdurch sei die CDU in J. bevorteilt worden.
Im Übrigen habe sich die CDU durch den Aushang im amtlichen Schaukasten in
J. sowie durch die Postkartenaktion vom 7. September 2011 und der damit
verbundenen falschen Tatsachenbehauptung einen unzulässigen Vorteil
gegenüber Wahlmitbewerberinnen und Wahlmitbewerbern verschafft.
Hilfsweise sei das Wahlergebnis neu festzustellen oder zu berichtigen. Es habe
Fehler bei der Auszählung der Wahlergebnisse gegeben, was sich darin zeige,
dass der Wahlausschuss in den Stimmbezirken 1 (K.), 12 (L.) und 17 (F.) das
durch die Wahlvorstände ermittelte Wahlergebnis korrigiert habe.
Es sei weiter zu nicht erklärbaren Auffälligkeiten in den Wahlergebnissen
gekommen. In einigen Stimmbezirken seien Stimmen in einem prozentual weit
überdurchschnittlichen Umfang nicht gewertet worden oder hätten gefehlt. Allein
in B. 2 und in J. sei es gut vorstellbar, dass dort bis zu 10 oder 11 Stimmzettel
bei der Berechnung nicht berücksichtigt worden seien. Der Anzahl der
ungültigen Stimmzettel liege im Stimmbezirk 8 (B. 2), im Stimmbezirk 1 (K.) und
im Stimmbezirk 11 (J.) überdurchschnittlich und auffällig hoch. Die Ergebnisse in
den Stimmbezirken 7 (B. 1) und 8 (B. 2) seien deutlich verschieden, ohne dass
sich dies schlüssig erklären lasse. Es gebe deutliche Unterschiede in den
Ergebnissen der Gemeinde- und der Kreiswahl auf dem Gebiet der Gemeinde
B.. Diese seien nicht plausibel zu erklären. Weiter unterscheide sich die Anzahl
der ungültigen Stimmzettel in den Stimmbezirken B. 1 einerseits und B. 2
andererseits - anders als bei der Kommunalwahl 2006 - deutlich. Wegen der
Einzelheiten des Vortrags des Klägers wird insoweit auf Ziffern II 2 und II 3e des
Schreibens vom 29. September 2011 verwiesen.
Zuletzt habe es weitere Unregelmäßigkeiten gegeben. In einem E. Stimmbezirk
hätten die Mitglieder des Wahlvorstandes das Protokoll nicht sofort
unterschrieben. Sie seien in der Nacht angerufen worden und hätten zum
Wahllokal zurückkehren müssen, um die Unterschriften zu leisten. Dies könne
nur mit mangelnder Konzentration erklärt werden, die sich auch bei der
Stimmauszählung ausgewirkt haben könne. In Wahllokalen sei zum Teil bis
24.00 Uhr ausgezählt worden. Auch hier seien Konzentrationsschwierigkeiten
nicht unwahrscheinlich. Die Durchführung der Stimmauszählung und der Ablauf
der Wahl ließen auf eine mangelhafte bzw. unterschiedliche Vorbereitung der
Wahlvorstände schließen. Dies gelte z.B. im Hinblick auf die unterschiedliche
Betrachtung der ungültigen Stimmzettel in K., der gültigen bzw. ungültigen
Stimmzettel in L. und der Wahlbriefe in F. sowie mit Rücksicht auf die fehlende
Zählliste in L.. Die drei am 11. September 2011 durchgeführten
Kommunalwahlen seien nicht - wie es vorgeschrieben sei - in allen 17
Stimmbezirken getrennt und in der richtigen Reihenfolge durchgeführt worden.
In der Sitzung vom 1. November 2011 wies der Beklagte den Wahleinspruch
des Klägers zurück. Mit Bescheid vom 8. November 2011 teilte der Beklagte
dies dem Kläger mit. Der Einspruch sei unzulässig, soweit mit ihm Verstöße
gegen beamtenrechtliche Vorschriften, wie die unparteiische Amtsführung sowie
die Pflicht zur Neutralität und Objektivität geltend gemacht würden, da mit dem
Wahleinspruch lediglich Verstöße gegen Vorschriften des Wahlrechts geltend
gemacht werden könnten. Ansonsten sei der Einspruch unbegründet. Der
Gemeindewahlleiter habe nicht gegen seine Pflicht zur Neutralität und
Objektivität nach § 9 Abs. 4 des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes -
NKWG - verstoßen. In dem Fernsehbeitrag sei ausdrücklich herausgestellt
worden, dass er keiner Partei angehöre. In der Sendung sei lediglich in
humoristisch-satirischer Weise das Thema Wahlwerbung kommentiert worden.
Dies sei nicht geeignet, bestimmte Parteien zu begünstigen. Selbst wenn man
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eine Pflichtverletzung unterstelle, sei dies nicht geeignet gewesen, das
Wahlergebnis mehr als nur unwesentlich zu beeinflussen. Dass die SPD auf
Wahlplakate verzichtet habe, sei durch die Berichterstattung in der örtlichen
Presse den Wählerinnen und Wähler ohnehin bekannt gewesen.
Soweit Wahlplakate der "Grünen" entfernt worden seien, habe der
Gemeindewahlleiter es nicht pflichtwidrig unterlassen, den Sachverhalt
aufzuklären. Er habe vielmehr auf den Hinweis des Klägers hin unmittelbar in F.
bei dem dortigen Wahlvorstand nachgefragt, ob und warum Wahlplakate entfernt
worden seien. Der Wahlvorstand habe dies dem Gemeindewahlleiter schlüssig
und plausibel dargelegt. Der Gemeindewahlleiter habe das Vorgehen des
Wahlvorstandes als rechtlich vertretbar gewertet. Er habe damit seiner Pflicht zur
Klärung des Sachverhaltes sowie zur Bewertung und Entscheidung, ob ein
Einschreiten geboten sei, Genüge getan.
Er habe auch am 14. September 2011 nicht gegen Vorschriften des Wahlrechts
verstoßen. Die Öffentlichkeit habe bei Sitzungen des Wahlausschusses kein
Rederecht. Soweit durch den Beschluss des Wahlausschusses Rederecht
eingeräumt werde, habe der Gemeindewahlleiter dafür Sorge zu tragen, dass
durch diese Redebeiträge die Entscheidung des Wahlausschusses nicht in
unzulässiger Weise beeinflusst werde. Es sei nicht zu beanstanden, wenn im
Rahmen der Sitzungsleitung einzelne Beiträge unterbrochen bzw. Fragen nicht
zugelassen würden. Bei der Frage, welche Redebeiträge zuzulassen seien bzw.
ob es hierdurch zu einer unzulässigen Beeinflussung des Wahlausschusses
komme, bestehe ein Beurteilungsspielraum des Gemeindewahlleiters. Es lägen
keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gemeindewahlleiter willkürlich oder
unvertretbar entschieden habe.
Es sei gesetzlich nicht zu beanstanden, dass ein Mitglied des Wahlausschusses
mit einem Kandidaten der Wahl verwandt sei. Es sei deswegen auch nicht zu
beanstanden, dass der Gemeindewahlleiter in der Sitzung auf diese Rechtslage
hingewiesen habe und auch keinen Austausch von Mitgliedern des
Wahlausschusses vorgenommen habe.
Die Entscheidung des Wahlausschusses zum Ergebnis der Wahl sei nicht durch
die Aussagen und Mitwirkung des Gemeindewahlleiters unzulässig beeinflusst
worden. Jedes Mitglied des Wahlausschusses sei bei seiner Entscheidung nur
der eigenen Überzeugung und den gesetzlichen Regelungen verpflichtet
gewesen, so dass unabhängig von den Äußerungen des Gemeindewahlleiters
von einer eigenständigen Entscheidung der Mitglieder auszugehen sei. Eine
solche unzulässige Einflussnahme auf das Abstimmungsverhalten der
Mitglieder des Wahlausschusses könne nur dann anzunehmen sein, wenn der
Gemeindewahlleiter durch sachlich falsche Äußerungen das
Abstimmungsverhalten beeinflusst hätte. Derartiges werde weder behauptet
noch sei es erkennbar.
Es habe kein Anlass bestanden, den Beschluss des Wahlausschusses vom 14.
September 2011 zur Überprüfung zu stellen, nur weil es in anderen Gemeinden
zu Fehlern bei der Auszählung der Stimmen gekommen sei. Die Veränderungen
des Ergebnisses bei der Gemeindewahl in I. seien wesentlich darauf
zurückzuführen gewesen, dass die Auszählung eines gesamten Paketes mit
Stimmzetteln vergessen worden sei. Es habe keine Anhaltspunkte dafür
gegeben, dass es in B. zu vergleichbaren Fehlern gekommen sei. Es habe
deswegen kein begründeter Anlass nach § 10 Abs. 5 NKWG zur Prüfung des
Beschlusses des Wahlausschusses bestanden.
Der Gemeindewahlleiter habe auch nicht dadurch seine Pflicht verletzt, dass er
die von dem Kläger begehrte Auskunft nicht erteilt habe. Es sei die
Auskunftserteilung nicht rechtswidrig versagt worden. Der Kläger sei zu dem
Zeitpunkt, als er das Begehren gestellt habe, noch nicht Beteiligter eines
Verwaltungsverfahrens gewesen, weil zu dieser Zeit ein Einspruch noch nicht
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vorgelegen habe. Im Übrigen habe der Gemeindewahlleiter zutreffend darauf
hingewiesen, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an der Bekanntgabe der
begehrten Daten nicht glaubhaft gemacht habe. Die Auskunft sei nicht endgültig
versagt worden. Es sei dem Kläger vielmehr anheimgestellt worden, sein
rechtliches Interesse an der Auskunft näher zu konkretisieren. Ein Pflichtverstoß
könne dem Gemeindewahlleiter auch deswegen nicht vorgeworfen werden, weil
er sich zur Absicherung seiner Entscheidung zuvor an den Kreiswahlleiter
gewandt habe, der wiederum mit dem Landeswahlleiter Rücksprache
genommen habe. Diese Stellen hätten seine Rechtsansicht bestätigt.
Auch die stellvertretende Gemeindewahlleiterin habe ihre Verpflichtung zur
Neutralität und Objektivität nicht verletzt. Allein, dass ihr Bruder für die Wahl
kandidiert habe, führe nicht zu einer derartigen Verletzung. Der Umstand, dass
in einem amtlichen Schaukasten eine Einladung von Kandidaten der CDU zu
einer Radtour ausgehängt worden sei, sei nicht der stellvertretenden
Gemeindewahlleiterin vorzuhalten. Diese habe unmittelbar nach Kenntnis von
diesem Aushang gehandelt und den Ortsvorsteher aufgefordert, den Aushang
zu entfernen. Auch die Postkartenaktion der CDU sei nicht von ihr zu vertreten.
Es sei nicht zu beanstanden, dass sie die Anfrage des Klägers erst am Folgetag
beantwortet habe, denn sie sei durch eine Vielzahl von Aufgaben in Anspruch
genommen gewesen.
Gegen das Prinzip der Gleichheit der Wahl sei ebenfalls nicht verstoßen worden.
Es könne dahin stehen, ob die Einladung der CDU zu einer Radtour im
amtlichen Schaukasten von J. zu einem Vorteil für die Kandidaten dieser Partei
geführt habe. Bei lebensnaher Betrachtung seien die hieraus möglicherweise
resultierenden Auswirkungen auf das Wahlergebnis jedenfalls unwesentlich.
Was die beanstandete Postkartenaktion von Kandidaten der CDU angehe, sei
bereits fraglich, ob durch die unzutreffenden Aussagen zum Alter der
Kandidaten anderer Parteien gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl
verstoßen worden sei. Im Übrigen werde die Gleichheit der Wahl dadurch nicht
beeinträchtigt, da die Wahlchancen eines jeden einzelnen Kandidaten hierdurch
weder positiv noch negativ beeinflusst würden. Ein etwaiger Verstoß sei auch
nicht geeignet gewesen, das Wahlergebnis wesentlich zu beeinflussen. Es
könne unterschiedliche Gründe haben, warum die Kandidaten der CDU mehr
Stimmen bekommen hätten, als der Mitbewerber der "Grünen".
Die Wahlplakate von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätten sich in F. in dem
unmittelbaren Zugangsbereich zu dem Wahllokal befunden. Es habe dadurch
die Möglichkeit bestanden, im Moment unmittelbar vor dem Betreten des
Wahllokals und der abschließenden Stimmabgabe noch einmal Einfluss auf den
Wählerwillen zu nehmen, was nach § 33 Abs. 2 NKWG unzulässig gewesen sei.
Es sei deswegen rechtlich zulässig gewesen, die Wahlplakate zu entfernen.
Demgegenüber seien die Wahlplakate der CDU in J. im Bereich der öffentlichen
Straße gewesen und nicht bei dem unmittelbaren Zugang zum Wahllokal.
Zuletzt könne nicht von einem wesentlichen Einfluss auf das Wahlergebnis
dadurch ausgegangen werden, dass die Plakate in F. entfernt worden seien,
diejenigen der CDU in J. aber nicht.
Das Wahlergebnis sei auch weder neu festzustellen noch zu berichtigen.
Die von dem Kläger genannten Auffälligkeiten bei dem Wahlergebnis seien nicht
geeignet, eine Neufeststellung oder Berichtigung des Wahlergebnisses zu
rechtfertigen. Es treffe zwar zu, dass das Potenzial der möglichen Stimmen bei
der Stimmabgabe nicht ausgeschöpft worden sei. Daraus könne aber nicht
geschlossen werden, dass einzelne Stimmzettel nicht berücksichtigt worden
seien. Die Ausführungen des Klägers seien hier spekulativ. Dies gelte auch,
soweit er sich mit der Schwankungsbreite bei den ungültigen Stimmzetteln
befasse. Ein Anteil von ungültigen Stimmzetteln von vereinzelt bis zu 2,07% sei
nicht ungewöhnlich. Es sei auch plausibel, dass die Ergebnisse der
Gemeindewahl einerseits und der Kreiswahl andererseits voneinander
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abwichen.
Auch wenn in einem Stimmbezirk zunächst vergessen worden sei, die
Protokolle zu unterschreiben, begründe dies alleine keine ernstlichen Zweifel an
der Richtigkeit des Ergebnisses. Ursächlich hierfür sei ausschließlich ein
Versäumnis des Vorsitzenden des Wahlvorstandes gewesen, der nicht auf die
Notwendigkeit der Unterschrift hingewiesen habe. Es treffe auch nicht zu, dass
die Stimmenauszählung bis 24.00 Uhr gedauert habe. Im Übrigen seien die
Mitglieder des Wahlvorstandes in der Zeit der Stimmabgabe von 08.00 Uhr bis
18.00 Uhr in zwei Schichten tätig gewesen. Lediglich zum Auszählen seien alle
Mitglieder anwesend gewesen. Man könne auch nicht deswegen davon
ausgehen, dass eine ordnungsgemäße Durchführung der Stimmauszählung
nicht gewährleistet gewesen sei, weil einzelne Stimmzettel zunächst als ungültig
und nach Prüfung als gültig gewertet worden seien. Die nachträglichen
Berichtigungen seien insgesamt geringfügig gewesen und könnten
vernachlässigt werden. Es sei vielmehr typischerweise so, dass zunächst als
ungültig gewertete Stimmzettel bei einer genaueren Prüfung des Einzelfalls
dann doch als gültig gewertet würden. Zuletzt gebe es keine vorgeschriebene
Reihenfolge zur Durchführung der Wahl. Es sei nur die Reihenfolge der
Auszählung der Stimmen vorgeschrieben (Landrat - Kreiswahl - Gemeindewahl),
die eingehalten worden sei. Eine Trennung der Stimmzettel für die
unterschiedlichen Wahlen sei nicht vorgeschrieben.
Der Kläger hat am 9. Dezember 2011 Klage erhoben.
Zuvor, am 6. Dezember 2011, nahm er Einsicht in die Wahlunterlagen. Am 9.
Januar 2012 beantragte er bei der Beklagten, den Ratsbeschluss vom 1.
November 2011 aufzuheben und in einer neuerlichen Wahlprüfung das
Wahlergebnis neu festzustellen oder zu berichtigen. Zur Begründung machte er
Ausführungen zu Umständen, die er den Wahlunterlagen der Stimmbezirke 5
(M.), 6 (N.), 7 (B. 1), 8 (B. 2), 9 (O.) und 17 (F.) entnommen hatte. Wegen der
Einzelheiten wird auf das Schreiben des Klägers vom 9. Januar 2012 Bezug
genommen. Der Beklagte lehnte es mit Beschluss vom 19. Januar 2012
mehrheitlich ab, seinen Beschluss vom 1. November 2011 zur Gültigkeit der
Gemeindewahl vom 11. September 2011 aufzuheben. Er lehnte auch den im
Rahmen der Sitzung vorgebrachten Vorschlag ab, in einzelnen Wahlbezirken
die Stimmen nachzuzählen.
Zur Begründung seiner Klage wiederholt und ergänzt der Kläger seinen
Wahleinspruch. Im Wesentlichen trägt er Folgendes vor:
Es sei nicht rechtmäßig gewesen, die Wahlplakate von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN am Wahlsonntag in F. zu entfernen. Sie seien nicht unmittelbar vor
dem Zugang zu dem Wahlgebäude angebracht gewesen. Der Abstand habe
zwischen 110 m und 160 m betragen. Eine Einflussnahme im letzten Moment
der Stimmabgabe habe hierdurch nicht erfolgen können. Zu beanstanden sei
weiter, dass entgegen der Regelungen im Erlass des Landeswahlleiters vom 31.
Mai 2011 der Wahlvorstand eigenmächtig die Plakate entfernt habe. Es sei
erlasswidrig, dass der Gemeindewahlleiter den Wahlvorstand hierzu ermächtigt
habe. Im Übrigen vertieft der Kläger sein Vorbringen, das er im Rahmen des
Wahleinspruches sowie seines Antrages an den Beklagten vom Januar 2012
vorgebracht hat. Zu dem Verhalten des Gemeindewahlleiters in der Sitzung des
Wahlausschusses vom 14. September 2011 ergänzt er, er habe viele Beispiele
für die massiven und durch Unsachlichkeiten geprägten Einflussnahmen des
Gemeindewahlleiters auf den Wahlausschuss vorgebracht. Eine sachlich
falsche und rechtlich unzutreffende Äußerung liege z.B. schon in der
Behauptung des Gemeindewahlleiters, er könne für eine Nachzählung nicht für
die Dauer von zwei Tagen das Rathaus schließen. Dies unterstreiche, dass der
Gemeindewahlleiter Einfluss auf die Entscheidung des Wahlausschusses habe
nehmen wollen und auch genommen habe. Angesichts des sehr knappen
Wahlergebnisses von aufgerundeten 7 Stimmen zur absoluten Mehrheit seien
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mehrere für sich genommen eher unwesentliche Beeinflussungen in der
Gesamtheit doch als wesentlich für das Wahlergebnis anzusehen.
Da die Veröffentlichung der Fotos von dem Gemeindewahlleiter nach der
Einlassung des Beklagten ohne Rücksprache mit diesem und ohne Kenntnis
und Zustimmung erfolgt sei, könne dem Gemeindewahlleiter dies auch nicht
vorgeworfen werden. Indem die CDU die Wahlwerbung mit den Fotos aber ohne
Zustimmung des Bürgermeisters veröffentlicht habe, habe sie sich den Anschein
einer amtlichen Werbung verschafft und dadurch einen Vorteil gegenüber den
anderen Parteien.
Es könne ihm, dem Kläger, nicht entgegen gehalten werden, dass er bestimmte
Umstände nach Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist vorgetragen habe, weil
er erst am 6. Dezember 2011 Einsicht in sämtliche Wahlunterlagen habe
nehmen dürfen. Damit sei die Begründungsfrist aufgehoben worden. Es sei
auch als rechtsmissbräuchlich anzusehen, dass der Beklagte sich nunmehr auf
einen Ablauf der Einspruchsfrist berufe. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 9. Dezember 2011, 28. Januar 2012,
22. November 2012 und vom 2. März 2013 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
die Wahlprüfungsentscheidung des Beklagten vom 1. November 2011
in Gestalt des Bescheides des Beklagten vom 8. November 2011
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Gemeindewahl von
B. vom 11. September 2011 für ungültig zu erklären,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, das Ergebnis der Kommunalwahl vom
11. September 2011 neu festzustellen oder zu berichtigen und die
Wahlprüfungsentscheidung des Beklagten vom 1. November 2011 in
Gestalt des Bescheides des Beklagten vom 8. November 2011
aufzuheben, soweit sie dem entgegensteht.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung dürfe nur das berücksichtigt werden,
was innerhalb der Frist zur Begründung des Wahleinspruches von dem Kläger
beanstandet worden sei. Die übrigen von dem Kläger später vorgebrachten
Gesichtspunkte könnten nicht mehr berücksichtigt werden. Was die Entfernung
der Wahlplakate der "Grünen" angehe, sei es unerheblich, wer diese
vorgenommen habe. Entscheidend sei, dass es rechtmäßig gewesen sei, diese
zu entfernen, weil sie an einem Laternenpfahl unmittelbar vor dem Grundstück
befestigt gewesen seien, auf dem sich die Zufahrt von der öffentlichen Straße
zum Wahllokal befunden habe. Der Beklagte setzt sich weiter im Einzelnen mit
den Einwänden des Klägers gegen das Ergebnis der Auszählung in den
Stimmbezirken 5, 6, 7, 8 und 17 auseinander.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in
dem Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf den Verwaltungsvorgang
des Beklagten Bezug genommen. Neben den Vorgängen, die den
Wahleinspruch des Klägers betreffen, haben die Niederschrift zur Feststellung
des endgültigen Wahlergebnisses vom 11. September 2011 nebst Anlagen
vorgelegen sowie die Wahlniederschriften der einzelnen Wahlbezirke nebst
Anlagen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch darauf, dass die von ihm angefochtene
Wahl für ungültig erklärt wird, noch kann er eine Neufeststellung oder
Berichtigung des Wahlergebnisses verlangen. Der Beklagte hat den
Wahleinspruch des Klägers auf der Grundlage des § 48 NKWG (in der Fassung
vom 24.2.2006, NdsGVBl. S. 91, geändert durch das Gesetz vom 10.11.2010,
NdsGVBl. S. 510) zu Recht zurückgewiesen. Nach § 48 NKWG wird der
Wahleinspruch einmal zurückgewiesen, wenn er unzulässig ist, zum anderen,
wenn er unbegründet ist (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 NKWG) oder, wenn er zwar zulässig
und begründet ist, aber der Rechtsverstoß auch im Zusammenhang mit anderen
Rechtsverstößen das Wahlergebnis nicht oder nur unwesentlich beeinflusst hat
(§ 48 Abs. 1 Nr. 2 NKWG). Ist ein Wahleinspruch nicht nach Absatz 1
zurückzuweisen, so wird das Wahlergebnis neu festgestellt oder berichtigt (§ 48
Abs. 2 Nr. 1 NKWG) oder die Wahl ganz oder teilweise für ungültig erklärt (§ 48
Abs. 2 Nr. 2 NKWG).
Hier ist der Wahleinspruch des Klägers zum Teil bereits unzulässig. Nicht alle
seine Einwände genügen den Anforderungen, die nach § 46 Abs. 1 Satz 2
NKWG an die Begründung eines Wahleinspruches zu stellen sind. Nach der
genannten Vorschrift kann der Wahleinspruch nur damit begründet werden,
dass die Wahl nicht den Vorschriften des NKWG bzw. der Niedersächsischen
Kommunalwahlordnung - NKWO - entsprechend vorbereitet oder durchgeführt
oder in unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden ist. Soweit der
Kläger einen Verstoß gegen beamtenrechtliche Pflichten des
Gemeindewahlleiters und Bürgermeisters der Gemeinde B. rügt, betrifft dies
bereits keinen Rechtsverstoß im Sinne der genannten Vorschriften.
Unzulässig ist der Einspruch des Klägers auch, soweit er geltend macht, es sei
zu nicht erklärbaren Auffälligkeiten in den Wahlergebnissen gekommen (Ziffern II
2 sowie Ziffer II 3e des Schreibens vom 29. September 2011). Insoweit ist der
Wahleinspruch nicht im Sinne des § 46 Abs. 1 NKWG mit Gründen versehen.
Eine hinreichende Begründung eines Wahleinspruches liegt nur dann vor, wenn
der Einspruchsführer darlegt, welche konkreten Vorkommnisse bei der
Vorbereitung und Durchführung der Wahl beanstandet werden, die das Ergebnis
beeinflusst haben könnten. Dabei muss der Einspruchsführer den
vermeintlichen Wahlfehler substantiiert geltend machen (zum Vorst.:
Thiele/Schiefel, Niedersächsisches Kommunalwahlrecht, 3. Aufl., § 46 Nr. 4
m.w.N.). Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die
bloße Andeutung einer Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und
einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht
enthalten, dürfen als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (BVerfG, Beschl. v.
24.8.1993 - 2 BvR 1858/92 -, juris). Das Vorbringen des Klägers unter Ziffer II 2
sowie unter Ziffer II 3e des Schreibens vom 29. September 2011 ist insgesamt
nicht hinreichend substantiiert. Vielmehr beschränkt sich der Kläger hier auf
Vermutungen und die Andeutung von Wahlfehlern, ohne eine hinreichende
tatsächliche Grundlage für seine Annahmen beizubringen. Auch im Rahmen des
Klageverfahrens hat der Kläger die notwendige Konkretisierung nicht
vorgenommen.
Soweit der Kläger auf die Differenz zwischen der Anzahl der gültigen
Stimmzettel und damit möglichen Stimmen einerseits sowie der Zahl der als
gültig gewerteten Stimmen andererseits hinweist, stellt er die bloße Vermutung
auf, dass gültige Stimmen zu Unrecht außer Betracht gelassen wurden, ohne
dass eine tragfähige tatsächliche Grundlage für diese Vermutung ersichtlich ist.
Allein der Umstand, dass weniger Stimmen gewertet wurden, als es nach den
gültigen Stimmzetteln theoretisch möglich gewesen wäre, rechtfertigt nicht den
Schluss auf einen Verstoß gegen Vorschriften des NKWG oder der NKWO bzw.
auf eine unzulässige Beeinflussung der Wahl. Es ist ebenso gut möglich, dass
die Wahlberechtigten nicht alle ihre Stimmen vergeben haben. Enthält ein
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die Wahlberechtigten nicht alle ihre Stimmen vergeben haben. Enthält ein
Stimmzettel weniger als drei Stimmen, berührt dies nicht die Gültigkeit der
abgegebenen Stimmen (§ 30a NKWG).
Allein die von dem Kläger genannte Anzahl von ungültigen Stimmzetteln in den
Stimmbezirken 8 (B. 2, 2,07 %), 1 (K., 1,92 %) und 11 (J. 1,19 %) rechtfertigt
ohne weitere konkrete Anhaltspunkte ebenfalls nicht die Annahme von
Verstößen im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 2 NKWG. Konkrete Umstände bringt
der Kläger aber auch hier nicht bei.
Die Tatsache, dass sich - wie der Kläger geltend macht - auf dem Gebiet der
Gemeinde B. die Ergebnisse der Gemeindewahl einerseits sowie der Kreiswahl
andererseits unterscheiden, ist im Rahmen des § 46 Abs. 1 Satz 2 NKWG für
sich genommen ebenfalls nicht erheblich. Über den Hinweis auf die
unterschiedlichen Ergebnisse hinaus trägt der Kläger nichts vor, was konkreten
Anlass für die Annahme bieten könnte, es sei zu Wahlfehlern im Sinne der
genannten Vorschrift gekommen.
Ein konkreter Verweis auf mögliche Wahlfehler lässt sich zuletzt nicht allein
daraus entnehmen, dass es in den beiden Stimmbezirken in B. zu einer
unterschiedlichen Anzahl von ungültigen Stimmzetteln gekommen ist (5 in B. 1
und 11 in B. 2). Dies gilt auch dann, falls die Anzahl der ungültigen Stimmzettel
in beiden Bezirken bei der Wahl im Jahr 2006 - wie der Kläger vorträgt - nahezu
gleich gewesen ist (11 und 12). Ungültige Stimmen können aus vielfachen
Gründen zustande kommen. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass die
Anzahl der ungültigen Stimmen in den Stimmbezirken bei unterschiedlichen
Wahlen unverändert bleibt.
Im Übrigen ist der Wahleinspruch des Klägers unbegründet.
Dabei hat das Gericht bei seiner Prüfung nur diejenigen Einwände zu
betrachten, die der Kläger bereits in seinem Wahleinspruch vom 29. September
2011 vorgebracht und ggf. im Rahmen des Klageverfahrens konkretisiert hat. Mit
Gründen, die der Kläger mit seinem Schreiben vom 9. Januar 2012 sowie in
dem vorliegenden Klageverfahren neu vorgebracht hat, kann er hingegen nicht
mehr gehört werden. Dies folgt aus dem im Rahmen des
Wahlprüfungsverfahrens geltenden Prinzip, dass Einwände, die erst nach
Abschluss des Wahleinspruchsverfahrens erhoben werden, im gerichtlichen
Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen sind (sog. Präklusion). Das
Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Beschl. v. 7.1.2013 - 10 LA 138/12 -,
juris) führt hierzu aus:
"Dem Verwaltungsgericht fällt die Wahlprüfung jedoch nur in dem
Umfang zu, in dem sie durch die Substantiierung der
Prüfungsgegenstände im Wahleinspruch wirksam eingeleitet worden ist.
Der Prüfungsumfang vor dem Verwaltungsgericht geht nicht über das
Vorbringen im Wahleinspruchsverfahren hinaus; Rügen, die nicht schon
Gegenstand des Wahlprüfungsverfahrens vor der Vertretung bzw.
Einwohnervertretung waren, sind auch im gerichtlichen Verfahren
materiell präkludiert. Denn nach der in §§ 46 ff. NKWG angelegten
Zweistufigkeit des Wahlprüfungsverfahrens soll auf einen innerhalb von
zwei Wochen nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses mit
Begründung schriftlich einzureichenden oder zur Niederschrift zu
erklärenden Wahleinspruch hin zunächst die zuständige Vertretung
oder Einwohnervertretung über ihre eigene Legitimation und diejenige
ihrer Mitglieder entscheiden (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 NKWG). Gegen
diese Wahlprüfungsentscheidung ist die Klage zum Verwaltungsgericht
zulässig (§ 49 Abs. 2 NKWG). Diese Regelung hat ihren Grund darin,
dass die Entscheidung im Wahlprüfungsverfahren möglichst schnell
erfolgen soll, um Gewissheit über die rechtsgültige Zusammensetzung
der gewählten Vertretung zu erhalten. Es soll verhindert werden, dass
durch neue, erst später vorgebrachte Einwendungen die Entscheidung
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der Wahlprüfungsgerichte immer weiter hinausgezögert werden kann.
Dies führt dazu, dass Einwendungen, die erst im Klageverfahren
erhoben werden, nicht der Prüfung des Verwaltungsgerichts
unterliegen."
Eine derartige materielle Präklusion ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts mit Bundesrecht vereinbar (BVerwG, Beschl. v.
12.1.1989 - 7 B 202.88 -, juris). Dabei endet das vorgerichtliche
Wahleinspruchsverfahren mit der Wahlprüfungsentscheidung, die dem
Betroffenen zuzustellen ist. Das war hier der Beschluss des Beklagten in Gestalt
des Bescheides vom 8. November 2011. Dieser stellt den Gegenstand der
vorliegenden Klage dar. Der Umstand, dass sich der Beklagte in seiner Sitzung
vom 19. Januar 2012 mit dem Antrag des Klägers vom 9. Januar 2012 befasst
hat, den Beschluss vom 1. November 2011 aufzuheben und bei einer erneuten
Wahlprüfung das Wahlergebnis zu berichtigen, führt nicht dazu, dass die dort
neu erhobenen Einwände des Klägers im Rahmen des Klageverfahrens noch
zu berücksichtigen wären. Ob eine Änderung seiner Wahlprüfungsentscheidung
durch den Beklagten nach Abschluss des Wahleinspruchsverfahrens nach §§
46 - 49 Abs. 1 NKWG überhaupt zulässig gewesen wäre, muss hier nicht
entschieden werden. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang weiter, dass der
Kläger erst am 6. Dezember 2011 Einsicht in sämtliche Wahlunterlagen nehmen
konnte, denn der dargestellte Ausschluss von Einwänden im gerichtlichen
Verfahren setzt ein Verschulden des Einspruchsführers nicht voraus.
Die von dem Kläger in seinem Wahleinspruch vom 29. September 2011
erhobenen Einwände, die er im Rahmen des Klageverfahren zum Teil
konkretisiert bzw. klargestellt hat, rechtfertigen es weder, die Wahl für ungültig zu
erklären, noch das Wahlergebnis neu festzustellen oder zu berichtigen. Es
können keine Wahlfehler im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 2 NKWG festgestellt
werden, die das Wahlergebnis im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 2 NKWG mehr als
nur unwesentlich beeinflusst haben. Von einem wesentlichen Einfluss auf das
Wahlergebnis ist dabei auszugehen, wenn die Verteilung der Sitze in der
gewählten Körperschaft ohne die Verstöße gegen das Wahlrecht anders
ausgefallen wäre oder anders hätten ausfallen können. Für eine solche
Prognose reicht eine theoretische Möglichkeit nicht aus. Vielmehr bedarf es
einer konkreten, nach der Lebenserfahrung begründeten Wahrscheinlichkeit,
dass Wahlfehler im Hinblick auf die Sitzverteilung zu einer Verfälschung des
Wählerwillens geführt haben (zum Vorstehenden: NdsOVG, Urt. v. 16.2.1999 -
10 L 4499/97 -).
Zunächst stellt weder das von dem Kläger gerügte Verhalten des
Gemeindewahlleiters, der zugleich Bürgermeister der Gemeinde B. ist, noch
dasjenige der stellvertretenden Gemeindewahlleiterin einen Verstoß gegen das
in § 9 Abs. 4 NKWG geregelte Gebot dar, bei der Ausübung des Amtes
Neutralität und Objektivität zu wahren. Diese beiden Personen haben auch nicht
die Wahl ansonsten in unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst. Die
Regelung des § 9 Abs. 4 NKWG konkretisiert für die Gemeindewahlleitung die
Neutralitätspflicht kommunaler Organe, die ansonsten aus den
Wahlrechtsgrundsätzen der Freiheit und Gleichheit der Wahl folgt (Steinmetz,
Kommunalwahlrecht Niedersachsen, 3. Aufl. S. 26).
Lediglich Wahlen, die ohne Verstoß gegen das Gebot strikter staatlicher und
gemeindlicher Neutralität und ohne Verletzung der Integrität der Willensbildung
der Wahlbürger erfolgt sind, können den Gewählten demokratische Legitimität
verleihen. Das Gebot der freien Wahlen untersagt es staatlichen und
gemeindlichen Organen, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit politischen
Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie als Amtsträger zu
unterstützen oder zu bekämpfen. Eine zulässige amtliche Öffentlichkeitsarbeit
findet ihre Grenze dort, wo offene oder versteckte Wahlwerbung beginnt.
Allerdings dürfen sich auch kommunale Amtsträger unter Berufung auf Art. 5
Abs. 1 Satz 1 GG in ihrer Eigenschaft als Bürger im Wahlkampf äußern und von
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ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Sie dürfen sich
deshalb auch an Auftritten, Anzeigen oder Wahlaufrufen beteiligen, solange
dabei die Grenzen der Neutralitätspflicht gewahrt werden, dass nämlich im
Kommunalwahlkampf Wahlempfehlungen zugunsten einer Partei oder eines
Wahlbewerbers nicht in amtlicher Eigenschaft abgegeben werden dürfen. Eine
amtliche Äußerung ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sie ausdrücklich in
einer amtlichen Eigenschaft erfolgt oder wenn sich aus anderen Umständen
ergibt, dass die Äußerung im Wahlkampf amtlichen Charakter hat. Ein amtlicher
Charakter einer Äußerung kann sich dabei auch aus ihrem Inhalt ergeben,
insbesondere dann, wenn amtliche Autorität oder eine durch das Amt erworbene
Beurteilungskompetenz in Anspruch genommen werden, um einer
Wahlaussage oder -empfehlung Nachdruck zu verleihen Dann ist sie unzulässig
(zum Vorstehenden: NdsOVG, Urt. v. 26.03.2008 - 10 LC 203/07 - m.w.N.; VG
Oldenburg, Urt. v. 1.7.2008 - 1 A 93/08 -).
Hieran gemessen haben weder der Gemeindewahlleiter, noch die
stellvertretende Gemeindewahlleiterin gegen ihre Pflicht zu neutralem Verhalten
verstoßen. Soweit es das von dem Kläger gerügte Verhalten der
stellvertretenden Gemeindewahlleiterin angeht, hat der Beklagte dies in seinem
Bescheid vom 8. November 2011 ausführlich und überzeugend dargelegt. Um
Wiederholungen zu vermeiden, nimmt das Gericht hierauf Bezug.
Auch das Verhalten des Gemeindewahlleiters und Bürgermeisters der
Gemeinde B. kann gemessen an §§ 46 NKWG, 48 NKWG sowie den
allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen nicht beanstandet werden. Zunächst hat
der Gemeindewahlleiter durch seinen Auftritt in der Sendung Buten & Binnen am
5. September 2011 keine unzulässige Wahlwerbung vorgenommen. Das
Gericht hat einen Mitschnitt der Sendung im Rahmen der mündlichen
Verhandlung in Augenschein genommen. Dabei hat sich gezeigt, dass es sich
hierbei um eine humoristische Sendung ohne politische Aussage und damit
ohne den Charakter einer Wahlwerbung gehandelt hat. Dies lässt sich schon
den einleitenden Worten des Moderators entnehmen, der erklärt, es sei "ein
Quiz" veranstaltet worden und gilt auch für sämtliche Äußerungen des
Gemeindewahlleiters und Bürgermeisters der Gemeinde B. im Rahmen des
Beitrages, mit denen er Wahlplakate einzelner Parteien bzw. das Fehlen der
Plakatierung durch die SPD kommentiert hat. Durch die Art und Weise der
Äußerungen, nämlich die übertriebene Betonung sowie die Mimik des
Gemeindewahlleiters ist eindeutig, dass mit keiner der Aussagen ein Anspruch
auf Ernsthaftigkeit erhoben wurde. Ganz deutlich wird das am Ende der
Sendung, an dem der Gemeindewahleiter in gleicher Weise ein Werbeschild für
Pizza kommentiert hat.
Das von dem Kläger gerügte Verhalten des Gemeindewahlleiters im
Zusammenhang mit den durch den Wahlvorstand in F. entfernten Wahlplakaten
kann ebenfalls nicht beanstandet werden. Dabei ist unerheblich, ob der Kläger -
wie er vorträgt - den Gemeindewahlleiter erst nach dem Wahltag hierauf
angesprochen hat oder - wie der Beklagte meint - bereits am 11. September
2011 während der Wahl. Es kommt ebenfalls nicht darauf an, ob an zwei
Laternenmasten jeweils zwei Plakate entfernt wurden - was der Kläger angibt -
oder ob - so der Beklagte - nur zwei Plakate an dem der Einfahrt am nächsten
gelegenen Laternenmast abgehängt und umgestellt wurden. Eine pflichtwidrige
Untätigkeit des Gemeindewahlleiters, aus der auf einen Verstoß gegen seine
Neutralitätspflichten geschlossen werden könnte, lag jedenfalls nicht vor. Wie
der Beklagte vorgetragen hat, hat der Gemeindewahlleiter mit dem betreffenden
Wahlvorstand Rücksprache genommen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass
es gemessen an § 33 Abs. 2 NKWG vertretbar gewesen sei, die Wahlplakate zu
entfernen. Es gibt keinen Anlass, an diesem Vortrag zu zweifeln.
Es ist weiter nicht zu erkennen, dass der Gemeindewahlleiter im Rahmen der
Sitzung des Wahlausschusses am 14. September 2011 seine Pflicht zu
objektivem und neutralem Verhalten verletzt hat. Der Beklagte hat hierzu
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zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Rederecht der Öffentlichkeit im Rahmen
der Sitzung des Wahlausschusses nicht vorgesehen ist, so dass nicht
beanstandet werden kann, dass der Gemeindewahlleiter Redebeiträge der
Öffentlichkeit nicht zugelassen hat. Eine Pflichtverletzung des
Gemeindewahlleiters kann auch nicht darin gesehen werden, dass er die von
dem Kläger geschilderten Einwände anderer Mitglieder des Wahlausschusses
zurückgewiesen hat, die darauf gerichtet waren, eine Überprüfung des
Wahlergebnisses noch in anderen Stimmbezirken als den Bezirken 1, 12 und 17
zu erreichen. Dabei kommt es nicht darauf an, mit welcher Begründung der
Gemeindewahlleiter dies getan hat. Er hat es nämlich zu Recht abgelehnt,
neben den vorgenommenen Korrekturen in weiteren Stimmbezirken die
Stimmenzahl zu überprüfen. Keiner der von dem Kläger in seinem
Wahleinspruch und im Rahmen des Klageverfahrens wiedergegebenen
Einwände, die darauf abgezielt haben, die Nachzählung der Stimmen in
weiteren Wahlbezirken zu erreichen, hat konkrete Tatsachen oder Umstände
benannt, die Zweifel an der Richtigkeit des Wahlergebnisses rechtfertigen
könnten. So ist nach den Angaben des Klägers lediglich geltend gemacht
worden, dass die festgestellten Fehler bei der Nachzählung in L. auch in
anderen Stimmbezirken nicht auszuschließen seien, dass es unwahrscheinlich
sei, dass bei 13 Abweichungen in einem Stimmbezirk in den anderen 16
Stimmbezirken jeweils keinerlei Abweichungen zu erwarten seien und bei
vielleicht nur vier Abweichungen pro Stimmbezirk immerhin noch 64
Abweichungen möglich sein könnten. Alle diese Einwände waren unsubstantiiert
und beschränkten sich auf allgemeine Vermutungen, die es gerade nicht
erlauben, alle Stimmen zu prüfen oder eine Neuauszählung anzuordnen. Zwar
hat der Wahlausschuss das Recht, die Entscheidungen der Wahlvorstände über
die Gültigkeit der Stimmen nachzuprüfen (§ 34 Abs. 3 Satz 2 NKWG, § 66 Abs. 3
NKWO). Dies bedeutet aber nicht, dass der Wahlausschuss befugt wäre, ohne
konkrete Anzeichen für Fehler alle Stimmen zu prüfen oder eine Neuauszählung
anzuordnen. Selbst extrem knappe Wahlergebnisse bieten für sich genommen
keine Rechtfertigung für eine Neuauszählung, wenn es nicht konkret nahe liegt,
dass es zu Fehlern oder Unregelmäßigkeiten gekommen ist (hierzu: Steinmetz,
Kommunalwahlrecht Niedersachsen, 3. Aufl. S. 153; NdsOVG, Urt. v. 21.4.2009
- 10 LC 85/08 -). Nur weil der Wahlausschuss in den Bezirken 1, 12 und 17
Fehler festgestellt hat, die zu einer Korrektur des Wahlergebnisses geführt
haben, rechtfertigt das ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es auch Fehler
in anderen Bezirken gegeben hat, keine weitere Überprüfung des
Wahlergebnisses anderer Bezirke. Derartige konkrete Wahlfehler in anderen
Bezirken als den Bezirken 1, 12 und 17 wurden aber auch nach dem Vortrag
des Klägers im Rahmen der Sitzung des Wahlausschusses nicht geltend
gemacht. Zutreffend war auch der Hinweis des Gemeindewahlleiters, es sei
rechtlich nicht ausgeschlossen, dass Familienmitglieder von CDU - Kandidaten
Mitglieder in Wahlvorständen bzw. dem Wahlausschuss seien und es bestand
dementsprechend auch keine Verpflichtung, Mitglieder des Wahlausschusses
auszutauschen.
Im Zusammenhang mit der von dem Kläger wiedergegebenen Berichterstattung
über die Berichtigung von Wahlergebnissen in der Gemeinde I. kann ebenfalls
keine Pflichtwidrigkeit des Gemeindewahlleiters festgestellt werden. Da - wie der
Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat - in I. die Auszählung eines ganzen
Paketes von Stimmzetteln vergessen worden war und es in B. keine
Anhaltspunkte für derartige Fehler bei der Wahl gab, bestand kein begründeter
Anlass im Sinne des § 10 Abs. 5 NKWG, den Beschluss über die Feststellung
des Wahlergebnisses in der Gemeinde B. abzuändern.
Der Gemeindewahlleiter hat zuletzt seine sich aus § 9 Abs. 4 NKWG ergebende
Verpflichtung zur Neutralität und Objektivität nicht deswegen verletzt, weil er das
Gesuch des Klägers vom 19. September 2011 abgelehnt hat, ihm eine
Auflistung der Wahlvorstände mit personeller Besetzung und ihrer jeweiligen
Funktion in den 17 Stimmbezirken zu übersenden sowie die genauen
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Anwesenheitszeiten und die Örtlichkeiten der Wahllokale mitzuteilen. Hier weist
der Beklagte zu Recht darauf hin, dass es nicht darauf ankommt, ob die
Auskunft zu Recht versagt wurde. Eine Pflichtverletzung kann schon deswegen
nicht angenommen werden, weil sich der Gemeindewahlleiter bei dem
Kreiswahlleiter und dieser wiederum bei dem Landeswahlleiter im
Innenministerium rückversichert hat, die beide bestätigt haben, dass seine
Rechtsaufassung zutreffend sei. Im Übrigen hat der Gemeindewahlleiter das
Gesuch nicht endgültig abgelehnt, sondern dem Kläger ausdrücklich
anheimgestellt, sein rechtliches Interesse näher darzulegen, was dieser nicht
getan hat.
Soweit der Kläger im Rahmen seines Wahleinspruches dem
Gemeindewahlleiter noch zur Last gelegt hatte, dass Fotos von ihm in einer
Wahlwerbebroschüre der CDU abgedruckt waren, hat der Kläger seine Rüge
ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten.
Weiter rechtfertigt weder das Verhalten des Ortsvorstehers von J., der es
ermöglicht hat, dass Kandidaten der CDU eine Einladung zur Radtour im
amtlichen Schaukasten aushängen konnten, noch dasjenige des
Wahlvorstands, der Wahlplakate von BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN in F. entfernt
hat, die Wahl in der Gemeinde B. für ungültig zu erklären. Dabei kann offen
bleiben, inwieweit es hier im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 2 NKWG zu
Wahlfehlern gekommen ist. Insbesondere muss nicht geklärt werden, ob die
Wahlplakate unter Verstoß gegen § 33 Abs. 2 NKWG unmittelbar vor dem
Zugang des Gebäudes angebracht waren, in dem sich das Wahllokal befand.
Eine wesentliche Beeinflussung des Wahlergebnisses im Sinne des § 48 Abs. 1
Nr. 2 NKWG kann selbst mit Rücksicht auf das äußerst knappe Wahlergebnis
nicht festgestellt werden. Bei lebensnaher Betrachtung sind die hier möglichen
Verstöße auch in ihrer Kombination zu geringfügig, als dass die
Wahrscheinlichkeit bestünde, es sei hierdurch im Hinblick auf die Sitzverteilung
zu einer Verfälschung des Wählerwillens gekommen.
Die Rügen des Klägers, durch die im Schaukasten der Gemeinde J.
ausgehängte Einladung zur Radtour von Kandidaten der CDU, durch die
Postkartenaktion der CDU und durch die Aufnahme des Fotos des
Bürgermeisters in eine Wahlwerbungsbroschüre der CDU sei es zu einer
unzulässigen Wahlbeeinflussung durch die CDU gekommen, durch die sich
diese Partei einen unzulässigen Vorteil verschafft habe, greifen ebenfalls nicht
durch. Bei der Beurteilung der Frage, ob Einwirkungen auf die Willensbildung
des Wählers als unzulässige Wahlbeeinflussung zu werten sind, sind bei
Amtsträgern einerseits und Dritten andererseits unterschiedliche Maßstäbe
anzulegen. Einwirkungen Privater auf den Wähler wie etwa Wahlmanöver der im
Wahlkampf stehenden Parteien oder einzelner Wahlbewerber, einschließlich
Täuschungen und Lügen, sind grundsätzlich auch dann nicht wahlrechtlich zu
beanstanden, wenn sie sittlich zu missbilligen sind. Eine ernstliche
Beeinträchtigung der Wahlfreiheit und damit eine unzulässige
Wahlbeeinflussung durch Einwirkungen von privater Seite kann nur
angenommen werden, wenn sie mit Mitteln des Zwangs oder des Drucks die
Wahlentscheidung beeinflusst hat oder wenn in ähnlich schwer wiegender Art
und Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt worden ist, ohne dass eine
hinreichende Möglichkeit der Abwehr oder des Ausgleichs bestanden hat (vgl.
hierzu BVerfG, Urt. v. 8.2.2001 - 2 BvF 1/00 -, BVerfGE 103, 111; NdsOVG,
Beschl. v. 29.1.2009 - 10 LA 316/08 -, juris). Keiner der von dem Kläger an
dieser Stelle gerügten Umstände stellt eine derartig schwerwiegende Einwirkung
auf den Wählerwillen dar.
Nach allem hat es der Beklagte zu Recht abgelehnt, die Wahl in der Gemeinde
B. vom 11. September 2011 ganz oder teilweise für ungültig zu erklären.
Auch der Hilfsantrag des Klägers bleibt ohne Erfolg.
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Der Beklagte ist nicht dazu zu verpflichten, das Wahlergebnis ganz oder
teilweise neu festzustellen oder zu berichtigen. Was die Korrektur des
Wahlergebnisses in den Stimmbezirken 1 (K.), 12 (L.) sowie 17 (F.) durch den
Wahlausschuss angeht, so hat der Kläger im Termin zur mündlichen
Verhandlung klargestellt, dass er diese nicht beanstandet. Vielmehr habe er
diese Korrekturen in seinem Wahleinspruch deswegen erwähnt, weil sie ein
Indiz dafür darstellten, dass es möglicherweise auch in anderen Bezirken zu
Fehlern gekommen sei. Ohne konkrete Anhaltspunkte für Wahlfehler auch in
anderen Wahlbezirken, rechtfertigt dies eine Berichtigung oder Neufeststellung
des Wahlergebnisses nicht.
Auch die übrigen von dem Kläger zur Begründung seines Hilfsantrages
genannten Umstände führen nicht dazu, dass das Wahlergebnis neu
festzustellen oder zu berichtigen wäre.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf den von ihm gerügten Zeitpunkt, zu dem der
Wahlvorstand eines Wahlbüros die Wahlniederschrift unterschrieben hat. Ein
Wahlfehler liegt hier nicht vor. Nach § 64 Abs. 1 NKWO wird über die
Wahlhandlung sowie die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses im
Wahlbezirk von der Schriftführerin oder von dem Schriftführer eine
Wahlniederschrift gefertigt und von allen anwesenden Mitgliedern des
Wahlvorstandes unterzeichnet. Wann diese Unterschrift zu erfolgen hat, ist nicht
geregelt, ein Verstoß gegen § 64 NKWO liegt nicht dadurch vor, dass die
Unterschrift zunächst nicht geleistet wurde und die Mitglieder des
Wahlvorstandes in der Nacht zurückkehren mussten. Die Schlussfolgerung des
Klägers, die fehlenden Unterschriften ließen sich nur mit mangelnder
Konzentration erklären, die sich auch bei der Stimmauszählung ausgewirkt
haben könne, ist spekulativ und damit unerheblich. Ebenso bewegt sich die
Aussage des Klägers, wegen der Dauer der Wahl sei es möglicherweise zu
Konzentrationsschwierigkeiten gekommen, so dass Fehler bei der Auszählung
nicht unwahrscheinlich seien, in dem Bereich bloßer Vermutungen. Nur weil es
in den Stimmbezirken 1, 12 und 17 zu Fehlern gekommen ist, rechtfertigt sich
auch nicht der generelle Schluss auf eine "mangelhafte bzw. unterschiedliche"
Vorbereitung der Wahlvorstände. Konkretes trägt der Kläger auch zu diesem
Punkt nicht vor.
Zuletzt hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass es keine Regelung
gibt, die die Reihenfolge der Durchführung der Wahlen bei verbundenen Wahlen
betrifft. § 54 Abs. 2 NKWO bestimmt, in welcher Reihenfolge das Wahlergebnis
ermittelt und festgestellt wird und zwar in der Reihenfolge:
1. Wahl der Landrätin oder des Landrats oder Wahl der
Regionspräsidentin oder des Regionspräsidenten,
2. Wahl der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters oder Wahl der
Samtgemeindebürgermeisterin oder des Samtgemeindebürgermeisters,
3. Kreiswahl oder Regionswahl,
4. Gemeindewahl und
5. Samtgemeindewahl.
Die Vorgaben dieser Vorschrift wurden nach den Ausführungen des Beklagten
in dem Bescheid vom 8. November 2011 beachtet. Dem ist der Kläger nicht
entgegengetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a
Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.