Urteil des VG Gießen vom 19.08.2010

VG Gießen: kirchliche stiftung, pfarrer, hessen, armenhaus, evangelische kirche, stadt, einfluss, vertreter, satzung, mission

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Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 K 4293/09.GI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 20 Abs 1 StiftG HE, § 42 Abs
2 VwGO, § 43 VwGO
Kirchliche Stiftung
Leitsatz
1. Die aufsichtsbehördliche Feststellung des Status einer Stiftung ist ein
Verwaltungsakt.
2. Eine kirchliche Stiftung ist nicht gegeben, wenn geschichtlichen Quellen aus der
Gründungszeit der Stiftung eine organisatorische Verbundenheit der Stiftung mit der
Kirche nicht zu entnehmen ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe
der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, streitet mit dem
Beklagten, dem Land Hessen, um den Status der Beigeladenen.
Diese ist eine Stiftung, die das „Oberhessische Diakoniezentrum, Johann-Friedrich-
Stift, Laubach“ betreibt. Als Stiftung geht die Beigeladene zurück auf das im Jahre
1879 von Friedrich Graf zu Solms-Laubach (1833-1900) gegründete „Johann-
Friedrich-Stift“, welches wiederum hervorging aus einem im Jahre 1711 vom
damaligen Friedrich Ernst Graf zu Solms-Laubach (1671-1723) gegründeten und
von dessen Vater, Johann Friedrich Graf zu Solms-Laubach (1625-1696), initiierten
Armenhaus. Nach den von der Klägerin vorgelegten Quellen kam es zu einer
Auflösung des Armenhauses und zu einer Neugründung im Jahre 1879, weil
Friedrich Graf zu Solms-Laubach bezüglich des alten Armenhauses Missstände
festgestellt hatte.
Mit Schreiben vom 16.06.2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten, die
Rechtsnatur der Stiftung „Oberhessisches Diakoniezentrum – Johann-Friedrich-
Stift“ gemäß § 22 Hessisches Stiftungsgesetz festzustellen.
Der Beklagte erließ am 26.11.2009 einen ablehnenden Bescheid und stellte fest,
dass die Beigeladene keine kirchliche Stiftung sei. Zur Begründung führte er im
Wesentlichen aus, im Gründungsjahr 1879 sei die Widmung durch den Stifter
zumindest auch unter dem starken Eindruck einer religiös-pietistischen Motivation
in Orientierung am protestantischen Glauben, in Tradition und Fortführung des seit
1711 bestehenden gräflichen Armen- und Waisenhauses, ebenso jedoch aus
einem so nicht näher spezifizierten obrigkeitlichen Willen zur Fürsorge und
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einem so nicht näher spezifizierten obrigkeitlichen Willen zur Fürsorge und
Verantwortung erfolgt.
Nach den in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts ins Leben gerufenen
Stiftungsverfassungen sei Vorstand beziehungsweise Vorsitzender ein Vertreter
der Familie des Stifters gewesen, vertreten durch eine aus den Reihen des
Stiftungsrates beziehungsweise des Gesamtvorstands gewählte Person.
Stiftungsrat beziehungsweise Gesamtvorstand hätten sich als zentrales
Entscheidungsgremium neben dem Vertreter der Gründerfamilie ferner aus einem
Vertreter des Landesverbandes der Inneren Mission in Hessen, einem Pfarrer der
evangelischen Kirchgemeinde Laubach sowie zwei bis vier weiteren zu wählenden
Mitglieder zusammengesetzt. Nach der ab dem Jahre 1967 geltenden
Stiftungsverfassung seien Mitglieder des vertretungsberechtigten Vorstands in
Abkehr von der bisherigen Verfassung der Pfarrer der Kirchengemeinde und der
Bürgermeister der Stadt Laubach sowie ein gewähltes Mitglied aus den Reihen des
Stiftungsrats gewesen. Letzterem hätten neben diesen Vertreter des
evangelischen Dekanats Grünberg und des Diakonischen Werks, aber auch der
Landkreis Gießen und weiterhin die Stiftungsgründerfamilie angehört. Nach der
Stiftungsverfassung aus dem Jahre 1954 habe das Stiftungsvermögen an die
Evangelische Kirchengemeinde Laubach, nach den Stiftungsverfassungen aus den
Jahren 1955 bis 1999 jedoch an die Stadt Laubach fallen sollen.
Die Beigeladene habe seit ihren Anfangsjahren beziehungsweise seit 1983 immer
wieder Diakonissen des Diakonischen Werks Hessen-Nassau beschäftigt, sei
Mitglied der Inneren Mission und des Hilfswerks der Deutschen Evangelischen
Kirche gewesen und später auch Mitglied des Diakonischen Werks Hessen-Nassau
geworden. Nur Letzteres sei sie bis heute. Faktisch sei bis 1967 der örtliche Pfarrer
Geschäftsführer des Stifts gewesen.
Die Beurteilung, ob eine Stiftung als Kirche einzuordnen sei, bemesse sich nach §
20 Hessisches Stiftungsgesetz. Danach seien kirchliche Stiftungen solche, die
überwiegend kirchlichen, diakonischen, karitativen oder religiösen Zwecken einer
Kirche gewidmet seien und die entweder organisatorisch in ihre Verwaltung
eingegliedert seien oder deren Zwecke nur sinnvoll in Verbindung mit einer Kirche
erfüllt werden könnten. Hieraus folge, dass ein kirchlicher oder religiöser Zweck
eine höhere Bedeutung für die Stiftung haben müsse als etwaige andere Zwecke,
ohne letztere freilich zwingend ganz auszuschließen. Kumulativ hierzu müssten
entweder eine „organisatorische Eingliederung“ in die kirchliche Organisation oder
aber ein Stiftungszweck vorliegen, der nur sinnvoll in Verbindung mit der Kirche
erfüllt werden könne. Für eine organisatorische Eingliederung im benannten Sinne
reiche es dabei aus, wenn sich die Stiftungsorgane aus Personen
zusammensetzten, die Organträger der Kirche seien und in den Stiftungsgremien
als solche handelten oder bei deren Auswahl den Organen der Kirche ein
entscheidender Einfluss eingeräumt werde. Ein Stiftungszweck, der nur sinnvoll mit
der Kirche erfüllt werden könne, liege vor allem bei der Förderung religiöser, d. h.
dem Kultus im Rahmen der kirchlichen Tätigkeit angehörender Zwecke vor,
wenngleich dem offenen Tatbestandsmerkmal durchaus die Funktion eines
Auffangtatbestandes zuzuerkennen und der Charakter der Stiftung auch immer im
Wege einer Gesamtschau der konkreten Umstände zu ermitteln sei.
Im Falle der Beigeladenen sei nicht ersichtlich, dass die Gesamtschau der
Umstände weder hinsichtlich des Gründerwillens und seiner Auslegung noch im
Hinblick auf die Weiterentwicklung der Stiftung und ihrer Verpflichtung mit der
Kirche „überwiegend“ kirchlichen bzw. diakonischen Zwecken zu dienen bestimmt
sei. Die Stiftung sei aus dem bereits zuvor bestehenden gräflichen Armen- und
Waisenhaus um 1711 hervorgegangen. Gehe man von einem erneuten
Gründungsakt im Jahre 1879 aus, lasse sich hieraus nicht ersehen, dass es dem
Stifter darum gegangen sei, die Entscheidungsgewalt überwiegend der Kirche zu
überantworten. Dies müsse auch in Ansehung des Umstandes gelten, dass ihr
gleichwohl eine stets tragende Aufgabe beschieden gewesen sei, die sich etwa in
der Beschäftigung von Diakonissen bereits in der Frühphase widergespiegelt habe.
Hieran habe sich auch in der Weiterentwicklung der Stiftung nichts geändert. Eine
organisatorische Eingliederung in der kirchlichen Organisation sei ebenfalls wie
auch ein Stiftungszweck, der nur sinnvoll in Verbindung mit der Kirche erfüllt
werden könne, nicht ersichtlich.
Am 21.12.2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor: Sie habe im Jahre
2004 begonnen, ihre kirchliche Stiftungsaufsicht neu zu strukturieren. In diesem
Zusammenhang sei aufgefallen, dass eine größere Anzahl von Stiftungen, die
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Zusammenhang sei aufgefallen, dass eine größere Anzahl von Stiftungen, die
einen kirchlichen oder diakonischen Zweck verfolgten und ihr, der Klägerin,
organisatorisch nahestünden, sich unter staatlicher Aufsicht befände.
Die Beigeladene sei 1711 von Landgraf Friedrich-Ernst Graf zu Solms-Laubach
errichtet worden. Der Vater des Stifters, Landgraf Johann Friedrich zu Solms-
Laubach, und seine Ehefrau Benigna, geb. Gräfin von Prommnitz, seien eng
befreundet gewesen mit dem Frankfurter Pfarrer Philipp-Jacob Spener. Spener sei
der Begründer des Pietismus und habe in regem Briefwechsel mit dem Laubacher
Grafenpaar gestanden und sei mehrfach in Laubach gewesen, um dort zu
predigen und Erbauungsstunden abzuhalten. Seine Bestrebungen seien auf eine
praktische Frömmigkeit gerichtet gewesen. Auf seinen Einfluss hin sei bereits 1679
in Frankfurt ein Armen-, Waisen- und Arbeitshaus gegründet worden. Gräfin
Benigna habe zudem mit August-Hermann Francke, der die Frankischen Anstalten
in Halle gegründet habe, sehr enge Beziehungen unterhalten, und Graf Friedrich
Ernst sei als dessen Schüler bezeichnet worden. Graf Johann Friedrich sei auf die
Idee gekommen, in Laubach ein Armenhaus zu errichten. Dies habe er jedoch
nicht verwirklichen können; in seinem Testament aber seinem Sohn und
Nachfolger Friedrich Ernst die Errichtung eines Armen- und Waisenhauses
aufgegeben. Landgraf Friedrich Ernst habe 1710 ein Gebäude als Armen- und
Waisenhaus erbauen lassen und dieses teils mit Acker- und Wiesenland und
Gärten, teils mit Abgaben, wie Brennholzlieferungen und den Bezug einen Teils des
Klingelbeutels dotiert. Der Pfarrer der Grafschaft Laubach sei aufgefordert worden,
geeignete und bedürftige Personen zur Unterbringung zu melden.
Nach dem Wiener Kongress sei die Grafschaft Laubach dem Großherzogtum
Hessen zugeordnet worden. Die bis dahin errichteten landesherrschaftlichen
Anstalten seien in die Verwaltung des großherzoglich hessischen Staatsfiskus
übergangen. In einem 1819 abgeschlossenen Vertrag zwischen dem Grafen zu
Solms-Laubach und dem Großherzogtum Hessens sei aber klargestellt worden,
dass das Armen- und Waisenhaus keine landesherrschaftliche Anstalt sei und
weiterhin der Verwaltung des Grafen zu Solms-Laubach zu unterstehen habe. Zum
31.12.1877 sei das Armen- und Waisenhaus geschlossen und am 01.09.1879 das
„Johann-Friedrichs-Stift“ eröffnet worden. Die entscheidende Neuerung habe in der
Entsendung zweier Schwestern aus dem Elisabethenstift in Darmstadt zur Pflege
der Armen und Kranken und zur Leitung des Hauses bestanden. Das Johann
Friedrich-Stift habe nicht nur sogenannte Pfründner aufgenommen, sondern es
habe auch eine Krankenstation für Frauen und Männer eingerichtet. Zudem hätten
die Schwestern - soweit es ihre Arbeit zugelassen habe -, die Kranken in der
Gemeinde besuchen und pflegen sollen.
Bei dem Elisabethenstift handele es sich um das Diakonissen-Mutterhaus
Elisabethenstift in Darmstadt, eine kirchliche Stiftung öffentlichen Rechts. Dieses
sei 1857 mit dem Zweck gestiftet worden, den Dienst der christlichen Liebe an
hilfsbedürftigen Menschen auszuüben und damit in Wort und Tat das Evangelium
von Jesus Christus zu bezeugen. Die Diakonissen des Elisabethenstifts hätten –
gemeinsamen mit den Diakonissen des Paulinenstifts Wiesbaden – zur damaligen
Zeit eine Monopolstellung im Bereich der Diakonie im Großherzogtum Hessen-
Nassau und darüber hinaus innegehabt. Neben den Diakonissen habe es kein
qualifiziertes Personal in den Bereichen Kinderbetreuung, Jugendhilfe, Kranken-
und Altenpflege gegeben.
1954/55 sei es zwischen dem gräflichen Johann-Friedrich-Stift und der Stadt
Laubach zu Auseinandersetzungen über die Zusammensetzung des
Stiftungsvorstandes gekommen. Stiftungsvorstand, Regierungspräsident und
Stadt Laubach seien sich jedoch darin einig gewesen, dass das gräfliche Johann-
Friedrich-Stift seit seiner Entstehung und seiner ganzen Entwicklung nach den
Charakter einer evangelischen Anstalt trage, deren Aufgabe es sei, christliche
Wohltätigkeit zu üben.
Die Klage sei als Feststellungsklage, hilfsweise als Verpflichtungsklage zulässig. Die
Klage sei begründet, denn die Beigeladene sei eine kirchliche Stiftung bürgerlichen
Rechts gemäß § 20 Abs. 1 HStG. Die Beigeladene verfolge einen diakonischen
Zweck der Pflege und Unterhaltung von Bedürftigen, Gebrechlichen und Waisen.
Für den Stifter, Graf Friedrich-Ernst zu Solms-Laubach, und seinen Vater, Johann
Friedrich zu Solms-Laubach, sei die Errichtung der Stiftung und ihrer Ausstattung
nicht einfach Ausfluss von Generosität, humanitärer Gesinnung und Selbstlosigkeit
gegenüber Armen und Kranken, sondern der Antrieb, das bestimmende Motiv, sei
ihre pietistische Gesinnung gewesen, die nach Betätigung gedrängt habe. Vater
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ihre pietistische Gesinnung gewesen, die nach Betätigung gedrängt habe. Vater
und Sohn seien als Landesherren nicht nur die obersten Geistlichen der Grafschaft
zu Solms-Laubach, sondern darüber hinaus evangelische Pietisten gewesen, und
als solche hätten sie in enger Verbindung mit den führenden pietistischen
Theologen ihrer Zeit, Spener und Francke gestanden. Die Stiftung der
evangelischen Kirche sei ihr, der Klägerin, organisatorisch zugeordnet. Graf
Friedrich zu Solms-Laubach habe bei der Neuorganisation im Jahre 1879 drei
weitreichende strukturelle Entscheidungen getroffen. Mit der Neuorganisation und
der Verwaltung der Stiftung sei der jeweilige erste Pfarrer der Kirchengemeinde
Laubach beauftragt worden. Wesentlich für den Neuanfang der Stiftung sei der
Einsatz des ersten Laubacher Pfarrers, Karl Draudt, gewesen. Friedrich Graf zu
Solms-Laubach habe nicht wie sein Vorgänger weltliches Personal in der
Einrichtung, sondern Diakonissen des Elisabethenstifts Darmstadt eingesetzt. Die
dritte organisatorische Entscheidung habe in der Mitgliedschaft der Beigeladenen
im Zentralausschuss für innere Mission sowie deren Folgeorganisationen
bestanden.
Die Feststellung des Regierungspräsidiums Gießen sei rechtswidrig, soweit allein
auf die Organstruktur abgestellt worden sei. Dies sei methodisch unrichtig. Durch
die Begrenzung der Beurteilung der organisatorischen Verbindung mit ihr, der
Klägerin, auf ein Sachverhaltsmerkmal würden alle anderen Merkmale, die eine
organisatorische Verbindung der Beigeladenen zur ihr, der Klägerin, begründeten,
außer Acht gelassen. Der Bescheid sei auch deswegen rechtswidrig, weil er das
Selbstverständnis von ihr, der Klägerin, nicht beachte. Die Dominanz von
Funktionsträgern der verfassten Kirche werde von ihr, der Klägerin, nicht als
wesentliches Gestaltungsmerkmal einer kirchlichen Stiftung angesehen. Würde
das vom Beklagten zugrunde gelegte Kriterium auf die eindeutig der Aufsicht von
ihr, der Klägerin, unterstehenden Stiftungen angelegt, so würde kaum einer der
kirchlichen Stiftungen als „kirchlich“ angesehen werden können. Mit der
rechtswidrigen Feststellung, dass es sich bei der Stiftung nicht um eine kirchliche
Stiftung handele, werde ferner das aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV
folgende Recht verletzt.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass es sich bei der Stiftung Oberhessischen Diakoniezentrum –
Johann-Friedrich-Stift mit Sitz in Laubach um eine rechtsfähige kirchliche Stiftung
bürgerlichen Rechts handelt,
hilfsweise,
den Statusfeststellungsbescheid des Beklagten vom 25.11.2009 aufzuheben und
den Beklagten zu verpflichten, den Status der Stiftung Oberhessischen
Diakoniezentrum – Johann-Friedrich-Stift in Laubach als kirchliche Stiftung
bürgerlichen Rechts festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf seinen Bescheid vom 26.11.2009.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, die
ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bezüglich des Feststellungsantrages unzulässig und hinsichtlich des
Hilfsantrages zulässig, aber unbegründet.
Soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag die Feststellung der kirchlichen
Rechtsnatur der Beigeladenen begehrt, ist die Klage unzulässig, weil die Klägerin
den damit verfolgten Zweck mit einer Gestaltungsklage - wie mit ihrem Hilfsantrag
geschehen - verfolgen kann.
Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung eines Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein
berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellungsklage ist
nicht zulässig, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder
Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 VwGO).
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Im vorliegenden Fall steht der in § 43 Abs. 2 VwGO normierte Grundsatz der
Subsidiarität dem Feststellungsantrag der Klägerin entgegen. Denn die Klägerin
kann ihr Begehren mit der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 2 VwGO) - wie im
Hilfsantrag geschehen - verfolgen. Bei der Feststellung des Status einer Stiftung
handelt es sich nämlich um einen feststellenden Verwaltungsakt, weil
rechtserheblich eine Eigenschaft der Stiftung, nämlich ihr Status, verbindlich
festgestellt wird (vgl. Bayer.VGH, U. v. 14.12.1989 - 9 B 87.2016 -, BayVBl. 1990,
719, 720; siehe ferner VGH Bad.-Württ., U. v. 08.05.2009 - 1 S 2859/06 -, juris,
Rdnr. 43; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, Rdnr. 219, Fn. 1303 unter
Hinweis auf Bayer.VGH, a.a.O.). Davon geht auch § 22 Hessisches Stiftungsgesetz
aus, wonach bei bestehenden Zweifeln über die Rechtsnatur der Stiftung die
Aufsichtsbehörde eine Entscheidung zu treffen hat. Der Begriff Entscheidung
bedeutet nämlich, dass mit bindender Wirkung Rechte der Betroffenen festgestellt
oder verneint werden (vgl. auch BVerwG, U. v. 05.11.2009 - 4 C 3.99 - juris, Rdnr.
15). Wird normativ eine solche regelnde Feststellung verlangt - wie hier von § 22
Hessisches Stiftungsgesetz -, geht es um einen feststellenden Verwaltungsakt
(vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, Rdnr. 51 zu § 35). Steht aber ein
feststellender Verwaltungsakt in Frage, ist statthafte Klageart die
Verpflichtungsklage (vgl. Hess. VGH, U. v. 14.03.2006 - 11 UE 1426/04 -, NVwZ-RR
2006, 794, m.w.N.; U. v. 28.11.2007 - 6 UE 1882/06 -, juris, Rdnr. 26, insoweit in
ESVGH, 58, 150 ff. nicht abgedruckt). Dies gilt namentlich für den Erlass eines
Statusfeststellungsbescheides, wie ihn die Klägerin im vorliegenden Fall anstrebt
(vgl. VGH Bad.-Württ., U. v. 08.05.2009 - 1 S 2859/06 -, juris, Rdnr. 41 ff, wo
allerdings eine Anfechtungssituation vorlag).
Die Feststellungsklage ist hier auch nicht deswegen ausnahmsweise statthaft, weil
sie effektiveren Rechtsschutz gegenüber der Verpflichtungsklage böte
(Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2005, Rdnr. 28 zu § 43). Denn dem
Rechtsschutzbegehren der Klägerin kann hier mit der Verpflichtungsklage
vollständig und umfassend Rechnung getragen werden.
Die mit dem Hilfsantrag erhobene, nach den soeben gemachten Ausführungen
statthafte Verpflichtungsklage ist auch ansonsten zulässig, insbesondere form-
und fristgerecht eingelegt, in der Sache aber unbegründet. Die Klägerin kann nicht
verlangen, dass der Beklagte den von ihr begehrten Feststellungsbescheid erlässt.
Ein entsprechender Anspruch besteht nicht, weil die Beigeladene keine kirchliche
Stiftung ist (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Beurteilung, ob eine Stiftung kirchlicher Natur
oder ein weltanschauliche Stiftung vorliegt, ist § 20 Abs. 1 Hessisches
Stiftungsgesetz. Nach der Legaldefinition dieser Bestimmung sind kirchliche
Stiftungen die überwiegend kirchlichen, diakonischen, karitativen oder religiösen
Zwecken einer Kirche gewidmeten Stiftungen, die organisatorisch mit der Kirche
verbunden sind oder deren Zwecke nur sinnvoll in Verbindung mit der Kirche erfüllt
werden können. Damit definiert der Landesgesetzgeber die Eigenschaft der
kirchlichen Stiftung mit der Bindung an kirchliche Zwecke und der Zuordnung zur
kirchlichen Organisation und befindet sich insofern in Übereinstimmung mit der
Mehrzahl der Stiftungsgesetze der Bundesländer (vgl. Seifart/v. Campenhausen
(Hrsg.), Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Aufl. 2009, § 23, Rdnr. 1 mit Fn. 1).
Im vorliegenden Fall wurde die Beigeladene bereits im Jahre 1879 – möglicherweise
sogar schon im Jahre 1711 - und daher vor Inkrafttreten des Hessischen
Stiftungsgesetzes errichtet. Die Rechtsstellung solcher schon zur Zeit des
Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehender Stiftungen regelt § 24 Hessisches
Stiftungsgesetz, indem er diese Stiftungen den Vorschriften dieses Gesetzes
unterwirft. Verbleibt es folglich für die Frage des Vorliegens einer kirchlichen
Stiftung bei der Regelung des § 20 Abs. 1 Hessisches Stiftungsgesetz, kann hier
weder die spezifische, die kirchliche Stiftung ausmachende Zweckbestimmung der
Beigeladenen noch ihre organisatorische Verbundenheit mit der Klägerin
festgestellt werden.
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 11.10.1977 - 2 BvR
209/76 - ausgeführt hat, ist jede Stiftung in das historisch-gesellschaftliche Milieu
eingebunden, innerhalb dessen sie entstanden ist. Das bedeutet unter anderem,
„daß der Stifterwille dauernd konstitutiv bleibt. Charakter und Zweck der Stiftung
liegen mit diesem Anfang in die Zukunft hinein und für die Dauer der Existenz der
Stiftung fest. Deshalb sind auch Erklärungen der Stifter aus dem zu ihrer Zeit
herrschenden örtlichen Zeitgeist heraus auszulegen.“ (BVerfGE 46, 73, 85).
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Im Streitfall ist daher auf die zur Zeit der Gründung der Stiftung maßgeblichen
Umstände abzustellen. Diese lassen die Feststellung nicht zu, dass die
Beigeladene ausschließliche oder überwiegend kirchliche Aufgaben
wahrgenommen hat, beziehungsweise mit der Klägerin organisatorisch verbunden
war.
Zur Begründung nimmt die erkennende Kammer zunächst Bezug auf die
Entscheidungsgründe des Bescheids vom 26.11.2009, denen die Kammer folgt,
und sieht von einer weiteren Darstellung einer Begründung ab (§ 117 Abs. 5
VwGO).
Im Hinblick auf das Klagevorbringen ist ergänzend zu erwähnen, dass die von der
Klägerin im Verwaltungs- beziehungsweise erstmalig im Klageverfahren
vorgelegten Unterlagen nicht die Rechtsansicht der Klägerin stützen, vielmehr die
Annahme des Beklagten bestätigen, wonach die Beigeladene keine kirchliche
Stiftung ist. Dies gilt sowohl für die von dem ehemaligen Pfarrer Walter Kappesser
gefertigte Jubiläumsschrift aus dem Jahre 1979 mit dem Titel „Hundert Jahre im
Dienste am Menschen 1879-1979 Sozialzentrum Laubacher Stift“ als auch für die
weiter vorgelegten Unterlagen, nämlich die historischen Notizen des Grafen
Friedrich Graf zu Solms-Laubach vom 10.10.1879, den Auszug aus dem kirchlichen
Archiv aus dem Jahre 1879, gefertigt von dem damaligen Pfarrer Karl Draudt, das
Schreiben des Regierungspräsidenten Darmstadt vom 20.09.1955 an den
Vorsitzenden des gräflichen Johann-Friedrich-Stifts zu Laubach, Georg Friedrich
Graf zu Solms-Laubach, und die Verfassung der Stiftung vom 01.12.1955.
Nach der Jubiläumsschrift von Pfarrer Walter Kappesser hat sich das Stift aus
einem Armenhaus, gegründet 1711 entwickelt. Gründer des Armenhauses war der
1671 geborene und 1723 gestorbene Friedrich Ernst Graf zu Solms-Laubach, der
unter dem christlichen Einfluss seines Vaters, Johann Friedrich Graf zu Solms-
Laubach (1625-1696), stand. Letzterer hatte die Errichtung eines Armen- und
Waisenhauses seinem Sohn und Nachfolger Friedrich Ernst in seinem Vermächtnis
aufgegeben. Johann Friedrich Graf zu Solms-Laubach war eng befreundet mit dem
Frankfurter Pfarrer Philipp Jacob Spener (1635-1705), einem Anhänger
beziehungsweise Begründer des Pietismus.
Im Jahre 1879 kam es unter Friedrich Graf zu Solms-Laubach (1833-1900) zu einer
Neugründung der Stiftung. In der Jubiläumsschrift von Pfarrer Walter Kappesser
heißt es hierzu, dass Friedrich Graf zu Solms-Laubach am 26.09.1866 (richtig wohl
1877) bestimmt habe, den bisherigen Bestand des Armenhauses aufzulösen. Der
Armenhausverwalter solle zum 01.01.1878 in den Pensionsstand treten; die
Pfründner sollten ein Jahr in Privatpflege untergebracht und die Ökonomie solle
nach Beendigung der „Winterausstellung“ aufgelöst werden. Friedrich Graf habe
Pfarrer Draudt mit den nötigen Vorbereitungen zur Unterbringung der Pfründner
ersucht. Nach den Umbauarbeiten habe die Einweihung, bei der der Graf einen
Überblick über die Geschichte der Einrichtung gegeben habe, stattgefunden.
Neben der Baulichkeit habe die entscheidende Neuerung in der Mitarbeit zweiter
Schwestern aus dem Elisabethenstift in Darmstadt zur Pflege der Armen und
Kranken und zur Leitung des Hauses bestanden. Das neue Haus habe nicht nur
Pfründner, das heißt Arme und Gebrechliche, aufgenommen, sondern es sei auch
eine Krankenstation eingerichtet worden. Die Schwestern hätten die Aufgabe
gehabt, auch die Kranken in der Gemeinde zu besuchen und zu pflegen. Pfarrer
Draudt habe neben der Seelsorge auch die Aufgabe der Geschäftsführung des
Johann-Friedrich-Stift innegehabt.
In den historischen Notizen des Grafen Friedrich vom 10.10.1879 heißt es u.a.,
dass das ursprüngliche Armenhaus ein „missratenes Unternehmen“ geworden
sei, das bis in die neueste Zeit ein „vegetierendes Leben“ nach Art so mancher
aus älteren Zeiten stammenden Stiftung geführt habe. Bis zur „Mediation“
(gemeint ist die ab dem Jahre 1803 beginnende Mediatisierung, bei der die
reichsunmittelbare Städte, Grafschaften usw. größeren Territorien zugeordnet und
damit die unmittelbare (immediate) Unterstellung zum König aufhoben wurde), sei
das Armenhaus eine landesherrliche Anstalt gewesen. Nach der Zuteilung der
Grafschaft Laubach zu dem Großherzogtum Hessen sei 1819 ein „Separatvertrag“
geschlossen und die Bestimmung getroffen worden, wonach das Armenhaus aus
privaten Mitteln des gräflichen Hauses dotiert und allgemein diesem zu
unterstehen habe. Am Ende der historischen Notizen heißt es wörtlich: „Am
01.09.1879 begannen wir mit Gottes Hilfe und unter Leitung von Schwestern aus
dem Darmstädter Elisabethenstift die erneuerte Anstalt und dem Namen „Johann
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dem Darmstädter Elisabethenstift die erneuerte Anstalt und dem Namen „Johann
Friedrichs-Stift“ in der Hoffnung, dass der schon vor nahezu 200 Jahre erbetene
und erhoffte, aber vorenthaltene Segen dem Hause im reichen Maße zu teil
werden möge, das gebe der Herr!“
Dem Auszug aus dem kirchlichen Archiv lässt sich entnehmen, dass Pfarrer Karl
Draudt, der die Notizen offensichtlich verfasste, das Haus mit Gottes Wort und
Gebet zu einer Stätte christlicher Barmherzigkeit einweihte. Das Stift stehe unter
unmittelbarer Leitung von zwei Diakonissen – was der tiefgreifendste Unterschied
zum alten Armenhaus sei. Der Anstalt sei auch eine Krankenstation für Männer
und Frauen und eine Kinderstation angegliedert worden. Die Diakonissen, mit
denen ein ganz anderer Geist in das Haus eingezogen sei, würden sich auch um
die Armen- und Krankenpflege in der Stadt kümmern. Ihm, dem Verfasser, sei die
Seelsorge und die Oberaufsicht über das Haus anvertraut worden. Schließlich heißt
es: „Das Pflegegeld für kranke Erwachsene (einschließl. Arzt und Medizin) auf eine
Mark täglich und für kranke Kinder auf -,50 Pf. tägl. Natürlich steht es dem Grafen
jederzeit frei, Ausnahmen eintreten zu lassen, wie ebenso natürlich Aufnahmen in
das Stift nur mit Seiner oder Seiner Erlauchten Gemahlin Bewilligung erfolgen
können.“
Diese Quellen vermögen die Ansicht der Klägerin nicht zu stützen, es handele sich
bei der Stiftung um eine kirchliche. Denn ihnen lässt sich eine organisatorische
Verbundenheit der Beigeladenen zur Klägerin nicht entnehmen.
Anders als in dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 46, 73 ff.)
entschiedenen Fall, in dem der Bischof vom Stifter aufgerufen war, seine
Zustimmung zu allen wichtigen Fragen der Stiftung zu geben, zeigen vorliegend
die Quellen eine solche Eingliederung in die oder eine Verbundenheit mit der
Institution Kirche nicht. Dies wird zunächst darin deutlich, dass das Wort „Kirche“
keinerlei Erwähnung findet. Es ist indes davon auszugehen, dass die Quellen eine
Zuordnung des Stifts zu einer Kirche angeführt hätten, wenn dies tatsächlich auch
vom Stifter gewollt gewesen wäre. Stattdessen wurde als tiefgreifendster
Unterschied zwischen dem alten Armenhaus und dem neuen Stift von Pfarrer Karl
Draudt die Leitung durch die beiden Diakonissen genannt. Dass ein Pfarrer seine
eigene Kirche unerwähnt lässt bei der Organisation eines solchen Stifts, ist aber
schwer vorstellbar, zumal wenn er selbst mit Verwaltungsaufgaben betraut ist. Die
Quellen belegen überdies den erheblichen Einfluss den der „Erlauchte Patron“
oder „Seine Erlauchte Gemahlin“ auf das Stift hatten, weil diese jederzeit
Ausnahmen hinsichtlich der Aufnahmen in das Stift anordnen konnten. Dies zeigt,
dass andere - gleichviel ob Kirche oder weitere Personen - keinen wesentlichen
Einfluss besaßen, und deswegen auch eine organisatorische Verbundenheit zur
Kirche nicht angenommen werden kann. Angesichts der Haltung der Grafschaft zu
Solms-Laubach zum Pietismus eines Philipp Jacob Speners und August Hermann
Franckes und einer „feindseligen“ Stellung zum strengen orthodoxen Christentum,
belegt in den Notizen von Friedrich Graf zu Solms-Laubach vom 10.10.1879, liegt
es weiterhin nahe, dass jede kirchliche Eingliederung oder Verbundenheit mit der
Kirche in den historischen Quellen Erwähnung gefunden hätte.
Die erkennende Kammer ist nach alledem der Überzeugung, dass schon eine
Verbundenheit mit der Kirche des Stifts zur Zeit seiner Errichtung in die Institution
Kirche nicht erfolgte. Soweit die Quellen sich deutlich auf christliche Werte
beziehen und eine Nähe zum diakonischen Gedanken belegen, handelte es sich
nicht um Umstände, die überwiegend kirchliche oder religiöse Zwecke, denen die
Stiftung gewidmet sein könnte, dartun. Die Mitarbeit von nur zwei Diakonissen, die
ferner auch für die Stadt Laubach arbeiteten, und die Oberaufsicht eines Pfarrers
zeugen mangels Nennung der Kirche beziehungsweise mangels Erwähnung einer
engen Verbundenheit des Stifts mit der Kirche in diese nur von einer allgemein
christlichen Einstellung des Stiftsgründers. Darüber hinaus ist weiter das Fehlen
einer Stiftsurkunde, die der oder einer Kirche irgendeinen Einfluss auf das Stift
gestattete, von entscheidender Bedeutung. Wie der Kammer aus anderen, auch
die Klägerin betreffenden Verfahren bekannt ist, war zur damaligen Zeit ein
Stiftungstext nicht ungewöhnlich. Diesen zu erstellen wäre auch für den Gründer
des Johann-Friedrich-Stifts naheliegend gewesen – erst recht, wenn mit der
Stiftungsurkunde Einflussmöglichkeiten kirchlicher Institutionen gewollt gewesen
wären. Diesbezüglich Erklärungen des Stifters sind indes nicht bekannt, und sie
lassen sich nicht ansatzweise den Quellen entnehmen.
Auch das von der Klägerin angeführte Schreiben des Regierungspräsidenten in
Darmstadt vom 20.09.1955 an den Vorsitzenden des gräflichen Johann Friedrich-
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Darmstadt vom 20.09.1955 an den Vorsitzenden des gräflichen Johann Friedrich-
Stifts, die Änderung der Verfassung der Stiftung betreffend, führt zu keinem
anderen Ergebnis. Dieses Schreiben zeigt, dass der damalige Vorstand der
Stiftung nach der einschlägigen Satzung vom 26.08.1939 aus dem Grafen zu
Solms-Laubach als Vorsitzendem, dem leitenden Anstaltsarzt, dem ersten Pfarrer
der evangelischen Gemeinde Laubach, dem Bürgermeister der Stadt Laubach und
einem Vertreter des Landesverbandes der inneren Mission als ständige Mitglieder
sowie nach Bedarf aus einer zahlenmäßig nicht begrenzten Anzahl weiterer
Mitglieder besetzt wurde. Eine besondere Nähe oder Verbundenheit der Stiftung
zur Klägerin ergibt sich hieraus schon deshalb nicht, weil nichtkirchliche Mitglieder
im Vorstand überwogen. Lediglich der erste Pfarrer der evangelischen Gemeinde
Laubach bildete als Vorstandsmitglied eine Ausnahme. Zwar betont die Satzung
vom 01.12.1955 in § 1 Abs. 2 „den Charakter einer evangelischen Anstalt, deren
Aufgaben es ist, christliche Wohltätigkeit zu üben.“ Andererseits wird in § 1 Abs. 1
S. 1 der Satzung hervorgehoben, dass das „Gräfliche Johann Friedrich-Stift eine
Stiftung des gräflichen Hauses Solms-Laubach“ ist. In § 1 Abs. 1 S. 2 der Satzung
heißt es: „Es ist eine selbständige Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit.“
Damit folgt auch aus dieser verfassungsgebenden Satzung - trotz der Tatsache,
dass ein Vertreter des Landesverbandes der inneren Mission und der ständige
Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Vorstandsmitglieder sind und der
Pfarrer in der Regel sogar die Geschäftsführung innehat - keine solche
organisatorische Verbundenheit zu der Klägerin, die es rechtfertigen könnte, der
Klage stattzugeben.
Liegen nach den zuvor gemachten Ausführungen die Voraussetzungen des § 20
Abs. 1 Hessisches Stiftungsgesetz nicht vor und ist die Beigeladene schon deshalb
keine kirchliche Stiftung, ist ferner gegen das Vorliegen einer kirchlichen Stiftung
anzuführen, dass die Klägerin sich erst zum jetzigen Zeitpunkt bemüht, die
Beigeladene als kirchliche Stiftung anzusehen. Nach § 22 Hessisches
Stiftungsgesetz wäre es ihr möglich gewesen, bereits viel früher eine Klärung der
Rechtsnatur der Beigeladenen als kirchliche Stiftung herbeizuführen. Die Tatsache,
dass die Klägerin dies unterlassen hat, zeigt, dass sie offensichtlich selbst nicht
davon überzeugt war, die Beigeladene sei eine kirchliche Stiftung. Das formale
Erfordernis einer organisatorischen Verbindung der Stiftung mit der Kirche
erfordert, dass die Stiftung die inhaltlichen Anforderungen kontinuierlich erfüllt.
Deswegen bedarf es eines Mindestmaßes an Einflussmöglichkeiten der Kirche, um
auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung mit den kirchlichen
Vorstellungen zu gewährleisten (VGH Bad.-Württ., U. v. 08.05.2009 - 1 S 2859/06 -,
juris, Rdnr. 54). Davon kann im Falle der Klägerin aber nicht ausgegangen werden.
Es liegen keine Indizien und es liegt auch kein entsprechender Vortrag dafür vor,
dass die Klägerin als Institution auf die Beigeladene jemals Einfluss genommen
oder ein irgendwie geartetes Aufsichtsrecht über die Beigeladene wahrgenommen
oder geltend gemacht oder sie in finanzieller Hinsicht unterstützt hätte.
Nach alledem ergibt die Gesamtwürdigung des Vorbringens der Beteiligten, der
Satzungsunterlagen und der Beiakten, dass es sich bei der Beigeladenen nicht um
eine kirchliche Stiftung handelt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge, dass die Klägerin die Kosten des
Verfahrens zu tragen hat, abzuweisen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie sich mangels
Antragstellung nicht am Kostenrisiko beteiligt hat (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3
VwGO).
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen
(§§ 124 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.
ausgewählt und dokumentiert.