Urteil des VG Gießen vom 13.01.2011

VG Gießen: grundstück, stadt, wohnhaus, verfügung, anfechtungsklage, missverhältnis, vollstreckung, volumen, baurecht, haushalt

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Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 K 1271/09.GI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Abfallgebühr
Leitsatz
Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip liegt vor, wenn ein 240-l-Abfallbehälter auf
dem Grundstück steht und entsorgt wird, aber insgesamt 6 teurere Einzelgefäße mit
einem Volumen von jeweils 40 l durch den Abfallzweckverband abgerechnet werden.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 25.03.2009 und der Widerspruchsbescheid des
Beklagten vom 29.04.2009 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe
der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die zu seinem Nachteil vorgenommene
Veränderung von Abfallgebühren.
Er ist Eigentümer der Grundstücke X und Y in B-Stadt, die jeweils mit einem 6-
Familien-Wohnhaus bebaut sind. Die Wohnungen sind vermietet. Die Entsorgung
des Restmülls der beiden Miethäuser erfolgt mittels einer 240-l-Tonne. Dafür
werden pro Tonne 738,72 EUR jährlich berechnet.
Mit Bescheid vom 25.03.2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, ab dem
01.05.2009 werde die Gebührenberechnung umgestellt und für die 12 Haushalte
jeweils ein 40-l-Leihgefäß (162,-- EUR jährlich pro Gefäß) berechnet. Ferner heißt
es in dem Bescheid: „Aus Platzgründen wäre die Alternative jeweils einen
Sammelbehälter (X und Y) in dem vergleichbaren Volumen von 240-Litern möglich.
Eine Gefäßumstellung ist nicht erforderlich, da sie bereits einen „Sammelbehälter“
pro Grundstück nutzen. Jedoch wird die Gebührenberechnung ab dem 01.05.2009
gemäß § 10 Abs. 2 AbfES umgestellt.“
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 28.03.2009 Widerspruch
eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2009 zurückgewiesen wurde.
Am 29.05.2009 hat der Kläger Klage erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt
begründet: Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 der Abfallgebührensatzung sei
Gebührenmaßstab, dass jedem anschlusspflichtigen Grundstück zur Verfügung
stehende, d. h. vorhandene tatsächliche Behältervolumen für den Restabfall. Dies
sei unverändert eine 240-l-Tonne pro Grundstück. Abweichend von diesen
tatsächlichen Verhältnissen würden nunmehr Gebühren für insgesamt zwölf 40-l-
Behältnisse gefordert. Er, der Kläger, habe gegenüber der Stadt B-Stadt sowie
dem Beklagten bereits darauf hingewiesen, dass es aus räumlichen Gründen nicht
möglich sei, auf jedem der beiden Anwesen sechs 40-l-Restmüllgefäße nebst
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möglich sei, auf jedem der beiden Anwesen sechs 40-l-Restmüllgefäße nebst
Altpapiertonne und gelber Tonne unterzubringen.
Der Kläger beantragt,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 25.03.2009 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist unter anderem darauf, nach der Abfalleinsammlungssatzung des
Beklagten müsse auf jedem anschlusspflichtigen Grundstück pro Haushalt
mindestens das kleinste, gemäß den Bestimmungen zugelassene Gefäß für den
Restmüll vorgehalten werden. Dies sei bei den insgesamt 12 Haushalten, die dem
Kläger als Hauseigentümer zugeordnet würden, jeweils das 40-l-Leihgefäß. Dies sei
rechtmäßig. Insbesondere sei die Regelung gesetzeskonform, die die
Mindestgröße eines Restmüllgefäßes von der Personenzahl des Haushaltes
abhängig mache. Gebührenrechtlich konform sei nur die bescheidmäßige
Bemessung, die wegen der unstreitig vorhandenen 12 Haushalte mit bis zu zwei
Personen insgesamt zwei x sechs 40-l-Leihgefäße in Ansatz bringe. Zutreffend sei
im Widerspruchsbescheid dargelegt worden, dass dem Kläger als
Gebührenschuldner insoweit „kein Gebührenwahlrecht“ auf der Grundlage des
noch vorhandenen Leihgefäßes von 240 l zustehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Behördenakte des Beklagten
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten
damit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere statthaft. Der Kläger
wehrt sich gegen einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 HessVwVfG. Denn der
Bescheid vom 25.03.2009 enthält die Regelung, anstelle der Gebühr für einen
Sammelbehälter mit 240 l eine solche für 12 Haushalte mit jeweils einem 40-l-
Leihgefäß verbindlich der Gebührenbemessung zugrunde zu legen.
Die Anfechtungsklage ist begründet.
Der Bescheid vom 25.03.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 29.04.2009
sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1
VwGO). Die ab dem 01.05.2009 vorgenommene Gebührenumstellung auf 40-l-
Gefäße verletzt das Äquivalenzprinzip, weil der Kläger nur zu einer Gebühr für
jeweils ein 240-l-Leihgefäß veranlagt werden darf, solange er entsprechende
Sammelbehälter von 240 l nutzt. Die Erhebung der deutlich höheren Gebühr, die je
Mehrfamilienhaus sechs 40-l-Leihgefäße zugrunde legt, ist nicht angemessen.
Der Bescheid vom 25.03.2009 geht davon aus, dass ab dem 01.05.2009 eine
Gebühr für sechs Restabfallgefäße à 40 l, jeweils 162,-- EUR pro Jahr, zu erheben
sei. Zugleich führt der Bescheid aus, eine Gefäßumstellung sei nicht erforderlich,
da der Kläger bereits einen Sammelbehälter pro Grundstück nutze.
Dementsprechend stand dem Kläger bisher immer eine 240-l-Tonne als
Restmüllbehältnis zur Verfügung. Solange der Kläger solche Gefäße für den
Restabfall benutzt, müssen diese auch abgerechnet und der Gebührenberechnung
dürfen nicht die tatsächlich nicht vorhandenen 40-l-Gefäße zugrunde gelegt
werden. Eine Gebühr, die bei einem tatsächlich genutzten 240-l-Sammelbehälter
deutlich teurere 40-l-Gefäße abrechnet, verletzt das im Gebührenrecht geltende
Äquivalenzprinzip. Dieses verbietet ein Missverhältnis zwischen der erhobenen
Gebühr und der von der Verwaltung erbrachten Leistung (vgl. z.B. BVerwGE 80, 36,
39). Das Äquivalenzprinzip fordert weiter, dass die Benutzungsgebühr im
Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei
gleicher Inanspruchnahme etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher
Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Entgelte gezahlt werden
(BVerwG, Buchholz 401.84, Benutzungsgebühren, Nr. 75, S. 31, 40).
Von einem solchen Missverhältnis ist hier auszugehen, weil die ab 01.05.2009
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Von einem solchen Missverhältnis ist hier auszugehen, weil die ab 01.05.2009
geforderte Gebühr um 233,28 EUR pro Jahr und Wohnhaus, d. h. insgesamt um
466,56 EUR deutlich und unangemessen hoch ausfällt als die entsprechende
Gebühr für zwei 240-l-Sammelbehältnisse.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154
Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.632,96 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Streitwert beruht auf § 52 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.