Urteil des VG Gelsenkirchen vom 21.12.2010

VG Gelsenkirchen (aufschiebende wirkung, antragsteller, gebäude, umgebung, anbau, wirkung, grundstück, offene bauweise, grenzabstand, interesse)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 5 L 1507/10
Datum:
21.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 L 1507/10
Normen:
BauO NRW § 6 Abs 1 S 2 lit b; BauGB § 34
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragsteller tragen die Kosten des
Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der - sinngemäß gestellte - Antrag der Antragsteller,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 5 K 3819/10 gegen die dem Beigeladenen
erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 3. August 2010 zur Errichtung eines
2,25 m tiefen Anbaus und zu dem Umbau eines Einfamilienwohnhauses auf dem
Grundstück I. Straße in F. anzuordnen,
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hat keinen Erfolg.
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Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt wie hier nach § 212 a des Baugesetzbuchs
- BauGB - in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO
- keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren
aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs.
5 Satz 1 VwGO anordnen.
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In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht
unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen,
sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das
Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt.
Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der
Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der
sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide
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Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vor-
zunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in
der Hauptsache.
Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfprogramms ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im
baurechtlichen Nachbarstreit - und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen
Rechtsschutzes - keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung
vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den
Rechtsbehelfsführer in seinen ihn schützenden subjektiven Rechten verletzt.
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Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten der Antragsteller aus.
Ihre Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich keinen Erfolg haben.
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Es liegt kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts
vor. Insbesondere ist die Einhaltung einer Abstandfläche gegenüber dem Grundstück
der Antragsteller nicht erforderlich.
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Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NRW)
sind vor Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen freizuhalten. Das genehmigte
grenzständige Vorhaben unterfällt aber der Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe b
BauO NRW. Die Einhaltung einer Abstandfläche ist daher nicht erforderlich.
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Der streitige Anbau erfüllt entgegen der Auffassung der Antragsteller die
tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe
b BauO NRW ist innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche eine Abstandfläche
nicht erforderlich gegenüber Grundstücksgrenzen, gegenüber denen nach
planungsrechtlichen Vorschriften (a) ohne Grenzabstand gebaut werden muss oder (b)
ohne Grenzabstand gebaut werden darf und gesichert ist, dass auf dem
Nachbargrundstück ebenfalls ohne Grenzabstand gebaut wird. Der streitige Anbau an
das Wohnhaus des Beigeladenen soll an der Nachbargrenze zu den Antragstellern
errichtet werden.
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Nach planungsrechtlichen Vorschriften darf vorliegend ohne Grenzabstand gebaut
werden, denn in der näheren Umgebung herrscht offene Bauweise mit Hausgruppen im
Sinne des § 22 Abs. 2 BauNVO vor. Das auf dem Grundstück des Beigeladenen
vorhandene Gebäude ist bereits jetzt zu den Nachbargrundstücken ohne Grenzabstand
errichtet. Es ist auch gesichert, dass auf dem Grundstück der Antragsteller ebenfalls
ohne Grenzabstand gebaut wird. Dies folgt schon daraus, dass das Wohnhaus der
Antragsteller - deckungsgleich mit dem derzeit vorhandenen Wohnhaus des
Beigeladenen - ebenfalls grenzständig errichtet ist. Die Voraussetzung der faktischen
Anbausicherung ist auch dann erfüllt, wenn das streitige Vorhaben nicht weitgehend
demjenigen auf dem Nachbargrundstück entspricht. Damit ist es, entgegen der
Auffassung der Antragsteller, für die Frage der Anbausicherung unerheblich, dass der
streitige Anbau mit seiner an der Grenze stehenden Außenwand auf einer Länge von 2,
25 m keine Entsprechung auf dem Grundstück der Antragsteller finden wird.
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Das streitgegenständliche Vorhaben hält sich - anders als das Vorhaben, das
Gegenstand der Verfahren gleichen Rubrums 5 K 4691/09 und 5 L 74/10 vor der
erkennenden Kammer war - innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche. Ob ein
Vorhaben nach planungsrechtlichen Vorschriften innerhalb der überbaubaren
Grundstücksfläche liegt, bestimmt sich für den hier fraglichen, nicht im Geltungsbereich
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eines Bebauungsplans liegenden, Bereich nach der in der näheren Umgebung im
Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB vorhandenen überbaubaren Grundstücksfläche im Sinne
des § 23 BauNVO.
Das BVerwG hat hierzu ausgeführt:
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Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang
bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich auch nach der "Grundstücksfläche, die
überbaut werden soll", in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. In der
Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass es insoweit auf die konkrete Größe der
Grundfläche des in Frage stehenden Vorhabens und auch auf seine räumliche Lage
innerhalb der vorhandenen Bebauung ankommt (Beschluss vom 17. September 1985 -
4 B 167.85 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 107 S. 55). Zur näheren Konkretisierung
kann auf die Begriffsbestimmungen in § 23 BauNVO zur "überbaubaren
Grundstücksfläche" [...] zurückgegriffen werden. [...]
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Berücksichtigt werden muss die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung
des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens insoweit, als die Umgebung den
bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (Urteil vom
26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <380>). Welcher räumliche Bereich
hiernach die "nähere Umgebung" im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist, lässt sich
deshalb nicht schematisch, sondern nur nach der jeweiligen tatsächlichen
städtebaulichen Situation bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene
Grundstück eingebettet ist (Beschluss vom 28. August 2003 - 4 B 74.03 - ).
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2009, - 4 B 50/08 -, ZfBR 2009, 693 = BauR 2009,
1564.
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Die nähere Umgebung des streitigen Vorhabens bezüglich des Merkmals der
überbaubaren Grundstücksfläche erstreckt sich nach den der Kammer vorliegenden
Plänen und Fotografien sowie dem Eindruck, den der Berichterstatter in einem
Ortstermin in dem Verfahren 5 L 74/10 am 24. Februar 2010 gewonnen und den er der
Kammer vermittelt hat, entlang der Straßenrandbebauung entlang der I. Straße von
Haus Nr. bis zu Haus Nr. . Diese - auch ursprünglich gemeinsam geplanten und
genehmigten - drei Hausgruppen mit je vier Häusern erwecken den Eindruck einer
zusammengehörenden, einheitlichen Bebauung und prägen sich wechselseitig. Die
genannten Gebäude und ihre Anbauten sind von dem zukünftigen Standort des
streitigen Anbaus optisch wahrnehmbar. Auf eine im Sommer gegebene
Sichtbehinderung durch - baurechtlich irrelevanten - Bewuchs auf den
zwischenliegenden Grundstücken kommt es, entgegen der Auffassung der Antragsteller,
nicht an. An dieser einheitlichen Bebauung der drei Hausgruppen nehmen allerdings
die Gebäude I. Straße und nicht mehr teil. Sie sind darüber hinaus auch zur Straße B.
hin orientiert. Das Gleiche gilt für die Gebäude B. Nr. 34 und Nr. 36, so dass diese vier
Gebäude keine Berücksichtigung finden können.
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Zur Bestimmung der in der so bestimmten näheren Umgebung prägend vorhandenen
überbaubaren Grundstücksfläche kann nicht auf die Bebauungstiefe im Sinne des § 23
Abs. 4 BauNVO zurückgegriffen werden, da die drei genannten Hausgruppen bezogen
auf die Straßenbegrenzung der I. Straße als Erschließungsstraße - auf die unmittelbar
vor den Gebäuden verlaufende schmale Wegefläche, die jeweils zu den
Hausgrundstücken gehört, ist nicht abzustellen - leicht halbkreisförmig angeordnet sind
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und sich bei Berücksichtigung der Bebauungstiefe Resultate ergeben würden, die nicht
der vorhandenen Gebäudeanordnung entsprächen. Denn die in der mittleren
Hausgruppe liegenden Gebäude dürften dann weniger tief in den hinteren
Grundstücksbereich erweitert werden, als die Gebäude der äußeren Hausgruppen.
Vielmehr bildete zunächst der südliche Abschluss der zweigeschossigen
Hauptgebäude der drei Hausgruppen eine faktische hintere Baugrenze. Diese faktische
hintere Baugrenze oder gar Baulinie im Sinne des § 23 Abs. 2 und Abs. 3 BauNVO wird
jedoch im Hinblick auf die prägenden Anbauten an die Gebäude I. Straße Nr. und Nr.
durchbrochen und damit entsprechend weiter nach Süden verschoben. Die dort
vorhandenen Anbauten mit Hauptnutzungen sind zu berücksichtigen, denn sie sind
tatsächlich wahrnehmbar vorhanden. Der Anbau an das Gebäude Nr. ist in einer Tiefe
von 2,00 m genehmigt und entsprechend ausgeführt worden. Für den Anbau an das
Gebäude Nr. fehlt es zwar an der baurechtlichen Genehmigung, da lediglich ein 2,11 m
tiefer Anbau genehmigt wurde. Nach den Feststellungen des Beklagten in der Örtlichkeit
ist der Anbau aber in einer Tiefe von 2,25 m tatsächlich errichtet worden. Insofern stellt
sich die Sachlage anders dar, als noch in dem Beschluss der Kammer vom 2. März
2010 in dem Verfahren 5 L 74/10; seinerzeit ging die Kammer nach Aktenlage von einer
geringeren, nämlich der genehmigten, Bautiefe aus. Es besteht jedoch jedenfalls in
diesem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kein Anlass, an der
Richtigkeit der durch den Antragsgegner festgestellten tatsächlichen Bautiefe des
Anbaus von 2,25 m zu zweifeln.
Jedoch hat der Antragsgegner im Hinblick auf den nach Aktenlage ihm seit spätestens
1990 bekannten Anbau nicht nur keine ordnungsbehördlichen Maßnahmen ergriffen,
sondern in seinem Schriftsatz vom 21. Oktober 2010 in dem Hauptsacheverfahren 5 K
3819/10 ausdrücklich klargestellt, dass er nicht beabsichtigt, gegen den Anbau
ordnungsbehördlich vorzugehen. Deshalb sind beide Anbauten als tatsächlich
vorhandene bauliche Anlagen berücksichtigungsfähig.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 1998 - 4 B 29.98 -, ZfBR 1999, 229 und
Urteil vom 6. November 1968 - 4 C 31.66 -, BVerwGE 31, Nr. 5 (S. 26).
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Das streitgegenständliche Vorhaben überschreitet mit seiner Tiefe von 2,25 m den so
vorgegebenen Rahmen der überbaubaren Grundstücksfläche in der näheren
Umgebung nicht, sondern hält sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens.
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Das streitgegenständliche Vorhaben verstößt auch nicht gegen nachbarschützende
Vorschriften des Bauplanungsrechts. Ein hier allein in Betracht kommender Verstoß
gegen das Gebot der Rücksichtnahme durch das Vorhaben des Beigeladenen ist nicht
erkennbar.
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Das Gebot der Rücksichtnahme will angesichts der gegenseitigen Verflechtung der
baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen
planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was
von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem
Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. In
diesem Sinne vermittelt es Nachbarschutz, wenn und soweit andernfalls durch die
Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens in schutzwürdige Belange eines Dritten
"rücksichtslos" eingegriffen würde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im
Einzelfall festzustellen, wobei dessen konkrete Umstände zu würdigen, insbesondere
die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des
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Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind.
Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und
schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen
Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben
verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und
unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122 = BRS 32
Nr. 155 und 27. August 1998 - 4 C 5.98 -, UPR 1999, 68 = NuR 2000, 87, Beschluss
vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, DVBl 1999, 786 = NVwZ 1999, 879 = DÖV 1999,
558 und zum vergleichbaren Rücksichtnahmegebot aus § 35 Abs. 3 BauGB: BVerwG,
Urteil vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 -, NVwZ 1994, 686 = UPR 1994, 148 = BauR
1994, 354.
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Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot
nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer
Unzumutbarkeit.
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Ein derartig qualifizierter Verstoß ist nicht feststellbar. Soweit Belange betroffen sind, die
dem Schutzzweck der Abstandflächenbestimmungen unterfallen (Belichtung, Belüftung,
Brandschutz, Sozialfrieden), ist regelmäßig auch das planungsrechtliche Gebot der
Rücksichtnahme aus tatsächlichen Gründen nicht verletzt, wenn die
bauordnungsrechtlich zu wahrenden Abstandflächen eingehalten sind und es nicht auf
Grund der Novellierung des § 6 BauO NRW durch das 2. Gesetz zur Änderung der
Landesbauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Dezember 2006
(GV.NRW. S. 614) zu einer nachhaltigen Verkürzung der einzuhaltenden
Abstandflächen gekommen ist.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, DVBl 1999, 786 = NVwZ
1999, 879; OVG NRW, Beschluss vom 09. Februar 2009, - 10 B 1713/08 -, BauR 2009,
775 = NVwZ-RR 2009, 459.
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Die Verkürzung der einzuhaltenden Abstandflächen in bestimmten Fällen, namentlich
durch die Ausweitung der Anwendbarkeit des Schmalseitenprivilegs, seit der oben
angesprochenen Novellierung des § 6 BauO NRW spielt vorliegend keine Rolle. Damit
ist die Einhaltung der Abstandflächen vorliegend für die Prüfung einer möglichen
Rücksichtslosigkeit aussagekräftig. Denn durch § 6 BauO NRW hat der Gesetzgeber
grundsätzlich festgelegt, welches Maß an Rücksichtnahme der Bauherr seinem
Nachbarn unter den erwähnten Gesichtspunkten schuldet. Dass ein auf dem
Nachbargrundstück unter Einhaltung der Abstandflächen errichtetes Vorhaben dem
eigenen Grundstück Licht, Sonne und Luft nimmt sowie Einblicke in den eigenen Wohn-
und Lebensbereich gestattet, begründet allein noch keine Rücksichtslosigkeit. Insoweit
muss sich der Nachbar mit dem Abstand begnügen, den die landesrechtlichen
Abstandflächenvorschriften gewährleisten und im Übrigen selbst für eine seinen
Vorstellungen entsprechende Abschirmung sorgen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -.
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Es müssen also vielmehr außergewöhnliche Umstände hinzutreten, um eine
planungsrechtliche Rücksichtslosigkeit des Vorhabens annehmen zu können. Solche
Umstände sind hier nicht ersichtlich.
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Insbesondere sind Anhaltspunkte für eine zur Rücksichtslosigkeit führende erdrückende
Wirkung des streitgegenständlichen Baukörpers nicht erkennbar. Ob einem Baukörper
eine solche Wirkung zukommt, ist danach zu beurteilen, welche optischen
Auswirkungen er auf das Nachbargrundstück in dessen schützenswerten Bereichen hat.
Ein Vorhaben hat erdrückende Wirkung, wenn ein durch seine Ausmaße (Breite
und/oder Höhe) und Gestaltung als außergewöhnlich zu qualifizierender Baukörper den
Bewohnern eines Nachbargrundstückes den Eindruck des Eingemauertseins vermittelt.
Eine solche erdrückende bzw. erschlagende Wirkung vermag die Kammer entgegen der
Einschätzung der Antragsteller auch unter Berücksichtigung der Höhe des
streitgegenständlichen Vorhabens nicht zu erkennen. Durch das genehmigte Vorhaben
des Beigeladenen wird das Grundstück der Antragsteller ersichtlich nicht in einem nicht
mehr hinzunehmenden Umfang durch Bauwerke so eingegrenzt, dass der Eindruck
eines "Eingemauertseins" oder eine "Gefängnishofatmosphäre" entstehen könnte.
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Soweit die Antragsteller eine Wertminderung ihres Grundstücks als Folge der Errichtung
des von dem Beigeladenen geplanten Bauvorhabens befürchten, bildet eine solche
Wertminderung keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinne des
Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht. Einen allgemeinen Rechtssatz des
Inhalts, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung
seines Grundeigentums bewahrt zu werden, gibt es nicht.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. November 1997 - 4 B 195.97 -, ZfBR 1998, 166 =
Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 189.
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Ob sich das Vorhaben im Übrigen in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, ist
nicht relevant, da auch für den Fall eines - allerdings für die Kammer nicht erkennbaren -
fehlenden Einfügens Nachbarrechte nicht verletzt sind. Sonstige
nachbarrechtsrelevante Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften sind nicht
ersichtlich.
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Woraus sich im Hinblick auf die von den Antragstellern angesprochene Wasserleitung
eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte ergeben soll, ist für die Kammer nicht
erkennbar.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit
im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für
erstattungsfähig zu erklären, da dieser einen eigenen Antrag gestellt und sich somit dem
Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt und darüber hinaus in der Sache
obsiegt hat.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes und orientiert sich an dem Interesse der Antragsteller an der
aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen des bei sogenannten
Nachbarstreitigkeiten regelmäßig in Ansatz zu bringenden Rahmens von 1.500,00 EUR
bis 15.000,00 EUR und unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters dieses
Verfahrens.
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