Urteil des VG Gießen vom 17.02.2005

VG Gießen: stadt, therapie, behörde, beweiserleichterung, gebrechen, erfüllung, gewissheit, versetzung, leukämie, vorverfahren

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Gericht:
VG Gießen 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 E 1010/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 126 Abs 3 BRRG, § 51 Abs 1
S 1 BG HE, § 51 Abs 1 S 2 BG
HE, § 92 BG HE
Verlangen der rückwirkenden Ruhestandsversetzung als
Anspruch auf Schadensersatz, der im beamtenrechtlichen
Vorverfahren Erwähnung finden muss.
Leitsatz
1. Die sich aus § 126 Abs 3 BRRG für alle Klagearten ohne Ausnahme ergebende
Notwendigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens zwingt den Beamten vor
Klageerhebung zur Konkretisierung eines gegen seinen Dienstherrn in Anspruch
genommenen Schadensersatzes (wie BVerwG, Urteil vom 28.06.2001 - 2 C 48.00 -, IÖD
2002, 4).
2. Für die Beurteilung der Dienstfähigkeit (§ 51 Abs 1 Satz 1 HBG) ist nicht allein auf die
Person des Beamten abzustellen, sondern vielmehr sind die Auswirkungen der
körperlichen Gebrechen usw. des Beamten auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem
konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die
Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend.
3. Von der Ermessensermächtigung des § 51 Abs 1 Satz 2 HBG ist es gedeckt, wenn
der Dienstherr eine Entscheidung über eine Ruhestandsversetzung wegen
Dienstunfähigkeit zurückstellt, um sich über die Dauerhaftigkeit des Mangels der
Dienstfähigkeit mehr Gewissheit zu verschaffen oder das Ergebnis einer
bestimmten langwierigen Therapie abzuwarten.
Tatbestand
Der am ... 1948 geborene Kläger stand bis zu seiner wegen Dienstunfähigkeit
erfolgten Versetzung in den Ruhestand im Schuldienst des Beklagten. Zuletzt
hatte er das statusrechtliche Amt eines Oberstudienrates (Besoldungsgruppe A 14
BBesO) inne und verrichtete seinen Dienst an den Beruflichen Schulen des
Landkreises B-Stadt in A-Stadt.
Anfang 2001 trat beim Kläger eine akute lymphatische Leukämie auf. Wegen
dieser Erkrankung leistete er seit dem 29.01.2001 keinen Dienst mehr. Im Verlauf
des Jahres 2001 kam es zu erheblichen Komplikationen, die insgesamt zwei
Stammzellentransplantationen erforderlich machten.
Mit Schreiben vom 18.09.2002 bat das Staatliche Schulamt für den Landkreis B-
Stadt (im Folgenden: Staatliches Schulamt) das Amt für Versorgung und Soziales
Gießen um Prüfung, ob der Kläger wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den
Ruhestand zu versetzen sei. Es führte aus, der Kläger befinde sich seit Januar 2001
in ständiger ärztlicher Behandlung. Um die Heilungschancen zu verbessern, habe
die Dienstbehörde bisher von einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der
Dienstfähigkeit abgesehen. Nachdem das Amt für Versorgung und Soziales die
Dienstunfähigkeit des Klägers festgestellt hatte, teilte das Staatliche Schulamt
diesem mit Schreiben vom 13.01.2003 mit, es beabsichtige, ihn in den Ruhestand
zu versetzen.
Mit dem Kläger am 29.04.2003 ausgehändigtem Bescheid vom 11.04.2003
versetzte das Staatliche Schulamt ihn wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den
Ruhestand und teilte mit, der Ruhestand beginne mit dem Ende des Monats, in
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Ruhestand und teilte mit, der Ruhestand beginne mit dem Ende des Monats, in
welchem dieser Bescheid ausgehändigt worden sei. Den hiergegen mit dem Ziel
einer rückwirkenden Ruhestandsversetzung zum 31.12.2001 eingelegten
Widerspruch wies das Staatliche Schulamt mit den Bevollmächtigten des Klägers
am 26.02.2004 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 24.02.2004 zurück. Zur
Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, sie habe das amtsärztliche
Gutachten erst mit Schreiben vom 18.09.2002 angefordert, weil sie von einer
Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers ausgegangen sei. Der
Schulleiter habe in Telefonaten mit dem Staatlichen Schulamt immer wieder
darum gebeten, eine amtsärztliche Untersuchung zurückzustellen. Die Schule
habe eine Knochenmarktypisierungsaktion durchgeführt, um einen
Knochenmarkspender zu finden. Nach Aussagen des Schulleiters hätten sich auch
zwei Knochenmarkspenden ergeben. Der Kläger selbst habe dem Schulleiter
immer wieder erklärt, er freue sich darauf, wenn er wieder unterrichten könne. Er
habe in Abständen darum gebeten, im nächsten Halbjahr wieder teilweise im
Unterricht eingesetzt zu werden. Die durch das Fehlen des Klägers bedingten
Störungen des Dienstbetriebes seien gegenüber dem Interesse, die
Heilungschancen des Klägers zu fördern, als einige Zeit hinnehmbar beurteilt
worden. Es habe auch keine Fürsorgepflicht bestanden, den Kläger im Hinblick auf
gesetzliche Änderungen im Versorgungsrecht über den bestmöglichen Zeitpunkt
seiner Ruhestandsversetzung zu belehren.
Mit bei Gericht am 16.03.2004 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage
erhoben. Nachdem er zunächst mit Hauptantrag die Verpflichtung des Beklagten
erstrebt hat, ihn rückwirkend mit Wirkung vom 31.12.2001 wegen Dienstunfähigkeit
in den Ruhestand zu versetzen, hat er in der mündlichen Verhandlung den
Hauptantrag zurückgenommen und verfolgt nunmehr allein den früher als
Hilfsantrag formulierten Antrag weiter. Den zurückgenommenen Teil der Klage hat
das Gericht abgetrennt. Dieser hat das Aktenzeichen 5 E 369/05 erhalten.
Der Kläger trägt vor, auf Grund der Art seiner Erkrankung habe bereits im Jahre
2001 eine sich auf mehrere Jahre erstreckende Dienstunfähigkeit festgestanden.
Das Staatliche Schulamt habe von ihm zu keinem Zeitpunkt die Vorlage einer
Dienstunfähigkeitsbescheinigung verlangt. In einer von ihm selbst eingereichten
Bescheinigung vom 13.11.2001 habe das Klinikum der ... Universität B-Stadt das
Ende seiner Dienstunfähigkeit mit "nicht absehbar" bezeichnet. Spätestens nach
Eingang dieser Bescheinigung sei der Beklagte verpflichtet gewesen, ihn in den
Ruhestand zu versetzen. Hierzu hätte es einer amtsärztlichen Untersuchung nicht
mehr bedurft. Wäre seine Ruhestandsversetzung noch im Jahre 2001 erfolgt, hätte
er einen Versorgungsabschlag von 3,6 % und nicht von 10,8 % hinzunehmen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des
Staatlichen Schulamtes für den Landkreis B-Stadt vom 11.04.2003 und unter
Aufhebung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 24.02.2004 zu
verpflichten, den Kläger so zu stellen, als ob er mit Wirkung vom 31.12.2001 wegen
Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden wäre.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft seine im Verwaltungsverfahren gemachten
Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte (1 Hefter
Personalakte des Klägers) Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
Ihr mangelt es an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Vorverfahrens nach
§ 126 Abs. 3 BRRG. Das nunmehr vom Kläger verfolgte Begehren, so gestellt zu
werden, als ob er mit Wirkung vom 31.12.2001 wegen Dienstunfähigkeit in den
Ruhestand versetzt worden wäre, ist auf Schadensersatz gerichtet. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 28.06.2001 - 2 C
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Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 28.06.2001 - 2 C
48.00 -, IÖD 2002, 4) zwingt die sich aus § 126 Abs. 3 BRRG für alle Klagearten
ohne Ausnahme ergebende Notwendigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens
den Beamten vor Klageerhebung zur Konkretisierung eines gegen seinen
Dienstherrn in Anspruch genommenen Schadensersatzes. Nur diese gebe dem
Dienstherrn Gelegenheit zu verwaltungsinterner Prüfung und zu dem Versuch,
entweder durch Abhilfe oder durch nähere Begründung seines Standpunktes einen
Rechtsstreit zu vermeiden. Dazu bedürfe es aber keines dem Widerspruch
vorausgehenden spezialisierten Antrags an den Dienstherrn. Vielmehr ergäben
sich daraus die Darlegungsanforderungen, die ein Widerspruch erfüllen müsse, um
dem Zweck des in § 126 Abs. 2 BRRG angeordneten Vorverfahrens zu genügen.
Der Rechtsbehelf müsse für den Dienstherrn erkennbar machen, wogegen er
eingelegt und was mit ihm begehrt werde. Daran fehle es, wenn der
Widerspruchsbegründung nicht hinreichend klar zu entnehmen sei, dass (auch)
Schadensersatz gefordert werde.
Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger sein im Vorverfahren
verfolgtes Rechtsschutzziel nicht zumindest auch auf Schadensersatz gestützt.
Der Streitgegenstand eines Widerspruchsverfahrens bestimmt sich maßgeblich
nach dem im Widerspruch formulierten Antrag und der Widerspruchsbegründung.
In seinem Widerspruchsschreiben vom 09.01.2004 hat der bereits seinerzeit
anwaltlich vertretene Kläger ausdrücklich beantragt, ihn rückwirkend mit Wirkung
zum 31.12.2001 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen. Wie der
Bevollmächtigte des Klägers in der Widerspruchsbegründung angedeutet und in
seinen späteren Schriftsätzen im Klageverfahren eindeutig zum Ausdruck
gebracht hat, hat er mit diesem Antrag einen (Erfüllungs-)Anspruch auf
rückwirkende Ruhestandsversetzung verfolgt. Die im Widerspruchsschreiben vom
09.01.2004 formulierte Antragsstellung beruht auf der Auffassung, die
Dienstbehörde könne unter entsprechender Aufhebung eines
Ruhestandsversetzungsbescheides verpflichtet werden, einen rückwirkenden
Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung zu bestimmen, wenn sie den
Mitteilungszeitpunkt "fehlerhaft gewählt" habe. An dieser unzutreffenden
Rechtsauffassung hat der Kläger noch mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom
14.02.2005 festgehalten und sie erst nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in
der mündlichen Verhandlung aufgegeben. Hätte der Kläger bereits im
Widerspruchsverfahren (auch) einen Schadensersatzanspruch geltend machen
wollen, hätte er - gegebenenfalls hilfsweise - beantragen müssen, so gestellt zu
werden, als ob er mit Wirkung zum 31.12.2001 wegen Dienstunfähigkeit in den
Ruhestand versetzt worden wäre. Einen solchen (Hilfs-)Antrag hat der Kläger
jedoch erstmals mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14.02.2005 als
Reaktion auf die gerichtliche Verfügung vom 09.02.2005 formuliert.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht die in der Widerspruchsbegründung
getroffene Feststellung, der Beklagte habe seiner aus § 92 HBG folgenden
Belehrungspflicht nicht Genüge getan. Auch mit dieser Argumentation hat der
Kläger ein Schadensersatzbegehren nicht hinreichend deutlich gemacht. Vielmehr
hat er damit erkennbar seinen Rechtsstandpunkt untermauert, der fehlerhaft
bestimmte Zeitpunkt der Mitteilung seiner Ruhestandsversetzung führe zu einem
(Erfüllungs-)Anspruch auf rückwirkende Ruhestandsversetzung. Schließlich hat
auch das Staatliche Schulamt in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom
24.02.2004 einen Schadensersatzanspruch nicht geprüft. Wie die Vertreterin des
Beklagten in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erklärt hat, ist sie im
Widerspruchsbescheid lediglich auf die Argumentation des Klägers eingegangen.
Insoweit wird auch in dem Widerspruchsbescheid an keiner Stelle von einem
Schadensersatzbegehren gesprochen, und es werden folgerichtig auch die
Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nichts im Einzelnen behandelt.
Unabhängig von dieser rechtlichen Bewertung kann der Kläger mit seinem
Rechtsschutzbegehren auch inhaltlich nicht durchdringen.
Ihm steht der geltend gemachte Anspruch, so gestellt zu werden, als ob er mit
Wirkung vom 31.12.2001 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt
worden wäre, nicht zu. Als von den Verwaltungsgerichten zu prüfende
Anspruchsgrundlage kommt insoweit allein der so genannte beamtenrechtliche
Schadensersatzanspruch (vgl. hierzu Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis,
5. Auflage, Rdnrn. 410 ff. m. w. N.) in Betracht. Dieser Anspruch setzt eine
Pflichtverletzung eines für den Dienstherrn handelnden Amtswalters voraus, die
dieser schuldhaft begangen und die adäquat kausal zu einem Schaden des
Beamten geführt hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
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Nach dem Vorbringen der Beteiligten und unter Berücksichtigung des Akteninhalts
lässt sich eine Pflichtverletzung des Beklagten gegenüber dem Kläger nicht
feststellen. Entgegen der Auffassung des Klägers war seine Ruhestandsversetzung
mit Wirkung vom 31.12.2001 nicht zwingend geboten.
Nach § 51 Abs. 1 HBG ist der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu
versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus
gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig
(dienstunfähig) ist. Für die Beurteilung der Dienstfähigkeit ist nicht allein auf die
Person des Beamten abzustellen, sondern vielmehr sind die Auswirkungen der
körperlichen Gebrechen usw. des Beamten auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem
konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die
Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend. Es kommt nicht allein und
ausschlaggebend - jedenfalls nicht in allen Fällen - auf die Art und das Ausmaß der
einzelnen körperlichen Gebrechen usw., den objektiven ärztlichen Befund und
dessen medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der
Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten
dauernd unfähig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.10.1997 - 2 C 7.97 -, DVBl. 1998, 201).
Gemessen daran stand bis zum Dezember 2001 die Dienstunfähigkeit des Klägers
(noch) nicht fest.
Bis zu diesem Zeitpunkt war es aufgrund der seit dem 29.01.2001 bestehenden
krankheitsbedingten Abwesenheit des Klägers noch nicht zu belegbaren negativen
Auswirkungen auf den Dienstbetrieb gekommen. Wie der Beklagte mit Schriftsatz
vom 06.08.2004 nachvollziehbar ausgeführt hat, hat das Staatliche Schulamt in
der Zeit vor September 2002 die Störung des Dienstbetriebes durch das Fehlen
des Klägers und die dadurch entstehende Notwendigkeit, Vertretungslehrkräfte
einzusetzen und zu bezahlen in Anbetracht der angenommenen Heilungschancen
für noch nicht unzumutbar gehalten. Dem Staatlichen Schulamt lag bis Ende 2001
auch keine medizinische Stellungnahme vor, die eindeutig und unmissverständlich
eine dauernde Dienstunfähigkeit des Klägers festgestellt hätte. Auch wenn dem
Staatlichen Schulamt, wie der Kläger vorträgt, bereits im Februar 2001 die
Diagnose "akute lymphatische Leukämie" bekannt gewesen sein sollte, waren von
seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als medizinischen Laien keine konkreten -
schon gar nicht den Einzelfall des Klägers betreffenden - Kenntnisse über
Therapiemöglichkeiten sowie den "normalen" Behandlungszeitraum sowie einen
durch Komplikationen hervorgerufenen verlängerten Behandlungszeitraum zu
erwarten.
Der Beklagte war auch nicht gehalten, sich auf die Beweiserleichterung des § 51
Abs. 1 Satz 2 HBG zu berufen. Nach dieser Vorschrift kann der Beamte auch dann
als dienstunfähig angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung innerhalb eines
Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und
keine Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll
dienstfähig wird. Selbst wenn der Beklagte im Dezember 2001 auch ohne eine
ärztliche Beurteilung die Prognose hätte treffen können, der Kläger werde
innerhalb weiterer sechs Monate voraussichtlich nicht wieder voll dienstfähig
werden, war er nicht verpflichtet, von der Beweiserleichterung des § 51 Abs. 1 Satz
2 HBG Gebrauch zu machen. Vielmehr stand diese Entscheidung in seinem
pflichtgemäßen Ermessen (vgl. von Roetteken/Rothländer, Hessisches
Bedienstetenrecht, § 51 HBG m. w. N.). Von der Ermessensermächtigung ist es
gedeckt, wenn der Dienstherr eine Entscheidung über eine Ruhestandsversetzung
wegen Dienstunfähigkeit zurückstellt, um sich über die Dauerhaftigkeit des
Mangels der Dienstfähigkeit mehr Gewissheit zu verschaffen oder das Ergebnis
einer bestimmten langwierigen Therapie abzuwarten. Solche Erwägungen erweisen
sich insbesondere als sachgerecht, wenn Art und Umfang der Beeinträchtigungen
des Dienstbetriebes im konkreten Fall nicht oder noch nicht eine baldige
Neubesetzung der Stelle unbedingt erforderlich machen. Unter Berücksichtigung
dieser Gesichtspunkte ist die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung
nicht zu beanstanden.
Wie der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 24.02.2004 hervorgehoben hat,
hat die Behörde dem Interesse des Klägers an einer Rückkehr in den Schuldienst
gegenüber den durch seine krankheitsbedingte Abwesenheit verursachten
Störungen des Dienstbetriebes insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung einer
Beeinträchtigung der Heilungschancen Vorrang eingeräumt. Sie hat hierbei auf die
in mehreren Telefonaten mit der Sachbearbeiterin des Staatlichen Schulamtes
geäußerte Bitte des Schulleiters Rücksicht genommen, im Interesse des Klägers
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geäußerte Bitte des Schulleiters Rücksicht genommen, im Interesse des Klägers
mit der amtsärztlichen Untersuchung zu warten, um den Erfolg der eingeleiteten
Therapie nicht zu gefährden. Der Schulleiter habe in diesen Telefongesprächen
mitgeteilt, der Kläger habe ihm gegenüber immer wieder erklärt, er freue sich
darauf, wenn er wieder unterrichten könne. Ferner habe er in Abständen immer
wieder darum gebeten, im nächsten Halbjahr wieder teilweise im Unterricht
eingesetzt zu werden. Wenn das Staatliche Schulamt aufgrund dieses
Sachverhalts, den der Kläger nicht bestritten hat, sich in seinem wohlverstandenen
Interesse nicht der Beweiserleichterung des § 51 Abs. 1 Satz 2 HBG bedient hat,
begegnet dies keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Hinsichtlich der vom Kläger gerügten unterbliebenen Belehrung über die
versorgungsrechtlichen Auswirkungen des Zeitpunkts seiner
Ruhestandsversetzung ist ebenfalls eine Pflichtverletzung als erste Voraussetzung
eines Schadensersatzanspruches zu verneinen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 30.01.1997
- 2 C 10.96 -, BVerwGE 104, 55) obliegt dem Dienstherrn keine aus der
beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht abzuleitende allgemeine Pflicht zur Belehrung
über alle für den Beamten einschlägigen Rechtsvorschriften. Informiert er insoweit
seine Beamten, muss die Belehrung vollständig und zutreffend ausfallen (vgl. VGH
Baden-Württemberg, Urt. v. 13.03.1984 - 4 S 2227/82 -, ZBR 1986, 21). Daran hat
sich der Beklagte gehalten.
Ausweislich der mit Schriftsatz des Klägers vom 14.02.2005 vorgelegten
Rundverfügung vom 16.03.1999 hat das Staatliche Schulamt detailliert und
einprägsam über die Rechtsfolgen vorzeitiger Ruhestandsversetzungen wegen
Dienstunfähigkeit infolge des "Versorgungsreform-Änderungsgesetzes vom
21.12.1998" informiert und hierbei insbesondere auf die Übergangsregelungen
hingewiesen, die für Ruhestandsversetzungen nach dem 31.12.2000, jedoch vor
dem 01.01.2002 (also spätestens im Laufe des Jahres 2001) einen
Versorgungsabschlag von höchstens 3,6 %, für Ruhestandsversetzungen vor dem
01.01.2003 (also spätestens im Laufe des Jahres 2002) einen
Versorgungsabschlag von höchstens 7,2 % und für nachfolgende
Ruhestandsversetzungen einen Versorgungsabschlag von höchstens 10,8 %
vorsahen. Diese Rundverfügung war an alle Schulen im Aufsichtsbereich
adressiert. Der Kläger, der zum damaligen Zeitpunkt seine Lehrtätigkeit noch
ausgeübt hat, hat nicht substantiiert vorgetragen, von dieser Rundverfügung keine
Kenntnis erlangt zu haben.
Fehlt es an einer Pflichtverletzung des Beklagten, kann dahinstehen, ob im Falle
einer Pflichtverletzung ein Verschulden eines für den Beklagten handelnden
Amtswalters anzunehmen wäre und ob dem Kläger ein Mitverschulden nach § 254
Abs. 1 BGB angelastet werden könnte, weil er selbst keinen Antrag auf Versetzung
in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit gestellt hat. Ebenso wenig bedarf es
einer Klärung, ob zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung überhaupt ein
Schaden des Klägers eingetreten ist. Daran bestehen allerdings erhebliche
Zweifel, weil der Kläger bei einer angenommenen Ruhestandsversetzung zum
31.12.2001 dem Beklagten die Differenz zwischen den ihm zustehenden
Versorgungsbezügen und den tatsächlich bis einschließlich April 2003 erhaltenen
Dienstbezügen erstatten müsste und bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge
eine kürzere ruhegehaltfähige Dienstzeit, andererseits aber auch eine längere
Zurechnungszeit nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zu berücksichtigen wäre.
Als unterliegender Teil hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1
VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt nicht in
Betracht, da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.