Urteil des VG Gießen vom 16.04.2002

VG Gießen: genehmigung, aufschiebende wirkung, überwiegendes interesse, bad, verwaltungsakt, kellner, rechtsschutz, quelle, begriff, rechtsgrundlage

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Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 G 493/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 5 BImSchG, § 6 Abs 1 Nr 1
BImSchG, § 35 Abs 1 Nr 6
BauGB, § 35 Abs 3 S 3 BauGB
Windenergiepark; Lärmimmissionen; optisch bedrängende
Wirkung
Gründe
Der am 21.02.2002 bei Gericht eingegangene sinngemäß gestellte Antrag der
Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen
erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 14.12.2001
wiederherzustellen (Bl. 3 d. GA.) und den Antragsgegner zu veranlassen, einen
Baustopp zur Sicherung der Rechte der Antragsteller zu erlassen (Bl. 90 d. GA.),
ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Die von dem Antragsgegner
getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 07.02.2002 für das Errichten und
Betreiben von fünf Windkraftanlagen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Deshalb
kann der Antragsgegner auch nicht zur Anordnung eines gegenüber der
Beigeladenen auszusprechenden Bauverbots verpflichtet werden.
Bei einem begünstigenden Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung, wie
vorliegend, richtet sich der vorläufige Rechtsschutz nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80
Abs. 5 VwGO. Hiernach kann das Gericht die aufschiebende Wirkung des
Rechtsbehelfs gegen einen von der Behörde für sofort vollziehbar erklärten
Verwaltungsakt auf Antrag des Drittbetroffenen ganz oder teilweise
wiederherstellen. Einem solchen Antrag eines Dritten auf vorläufigen Rechtsschutz
ist stattzugeben, wenn der angefochtene Verwaltungsakt - hier die der
Beigeladenen am 14.12.2001 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung -
offensichtlich die Rechte des Dritten verletzt. Denn in diesem Fall kann ein
überwiegendes Interesse des Genehmigungsinhabers oder der Öffentlichkeit an
einer sofortigen Ausnutzung der Genehmigung nicht bestehen. Umgekehrt ist der
Antrag des Dritten abzulehnen, wenn die Genehmigung ihn offensichtlich nicht in
eigenen Rechten verletzt. Ein Abwehrrecht des Dritten gegen die erteilte
Genehmigung besteht nur, wenn das genehmigte Vorhaben gegen Vorschriften
des öffentlichen Rechts verstößt und die verletzten Vorschriften auch zum Schutze
des Dritten zu dienen bestimmt, also nachbarschützend sind.
Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens über den Rechtsbehelf des Dritten
offen, hat das Gericht eine Abwägung der betroffenen privaten und öffentlichen
Interessen vorzunehmen, die für oder gegen eine sofortige Ausnutzung der
Genehmigung sprechen. Bei dieser Abwägung sind das Gewicht der
Beteiligteninteressen und das konkrete Ausmaß der Betroffenheit zu
berücksichtigen.
Formellrechtlich ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung, die der
Antragsgegner mittels gesonderten Bescheides vom 07.02.2002 vorgenommen
hat, ordnungsgemäß ergangen. Insbesondere wurde das besondere Interesse an
dem Sofortvollzug der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach Maßgabe
des § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend begründet.
Den Antragstellern stehen auch in materiellrechtlicher Hinsicht Abwehrrechte nicht
zur Seite. Sie werden durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht in
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zur Seite. Sie werden durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht in
ihren Rechten verletzt. Bei der im Rahmen des Eilverfahrens allein möglichen
summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rufen die Windenergieanlagen
keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Immissionsschutz- bzw.
Baurechts hervor.
Rechtsgrundlage der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist § 6 Abs. 1 Nr.
1 i.V.m. § 5 BImSchG. Nach diesen Vorschriften ist die - hier nach den §§ 4, 19
BImSchG i.V.m. Nr. 1.6 Sp. 2 der 4. BImSchVO erforderliche - Genehmigung zu
erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden
Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange
des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht
entgegenstehen. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige
Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen
und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die
Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Dieser
Vorschrift eignet eine drittschützende Wirkung (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 30.09.1983 -
4 C 55.80 -, Buchholz 406.19, Nr. 59; VGH Bad.-Württ., VBlBW 2000, 78, 80; Jarass,
BImSchG, 3. Aufl. 1999, Rdnr. 20 zu § 5 m.w.N.), so dass die Antragsteller in ihren
Rechten verletzt wären, beachtete die Genehmigung die Anforderungen dieser
Norm nicht hinreichend. Erhebliche Beeinträchtigungen sind für die Antragsteller
aber nicht zu erwarten. Die von ihnen geltend gemachten Immissionen bewirken
keine unzumutbaren Beeinträchtigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG.
Für die Bestimmung schädlicher Umwelteinwirkungen in Gestalt erheblicher
Belästigungen durch Anlagenlärm gilt allgemein der Maßstab der Zumutbarkeit.
Soweit von einer Anlage Immissionen ausgehen, bestimmt sich die Grenze
dessen, was dem Immissionsbetroffenen zumutbar ist, nach der durch die
Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse vorgegebenen Schutzwürdigkeit und
Schutzbedürftigkeit des betroffenen Grundstücks, wobei wertende Elemente wie
die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz
mitbestimmend sind (vgl. z. B. BVerwGE 90, 163, 165/166; 79, 254, 260).
Für die hier vorzunehmende Beurteilung, ob die Lärmeinwirkungen der
Windenergieanlagen die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten, ist die TA-Lärm
vom 26.08.1998 (GMBl. S. 503) als Maßstab zugrunde zu legen. Zwar ist die nach
§ 48 BImSchG erlassene TA-Lärm 1998 keine Rechtsnorm, sondern eine
Verwaltungsvorschrift, die zunächst nur die Verwaltung beim Vollzug des
Bundesimmissionsschutzgesetzes bindet. Aus dem Fehlen einer normativen
Geltung folgt jedoch nicht, dass die TA-Lärm 1998 im Rahmen der gerichtlichen
Kontrolle bedeutungslos ist. Denn sie kann auch im gerichtlichen Verfahren
verbindlich sein - entweder als wissenschaftlich-technischen Sachverstand
verkörpernde und unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisierende so genannte
norminterpretierende Verwaltungsvorschrift (vgl. BVerwGE, 107, 338, 340) oder als
"antizipierendes Sachverständigengutachten" (vgl. dazu z. B. Hess.VGH, U. v.
15.11.1991 - 14 UE 3229/82 -, Juris; HessVGRspr. 1979, 39, 40). Auf jeden Fall
bietet sie den Gerichten als eine Orientierungshilfe Anhaltspunkte dafür, wann
Geräuschbelästigungen unzumutbar sind (vgl. z. B. Hess.VGH, U. v. 06.11.2000 - 9
N 2265/95 -, Juris = BauR 2001, 841 ; NVwZ-RR 2000, 146 m.w.N.; OVG
Meckl.-Vorp., U.v. 23.06.1998 - 3 L 209/96 -, Juris). Die beschließende Kammer hat
sich mangels normativer Vorgaben ebenfalls - und ohne sich abschließend zur
Verbindlichkeit dieser Verwaltungsvorschrift zu äußern - in solchen Fällen an den
einschlägigen technischen Regelwerken orientiert, die unter sachverständiger
Beratung der Fachöffentlichkeit erarbeitet worden sind (VG Gießen, GewArch 2001,
255, 256 r.Sp.; NVwZ-RR 2001 304, 306 l.Sp.; GewArch 1998, 350, 351 r.Sp.;1997,
491, 492 l.Sp.). Vorliegend ist die TA-Lärm 1998 anwendbar, weil sie sowohl den
Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche interpretiert als
auch alle Anlagen i.S.d. § 3 Abs. 5 BImSchG - mit Ausnahme der in Nr. 1 lit. a bis h
genannten, zu denen die Windenergieanlagen nicht gehören - erfasst. Mithin
konkretisieren die von der TA-Lärm 1998 vorgegebenen Lärmwerte in rechtlich
zulässiger Weise die Zumutbarkeitsschwelle für die vom Lärm einer
Windkraftanlage Betroffenen, weshalb die Rechtsprechung allgemein bei
Windkraftanlagen die TA-Lärm 1998 heranzieht (vgl. OVG Nordrh.-Westf., NVwZ
1999, 1360; OVG Meckl.-Vorp., NVwZ 1999, 1238, 1239; OVG Nds., NVwZ 1999,
444, 446; VG Gießen, B. v. 20.03.2001 - 1 G 262/01 -, Juris; VG Potsdam, U. v.
06.07.2000 - 5 K 1459/98 -, Juris) und bereits zuvor die TA-Lärm 1968 zugrunde
gelegt hat (vgl. z. B. OVG Nordrh.-Westf., GewArch 1997, 126 r.Sp.; OVG Nds., U.v.
28.10.1996 - 6 L 4040/94 -, Juris; B. v. 28.02.1996 - 6 M 154/96 -, S. 4, Juris ;
VG Arnsberg, B. v. 16.06.1998 - 4 L 944/98 -, S. 9, Juris ; VG Koblenz, DWW
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VG Arnsberg, B. v. 16.06.1998 - 4 L 944/98 -, S. 9, Juris ; VG Koblenz, DWW
1996, 30, 31).
Im vorliegenden Fall sieht die der Beigeladenen erteilte
immissionsschutzrechtliche Genehmigung als Nebenbestimmung für den
Immissionspunkt IP 1 (Bahnwärterhaus) einen einzuhaltenden
Lärmimmissionswert von 60/45 dB(A) tagsüber/nachts vor. Dies entspricht Nr. 6.1
lit. c der TA-Lärm 1998 und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der
Immissionspunkt IP 1 befindet sich außerhalb des Wohnorts der Antragsteller und
liegt zwischen diesem und dem Windpark ca. 230 m von R. entfernt. Die für den
Immissionspunkt IP 1 festgesetzten Lärmimmissionswerte von 60/45 dB(A)
gewährleisten, dass für den Wohnort der Antragsteller, R., ebenfalls die nach der
TA-Lärm 1998 für die Gebietskategorie Dorf-/Mischgebiet geltenden Werte von
60/45 dB(A) tagsüber/nachts unterschritten, jedenfalls aber eingehalten werden.
Der Ort R. ist hier sowohl nach dem Flächennutzungsplan als auch nach den
tatsächlichen Gegebenheiten der Bebauung als Dorf- bzw. Mischgebiet
einzustufen.
Allerdings kann eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung auch dann
rechtswidrig sein, wenn sie Immissionswerte vorgibt, die nicht einhaltbar sind (vgl.
VGH Bad.-Württ., VBlBW 1997, 384, 386 l.Sp.; VBlBW 1995, 481,482 r.Sp.). Dies ist
dann der Fall, wenn von vornherein absehbar ist, dass die festgesetzten
Immissionswerte beim Betrieb der Anlage überschritten werden (vgl. OVG Meckl.-
Vorp., U. v. 16.07.1999 - 3 M 79/99 -, Juris; vgl. auch OVG Meckl.-Vorp., U. v.
23.06.1998 - 3 L 209/96 -, Juris; VG Gießen, B. v. 20.03.2001 - 1 G 262/01 -, Juris).
Hier ist nicht erkennbar, dass die von der Genehmigung vorgegebenen
Lärmimmissionswerte am Immissionspunkt IP 1 überschritten werden und aus
diesem Grunde die Genehmigung rechtswidrig sein könnte. Die einzelnen
Windkraftanlagen weisen einen Schallleistungspegel, d. h. die für die Schallquelle
typische Kenngröße (Lw ), von jeweils 104 dB(A) bei einer
Referenzwindgeschwindigkeit von 10 m/s aus. Wie sich der in den Behördenakten
befindlichen Schallimmissionsprognose entnehmen lässt, ergibt sich für den
Immissionspunkt IP 1 rechnerisch nachvollziehbar ein Gesamtbeurteilungspegel
von 43,38 dB(A). Liegt bereits dieser Pegel unter dem in der Genehmigung
festgesetzten Nachtwert von 45 dB(A), zeigt die nachstehende kursorische
Überprüfung, dass der Lärmwert für das Dorf-/Mischgebiet des weiter entfernt
liegenden Wohnortes der Antragsteller, R., eingehalten wird. Bei der Berechnung
ist zunächst davon auszugehen, dass sich der durch die geometrische
Ausbreitung bedingte niedrigere Schalldruckpegel im Abstand s (in Metern) von
einer Quelle (L(s)) nach der Formel L (s) = Lw - 11 - 20 log s bestimmt (vgl. H.
Schmidt, Schalltechnisches Taschenbuch / Schwingungskompendium, S. 11 u. S.
702; Bohny, Borgmann, Kellner u.a., Lärmschutz in der Praxis, 1986, S. 26). Dies
ergibt für die einzelnen Anlagen, die vom Ortsrand R. 1200 m, 1060 m, 1000 m,
740 m und 680 m entfernt sind am Aufpunkt (Ortsrand R.) jeweils die Lärmwerte (L
(s)) von 31, 42 dB(A); 32,49 dB(A); 33 dB(A); 35,63 dB(A) und 41,35 dB(A). Nach
der Formel für die Addition von Schallpegeln (vgl. dazu allgemein z. B. Bank,
Basiswissen Umwelttechnik, 2. Aufl. 1994, S. 951; Schedler, Handbuch Umwelt:
Technik, Recht, 3. Aufl. 1994, S. 425; Umweltbundesamt, Lärmbekämpfung 1988,
S. 5; Bohny, Borgmann, Kellner u.a., a.a.O., S. 27) gilt dann für den Gesamtpegel:
Lges = 10 log (10
0,1·31,42
+ 10
0,1·32,49
+ 10
0,1·33
+ 10
0,1·35,62
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0,1·41,35
) = 43, 51 dB(A). Hierbei ist eine Dämpfung des Lärms durch Luft- und
Bodenabsorption, Meteorologie sowie Bewuchs unberücksichtigt geblieben. Dieser
Wert widerlegt eine Annahme, die Anlagen könnten die maßgeblichen Lärmwerte
überschreiten. Die Berechnung zeigt zugleich, dass der Tagwert von 60 dB(A) nie
ausgeschöpft wird, weil der tatsächliche Lärm während der Tag- und Nachtzeit
gleich ist. Bei höheren Windgeschwindigkeiten als 10 m/s ist im Rahmen des nur
eine summarische Prüfung zulassenden Eilverfahrens davon auszugehen, dass die
Immissionen der Anlage durch windbedingte Umgebungsgeräusche überdeckt
werden (vgl. hierzu VG Arnsberg, a.a.O., S. 10 f.). Im Übrigen hat der
Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die Anlagen über verstellbare Flügel
verfügen, die sich günstig zum Wind stellen, damit sich der Schallleistungspegel
bei höheren Windgeschwindigkeiten nicht erhöht. Auch eine Summation des
Anlagenlärms mit weiteren Geräuschquellen, wie Verkehrslärm, kommt vorliegend
nicht in Betracht, da die unterschiedlichen Wirkungen der verschiedenen
Geräuschquellen dies nicht zulassen (vgl. OVG Nds., B. v. 06.02.1996 - 6 M 154/96
-, S. 5, Juris ).
In sonstiger Hinsicht sind ebenfalls keine unzumutbaren Immissionen zu erwarten.
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In sonstiger Hinsicht sind ebenfalls keine unzumutbaren Immissionen zu erwarten.
Dies gilt namentlich für den Hinweis der Antragsteller, die Anlagen stellten eine
Beeinträchtigung des Erholungswertes ihres Grundstücks dar. Soweit die
Antragsteller damit im Ergebnis eine erdrückende bzw. eine bedrängende Wirkung
der Windenergieanlagen geltend machen, vermögen sie mit diesem Argument
ihrem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Wesentliche Beeinträchtigungen dieser
Art sind nämlich wegen der hinreichend großen Entfernung der einzelnen Anlagen
nicht zu erwarten. Zwar können solche Beeinträchtigungen durch die sich ständig
drehenden Rotoren und die Größe des Bauwerks möglich sein (vgl. Lühle, NVwZ
1998, 897, 900 l.Sp.; Mock, NVwZ 1999, 937, 938; einschränkend Tiggers ,
Berghaus, Niedersberg, NVwZ 1999, 1317, 1318 f.), weil eine derartige stete
Bewegung der Rotoren unter Umständen den Blick in unerträglicher Weise auf sich
zieht (vgl. zu dieser Annahme OVG Nordrh.-Westf., NVwZ 1999, 1360, 1361 l.Sp.;
NuR 1999, 290, 291; VG Oldenburg, B. v. 01.07.1998 - 4 B 1807/98 -, S. 6/7; U. v.
19.06.1997 - 4 A 1851/95 -, S. 11; LG Düsseldorf, DWW 1997, 188, 189 für
flatternde Fahnen). Diese Wirkungen sind aber nur dann von Bedeutung, wenn die
Anlage in relativer Nähe zur Wohnung des Betroffenen steht. Nicht zuletzt des von
einer solchen Anlage ausgehenden bedrängenden Eindrucks halber wurden in der
Rechtsprechung - unterschiedliche - Mindestabstände für notwendig erachtet (vgl.
VG Oldenburg, U. v. 19.06.1997 - 4 A 1851/95 -, S. 15, NuR 1999, 298 und VG
Arnsberg, 16.06.1998 - 4 L 944/98 -, Juris : 500 m; VG Oldenburg, B. v.
01.07.1998 - 4 B 1807/98 -, S. 6: mind. 300 m bzw. 6-fache Anlagenhöhe;
ausdrückl. wegen Lärms: OVG Meckl.-Vorp., NVwZ 1999, 1238, 1239: 300 m; OVG
Nordrh.-Westf., NuR 1999, 292: 565 m - 750 m; NVwZ 1998, 759, 760: über 500
m). Auch wenn sich die Forderung nach Mindestabständen nicht durchgesetzt hat
(vgl. Hamb. OVG, NuR 2001, 52, 53; OVG Nds., NVwZ 1999, 444, 445, m.w.N.; B. v.
15.10.1998 - 1 M 3774/98 -, S. 3; VG Gießen, B. v. 20.03.2001 - 1 G 262/01 -, Juris;
VG Potsdam, U. v. 06.07.2000 - 5 K 1459/98 -, Juris = BauR 2000, 1910 ),
kann aber zumindest bei Einhaltung solcher Mindestabstände eine bedrängende
Wirkung der Anlage nicht angenommen werden. Demgemäß hat auch das
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen eine optisch erdrückende Wirkung bei
einer Entfernung mehrerer Anlagen von über 500 m bzw. 700 m verneint (B. v.
04.11.1999 - 7 B 1339/99 -, S. 6). Nur nebenbei und im Hinblick auf die
Bezugnahme der Antragsteller auf das Landgericht Düsseldorf (a.a.O.) sei
erwähnt, dass es sich dort um flatternde Fahnen handelte, die im Übrigen in
unmittelbarer Nähe, nämlich an einem Gebäude auf der gegenüberliegenden
Straßenseite angebracht waren.
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich die nächst gelegene
Windenergieanlage in einer erheblichen Distanz von 680 m zum Wohnort der
Antragsteller befindet. Die Entfernungen der übrigen Anlagen sind noch größer,
nämlich 720 m bis 1200 m. Berücksichtigt man bei der Prüfung erheblicher
Beeinträchtigungen die gesetzgeberische Wertung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB,
wonach solche Anlagen im Außenbereich grundsätzlich privilegiert und damit
bevorrechtigt zulässig sind (vgl. VGH Bad.-Württ., VBlBW 2000, 395, 397; OVG
Meckl.-Vorp., NVwZ 1999, 1238, 1239 l.Sp.; VG Dessau, NuR 2001, 712; VG
Gießen, B. v. 20.03.2001 - 1 G 262/01 -, Juris) und beachtet man, dass im
vorliegenden Fall der entsprechende Flächennutzungsplan ausdrücklich das
betroffene Gebiet als Vorrangbereich für Windkraftanlagen vorsieht - womit
grundsätzlich eine positive Standortzuweisung für solche Anlagen im Sinne von §
35 Abs. 3 S. 3 BauGB getroffen wurde (vgl. OVG Nds., NuR 1999, 289) -, haben die
Antragsteller bei einer entsprechenden Abwägung der gegenseitigen Interessen
die Windkraftanlagen auch unter optischen Gesichtspunkten grundsätzlich als
zumutbar hinzunehmen, zumal ein Schlagschatten und ein so genannter
Discoeffekt (Lichtreflexion durch Rotorflügel) wegen der Entfernungen der Anlagen
ebenfalls nicht zu erwarten sind.
Ferner ist eine sonstige Verletzung des Eigentums der Antragsteller oder ein
Verstoß gegen das nachbarschützende baurechtliche Rücksichtnahmegebot
vorliegend nicht zu besorgen. Die Maßstäbe des Immissionsschutz- und
Baurechts, bezüglich dessen, was von den Betroffenen hinzunehmen ist, sind im
Wesentlichen identisch (VGH Bad.-Württ., VBlBW 1997, 384; NVwZ 1997, 401
r.Sp.). Zugleich nimmt das Bundesimmissionsschutzgesetz mit dem Begriff der
erheblichen Immissionen eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums vor
(BVerwGE 68, 58, 60). Daraus erhellt, dass Immissionen, die - wie hier - das nach §
5 Abs. 1 BImSchG zulässige Maß nicht überschreiten, weder einen schweren und
unerträglichen Eingriff in das Eigentum begründen noch eine Verletzung des
baurechtlichen Rücksichtnahmegebotes darstellen (BVerwGE 68, 58; BVerwG,
DVBl. 1992, 111, 113; OVG Meckl.-Vorp., U. v. 16.07.1999 - 3 M 79/99 -, Juris; U. v.
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DVBl. 1992, 111, 113; OVG Meckl.-Vorp., U. v. 16.07.1999 - 3 M 79/99 -, Juris; U. v.
23.06.1998 - 3 L 209/96 -, Juris).
Die übrigen von den Antragstellern im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren
vorgetragenen Gesichtspunkte, wie Erholungswert in einer natürlichen Umwelt,
forstliche und sonstige Belange des Natur- und Umweltrechts, vermitteln keinen
Drittschutz und können daher nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Insofern
verweist die Kammer auf den Bescheid des Antragsgegners vom 07.02.2002. Auch
die Frage der grundsätzlichen Entscheidung für oder gegen Windenergieanlagen,
die die Antragsteller in ihrem letzten Schriftsatz aufgeworfen haben, kann von der
Kammer nicht überprüft werden, weil es sich insoweit nicht um rechtliche, sondern
allein um politische Vorgaben handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3
VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, diese Kosten den Antragstellern oder dem
Antragsgegner aufzuerlegen, da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt
hat (vgl. Kopp/Schenke, 12. Aufl. 2000, Rdnr. 23 zu § 162). Die
Streitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 13, 20 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.