Urteil des VG Göttingen vom 24.10.2012

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Aussetzung eines vergnügungsteuerrechtlichen
Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit
Ob nach wie vor eine Spielgerätesteuer erhoben werden darf, ist davon
abhängig, wie der EuGH einen Vorlagebeschluss des FG Hamburg - 3 K
104/11 - beantwortet.
VG Göttingen 2. Kammer, Beschluss vom 24.10.2012, 2 A 328/10
Art 401 EGRL 12/2006, § 94 VwGO
Gründe
Die Klägerin wehrt sich gegen die Heranziehung zur Vergnügungssteuer in
Form der Spielgerätesteuer für den Monat Juli 2010. Sie betreibt eine Spielhalle
in C., in der 10 Geldspielgeräte aufgestellt sind. Die Heranziehung erfolgt auf der
Grundlage der Spielgerätesteuersatzung der Beklagten vom 08.06.2010
(veröffentlicht im Amtsblatt des Landkreises Northeim Nr. 24 vom 18.06.2010),
die sich ab dem 01.07.2010 Wirkung beimisst. Durch diese Satzung wird der
bisher verwendete Stückzahlmaßstab durch den Maßstab „elektronisch
gezählte Bruttokasse“ ersetzt, was zu einer nicht unerheblichen Erhöhung der
Steuerbelastung für die Klägerin geführt hat. Neben der Spielgerätesteuer führt
die Klägerin Umsatzsteuer ab.
Vor dem Finanzgericht Hamburg ist das Verfahren 3 K 104/11 anhängig.
Klägerin dieses Verfahrens ist eine Unternehmerin, die in sieben Spielhallen in
Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern Geldspielgeräte
mit Gewinnmöglichkeit betreibt und sowohl zu einer Vergnügungssteuer in Form
der Spielgerätesteuer als auch zur Umsatzsteuer herangezogen wird. Das
Finanzgericht Hamburg hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der
Europäischen Union – EuGH - (u.a.) folgende Fragen zur Vorabentscheidung
gemäß Artikel 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) vorgelegt:
1. Ist Artikel 401 (i.V.m. Artikel 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen, dass Mehrwertsteuer
und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht
kumulativ erhoben werden dürfen?
2. Nur falls ja zu 1.):
Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl
Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies
zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der
Sonderabgabe oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden
Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?
Das Gericht setzt die Verhandlung in der vorliegenden Sache in entsprechender
Anwendung von § 94 VwGO aus, weil über eine wesentliche Rechtsfrage, die in
diesem Verfahren zu klären ist, in dem soeben bezeichneten Verfahren des
Finanzgerichts Hamburg zu entscheiden ist und die Aussetzung zweckmäßig
erscheint (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, § 94, Rn. 4a mit
weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; OVG Lüneburg, Beschluss vom
15.12.1997 - 12 O 5365/97 -). Sollte der EuGH auf die ihm von dem
Finanzgericht Hamburg gestellte Vorlagefrage in der Weise antworten, dass
neben der Mehrwertsteuer eine nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele (um
eine solche handelt es sich bei der Spielgerätesteuer der Beklagten) in
Anwendung von Artikel 401 i.V.m. Artikel 135 Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie
2006/112/EG nicht erhoben werden darf, wird das Finanzgericht Hamburg die
Klage zwar voraussichtlich abweisen, in den Gründen der Entscheidung jedoch
feststellen, dass neben der in jenem Verfahren im Streit befindlichen
Umsatzsteuer eine kommunale Aufwandsteuer in Form der Spielgerätesteuer
nicht erhoben werden darf. Zwar wäre das erkennende Gericht an die
Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg nicht gebunden, es hätte jedoch die
verbindliche Auslegung europarechtlicher Normen durch den EuGH seiner
Entscheidung zugrunde zu legen, d.h. ggf. die Spielgerätesteuersatzung der
Beklagten für unwirksam zu erachten mit der weiteren Folge, dass der
Heranziehung der Klägerin zur Spielgerätesteuer die nach § 2 NKAG
erforderliche ortsgesetzliche Grundlage fehlen würde. Der Klage wäre bereits
aus diesem Grunde und ohne weitere Überprüfung der von der Klägerin
vorgetragenen weiteren Bedenken an der Wirksamkeit der Satzung
stattzugeben.