Urteil des VG Gießen vom 15.02.2011

VG Gießen: hessen, ausstellung, stadt, berufsausübung, vorschlag, quelle, neurologie, psychiatrie, verfügung, sorgerecht

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Gericht:
VG Gießen 21.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 K 1582/10.GI.B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 25 S 1 ÄBerufsO HE
Ausstellung eines ärztlichen Attestes ohne die notwendige
Sorgfalt und nicht nach bestem Wissen
Leitsatz
1. Zur gewissenhaften Berufsausübung von Ärzten gehört insbesondere die Einhaltung
der Regelungen zur Berufsausübung in der Berufsordnung. Gemäß § 25 S. 1 BO haben
Ärzte bei der Ausstellung ärztlicher Zeugnisse und Gutachten mit der notwendigen
Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung
auszusprechen.
2. Die damit auferlegte Sorgfaltspflicht beinhaltet zunächst eine nachvollziehbare und
transparente Darstellung dessen, was dem Leser des Attestes inhaltlich vermittelt
werden soll. Dabei muss insbesondere erkennbar sein, auf welchem Wege der
Aussteller des ärztlichen Zeugnisses zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist.
3. Die Aussage eines Facharztes für Nervenheilkunde zur mangelnden
Erziehungsfähigkeit und Mütterlichkeit einer Person, ohne diese persönlich gesehen zu
haben, allein aufgrund willkürlich herausgegriffener Passagen eines anderen
fachärztlichen Gutachtens und der Angaben des Gegners in einem anhängigen
Sorgerechtsstreit, verstößt gegen das Gebot, die ärztliche Überzeugung nach bestem
Wissen auszusprechen.
Tenor
Der Beschuldigten wird wegen Verstoßes gegen ihre ärztlichen Berufspflichten ein
Verweis erteilt und eine Geldbuße von 500,00 Euro auferlegt.
Die Beschuldigte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Gebühr wird auf 750,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschuldigte wurde im Jahre 1945 in D-Land geboren. In den Jahren 1964 bis
1970 absolvierte sie das Studium der Medizin in E-Stadt, wo sie im Juli 1970 die
ärztliche Prüfung bestand. Im April 1984 erhielt sie vom Regierungspräsidium F-
Stadt die ärztliche Approbation. Von der Landesärztekammer Hessen wurde ihr
die Weiterbildung zur Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie im Januar 1983
anerkannt. Nach mehrjähriger Tätigkeit in Fachkrankenhäusern ließ sie sich im
Oktober 1998 mit Vertragsarztzulassung in G-Stadt nieder.
II.
Das vorliegende Verfahren geht zurück auf die Beschwerde eines Rechtsanwalts
vom 20. August 2009 an die Landesärztekammer Hessen. Darin heißt es unter
anderem: „Unsere Mandantin ist seit Jahren von ihrem Ehemann, Herrn H.,
geschieden. Im Rahmen eines Sorgerechtsstreites vor dem Oberlandesgericht
Frankfurt am Main hat Herr H. ein „ärztliches Attest“ der Frau A. vom 05.08.2009
vorgelegt, welches wir in Fotokopie beifügen.“ Die Beschuldigte ließ sich mit
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vorgelegt, welches wir in Fotokopie beifügen.“ Die Beschuldigte ließ sich mit
Schreiben vom 27.08.2009 dahingehend ein, dass die in dem ärztlichen Attest
bezeichnete Frau H. nicht ihre Patientin sei und auch nie in ihrer Sprechstunde
gewesen sei. Herr H. sei am 05.08. und 24.08.2009 in ihrer Sprechstunde gewesen
und habe von ihr behandelt werden wollen. Unter Vorlage des psychologischen
Gutachtens einer Diplompsychologin habe er sie, die Beschuldigte, um die
Ausstellung eines Attestes gebeten. Soweit sie in dem von ihr ausgestellten Attest
geäußert habe, Frau H. scheine nicht in der Lage zu sein, die Auflagen bezüglich
ihrer mütterlichen Aufgaben zu erfüllen, stelle dies lediglich eine Vermutung
ihrerseits dar.
Das von der Landesärztekammer Hessen daraufhin eingeleitete berufsrechtliche
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 25 der
Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen – BO – führte dann aufgrund
des Präsidiumsbeschlusses vom 3. März 2010 zu dem Vorschlag einer vorläufigen
Einstellung auf der Grundlage des § 59 Abs. 6 Hessisches Heilberufsgesetz
(HeilBG), falls die Beschuldigte eine Geldauflage über den Betrag von 1.000,00
Euro fristgerecht erfülle. Mit Verfügung vom 15.03.2010 (Az.: 21 K 394/10.GI.B) hat
das erkennende Gericht die Erteilung seines Einverständnisses zur vorgesehenen
Verfahrensweise auf der Grundlage des § 59 Abs. 6 HeilBG abgelehnt.
Mit der sodann am 11. Mai 2010 beim erkennenden Gericht eingegangenen
Anschuldigungsschrift vom 5. Mai 2010 wirft die Landesärztekammer Hessen der
Beschuldigten vor, in G-Stadt am 05.08.2009 auf Bitten ihres Patienten ein
ärztliches Attest über dessen seit mehreren Jahren geschiedene Ehefrau, die nicht
ihre Patientin war und die sie nicht untersucht hatte, ausgestellt zu haben mit der
Aussage, diese scheine aus neuro-psychiatrischer Sicht nicht in der Lage zu sein,
die mütterlichen Aufgaben zu erfüllen. Die elementaren Eigenschaften zur
altersadäquaten und gesellschaftsfähigen Erziehung der Kinder sei nicht gegeben,
Berufsvergehen nach §§ 22 Hessisches Heilberufsgesetz, 2 Abs. 2, 25 der
Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen.
Die Anschuldigungsschrift wurde durch Beschluss vom 17. Januar 2011 zur
Hauptverhandlung zugelassen.
III.
Nachdem Ergebnis der Hauptverhandlung steht folgender Sachverhalt zur
Überzeugung des Gerichts fest:
Im August 2009 erschien ein Herr H. zwei- oder dreimal in der Sprechstunde der
Beschuldigten, der zuvor noch nie ihr Patient gewesen war. Er berichtete der
Beschuldigten von Problemen, welche sich aufgrund einer seit längerem
zurückliegenden Scheidung von seiner Ehefrau und eines anhängigen
Sorgerechtsstreits ergäben. Im Rahmen eines der Behandlungstermine legte er
der Beschuldigten ein 80 Seiten langes Gutachten einer Psychologin vor, welches
im Rahmen des Sorgerechtsstreits über die Situation in der Familie erstellt worden
war. In dem Gutachten waren überwiegend Äußerungen über seine Ehefrau
enthalten, aber auch Aussagen zum Vater, dem Patienten der Beschuldigten.
Dazu stand in dem Gutachten, es werde eine vorläufige Reduktion der
Umgangskontakte des Herrn H. mit den Kindern und eine tiefenpsychologisch
fundierte Therapie zur Bearbeitung des Trennungskonfliktes vorgeschlagen. Des
Weiteren war die Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts auf die
Mutter, Frau H., als Vorschlag darin enthalten. Hinsichtlich der Mutter der Kinder,
Frau H., war der Vorschlag einer Adipositas-Therapie sowie weitere Ratschläge, wie
zum Beispiel ein Deutschkurs als Vorschlag in dem Gutachten enthalten, ferner
die Anregung „weitere Erziehungshilfe“ sowie „Erziehungsberatung“. Herr H.
äußerte gegenüber der Beschuldigten, er wolle seine Kinder mitversorgen, in dem
Prozess um das Sorgerecht für die Kinder wolle sein Anwalt, dass er ihm ein Attest
über seine Frau beschaffe. Dies äußerte Herr H. bei seinem letzten Termin bei der
Beschuldigten, so ziemlich am Ende des Termins, wobei die Beschuldigte damals
davon ausging, dass Herr H. weiterhin zur Behandlung bei ihr erscheinen werde.
Die Beschuldigte diktierte dann ihrer Arzthelferin direkt auf den PC folgendes
Schreiben:
„ A.
Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G-Stadt, den 05.08.2009
A. G-Stadt I-Straße
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Ärztliches Attest
Betreff: Herrn H., geb.: …...1962
wohnhaft: J-Straße in K-Stadt
Aus neuropsychiatrischer Sicht scheint Frau H. eigentlich nicht in der Lage zu sein,
die Auflagen bezüglich ihrer mütterlichen Aufgaben, zu erfüllen. Zudem benötigt
sie sowohl Erziehungshilfe, als auch eine Organisation zum Aufbau eines sozialen
Netzes für sich und ihre Kinder und sollte ferner einen Deutschkurs besuchen. Da
somit die elementaren Eigenschaften zur altersadäquaten und
gesellschaftsfähigen Erziehung der Kinder nicht gegeben sind, muss man sich
fragen, über welche Mütterlichkeit Frau H. noch verfügt.
A.
Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie “
Frau H. war niemals Patientin der Beschuldigten gewesen, die Beschuldigte kennt
sie auch nicht persönlich. Gegenüber Herrn H., der nach Erhalt des „Attestes“ zu
keinem weiteren Termin in der Praxis der Beschuldigten erschienen ist, rechnete
diese das Schreiben als Attest für Privatpatienten ab.
IV.
Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf den in der beigezogenen
Ermittlungsakte der Landesärztekammer Hessen sowie in der vorliegenden
Gerichtsakte enthaltenen Unterlagen sowie der Einlassung der Beschuldigten,
soweit ihr zu folgen ist.
V.
Das Verhalten der Beschuldigten stellt einen Verstoß gegen ärztliches Berufsrecht,
insbesondere die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung im Sinne des § 22
HeilBG dar. Zur gewissenhaften Berufsausübung gehört insbesondere die
Einhaltung der Regelungen zur Berufsausübung in der Berufsordnung. Gemäß § 25
Satz 1 BO haben Ärzte bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse
mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche
Überzeugung auszusprechen. Gegen diese Vorschrift hat die Beschuldigte
aufgrund der oben dargestellten Feststellungen des Berufsgerichts verstoßen.
Die damit Ärzten bei der Ausstellung von Zeugnissen (Attesten) auferlegte
Sorgfaltspflicht beinhaltet zunächst eine nachvollziehbare und transparente
Darstellung dessen, was dem Leser inhaltlich vermittelt werden soll. Dabei muss
erkennbar sein, auf welchem Wege der Aussteller des ärztlichen Zeugnisses zu
dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist.
Daran mangelt es in dem „ärztlichen Attest“ der Beschuldigten vom 05.08.2009.
Die inhaltlichen Aussagen dieses Attestes beziehen sich alleine und ausschließlich
auf Frau H., ohne anzugeben, aus welcher Quelle die Beschuldigte ihre
mitgeteilten Erkenntnisse schöpft. Insbesondere ist nicht angegeben, dass die
Beschuldigte Erkenntnisse niederlegt, über die sie nicht aus eigenem Wissen
verfügt, vor allem, dass sie die Person, die sie in dem Attest beschreibt, selbst
niemals gesehen, geschweige denn exploriert hat. Die ungenaue Wortwahl wie
zum Beispiel „eigentlich nicht in der Lage zu sein“ oder der Halbsatz, „muss man
sich fragen, über welche Mütterlichkeit Frau H. noch verfügt“, sind nicht geeignet,
einem mit den Hintergründen des Schreibens, welches allein auf Verlangen des
Ehemanns und Gegners der Frau H. im Sorgerechtsstreit erstellt worden ist, nicht
vertrauten Dritten zu vermitteln, dass die Beschuldigte eben keine eigenen
Erkenntnisquellen hat. Darüber hinaus lässt die Kernaussage des Attestes, „Da
somit die elementaren Eigenschaften zur altersadäquaten und
gesellschaftsfähigen Erziehung der Kinder nicht gegeben sind“, keinen Zweifel an
der Überzeugungsbildung der ausstellenden Ärztin zu.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass oberhalb des inhaltlichen Textes
des Attestes ein „Betreff“ angegeben ist, welcher Herrn H. kennzeichnet. Dieser
Betreff steht in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang mit dem nachfolgenden
Text, welcher sich ausschließlich auf Frau H. bezieht. Es ist weder erkennbar, dass
sich das ärztliche Attest wegen dieses Betreffs auf Herrn H. beziehen soll – was
auch im Widerspruch zum nachfolgenden Inhalt stünde – noch wird damit
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auch im Widerspruch zum nachfolgenden Inhalt stünde – noch wird damit
erkennbar, dass das Attest ausschließlich auf Verlangen des Herrn H. und seines
ihn im Sorgerechtsstreit vertretenden Rechtsanwaltes geschrieben wurde.
Darüber hinaus verstößt das von der Beschuldigten ausgestellte „ärztliche Attest“
gegen das in § 25 Satz 1 BO aufgestellte Gebot, dass ein Arzt in Attesten seine
ärztliche Überzeugung nach bestem Wissen auszusprechen hat.
Soweit die Beschuldigte nämlich den Inhalt ihres Attestes damit zu rechtfertigen
versucht, dass sie lediglich den – sie überzeugenden – Inhalt des 80-seitigen
Gutachtens einer Psychologin zusammengefasst und wiedergegeben habe, ist
dem entgegenzuhalten, dass durch das Herausgreifen einzelner Äußerungen,
welche ausschließlich negativ zu den Qualitäten der Mutter berichten, der
Gesamteindruck, den das psychologische Gutachten vermittelt, und aufgrund
dessen der Prozessbevollmächtigte des Herrn H. im Sorgerechtsstreit ein seinen
Mandanten unterstützendes Attest wünschte, verändert wird. In der
Hauptverhandlung hat die Beschuldigte nämlich auf Frage des Gerichts mitgeteilt,
in dem Gutachten, das weder dem Gericht noch der Landesärztekammer vorliegt,
finde sich auch die Äußerung, dass eine vorläufige Reduktion der
Umgangskontakte des Herrn H. mit den Kindern empfohlen werde sowie die
Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Mutter. Vor diesem
Hintergrund ergibt sich ohne Weiteres, dass die in dem „Attest“ der Beschuldigten
getroffenen Aussagen zur Erziehungsfähigkeit und Mütterlichkeit der Frau H. die
einzige Erkenntnisquelle, welche der Beschuldigten – neben den Äußerungen des
insoweit „befangenen“ Herrn H. – zur Verfügung stand, unausgewogen und damit
inhaltlich verfälschend wiedergibt
Dies betrifft ausschließlich die Methodik der Herstellung und Formulierung des
Attestes, nicht dessen inhaltliche Richtigkeit. Für die Entscheidung darüber, ob die
Landesärztekammer Hessen der Beschuldigten zurecht einen Verstoß gegen § 25
Satz 1 BO vorgeworfen hat, kann nämlich offen bleiben, ob die Aussage im
psychologischen Gutachten, der Frau H. sei das alleinige Sorgerecht zu übertragen
oder die Aussage der Beschuldigten im Attest vom 05.08.2009, bei Frau H. seien
die elementaren Eigenschaften zur altersadäquaten und gesellschaftsfähigen
Erziehung der Kinder nicht gegeben, zutrifft. Die Landesärztekammer Hessen hat
in der zugelassenen Anschuldigungsschrift der Beschuldigten nämlich nicht
vorgeworfen, ein inhaltlich unrichtiges Zeugnis erstellt zu haben, sondern lediglich,
bei Ausstellung des Attestes nicht mit der notwendigen Sorgfalt verfahren zu sein,
da sie Ausführungen über eine ihr fremde Person mit neuro-psychiatrischer
Bewertung gemacht habe, ohne selbst Anknüpfungstatsachen in ärztlicher und
fachärztlicher Untersuchung und Exploration ermittelt zu haben, und ohne die
Quelle zu nennen, aus der sie einige der getroffenen Aussagen geschöpft hat.
Üblicherweise beruhen nämlich in dieser Form ausgestellte ärztliche Atteste auf
eigenen ärztlichen Untersuchungsergebnissen. Zu Recht geht die
Landesärztekammer davon aus, dass Dritte dies annehmen, sofern ihnen nichts
anderes mitgeteilt wird.
Das von der Beschuldigten ausgestellte „ärztliche Attest“ nimmt demgemäß nach
seiner äußeren Erscheinungsform und auch nach seinem Inhalt den guten Glauben
in Anspruch, den ärztliche Atteste deswegen in der Öffentlichkeit genießen, weil sie
in der Regel von den Ärzten in sorgfältiger Verfahrensweise erstellt werden, und die
ärztliche Überzeugung darin gewissenhaft ausgedrückt wird, was die Vermutung
der Richtigkeit rechtfertigt.
Der Verstoß gegen § 25 Satz 1 BO erfolgte auch vorsätzlich. Die Beschuldigte hat
in Kenntnis dieses Beweiswertes, der von Herrn H. mit Hinweis auf den Wunsch
seines Rechtsanwaltes für den Sorgerechtsstreit auch ausdrücklich gewollt war,
das Attest so ausgestellt, dass ihm nicht zu entnehmen ist, dass die Beschuldigte
über keine eigenen Erkenntnisquellen hinsichtlich der Person, über die sie
Äußerungen als Fachärztin macht, verfügt.
Schuldausschließungs- oder Schuldminderungsgründe sind nicht ersichtlich.
VI.
Bei der Auswahl und Bemessung der berufsgerichtlichen Sanktion auf der
Grundlage des § 50 HeilBG ist grundsätzlich das Gewicht der Verfehlung der
Beschuldigten, ihre Persönlichkeit, das Ausmaß ihrer Schuld, aber auch die
Notwendigkeit zu berücksichtigen, das Ansehen der Angehörigen des
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Notwendigkeit zu berücksichtigen, das Ansehen der Angehörigen des
Berufsstandes zu wahren und das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und
Zuverlässigkeit eines Arztes zu sichern, um so die Funktionsfähigkeit des
ärztlichen Berufsstandes zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, vgl.
Landesberufsgericht für Heilberufe bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof,
Urteil vom 27. August 2008, Az.: 25 A 141/08.B m. w. N.).
Das ärztliche Berufsrecht ist als Teil des staatlichen Disziplinarrechts – anders als
das Strafrecht – nicht repressiv und damit nicht tatbezogen. Daher ist vorrangig
das Gesamtverhalten und die gesamte Persönlichkeit der Beschuldigten zu
würdigen im Hinblick auf die sich aus dem gezeigten Verhalten ergebenden Zweifel
an der Zuverlässigkeit ihrer Berufsausübung; dabei steht die individuelle
Pflichtenmahnung im Vordergrund. Neben dem Gewicht des Berufsvergehens ist
die Prognose des künftigen Verhaltens der Beschuldigten entscheidend, also die
Frage, in welchem Umfang es einer Pflichten mahnenden Einwirkung bedarf, um
ein berufsrechtliches Fehlverhalten künftig zu unterlassen.
In Anwendung dieser Grundsätze hielt es das Gericht zunächst für geboten, durch
Ausspruch eines Verweises die berufsrechtliche Missbilligung der Vorgehensweise
der Beschuldigten bei Erstellung ihres „ärztlichen Attestes“ vom 05.08.2009 zum
Ausdruck zu bringen.
Bei der Frage, ob es daneben noch einer weiteren Sanktion bedarf, um die
Beschuldigte dazu anzuhalten, in Zukunft derartiges Fehlverhalten zu unterlassen,
war zu ihren Gunsten zunächst zu berücksichtigen, dass sie im Verlaufe der
ausführlichen Erörterung der Folgen eines derartigen Vorgehens im Rahmen der
Hauptverhandlung davon abließ, Rechtfertigungsgründe zu finden, sondern sich
dahingehend einließ, sie sehe das ein, sie hätte besser dieses Attest nicht
ausstellen sollen. Das Gericht gewann den Eindruck, dass die Beschuldigte diese
Einsicht aus innerer Überzeugung äußerte.
Es war jedoch zu berücksichtigen, dass auch das Vertrauen der Bevölkerung in die
Integrität und Zuverlässigkeit der Angehörigen des ärztlichen Berufes durch
Verstöße der vorliegenden Art gegen § 25 Satz 1 BO nachhaltig erschüttert wird
und einer Wiederherstellung durch eine angemessene Sanktionierung dieses
Fehlverhaltens bedarf. Die Auswirkung von Zeugnissen, die unter Verletzung von §
25 Satz 1 BO zustande kommen bzw. ausgestellt werden, auf den Betroffenen
sowie gegebenenfalls weitere Auswerter dieser Zeugnisse, seien es
Versicherungen, öffentliche Leistungsträger oder, wie vorliegend, Gerichte, können
erheblicher Natur sein und zu Fehlentscheidungen führen. Insofern bedarf der
Verstoß gegen diese Vorschrift einer nachhaltigen Sanktionierung, so dass hier
neben dem Verweis auch eine Geldbuße auszusprechen war. Im Hinblick darauf,
dass aufgrund der gezeigten Einsicht davon auszugehen ist, dass sich die
Beschuldigte künftig rechtstreu verhält, hielt das Gericht allerdings eine Geldbuße
in Höhe von 500,00 Euro für ausreichend, um den vorstehend aufgezeigten Zielen
des berufsgerichtlichen Verfahrens gerecht zu werden.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 HeilBG. Danach hat die Beschuldigte die
Kosten zu tragen, weil sie verurteilt worden ist (§ 74 Abs. 1 HeilBG).
Die Festsetzung der Gebühr beruht auf § 78 Abs. 2 Satz 2 HeilBG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.