Urteil des VG Gießen vom 15.12.2010

VG Gießen: aufschiebende wirkung, verfügung, öffentliches interesse, vollziehung, bestimmtheit, verwaltungsakt, gaststätte, stadt, gesellschafter, gerichtsakte

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Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 L 5691/10.GI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 37 Abs 1 VwVfG HE
Musikveranstaltung in einer Gaststätte
Leitsatz
Eine gaststättenrechtliche Verfügung, durch die eine Musikveranstaltung untersagt
werden soll, ist mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig, wenn ein
Konzessionsinhaber über zwei gaststättenrechtliche Erlaubnisse verfügt und aus dem
Untersagungsbescheid nicht hervorgeht, welche der beiden Gaststätten von der
Verfügung betroffen ist.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die
Verfügung der Antragsgegnerin vom 25.11.2010 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Streitwert wird auf 1.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sowohl
er als auch sein Mitgesellschafter verfügen über zwei gaststättenrechtliche
Erlaubnisse. Die eine Erlaubnis betrifft die Schank- und Speisewirtschaft „E“, die
andere Erlaubnis die Schank- und Speisewirtschaft „F“, jeweils im Gebiet der
Antragsgegnerin, der Stadt A-Stadt.
Mit Verfügung vom 25.11.2010, die an den Antragsteller gerichtet war, untersagte
die Antragsgegnerin die Durchführung geplanter Musikdarbietungen am
27.11.2010 sowie am 24.12.2010. Begründet wurde dies damit, entsprechend der
genehmigten Betriebsart - Schank- und Speisewirtschaft - dürften pro Jahr nur 12
Musikdarbietungen veranstaltet werden. Diese maximale Anzahl habe der
Antragsteller bereits ausgeschöpft. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet.
Dies wurde damit begründet, bei Abwägung des privaten Interesses des
Antragstellers an der Durchführung weiterer Musikveranstaltungen gegenüber
dem öffentlichen Interesse an der Beachtung der Rechtsordnung in Gestalt der
vorgegebenen Maximalanzahl an Veranstaltungen überwiege das öffentliche
Interesse.
Unter dem 30.11.2010 legte der Antragsteller über seine Bevollmächtigten
Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, es sei unzutreffend, dass er, der
Antragsteller, bereits 12 Musikdarbietungen im Jahr 2010 veranstaltet habe.
Am 02.12.2010 hat der Antragsteller um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
nachgesucht. Er trägt vor, die angegriffene Untersagungsverfügung sei
offensichtlich rechtswidrig. Es fehle bereits an einer hinreichenden Bestimmtheit
des Bescheides. Aus der Begründung gehe nicht hervor, welche Gaststätte von
der Verfügung betroffen sein solle. Die Verfügung richte sich auch nicht gegen die
Betreiber und Konzessionsinhaber der Gaststätten, den Antragsteller sowie Herrn
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Betreiber und Konzessionsinhaber der Gaststätten, den Antragsteller sowie Herrn
G. als Mitgesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern
ausschließlich gegen den Antragsteller. Er, der Antragsteller, habe im Jahr 2010
auch nicht bereits 12 Musikveranstaltungen durchgeführt.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der
Antragsgegnerin vom 25.11.2010 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, bei einer Schank- und Speisegaststätte wie im vorliegenden
Fall seien jährlich nicht mehr als 12 Tanzveranstaltungen durch die Erlaubnis
gedeckt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Behördenakten (1 Ordner, 2 Hefter)
Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Der zulässige Antrag ist auch begründet.
Die von der Antragsgegnerin getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit
ist rechtlich zu beanstanden. Nach der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen
summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage überwiegen die Interessen des
Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen
Vollziehbarkeit der angefochtenen Verfügung vom 25.11.2010. Dieser Bescheid ist
offensichtlich rechtswidrig.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines
Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf
Antrag eines Betroffen ganz oder teilweise wiederherstellen. Ein solcher Antrag ist
begründet, wenn das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des
Verwaltungsaktes gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, die
Vollziehung bis zur Entscheidung über seinen Rechtsbehelf hinauszuschieben,
nicht überwiegt. Dies ist dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich
rechtswidrig ist. Denn an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen
Verwaltungsaktes kann kein vorrangiges öffentliches Interesse bestehen.
So liegt der Fall hier. Der Bescheid vom 25.11.2010 ist nicht hinreichend bestimmt.
Nach § 37 Abs. 1 HVwVG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt
sein. Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts bedeutet, dass der Inhalt
der getroffenen Regelung, der Tenor des Bescheides im Zusammenhang mit den
Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren
Umständen, für die Beteiligten, insbesondere für den Adressaten, so vollständig,
klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass diese ihr Verhalten danach
richten können. Dies bedeutet, dass auch die mit dem Vollzug betrauten oder
sonst mit der Angelegenheit befassten Behörden und deren Organe den Inhalt
etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen
zugrunde legen können (vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., 2008, § 37 Rdnr.
5). An einer hinreichenden Bestimmtheit fehlt es vorliegend, da aus dem Bescheid
nicht hervorgeht, welche der beiden Gaststätten von der Verfügung betroffen sein
soll.
Lediglich ergänzend - und ohne dass es vorliegend darauf ankommt - weist das
Gericht jedoch darauf hin, dass nach § 10 Hessisches Feiertagsgesetz an
Heiligabend öffentliche Tanzveranstaltungen verboten sein dürften, soweit sie nach
17.00 Uhr stattfinden. Die Antragsgegnerin dürfte daher bereits aus diesem Grund
berechtigt sein, gegen eine an Heiligabend geplante Tanzveranstaltung
ordnungsrechtlich vorzugehen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen, da sie unterlegen
ist (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in den §§ 52, 53 GKG. Das Gericht
geht hierbei von einem geschätzten Gewinn anlässlich der Veranstaltung an
Heiligabend in Höhe von 1.000,-- EUR aus. Im Hinblick auf die erstrebte
Heiligabend in Höhe von 1.000,-- EUR aus. Im Hinblick auf die erstrebte
Vorwegnahme der Hauptsache in diesem Verfahren wird von einer Reduzierung
des geschätzten Wertes von 1.000,-- EUR abgesehen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.