Urteil des VG Göttingen vom 21.10.2013

VG Göttingen: russische föderation, bundesamt, verordnung, ausreise, vorläufiger rechtsschutz, eugh, abschiebung, überstellung, rücknahme, klagefrist

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Dublin-II-Verfahren - Abschiebungsanordnung Polen
1. Die Rücknahme des im Bundesgebiet gestellten weiteren Asylantrags hat
jedenfalls dann keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des Dublin-
Verfahrens, wenn zuvor in dem zuständigen Mitgliedsstaat (hier: Polen)
bereits ein Asylantrag gestellt und damit die Zuständigkeit dieses
Mitgliedsstaates begründet wurde (in Abgrenzung zu EuGH, Urteil vom 3.
Mai 2012 - C 620/10).
2. Der unionsrechtliche Vorrang der freiwilligen Ausreise in den
Herkunftsstaat ist auch im Dublin-Verfahren zu beachten. Ihm kann durch
eine bedingte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die
Abschiebungsanordnung hinreichend Rechnung getragen werden.
VG Göttingen 2. Kammer, Beschluss vom 21.10.2013, 2 B 828/13
§ 27a AsylVfG, § 34a AsylVfG, Art 7 EGRL 115/2008, Art 3 Nr 3 EGRL 115/2008, Art
16 Abs 1d EGV 343/2003, § 80 Abs 5 S 5 VwGO
Gründe
Gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1
Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (sog.
Qualifikationsrichtlinie) vom 28. August 2013 (BGBl. I Nr. 54 vom 5. September
2013, S. 3474), die nach Art. 7 Satz 2 dieses Gesetzes am Tag nach der
Verkündung - somit dem 6. September 2013 - in Kraft getreten ist, ordnet das
Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG)
oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§
27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an,
sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der
Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften
der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die
Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der
Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen
Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Absatz 2 der geänderten
Fassung des § 34a AsylVfG sind Anträge nach § 80 Absatz 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb
einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei
rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig.
Das Bundesamt hat vorliegend mit zwei Bescheiden vom 16. September 2013,
der den Antragstellern ausweislich der zu den Akten befindlichen
Postzustellungsurkunde am 19. September 2013 zugestellt wurde,
entschieden, dass das von den Antragstellern in Deutschland durch Stellung
von Asylanträgen am 18. April 2013 eingeleitete Asylverfahren eingestellt ist
(Ziffer 1.), nachdem die Antragsteller durch schriftliche Erklärung gegenüber
der Ausländerbehörde der Stadt H. ihre e.g. Asylanträge zurückgenommen
und ihre Bereitschaft erklärt haben, in ihr Heimatland - die Russische
Föderation - freiwillig auszureisen. Zugleich hat das Bundesamt die
Abschiebung der Antragsteller nach Polen angeordnet wird (Ziffer 2.).
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer in der Hauptsache - 2 A
837/13 - anhängigen Klage, die am 1. Oktober 2013 beim erkennenden
Gericht eingegangen ist. Zeitgleich haben sie um Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ihrer Klage nachgesucht. Die Klage ist somit
innerhalb der 2-wöchigen Frist des § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylVfG erhoben
worden; ob eine Verkürzung der Klagefrist auf eine Woche gem. § 74 Abs. 1
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Halbs. 2 AsylVfG seit Inkrafttreten der Änderung des § 34a Abs. 2 AsylVfG mit
Wirkung vom 6. September 2013 erfolgt ist, kann die erkennende Kammer im
vorliegenden Verfahren offen lassen. Das Bundesamt gibt seinen
Außenstellen für die Rechtsbehelfsbelehrung ersichtlich eine zweiwöchige
Klagefrist vor (vgl. Rundschreiben des Bundesamtes an alle Innenministerien
der Bundesländer vom 17. Juli 2013 - 430-93604-01/13-05 - zur Änderung der
Verfahrenspraxis des Bundesamtes im Rahmen des Dublinverfahrens im
Hinblick auf § 34a AsylVfG n.F.); die Rechtsbehelfsbelehrung der
angefochtenen Bescheide verhält sich dementsprechend. Wäre dagegen eine
einwöchige Klagefrist zugrunde zu legen, was nach dem Wortlaut des § 74
Abs. 1 Halbs. 2 AsylVfG jedenfalls nicht von vorn herein auszuschließen ist,
käme den Antragstellern jedenfalls die Unrichtigkeit der vom Bundesamt
erteilten Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 58 Abs. 2 VwGO hier zugute.
Das erkennende Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F.
ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an
der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes
erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrages als
unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1
AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Das VG Trier hat hierzu in seinem
Beschluss vom 18. September 2013 - 5 L 1234/13.TR -, zit. nach juris,
eingehend dargelegt, dass eine derartige Einschränkung der gerichtlichen
Entscheidungsbefugnis in Anlehnung an § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG gerade
nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprach; eine entsprechende Initiative
zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine
Mehrheit (a.a.O., Rn. 7 ff.). Dementsprechend ist vorliegend eine reine
Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Beklagten mit dem privaten
Aussetzungsinteresse der Antragsteller vorzunehmen, die sich maßgeblich -
aber nicht ausschließlich - an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache
orientiert, soweit diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abschätzen lassen. Diese
Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten der Antragsteller aus, denn der
angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet insoweit durchgreifenden
rechtlichen Bedenken, als den Antragstellern durch die automatische
Anordnung ihrer Abschiebung nach Polen die Möglichkeit der freiwilligen
Ausreise in ihr Heimatland nicht eingeräumt wird. Dies erscheint nach den
Umständen des vorliegenden Einzelfalls unverhältnismäßig.
Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugeben, dass die VO (EG) 343/2003 des
Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und des Verfahrens
zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem
Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags
zuständig ist (ABl. EU L 50 vom 25. Februar 2003, S. 1) - sog. Dublin-II-
Verordnung -, geändert durch VO (EG) 1103/2008 vom 22. Oktober 2008 (ABl.
EU L 304 vom 14. November 2008, S. 80), auch auf den vorliegenden
Sachverhalt anzuwenden ist. Aus dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 - C-
620/10 -, InfAuslR 2012, S. 296, folgt - entgegen der Auffassung der
Antragsteller - kein anderer Befund. Anders als in dem vom EuGH
entschiedenen Sachverhalt, in dem lediglich ein Asylantrag in Schweden,
jedoch kein Asylantrag im aufnahmebereiten Mitgliedsstaat Frankreich, gestellt
wurde, und nur der in Schweden gestellte Asylantrag vor der Zustimmung der
französischen Stellen zur Aufnahme zurückgenommen wurde, ist vorliegend
unstreitig, dass die Antragsteller vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet schon
einen Asylantrag in Polen gestellt hatten. Damit korrespondiert die mit
Schreiben des Office for Foreigners of the Republic of Polen vom 5.
September 2013 gegenüber dem Bundesamt nach Art. 16 Abs. 1 Buchstabe
d) VO(EG) 343/2003 erklärte Bereitschaft zur Wiederaufnahme der
Antragsteller. Nach dieser Bestimmung ist der Mitgliedsstaat, der nach der
Dublin-II-Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten,
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einen Asylbewerber, der seinen Antrag während der Antragsprüfung
zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedsstaat einen Antrag gestellt hat,
nach Maßgabe des Art. 20 Dublin-II-Verordnung wieder aufzunehmen. Daraus
ist zu schließen, dass die Antragsteller ihren in Polen gestellten Asylantrag
offenbar auch schon zurückgenommen haben. Das Urteil des EuGH vom 3.
Mai 2012 (a.a.O.) erfasst indes ausschließlich Fälle, in denen von Anfang an
nur ein Asylantrag gestellt worden war und dieser zurückgenommen wurde,
bevor die Zustimmung des an sich zuständigen Mitgliedsstaates erfolgte.
Deshalb hat jedenfalls eine Rücknahme keine Auswirkungen auf die weitere
Anwendbarkeit der Dublin-II-Verordnung, wenn in dem nach dieser
Verordnung zuständigen Mitgliedsstaat bereits ein Asylantrag gestellt wurde
und nachfolgend ein in Deutschland gestellter (weiterer) Asylantrag
zurückgenommen wird (vgl. die Anm. zum Urt. d. EuGH v. 3. Mai 2012, a.a.O.,
von Escherle/Abbasova/Bell, Entscheiderbrief 6/2012, S. 1 f.; ebenso VG
Karlsruhe, Urteil vom 13. April 2011 - A 3 K 2110/10 -, zit. nach juris Rn. 28 f.).
Die Zuständigkeit Polens für die Antragsteller nach Maßgabe der Dublin-II-
Verordnung kann somit nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden.
Die weiteren Einwände der Antragsteller gegen die Entscheidung des
Bundesamtes, dementsprechend ihre Abschiebung nach Polen gem. § 27 a
i.V.m. § 34a Abs. 1 AsylVfG anzuordnen, greifen indes durch.
Die Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 AsylVfG ist im vorliegenden
Fall zwar nicht deshalb aufzuheben bzw. zeitweilig zu suspendieren, weil Art. 7
Abs. 1 VO (EG) 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit
Durchführungsbestimmungen zur VO (EG) 343/2003 (ABl. EU L 222 vom 5.
September 2003, S. 3) verschiedene Modalitäten der Überstellung eines
Asylbewerbers an den zuständigen Mitgliedsstaat vorsieht, darunter gem. Art.
7 Abs. 1 a) der Durchführungsverordnung eine freiwillige - unbegleitete -
Ausreise aus dem Mitgliedsstaat innerhalb einer vorgegebenen Frist. Zwar
werden insoweit Bedenken an der Unionsrechtskonformität des § 34a Abs. 1
AsylVfG geltend gemacht (hierzu näher: Funke-Kaiser, a.a.O., § 27a Rn. 4 und
§ 34a Rn. 51 ff. m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 11. Oktober 2013 - 2 B
806/13 -, BA S. 8 f.). Diesen Bedenken ist vorliegend jedoch nicht weiter
nachzugehen, denn den Antragstellern geht es hier ersichtlich nicht um eine
freiwillige Rückkehr in den für sie nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen
Mitgliedsstaat. Sie wollen vielmehr in ihre Heimat - die Russische Föderation -
freiwillig zurückkehren.
Die Antragsteller haben hierzu am 26. Juni 2013 gegenüber dem
Sachbearbeiter der zuständigen Ausländerbehörde (Stadt H.) ernsthaft erklärt,
sie beabsichtigten, wieder in ihre Heimat auszureisen. Eine Überstellung nach
Polen käme für sie nicht in Betracht. Dementsprechend erklärten sie
gegenüber dem Sachbearbeiter die Rücknahme ihrer in Deutschland am 18.
April 2013 gestellten (weiteren) Asylanträge. Ein entsprechendes Schreiben
der Ausländerbehörde vom 26. Juni 2013 an das Bundesamt nebst Erklärung
der Antragsrücknahme befindet sich in den vorgelegten Asylakten des
Bundesamtes. Hierauf ist das Bundesamt weder im Verwaltungsverfahren,
noch in den Gründen des angefochtenen Bescheides, noch in der
Antragserwiderung im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren
eingegangen. In zwei Emails des Sachbearbeiters der Ausländerbehörde vom
2. Juli und - an das Bundesamt - vom 27. August 2013 wird der Ausreisewille
der Antragsteller bekräftigt. Anhaltspunkte für eine Täuschungsabsicht der
Antragsteller liegen somit derzeit nicht vor.
Zwar neigt die Kammer zu der Auffassung, dass die Richtlinie 2008/115/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über
gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung
illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 348
vom 24. Dezember 2008, S. 98) - sog. Rückführungsrichtlinie - grundsätzlich
nicht auf Überstellungsverfahren gem. Art. 19 und 20 der Dublin-II-Verordnung
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anwendbar ist, wie sich aus der Legaldefinition des Begriffes „Rückkehr“ in Art.
3 Nr. 3 der Rückführungsrichtlinie ergibt, der die Rückreise von
Drittstaatsangehörigen in deren Herkunftsland, ein Transitland oder ein
anderes Drittland betrifft und damit die Rückkehr in einen anderen bzw.
zuständigen Mitgliedsstaat ausdrücklich nicht erfasst (so auch VG
Regensburg, Beschluss vom 20. Juli 2012 - RN 5 S 12.30230 -, zit. nach juris
Rn. 29; Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: 72.
Erg.lfg. September 2013, § 59 AufenthG Rn. 268; a.A. etwa VG Meiningen,
Beschluss vom 23. Februar 2011 - 2 E 20040/11 Me -, zit. nach juris). Die
Rückführungsrichtlinie - ihre Anwendbarkeit unterstellt - schreibt den
Grundsatz des Vorrangs der freiwilligen Ausreise des Drittstaatsangehörigen in
Art. 7 ausdrücklich fest. Der 10. Erwägungsgrund der Rückführungsrichtlinie
sowie deren Art. 8 Abs. 1 und 4 lassen jedoch hinreichend deutlich erkennen,
dass der Vorrang der freiwilligen Ausreise des Drittstaatsangehörigen vor der
zwangsweisen Durchsetzung seiner Ausreisepflicht im primären Unionsrecht
wurzelt. Er lässt sich schlichtweg mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
und der Wahrung der Grundrechte des betroffenen Drittstaatsangehörigen
begründen (vgl. EuGH (1. Kammer), Urteil vom 28. April 2011 - C-61/11 PPU -,
InfAuslR 2011, S. 320, zit. nach juris Rn. 38 und 41). Dementsprechend muss
der unionsrechtliche Grundsatz des Vorrangs der freiwilligen Ausreise nach
Auffassung der Kammer auch die Auslegung und Anwendung der Dublin-II-
Verordnung beeinflussen (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., § 59 AufenthG Rn. 273 zu
§ 58 Abs. 1 und 3 AufenthG). Die Kammer erachtet es daher im vorliegenden
Einzelfall als sachgerecht, die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes für
einen Zeitraum von zirka einem Monat zu suspendieren (vgl. zur Möglichkeit
der Befristung der Anordnungsentscheidung gem. § 80 Abs. 5 VwGO
Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im
Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rn. 1009), um den Antragstellern damit die
von ihnen beabsichtigte freiwillige Ausreise in ihre Heimat zu ermöglichen und
so einer Überstellung nach Polen zu entgehen, zumal das dortige
Asylverfahren nach der Übernahmeerklärung der polnischen Behörden
gegenüber dem Bundesamt vom 5. September 2013 offenbar durch
Antragsrücknahme abgeschlossen ist, und die Antragsteller damit auch nach
polnischem Ausländer- bzw. Asylverfahrensrecht ausreisepflichtig sein dürften.
Dass sie dieser Pflicht von Deutschland aus nachkommen wollen, dürfte somit
im Interesse des zuständigen Mitgliedsstaates (Polen) liegen.
Da der Hauptantrag der Antragsteller teilweise Erfolg hat, erübrigt sich eine
Entscheidung über den Antrag zu Ziffer 2.). Das erkennende Gericht geht
davon aus, dass das Bundesamt seiner Mitteilungspflicht gegenüber der
zuständigen Ausländerbehörde nachkommt.
Eine unbedingte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage kommt
dagegen nicht in Betracht.
Eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin gem. Art. 3 Abs. 2 VO(EG) 343/2003
besteht nicht; das Selbsteintrittsrecht der Antragsgegnerin hat sich nicht zu
einer Selbsteintrittspflicht verdichtet.
Soweit die Antragsteller einwenden, die Antragsgegnerin habe ihr
Selbsteintrittsrecht ausgeübt, indem das Bundesamt sie - die Antragsteller - am
29. Mai 2013 persönlich zu ihren Asylgründen insgesamt und nicht nur zu
ihrem Reiseweg angehört habe und damit in eine sachliche Prüfung des
Asylantrags vom 18. April 2013 eingetreten sei, hat die Kammer zu dieser
Frage in ihrem Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 A 652/12 -, zit. nach juris Rn. 26, im
Anschluss an die Rechtsprechung des Bay. VGH (Beschluss vom 3. März
2010 - 15 ZB 10.30005 -, InfAuslR 2010, S. 467 f.) bereits entschieden, dass
eine - wie im vorliegenden Fall - bloß routinemäßige, an die Befragung zu
Herkunft und Modalitäten der Einreise sowie die Erforschung des Reisewegs
sich nahtlos unmittelbar anschließende Anhörung des Asylbewerbers zu den
Gründen der Verfolgungsfurcht für sich genommen regelmäßig nicht
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hinreichend zum Ausdruck bringe, die Bundesrepublik Deutschland habe
bereits den Entschluss gefasst, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, das
Asylverfahren abweichend vom Regelfall in seiner "Gesamtheit" in eigener
Verantwortung durchzuführen. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen
das Bundesamt den Vorgang im Anschluss an die Anhörung nicht sachlich
weiter bearbeite, sondern unmittelbar intern zur Bestimmung des nach der
Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaates weiterleite (Bay. VGH,
a.a.O., zit. nach juris Rn. 5 m.w.N.). Demzufolge blieb aus Sicht der
Antragsteller nach ihrer persönlichen Anhörung zunächst offen, ob ihr
(weiterer) Asylantrag vom Bundesamt inhaltlich geprüft und entschieden wird.
Die vorläufige - aus ihrer Sicht negative - Beantwortung dieser Frage erfolgte
erst mit dem Schreiben des Bundesamtes vom 27. August 2013, in dem ihnen
mitgeteilt wurde, es sei nunmehr ein Dublin-Verfahren eingeleitet worden.
Hieran ist auch in Ansehung der von den Antragstellern zitierten
gegenläufigen, ohnehin älteren Rechtsprechung einzelner
Verwaltungsgerichte weiter festzuhalten.
Da die (weiteren) Asylanträge der Antragsteller gem. § 27a AsylVfG unzulässig
sind, können sie eine Sachprüfung durch das Bundesamt mit dem Ziel der
Zuerkennung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
nicht beanspruchen und damit auch nicht im vorliegenden gerichtlichen
Verfahren erstreiten. Sie sind vielmehr darauf zu verweisen, im Zuge ihrer
Überstellung an die polnischen Behörden gegenüber denselben ggf. einen
Asylfolgeantrag mit dem Ziel der Zuerkennung subsidiären Schutzes zu
stellen.
Gemäß §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu
gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten
aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn der Antrag der Antragsteller
auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer in der Hauptsache
anhängigen Klage hat aus den vorstehenden Gründen keine hinreichenden
Erfolgsaussichten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO unter Berücksichtigung
des Rechtsgedankens des § 155 Abs. 4 VwGO. Es erscheint unbillig, die
Antragsteller trotz bedingter Anordnung der aufschiebenden Wirkung an den
Kosten des Verfahrens zu beteiligen, da diese aus Sicht der Beklagten
vermeidbar waren, indem den Antragstellern im Verwaltungsverfahren die
Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise eingeräumt worden wäre. Gerichtskosten
werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.