Urteil des VG Gießen vom 10.01.2011

VG Gießen: hauptwohnung, rechtsmittelbelehrung, aufenthalt, arbeitsort, hmg, widerspruchsverfahren, erlass, vollstreckung, stadt, klagefrist

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Gericht:
VG Gießen 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 K 5306/10.GI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16a VwGOAG HE, § 16 Abs 1
MeldeG HE, § 58 Abs 2 VwGO,
§ 68 Abs 1 VwGO, § 16 Abs 2 S
1 MeldeG HE
erfundenes Rechtsmittel
Leitsatz
1.) Eine Rechtsmittelbelehrung, die neben dem gesetzlich normierten zulässigen
Rechtsmittel auf ein weiteres, in der Rechtsordnung nicht geregeltes und behördlich
erfundenes, Rechtsmittel der "erneuten kostenneutralen" Nachprüfung des
Verwaltungsakts hinweist, ist unrichtig i. S. d. § 58 Abs. 2 VwGO.
2.) Bei gesetzlich normiertem Wegfall des Widerspruchsverfahrens fehlt es an einer
Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines - kostenpflichtigen - Widerspruchsbescheids.
3.) Zur Frage der Zurechnung von Arbeits- und Fahrtzeiten montags und freitags bei
Wochenendpendlern zu einer von mehreren Wohnungen und zur Bestimmung der
Hauptwohnung.
Tenor
Der Widerspruchsbescheid des Magistrats der Stadt Gießen vom 30.09.2010 wird
aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten vorläufig
vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Mit der Klage wendet der Kläger sich gegen die verwaltungsaktmäßige Feststellung
der Beklagten, dass seine Hauptwohnung in G. ist.
Am 21.12.2009 meldete der Kläger sich bei der Beklagten an und gab auf dem
hierfür vorgesehenen Vordruck an, seine Wohnung in G. sei Nebenwohnung. Seine
Hauptwohnung befinde sich in K.. Die Entfernung von K. nach G. betrage 200
Kilometer und die Fahrt dauere mit der Bahn drei Stunden. Er gehe in G. einer
Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche nach. Weiter gab er an, er
halte sich circa 270 Tage im Jahr in G. und circa 90 Tage im Jahr in K. auf. Mit
Schreiben vom 08.02. und vom 23.02.2010 hörte die Beklagte den Kläger zu einer
beabsichtigten Berichtigung des Melderegisters an, wobei die Beklagte ausführte,
nach den Angaben des Klägers in seiner Erklärung vom 21.12.2009 befinde sich
seine Hauptwohnung in G. und nicht in K.. Dies folge aus der Regelung in § 16 des
Hessischen Meldegesetzes.
Hierauf entgegnete der Kläger unter dem 26.02.2010, er halte sich von
montagmorgens bis freitags morgens in G. auf. Von diesem Aufenthalt seinen
aber noch 30 Urlaubstage abzuziehen. Daraus errechne sich, dass er sich im Jahr
180 Tage in G. und 185 Tage in K.. In K. läge auch seit 51 Jahren der Schwerpunkt
seiner Lebensbeziehung. Zudem sei sein Arbeitsvertrag im Raum G. befristet und
ihm drohe in K. Stadt der Verlust des sogenannten Bürgerholzanspruches.
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Hierauf entgegnete die Beklagte mit Schreiben vom 04.03.2010, die
Hauptwohnung des Klägers befinde sich in G.. 220 Arbeitstage im Jahr seien G.
zuzurechnen, daraus ergebe sich der überwiegende Jahresaufenthalt für G..
Zudem wurde der Kläger gebeten, den befristeten Arbeitsvertrag vorzulegen,
damit die Beklagte prüfen könne, ob gegebenenfalls die Bestimmung der
Hauptwohnung in G. zurückgestellt werden könne.
Am 10.03.2010 legte der Kläger eine Einstellungsbescheinigung vor, woraus sich
eine Befristung des Arbeitsvertrages vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2011 ergab.
Mit Bescheid vom 07.04.2010, dem Kläger zugestellt mittels
Postzustellungsurkunde am 16.04.2010, setzte die Beklagte gegenüber dem
Kläger fest, dass sich die Hauptwohnung des Klägers in G. befinde mit der weiteren
Folge, dass die Wohnung in K. als Nebenwohnung im Melderegister geführt werde.
Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, die Wohnung des
Klägers in G. sei die vorwiegend benutzte. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 des
Hessischen Meldegesetzes sei diese somit als Hauptwohnung einzustufen.
Aufgrund der Angaben des Klägers und einer durchgeführten Plausibilitätskontrolle
unter Berücksichtigung der für den Fall relevanten Erfahrungstatsachen sei die
Beklagte zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger sich überwiegend in G.
aufhalte.
Die dem Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung war zweigeteilt. Sie enthielt
zunächst den Hinweis auf die Möglichkeit der Klage beim Verwaltungsgericht
Gießen, dann aber auch die Möglichkeit, stattdessen zunächst innerhalb eines
Monats nach Zustellung des Bescheides die nochmalige Überprüfung der Sach-
und Rechtslage zu beantragen mit der Zusage, in diesem Fall einen kostenfreien,
schriftlich begründeten Zweitbescheid zu übersenden, gegen den die Klage beim
Verwaltungsgericht statthaft sei.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.05.2010 beantragte der Kläger die
Nachprüfung der getroffenen Entscheidung und trug in der Sache zu den
Aufenthaltszeiten in G. und K. vor.
Unter dem 27.05.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie fasse das Schreiben
vom 17.05.2010 als Widerspruch auf. Gleichwohl bleibe sie bei ihrer Auffassung,
dass die Hauptwohnung des Klägers in G. sei. Dies folge aus seinen Angaben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des
Klägers vom 17.05.2010 kostenpflichtig zurück und setzte gleichzeitig die Kosten
für den Widerspruchsbescheid auf 72,00 Euro fest. Zur Begründung führte die
Beklagte im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Ausführungen im
Ausgangsbescheid aus, die Tage Freitag und Montag seien dem Wohnort G.
zuzurechnen, denn die Zeiten der Arbeit seien der Wohnung am Arbeitsort
zuzurechnen. Auch unter Außer-Acht-Lassung der Reisezeiten halte sich der
Kläger montags und freitags länger in G. als in K. auf. Daher seien diese beiden
Tage dem Wohnort in G. zuzurechnen.
Am 27.10.2010 hat der Kläger Klage erhoben.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem
Verwaltungsverfahren und ist der Auffassung, seine Hauptwohnung befinde sich
aufgrund der Aufenthaltszeiten in K. und nicht in G.. Sein jährlicher
Urlaubsanspruch betrage 26 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.04.2010 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30.09.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht die Beklagte sich auf die Ausführungen in den
angefochtenen Bescheiden.
Mit Beschluss vom 01.12.2010 hat die Kammer, nachdem den Beteiligten zuvor
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, den Rechtsstreit nach § 6
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Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, den Rechtsstreit nach § 6
Abs. 1 VwGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich auf mündliche Verhandlung verzichtet und
Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen
sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Hierzu ist zunächst auszuführen, dass nach der Anlage zu § 16a HessAGVwGO bei
Entscheidungen nach dem Hessischen Meldegesetz ein Vorverfahren
(Widerspruchsverfahren) nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung entfällt (vgl.
Anlage Nr. 3.3 zu § 16a HessAGVwGO bzw. Nr. 2.3 der Anlage zu § 16a
HessAGVwGO in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 29.11.2010, GVBl I
S. 421).
Damit hätte der Kläger eigentlich binnen Monatsfrist gegen den Bescheid vom
07.04.2010 Klage erheben müssen, Eingang der Klage war aber erst der
27.10.2010. Gleichwohl ist durch den Eingang der Klage am 27.10.2010 die
Klagefrist gemäß §§ 74, 58 VwGO gewahrt, denn die dem Bescheid vom
07.04.2010 beigefügte Rechtsmittelbelehrung war unrichtig im Sinne des § 58 Abs.
2 VwGO, so dass die Klagefrist, soweit sie überhaupt in Gang gesetzt wurde,
zumindest ein Jahr betrug. Unrichtig war die dem Bescheid beigefügte
Rechtsmittelbelehrung jedenfalls insoweit, als sie außer auf die Möglichkeit der
Klage noch auf einen außerordentlichen Rechtsbehelf einer Nachprüfung auf
Antrag hinwies. Zwar mag es der Beklagten unbenommen sein, im Sinne des
Bürgers eine kostenneutrale Nachprüfung auf Verlangen vorzunehmen, indes ist
die Beklagte nicht befugt, gesetzliche Rechtsmittel in eigener Kompetenz zu
schöpfen und hierauf in einer Rechtsmittelbelehrung hinzuweisen. Die gegen einen
Verwaltungsakt möglichen Rechtsmittel sind landes- und bundesrechtlich
erschöpfend geregelt; eine entsprechende Befugnis steht der Beklagten mithin
nicht zu. Sie hätte zur Überzeugung des Gerichts zwar innerhalb des Bescheides
auf die Möglichkeit einer kostenneutralen Prüfung hinweisen können, nicht aber im
Rahmen der dem Bescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung. Diese erweist sich
daher als unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO. Soweit die Klage sich auch
gegen den Widerspruchsbescheid vom 30.09.2010 richtet, ist sie jedenfalls
innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 VwGO erhoben worden und zulässig.
Die gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30.09.2010 gerichtete
Klage ist darüber hinaus auch begründet. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten
vom 30.09.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 VwGO). Die Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheids folgt bereits
daraus, dass die Beklagte nach Nr. 3.3 bzw. Nr. 2.3 der Anlage zu § 16a
HessAGVwGO nicht befugt war, einen derartigen kostenpflichtigen
Widerspruchsbescheid zu erlassen, denn bei Entscheidungen aufgrund des
Hessischen Meldegesetzes findet nach dieser Regelung ein Widerspruchsverfahren
nicht statt. Damit fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines
Widerspruchsbescheides und erst recht an einer Ermächtigungsgrundlage zur
Festsetzung von Verwaltungskosten für das Widerspruchsverfahren. Insoweit
erweist sich der Widerspruchsbescheid als rechtswidrig und den Kläger in seinen
Rechten verletzend mit der Folge, dass er, auch zur Klarstellung, insgesamt
aufzuheben ist.
Im Übrigen dagegen ist die Klage unbegründet.
Die Festsetzung der G.er Wohnung des Klägers als Hauptwohnung in dem
Bescheid der Beklagten vom 07.04.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung der Wohnung des Klägers im
Stadtgebiet der Beklagten als Hauptwohnung sind § 4a Abs. 1 Satz 1, § 10 Satz 1,
§ 16 Abs. 1 des Hessischen Meldegesetzes (in der Fassung vom 10. März 2006,
GVBl I Seite 66, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.11.2010, GVBl I Seite 403,
HMG). Danach hat die Meldebehörde die Befugnis, das Melderegister von Amts
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HMG). Danach hat die Meldebehörde die Befugnis, das Melderegister von Amts
wegen zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn es unrichtig oder unvollständig ist,
wozu auch die Bestimmung der Hauptwohnung gehört. Hauptwohnung ist nach §
16 Abs. 2 HMG die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Nach den
Feststellungen der Beklagten und auch nach dem Vorbringen des Klägers ist die
Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zutreffend zu dem Ergebnis gelangt,
dass die vorwiegend genutzte Wohnung diejenige in G. und nicht diejenige in K. ist.
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, der das erkennende Gericht folgt,
ist geklärt, dass Hauptwohnung diejenige von mehreren Wohnungen ist, die der
Betreffende vorwiegend benutzt und dass der Begriff der vorwiegenden Nutzung
nach dem überwiegenden Aufenthalt zu bestimmen ist. Weiter ist in der
Rechtsprechung geklärt, dass die vorwiegende Benutzung einer Wohnung sich
nicht nach dem Aufenthalt in der Wohnung selbst bestimmt, sondern nach dem
Aufenthalt an dem Ort, in dem sich die Wohnung befindet, wobei dies durch einen
rein rechnerischen Vergleich der jeweiligen Aufenthaltszeiten ohne Rückgriff auf
prägende Vergleichszeiträume und Regelvermutungen zu bestimmen ist. Bei
dieser Berechnung der überwiegenden Aufenthaltszeiten kann mit Rücksicht auf
die Ungewissheit der Benutzungsgewohnheiten bei mehreren Wohnungen eine
Prognose zunächst für ein Jahr erfolgen. Bei Berufspendlern ist die Arbeitszeit
aufenthalts- und melderechtlich der Wohnung am Arbeitsort zuzurechnen. Der
umfassende Vergleich der Aufenthaltszeiten eines Einwohners an verschiedenen
Orten kann allenfalls zu einer „taggenauen“ Berechnung der Aufenthaltszeiten
führen, nicht aber dazu, dass einzelne Tagesbruchteile oder gar stundenweise
Aufenthalte am einen oder anderen Ort in Ansatz zu bringen wären (vgl. zu
alledem BVerwG, Urteil vom 15.10.1991, 1 C 24.90, m. w. N. aus der
Rechtsprechung, VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 21.02.1994, 1 S 2869/93,
und vom 21.04.1992, 1 S 2186/91; Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom
22.10.2007, 10 E 1821/07 und zur Befugnis der Beklagten zur Fortschreibung des
Melderegisters von Amts wegen Hess.VGH, Beschluss vom 27.08.2009, 7 A
1884/09).
Aufgrund der Angaben des Klägers und der objektiv für das Gericht feststellbaren
Anhaltspunkte der Aufenthaltszeiten in G. erweist sich der Bescheid der Beklagten
vom 07.04.2010, mit dem die G.er Wohnung des Klägers als Hauptwohnung
festgesetzt worden ist, als rechtmäßig, denn auch zur Überzeugung des Gerichts
hält der Kläger sich während eines Jahres länger in seiner G.er als in seiner K.er
Wohnung auf. Die G.er Wohnung des Klägers ist damit die von ihm zeitlich
überwiegend und damit vorwiegend benutzte Wohnung im Sinne des § 16 Abs. 2
Satz 1 HMG.
Nach den Angaben des Klägers und den von ihm vorgelegten Unterlagen zu
seinem Beschäftigungsverhältnis, welches auf zwei Jahre befristet ist, ist die G.er
Wohnung des Klägers als Hauptwohnung zu qualifizieren. Dies hat die Beklagte mit
den angefochtenen Bescheid zu recht getan. Aufgrund des nachgewiesenen
befristeten Beschäftigungsverhältnisses für zwei Jahre steht zunächst ein
hinreichend bemessener Prognosezeitraum für die Qualifizierung einer von
mehren Wohnungen als Hauptwohnung zur Verfügung. Hierbei genügt, wie
vorstehend dargelegt, in der Regel ein Prognosezeitraum von einem Jahr.
Darüber hinaus begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Aufenthalt
des Klägers in G. mit fünf Tagen und in K. mit zwei Tagen in der Woche
angenommen wird, so dass sich daraus melderechtliche Jahresaufenthaltszeiten
des Klägers in G. von 224 Tagen und in K. von 141 Tagen errechnen. Bei dieser
Berechnung berücksichtigt das Gericht zehn gesetzliche Feiertage und die vom
Kläger vorgetragenen 26 jährlichen Urlaubstage, wobei die Urlaubstage dem
Herkunftsort K. aber nur dann zugerechnet werden können, wenn der Kläger sich
während des Urlaubs auch tatsächlich dort aufhält. Hält der Kläger sich dagegen
während seines Urlaubs in keiner der beiden Wohnungen auf, so sind diese
Urlaubszeiten melderechtlich irrelevant, mit der weiteren Folge, dass sich die Zahl
der Aufenthaltstage in K. weiter verringern dürfte. Anhand der vorstehend
berechneten Tage ergibt sich ohne Zweifel, dass der Aufenthalt in G. während
eines Prognosejahres zeitlich überwiegt und damit die G.er Wohnung des Klägers
die vorwiegend benutzte und damit die Hauptwohnung des Klägers ist.
Selbst wenn der Argumentation des Klägers gefolgt werden sollte, dass eine
taggenaue Berechnung der Aufenthaltszeiten an den Orten der jeweiligen
Wohnungen nicht ausreichend differenziert ist, ergibt sich für die Rechtsfolge der
Bestimmung der Hauptwohnung nichts anderes. Denn auch dann wären die
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Bestimmung der Hauptwohnung nichts anderes. Denn auch dann wären die
Arbeitszeiten montags und freitags der G.er Wohnung zuzurechnen, denn die
Arbeit und die hiermit verbundenen Zeiten sind derjenigen Wohnung zuzurechnen,
die sich am Arbeitsort oder am nächsten zum Arbeitsort befindet. Auch die
Fahrzeiten montags nach G. und freitags nach K. sind der G.er Wohnung
zuzurechnen. Der Bundesgesetzgeber hat einkommensteuerrechtlich
abschließend geregelt, dass Aufwendungen für die Fahrten von und zur Arbeit als
Werbungskosten von der Einkommensteuer absetzbar sind. Was aber für die
monetären Aufwendungen dieser Fahrten gilt, muss auch für die
Zeitaufwendungen dieser Fahrten gelten. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der
Rechtsordnung gebietet insoweit, auch die Fahrzeiten von und zur Arbeit der Arbeit
und in mittelbarer Folge dem Arbeitsort und der hier innegehaltenen Wohnung
zuzurechnen. Aus einer derart stundengenauen Berechnung ergibt sich nach den
vom Kläger vorgetragenen Umständen eine wöchentliche Zurechnungszeit,
zunächst ohne Berücksichtigung der montäglichen und freitäglichen Fahrt- und
Arbeitszeit, zu der Wohnung in G. von 80 Stunden und zu derjenigen in K. von 61
Stunden. Daraus errechnen sich 4.160 Jahresstunden für G. und 2.704
Jahresstunden für K.. Berücksichtigt man noch die Urlaubs- und Feiertage
(insgesamt 36), könnten K. noch weitere 864 Jahresstunden zugerechnet werden,
so dass sich für K. insgesamt 3.568 Jahresstunden ergäben. Auch insoweit
überwiegt zeitlich der Aufenthalt des Klägers in der G.er Wohnung.
Ausgehend von den errechneten 4.160 G.er Jahresaufenthaltsstunden und den
errechneten 3.568 K.er Jahresaufenthaltsstunden ergeben sich insgesamt 7.728
Stunden. Die zur Erreichung der Jahresstunden (365 Tage x 24 Stunden = 8.760
Stunden) fehlenden 1.032 Stunden entfallen auf die Fahrzeiten von und zur Arbeit
montags und freitags sowie auf die montäglichen und freitäglichen Arbeitsstunden.
Diese sind aber nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte den
Aufenthaltszeiten in G. hinzuzurechnen, so dass sich insgesamt
Jahresaufenthaltsstunden für G. in Höhe von 5.064 Stunden errechnen und für K. in
Höhe von 3.568 Stunden. Danach ist insgesamt die Wertung der Beklagten, die
G.er Wohnung des Klägers als Hauptwohnung zu qualifizieren und diese
melderechtlich als Hauptwohnung zu führen, rechtlich nicht zu beanstanden, so
dass sich der diesbezügliche Bescheid der Beklagten vom 07.04.2010 als
rechtmäßig erweist mit der Folge, dass die Klage insoweit abzuweisen ist.
Die Kosten des Verfahrens sind dem Kläger nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO
aufzuerlegen, weil die Beklagte nur zu einem geringen Teil, materiell nämlich nur in
Höhe der Kostenfestsetzung im Widerspruchsbescheid, unterliegt. Im Hinblick auf
dieses geringe Teilunterliegen erschiene es unbillig, die Beklagte mit Kosten zu
belasten, zumal sich der materielle Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide
als rechtmäßig erweist.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und Abwendungsbefugnis folgt aus
§ 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.