Urteil des VG Gelsenkirchen vom 30.12.2010

VG Gelsenkirchen (auf probe, aufschiebende wirkung, antragsteller, entziehung, verwaltungsgericht, antrag, entziehen, verfügung, bewertung, ermessen)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 1468/10
Datum:
30.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 1468/10
Schlagworte:
Entziehung einer Fahrerlaubnis auf Probe
Normen:
StVG § 2a
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers 7 K 5408/10 gegen die
Ordnungsverfügung des Antrags-gegners vom 19. November 2010 anzuordnen,
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ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, aber
unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende
Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an
der in § 2a Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) gesetzlich vorgesehenen
sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung - diese ist vom
Antragsgegner nicht angeordnet worden und bedarf deshalb auch keiner besonderen
Begründung - überwiegt gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an einem
Vollstreckungsaufschub, weil die Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung
rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die Ausführungen in der angefochtenen Verfügung, denen sie im
Grundsatz folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
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Im Hinblick auf die Klage- und Antragsbegründung ist hinzuzufügen, dass gemäß § 2a
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen ist, der nach
Ablauf der in Nr. 2 dieser Vorschrift genannten Frist innerhalb der Probezeit eine weitere
schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen
begangen hat. In diesem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu
entziehen, ohne dass ihr ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre. Deshalb ist es
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weder dem Antragsgegner noch dem Gericht möglich, etwaige berufliche oder sonstige
Schwierigkeiten des Antragstellers, die sich aus dem Verlust der Fahrerlaubnis
ergeben, zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Die insoweit geäußerten
verfassungsrechtlichen Bedenken teilt die Kammer nicht; vielmehr ist gerade das in § 2a
StVG geregelte abgestufte System der Reaktionen auf Zuwiderhandlungen von
Führerscheininhabern auf Probe Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips und
deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich.
Die Voraussetzungen der Entziehung gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG liegen auch
offensichtlich vor. Zunächst hat der Antragsteller im September 2008 gemäß Nr. 1 dieser
Vorschrift ein Aufbauseminar besucht, nachdem er am 24. Oktober 2007 wegen
überhöhter Geschwindigkeit (26 km/h - 3 Punkte) mit einer schwerwiegenden
Zuwiderhandlung aufgefallen ist. Wie Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften
zu bewerten sind, wird dabei gemäß § 34 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -
zwingend nach dem Katalog der zugehörigen Anlage 12 bestimmt. Ein Ermessen bei
der Bewertung der dort aufgeführten Zuwiderhandlungen steht dem Antragsgegner nicht
zu. Die nächste Ordnungswidrigkeit, ein erneuter Geschwindigkeitsverstoß mit 23 km/h
(1 Punkt), beging der Antragsteller am 17. September 2008; da dieser Verstoß während
des Aufbauseminars (!) erfolgte, blieb er aber vorliegend ohne weitere Folgen.
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Nach Absolvierung des Aufbauseminar (September 2008) ist der Antragsteller dann am
1. April 2009 erneut mit einem (schwerwiegenden) Geschwindigkeitsverstoß aufgefallen
(28 km/h - 3 Punkte), weshalb er mit Schreiben vom 17. Juni 2009 gemäß § 2a Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 StVG verwarnt wurde. Diese Verwarnung wurde ausweislich der
Postzustellungsurkunde (Blatt 39 des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners) dem
Antragsteller am 20. Juni 2009 ordnungsgemäß zugestellt.
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Mit dem (ebenfalls schwerwiegenden) Rotlichtverstoß am 1. Oktober 2009 waren dann
die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 StVG durch die hier streitige Verfügung gegeben.
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Soweit der Antragsteller vorträgt, der Anhörung wie der Entziehungsverfügung mangele
es an Bestimmtheit und Transparenz, weil weder die konkrete Zuwiderhandlung
benannt noch deren Bewertung begründet worden sei, ist ihm zuzugeben, dass die
entsprechenden Schreiben des Antragsgegners insoweit hätten klarer formuliert sein
können. Allerdings hat dem Anhörungsschreiben vom 8. November 2010 eine Anlage
beigelegen, die sämtliche Verkehrsverstöße aufführte, so dass der Antragsteller selbst
in der Lage gewesen ist, diese nachzuvollziehen. Im Übrigen ist - wie schon erläutert -
die Entziehung eine rechtsgebundene Entscheidung ohne Ermessen, so dass ihre
Rechtmäßigkeit allein vom objektiven Vorliegen ihrer tatsächlichen und rechtlichen
Voraussetzungen abhängt.
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Da aus alledem folgt, dass die Entziehungsverfügung rechtmäßig ist, ist der Antrag mit
der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der
aktuellen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen
Rechtsschutzverfahren, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -, nrwe.de / juris.
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