Urteil des VG Gelsenkirchen vom 16.07.2009

VG Gelsenkirchen: geschäftsführer, gewerbesteuer, steuererklärung, anschrift, abgabe, zustellung, bilanz, ermessen, hauptsache, stadt

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 5 K 558/06
Datum:
16.07.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 558/06
Schlagworte:
Gewerbesteuer, Haftungsinanspruchnahme, Geschäftsführer,
Steuererklärung, Abgabe, Pflichtverletzung, Vertretenmüssen,
Geschäftsunterlagen, Gewerbesteuermessbescheid,
Gewerbesteuerbescheid, Gewerbeertrag, Gewinn,
Aufklärungsmöglichkeiten, Schätzung, Ermessen
Normen:
AO § 34 Abs 1; AO § 69; AO § 162; AO § 166; AO § 192 Abs 1; GewStG
§ 2; GewStG § 5; GewStG § 14a; ZPO § 287
Leitsätze:
Ein Geschäftsführer haftet für die rechtzeitige Abgabe der
Gewerbesteuererklärung einer GmbH. Muss ein Geschäftsführer den
gegenüber der GmbH festgesetzten Gewerbesteuermess- und
Gewerbesteuerbetrag nicht nach § 162 AO gegen sich gelten lassen,
sind dagegen erhobene Einwände zu prüfen. Kann das Gericht den
Gewerbeertrag der GmbH nicht weiter aufklären, kann sie diesen gemäß
§ 287 ZPO auf einer tragfähigen Grundlage nach freier Überzeugunng
schätzen.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 4/7 und der Beklagte
zu 3/7.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Gläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Haftungsbescheides über Gewerbesteuer.
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Die Klägerin war bei der E. . J. . U. . N. H. mbH (nachfolgend E. . J. . U. . GmbH) bis zur
ihrer Abberufung am 29. Oktober 2003 Geschäftsführerin. Die E. . J. . U. . GmbH ist aus
der V. .tv N. Q. GmbH (nachfolgend V. . GmbH) hervorgegangen. Die Änderung wurde
auf der Gesellschafterversammlung am 22. Januar 2003 beschlossen und am 10. April
2003 ins Handelsregister eingetragen.
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Aufgrund fehlender Steuererklärungen der E. . J. . U. . GmbH schätzte das zuständige
Finanzamt Essen-Nord die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2002 und 2003 und
setzte die Gewerbesteuermessbeträge mit zwei Bescheiden vom 29. März 2005 für das
Jahr 2002 auf 5.000,00 EUR und für das Jahr 2003 auf 32.500,00 EUR fest.
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Daraufhin zog der Beklagte mit Bescheid vom 29. März 2005 die E. . J. . U. . GmbH für
das Jahr 2002 zu einer Gewerbesteuer von 23.500,00 EUR und für das Jahr 2003 zu
einer von 152.750,00 EUR heran. Zugleich wurden für die Jahre 2004 und 2005 zu
zahlende Gewerbesteuervorauszahlungsbeträge festgesetzt. Außerdem setzte sie für
das Jahr 2002 Nachforderungszinsen in Höhe von 1.410,00 EUR fest. Der an die
Anschrift J1. . I. 29 in Essen gerichtete Bescheid kam mit dem postalischen Vermerk
"unbekannt und unbekannt verzogen" zurück. Einen über die gleichen Beträge
lautenden Gewerbesteuerbescheid vom 18. April 2005 übersandte der Beklagte der
Klägerin als Geschäftsführerin der E. . J. . U. . GmbH unter der Anschrift F.-- straße 13 in
Essen. Eine Mahnung des Beklagten an die GmbH blieb ohne Reaktion.
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Im Juli 2005 hörte der Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten
Haftungsinanspruchnahme an. In ihrer Stellungnahme wies die Klägerin darauf hin,
dass sie bereits unter dem 29. Oktober 2003 als Geschäftsführerin abberufen worden
sei. Da ihr keinerlei geschäftliche Unterlagen zur Verfügung stünden, sei es ihr nicht
möglich, Fragen zum Geschäftsbetrieb zu beantworten.
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Daraufhin verfügte der Beklagte unter dem 05. September 2005 die öffentliche
Zustellung seines Gewerbesteuerbescheides vom 29. März 2005. Der öffentliche
Aushang erfolgte vom 08. bis 26. September 2005.
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Zu weiteren Beitreibungsmaßnahmen des Beklagten bei der E. . J. . U. . GmbH kam es
nicht mehr, da der als Nachfolger der Klägerin zum neuen Geschäftsführer bestellte
Kaufmann U1. T. unbekannten Aufenthaltes war und im Übrigen immer noch ist. Nach
Mitteilung des Bürgermeisters der Stadt N1. wurde er amtlich nach unbekannt
abgemeldet.
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Mit Bescheid vom 19. Oktober 2005 nahm der Beklagte die Klägerin als
Haftungsschuldnerin für rückständige Gewerbesteuerforderungen und Zinsforderungen
in Höhe von 42.535,00 EUR in Anspruch und forderte sie zur Zahlung auf. Der Betrag
setzte sich wie folgt zusammen:
9
Gewerbesteuer 2002 23.500,00 EUR
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Verzinsung 2002 1.410,00 EUR
11
anteilige Gewerbesteuer-Vorauszahlungen 2003 17.625,00 EUR
12
Gesamtbetrag 42.535,00 EUR
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Der Beklagte stützte seinen Haftungsbescheid auf § 191 AO und führte aus, dass die
Klägerin als Geschäftsführerin der E. . J. . U. . GmbH die ihr obliegende Pflicht zur
pünktlichen und vollständigen Abgabe der Steuererklärung nicht erfüllt habe. Deshalb
hätten für das Jahr 2002 die Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt Essen-Nord
geschätzt werden müssen. Hätte die Klägerin in ihrer Funktion als Geschäftsführerin die
Steuererklärung für das Jahr 2002 rechtzeitig beim Finanzamt eingereicht, wären die
entsprechenden Gewerbesteuerveranlagungen noch im Jahre 2003 durchgeführt
worden. Neben der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge für das Jahr 2002
wären auch auf dieser Grundlage gleichzeitig Gewerbesteuer-Vorauszahlungen für das
I. bis III. Quartal 2003 veranlagt worden. Da die Einziehungsmaßnahmen bei der Firma
E. . J. . U. . GmbH keinen Erfolg gehabt hätten, sei es ermessensgerecht gewesen, die
Klägerin als ehemalige Geschäftsführerin zur Haftung heranzuziehen.
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Den nicht weiter begründeten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2006 zurück. Zur Begründung wiederholte er im
Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Haftungsbescheid. Ergänzend wies er noch
darauf hin, dass eine Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers T. nicht in
Betracht gekommen sei, da keine bekannte Anschrift von ihm zu ermitteln gewesen sei.
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Die Klägerin hat am 17. Februar 2006 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt,
dass der Haftungsbescheid nicht wirksam zugestellt worden sei. Die Zustellung soll
unter der Anschrift "F.--straße 13 in Essen" erfolgt sein. Unter dieser Anschriften würden
jedoch nur ihre Eltern wohnen. Sie selbst sei schon 1995 aus der elterlichen Wohnung
ausgezogen.
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Dass die E. . J. . U. . GmbH die Steuererklärung für das Jahr 2002 nicht eingereicht
habe, könne ihr nicht vorgeworfen worden. Unter dem 22. Januar 2003 habe sie die
Geschäftsanteile der V. . GmbH übernommen. In der Folgezeit sei sie zur
Geschäftsführerin bestellt worden. Die handelsregisterrechtlichen Eintragungen seien
unter dem 10. April 2003 erfolgt. Sie habe den vormaligen Geschäftsführer der V. .
GmbH, Herrn K. M. , mehrfach erfolglos aufgefordert, die Geschäftsunterlagen der V. .
GmbH herauszugeben. Erschwerend sei noch hinzugekommen, dass die
Geschäftsunterlagen der V. . GmbH zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt -
mutmaßlich im ersten Quartal 2003 - seitens der Steuerfahndung beschlagnahmt
worden seien. Vor diesem Hintergrund habe sie keinerlei Zugriff auf die
Geschäftsunterlagen der V. . GmbH gehabt. Schon aus diesem Grunde sei es ihr nicht
möglich gewesen, Steuererklärungen zu fertigen und einzureichen. Sie habe keinerlei
Kenntnis über die Geschäftsvorfälle der V. . GmbH. Erschwerend sei noch, dass nach
den gesellschaftlichen Veränderungen Anfang 2003 das Finanzamt Essen-Nord erst mit
Schreiben vom 23. Oktober 2003 die maßgebliche Steuernummer der E. .J. .U. GmbH
mitgeteilt habe. Sie sei dann am 29. Oktober 2003 als Geschäftsführerin abberufen
worden, nachdem sie zuvor ihre Geschäftsanteile übertragen habe.
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Weiterhin habe die E. .J. .U. GmbH im streitbefangenen Zeitraum 2002 keinerlei
Gewinne erwirtschaftet. Das Stammkapital sei in diesem Jahr durch die laufenden
Kosten nahezu aufgebraucht worden. Der Verlust habe sich auf 23.000,00 EUR
belaufen. Ein im September 2008 von der Steuerberaterin M1. erstellter
Jahresabschluss der E. .J. .U. GmbH zum 31. Dezember 2002 und eine
Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2002 würden einen Verlust von 794,92 EUR
ausweisen. Das Finanzamt Essenz-Nordost habe jedoch mitgeteilt, dass eine
Bearbeitung der im Oktober 2008 eingegangenen Steuerklärungen wegen der
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Löschung der E. .J. .U. GmbH aus dem Handelsregister zum 22. April 2008 nicht mehr
möglich sei. Der Bilanz und der Steuererklärung hätten die der Steuerfahndungsakte
entnommenen Rechnungen und Erklärungen des früheren Geschäftsführers M.
zugrunde gelegen. Sie, die Klägerin, sei nicht in der Lage, weiter aussagekräftige
Unterlagen wie Kontoauszüge u.s.w. zur Feststellung des Gewerbeertrages der E. .J. .U.
GmbH für das Veranlagungsjahr 2002 beizubringen. Von ihr dürfe aber auch nichts
"Unmögliches" verlangt werden. Sie habe keinerlei Möglichkeiten, Zugriff auf
irgendwelche Geschäftsunterlagen zu nehmen, insbesondere nicht auf Unterlagen aus
dem Jahre 2002. Schließlich habe der Zeuge M. im Termin bekundet, das geschäftliche
Aktivitäten nur im Minimalbereich im Jahre 2002 durchgeführt worden seien. Darüber
hinaus habe die Steuerfahndung lediglich die der Buchführung zugrunde gelegten
Geschäftsunterlagen aufgefunden. Danach wäre eine etwaige Pflichtverletzung
ihrerseits auch nicht kausal für den Schaden gewesen.
Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung den angefochtenen
Haftungsbescheid hinsichtlich der Verzinsung 2002 in Höhe von 1.410,00 EUR und der
anteiligen Gewerbesteuervorauszahlung 2003 in Höhe von 17.625,00 EUR aufgehoben
und die Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben,
beantragt die Klägerin noch,
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den Bescheid des Beklagten vom 19. Oktober 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2006 hinsichtlich des verbliebenen
Haftungsbetrages in Höhe von 23.500,00 EUR aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft er zunächst seine Ausführungen in den
angefochtenen Bescheiden. Darüber hinaus macht er geltend, dass sich die Klägerin
nicht darauf berufen könne, den vormaligen Geschäftsführer mehrfach aufgefordert zu
haben, die Geschäftsunterlagen der V. . GmbH herauszugeben. Sie hätte sich bereits
mit der Übernahme der Geschäftsanteile der GmbH die Geschäftsunterlagen
aushändigen lassen müssen. Wenn dies nicht erfolgt sei, dann hätte es ihr oblegen, die
für die Abgabe der Gewerbesteuererklärung 2002 erforderlichen Unterlagen
gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe von dem vormaligen Geschäftsführer heraus zu
verlangen. Soweit die Geschäftsunterlagen über den 31. Mai 2003 hinaus von der
Steuerfahndung noch beschlagnahmt gewesen seien sollten, hätte die Klägerin beim
Finanzamt zumindest eine Fristverlängerung für die Abgabe der
Gewerbesteuererklärung 2002 beantragen müssen. Dies sei aber laut Auskunft des
Finanzamtes Essen-Nord nicht geschehen. Im Übrigen hätte für die Klägerin die
Möglichkeit bestanden, Einsicht in beschlagnahmte Akten zu nehmen und sich die für
eine Steuerklärung notwendigen Unterlagen kopieren zu lassen. Auch sei die im
Rahmen der Haftungsinanspruchnahme erforderliche Kausalität der Pflichtverletzung
der Klägerin für den eingetretenen Schaden gegeben, da ohne die Pflichtverletzung der
Klägerin eine Realisierung der Steuerschulden notfalls im Wege der
Zwangsvollstreckung möglich gewesen wäre. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass
entsprechende Steuer- und Zinsforderungen Mitte 2003 nicht hätten bei der
Steuerschuldnerin durchgesetzt werden können. So seien die Geschäftsanteile der
beiden alleinigen Gesellschafter der E. . J. . U. . GmbH und das Gewinnbezugsrecht mit
Wirkung vom 01. November 2003 an Herrn S. L. abgetreten worden. Es dürfte
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unzweifelhaft sein, dass dieser nicht die Geschäftsanteile und das Gewinnbezugsrecht
für eine überschuldete Gesellschaft gekauft hätte.
Die von der Steuerberaterin M1. zur Gewinnermittlung erstellte Bilanz sei nicht
brauchbar. Sie sei offensichtlich unvollständig. Außerdem sei die Bilanz weder testiert
noch unterschrieben.
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Der Haftungsbescheid sei auch wirksam bekannt gegeben worden. Er sei der Klägerin
unter der Anschrift F.--straße 13 in Essen zugestellt worden. Die Klägerin sei bis zum
10. November 2005 beim Einwohneramt Essen unter dieser Anschrift gemeldet
gewesen. Erst dann sei sie nach Spanien verzogen.
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Einziehungsmaßnahmen bei der Steuerschuldnerin seien erfolglos verlaufen. Eine
aktuelle Anschrift der E. . J. . U. . GmbH habe nicht ermittelt werden können und sei
auch dem Finanzamt Essen-Nord nicht bekannt gewesen.
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Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Essen hat auf Anfrage des
Gerichts mitgeteilt, dass keinerlei Prüfungsmaßnahmen gegen die E. .J. .U. GmbH oder
die V. . GmbH durchgeführt worden seien. Es seien während des Zeitraums 22. Januar
bis 29. Oktober 2003 auch keine Unterlagen der beiden GmbHs beschlagnahmt
gewesen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2008 hat die Kammer den ehemaligen
Geschäftsführer M. , den Steueramtmann F1. und die Steuerberaterin X. zur
Beschlagnahme von Akten der E. .J. .U. GmbH bzw. der V. GmbH durch die
Steuerfahndung Essen im Zeitraum Januar bis Oktober 2003 und zur wirtschaftlichen
Situation der beiden GmbHs in den Jahren 2002 und 2003 als Zeugen vernommen.
Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
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Das Finanzamt Essenz-Nordost hat auf die gerichtliche Anfrage zu den Erkenntnissen
oder Kriterien zu dem geschätzten Gewinn aus dem Gewerbebetrieb für das Jahr 2002
über 100.000,00 EUR unter dem 16. April 2009 mitgeteilt, dass die Festsetzung des
Gewerbesteuermessbetrages für 2002 auf einer Schätzung der
Besteuerungsgrundlagen beruhe. Bei der Bemessung des Gewinns sei berücksichtigt
worden, dass die E. .J. .U. GmbH im Folgejahr laut einer Kontrollmitteilung Wohnungs-
und Teileigentum zu einem Bargebot von 160.000,00 EUR erworben habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der
beigezogenen Gewerbesteuerakte des Finanzamtes Essens-Nordost Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Verfahren war einzustellen, soweit es in der Hauptsache übereinstimmend für
erledigt erklärt worden ist.
32
Die noch aufrechterhaltene Anfechtungsklage gegen die Haftungsinanspruchnahme der
Klägerin für Gewerbesteuern der E. .J. .U. . GmbH für das Jahr 2002 ist zulässig, aber
unbegründet. Der insoweit angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Ermächtigungsgrundlage für den Haftungsbescheid des Beklagten ist § 191 Abs. 1 AO,
der nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO für die Gewerbesteuer als Realsteuer Anwendung findet.
Danach kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft
Gesetzes für eine Steuer haftet.
34
Die Klägerin haftet für die in dem Haftungsbescheid geltend gemachte
Gewerbesteuerforderung für das Jahr 2002 in Höhe von 23.500,00 EUR. Insoweit ist der
Haftungsbescheid nicht zu beanstanden. Die Haftung der Klägerin folgt aus § 69 AO.
Danach haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche
aus dem Steuerverhältnis in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der
ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt wurden.
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Die Klägerin war in dem Zeitraum vom 22. Januar 2003 bis 29. Oktober 2003 alleinige
Geschäftsführerin der E. .J. .U. . GmbH (der früheren V. GmbH) und gehörte damit zum
haftenden Personenkreis des § 34 Abs. 1 Satz 1 AO, da sie gesetzliche Vertreterin der
GmbH war, § 35 Abs. 1 GmbHG.
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Auch die weiteren Haftungsvoraussetzungen des § 69 AO sind in der Person der
Klägerin erfüllt.
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Die E. .J. .U. . GmbH ist gemäß § 2 GewStG als Gewerbebetrieb Schuldnerin der
Gewerbesteuer. Der aus diesem Schuldverhältnis bestehende Anspruch des Beklagten
auf Entrichtung der Gewerbesteuer für das Jahr 2002 wurde bislang nicht erfüllt. Die
Steuerforderung ist fällig. Der dem Haftungsbescheid zugrunde liegende
Gewerbesteuerbescheid des Beklagten vom 29. März 2005 ist nach seiner öffentlichen
Zustellung im September 2005 der E. .J. .U. . GmbH wirksam zugegangen. Die
öffentliche Zustellung nach § 15 VwZG durfte erfolgen, da eine Anschrift weder bekannt
noch ermittelbar war. Die letzte bekannte Anschrift J1. . I. 29, 45127 Essen traf nicht
mehr zu. Eine Anschrift des damaligen Geschäftsführers, Herrn U1. T. , konnte nicht
ermittelt werden. Nach Mitteilung des Bürgermeisters der Stadt N1. war Herr T. amtlich
nach unbekannt abgemeldet worden.
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Die Klägerin hat als Geschäftsführerin ihre aus § 34 Abs. 1 AO folgende Pflicht, für die
E. .J. .U. . GmbH die Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2002 abzugeben, nicht erfüllt,
so dass objektiv eine Pflichtverletzung im Sinne von § 69 AO vorliegt. Die Pflicht eines
Geschäftsführers einer GmbH zur Abgabe der Gewerbesteuererklärung ergibt sich aus
den §§ 14 a und 5 GewStG in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Nr. 2 GewStDV, § 149 Abs. 2
Satz 1 AO. Danach hat ein Geschäftsführer die Steuererklärungen für das vergangene
Jahr spätestens bis zum 31. Mai des Folgejahres abzugeben. Dem ist die Klägerin nicht
nachgekommen. Soweit die Klägerin geltend macht, mangels Vorliegens der für die
Steuererklärung notwendigen Unterlagen zur Abgabe der Steuererklärung nicht in der
Lage gewesen zu sein, wurde sie dadurch von dieser Pflicht als Geschäftsführerin nicht
entbunden. Ihren Vortrag, dass die Geschäftsunterlagen der V. GmbH, der Vorgängerin
der E. .J. .U. . GmbH, von der Steuerfahndung beschlagnahmt gewesen seien, hat die
Klägerin nach der Vernehmung des Zeugen F1. von der Steuerfahndung Essen in der
mündlichen Verhandlung vom 28. August 2008 nicht mehr aufrechterhalten. Ihr weiterer
Vortrag, bei der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit von dem früheren
Geschäftsführer, dem Zeugen K. M. , keine Geschäftsunterlagen der E. .J. .U. . GmbH
bzw. der V. GmbH erhalten zu haben, vermag sie genauso wenig zu entlasten, wie ihr
Vortrag, den Zeugen M. mehrfach vergeblich aufgefordert zu haben, die vorhandenen
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Geschäftsunterlagen zu übergeben. Werden einem Geschäftsführer einer GmbH von
seinem Vorgänger notwendige Unterlagen für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung
vorenthalten, so kann sich der Geschäftsführer nicht einfach damit begnügen, seinen
Vorgänger zur Übergabe der Unterlagen aufzufordern. Vielmehr obliegt es dem
Geschäftsführer, dieser Aufforderung den nötigen Nachdruck zu verleihen und
gegebenenfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies hat die Klägerin nicht im
notwendigen Umfang getan, sondern sich vielmehr durch den Zeugen M. vertrösten
bzw. hinhalten lassen. Bei einer derartigen Verhaltensweise bleibt die Klägerin für die
Erfüllung der ihr obliegenden steuerlichen Verpflichtungen verantwortlich.
Die Klägerin hat ihre Pflichten als Geschäftsführerin zumindest groß fahrlässig verletzt.
Sie war die einzige Geschäftsführerin der E. .J. .U. . GmbH. Ihr musste klar sein, dass
sie damit steuerrechtlich und gesellschaftsrechtlich in der Verantwortung stand. Sie
hatte durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die steuerlichen Pflichten der
E. .J. .U. . GmbH ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt werden.
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Auch die Höhe der vom Beklagten geltend gemachten Gewerbesteuerforderung für das
Jahr 2002 über 23.500,00 EUR ist nicht zu beanstanden. Zwar muss die Klägerin nicht
die durch den Bescheid des Beklagten vom 29. März 2005 gegenüber der E. .J. .U. .
GmbH festgesetzte Gewerbesteuer für das Jahr 2002 gegen sich geltend lassen, da sie
nach § 166 AO nicht in der Lage war, diesen Bescheid anzufechten. Zum Zeitpunkt der
Bekanntgabe des Bescheides im September 2005 war sie nämlich nicht mehr
Geschäftsführerin der E. .J. .U. . GmbH. Die Gewerbesteuer für das Jahr 2002 über
23.500,00 EUR errechnet sich aus dem Gewerbesteuermessbetrag über 5.000,00 EUR
und dem Hebesatz der Stadt Essen in Höhe von 470 %. Soweit der
Gewerbesteuermessbetrag durch den Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamtes
Essen-Nord vom 29. März 2005 gegenüber der E. .J. .U. . GmbH festgesetzt worden war,
braucht die Klägerin auch diese Festsetzung nach den zuvor gemachten Ausführungen
nicht gegen sich gelten lassen, da der Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamtes
Essen-Nord zusammen mit dem Gewerbesteuerbescheid des Beklagten der E. .J. .U. .
GmbH bekannt gegeben worden war. Für die Berechnung des
Gewerbesteuermessbetrages ist ein Gewinn aus dem Gewerbebetrieb der E. .J. .U. .
GmbH und damit ein Gewerbeertrag in Höhe von 100.000,00 EUR zugrunde zu legen.
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Die Höhe des Gewerbeertrages ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin macht
insoweit geltend, dass die frühere V. . GmbH im Jahr 2002 nur wenige geschäftliche
Aktivitäten entwickelt und somit kaum Umsätze gehabt habe. Gewinne seien nicht
erwirtschaftet worden. Vielmehr sei sogar das Stammkapital durch die laufenden Kosten
nahezu aufgebracht worden. Genauere Angaben könne sie nicht machen, da sie nicht in
der Lage sei, aussagekräftige Unterlagen wie Kontoauszüge usw. zur Feststellung des
Gewerbeertrages beizubringen. Diese Frage kann nach der Überzeugung der Kammer
durch das Gericht nicht weiter aufgeklärt werden. Die von dem Zeugen F1. in der
mündlichen Verhandlung vom 28. August 2008 überreichten Geschäftsunterlagen der V.
. GmbH, bei denen es sich um Ablichtungen aus der Steuerstrafakte gegen den Zeugen
M. gehandelt hatte, beinhalteten im Wesentlichen Rechnungen über
Geschäftstätigkeiten im Jahre 2002 in einem Gesamtbetrag von rund 6.000,00 EUR. Ob
die Rechnungen auch in dem Jahre beglichen worden sind, ließ sich dem nicht
entnehmen. Entscheidender ist jedoch, dass diese Rechnungen keine Rückschlüsse
auf den Gesamtumfang der gewerblichen Aktivitäten der V. . GmbH im Jahre 2002
zulassen, so dass ihnen hinsichtlich des anzusetzenden Gewerbeertrages nur wenig
Aussagekraft zukommt. Deshalb ist auch die durch die Steuerberaterin M1. im Oktober
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2008 für die E. .J. .U. . GmbH eingereichte Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2002,
die einen Verlust von 794,00 EUR ausweist, wenig aussagekräftig. Unabhängig von
dem Umstand, dass die der Steuererklärung zugrunde liegende Bilanz weder testiert
noch unterschrieben sein soll, hat die Klägerin eingeräumt, dass der Steuerberaterin
M1. für die Fertigung der Steuererklärung im Wesentlichen die aus der
Steuerfahndungsakte entnommenen Rechnungen zugrunde gelegen hätten.
Kontoauszüge über das Geschäftskonto der V. . GmbH oder andere aussagekräftige
Unterlagen hätten der Steuerberaterin nicht zur Verfügung gestanden. Danach kommt
der Steuererklärung inhaltlich kein weitergehender Aussagewert zu, als den der
Steuerfahndungsakte entnommenen Geschäftsunterlagen.
Auch die Vernehmung des Zeugen M. in der mündlichen Verhandlung vom 28. August
2008, der im Jahr 2002 Geschäftsführer der V. . GmbH war, brachte hinsichtlich der
Geschäftsaktivitäten der V. . GmbH und einem daraus zu ermittelnden Gewerbeertrag
keine weiteren Erkenntnisse. Zwar erklärte der Zeuge, dass er mit der im Juni 2002
gegründeten V. GmbH zunächst praktisch nur Verluste gemacht habe und die
Geschäftsaktivitäten verschwindend gering gewesen seien. So will er lediglich zwei
oder drei kleinere Rechnungen erstellt haben. Aufgrund seiner damals persönlich sehr
schwierigen Lage sei er vor allem froh gewesen, die V. . GmbH los geworden zu sein.
Irgendwelche Geschäftsunterlagen von damals lägen ihm nicht mehr vor. Dieser
Aussage schenkt die Kammer jedoch keinen Glauben. Sie war offensichtlich davon
geprägt, dass der Zeuge M. gegenüber dem Gericht nur das einräumte, was das Gericht
bereits wusste, bzw. was ihm konkret vorgehalten werden konnte. Im Übrigen konnte
sich der Zeuge nicht mehr an konkrete Vorgänge erinnern bzw. flüchtete sich in wenig
aussagekräftige pauschale Antworten oder Allgemeinsätze. Insgesamt hatte die
Kammer von dem Zeugen den Eindruck gewonnen, dass er gegenüber der Kammer
offensichtlich mit konkreten Angaben zu den Geschäftsaktivitäten der V. . GmbH bzw. zu
seiner geschäftlichen Beziehung zu der Klägerin im Hinblick auf die Übernahme der
Geschäftsführertätigkeit wie im Übrigen auch der Gesellschafterteile "gemauert" hat.
43
Der vom Finanzamt Essen-NordOst beigezogenen Gewerbesteuerakte für die E. .J. .U. .
GmbH ließen sich auch keine weiteren Erkenntnisse zu dem Gewerbeertrag für das
Jahr 2002 entnehmen. Zu einer Einvernahme des Ehemanns der Klägerin sah die
Kammer keine Veranlassung. Er war zwar zweiter Gesellschafter der V. .GmbH und soll
damals deren Gründungskosten bezahlt haben. Zum einen fehlte es an einem Vortrag
der Parteien, wonach der Ehemann als Gesellschafter der V. . GmbH hätte
Ausführungen zu deren konkreten geschäftlichen Aktivitäten hätte machen können, zum
anderen war aufgrund des gesamten Prozessverhaltens der Klägerin und der
Einvernahme des Zeugen M. davon auszugehen, dass auch über den Ehemann der
Klägerin nichts konkretes zu den geschäftlichen Aktivitäten der V. . GmbH zu erfahren
gewesen wäre.
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Weitere Aufklärungsmöglichkeiten zur Feststellung des Gewerbeertrages der E. .J. .U. .
GmbH für das Jahr 2002 sind für die Kammer nicht erkennbar. Auch die Parteien sahen
ihrerseits keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten mehr. Insbesondere sieht sich die
Klägerin außer Stande, mangels Zugriffsmöglichkeiten auf irgendwelche
Geschäftsunterlagen weiter zur Aufklärung der geschäftlichen Aktivitäten beitragen zu
können. Insbesondere sei es ihr nicht möglich, die Kontoauszüge des Geschäftskontos
der E. .J. .U. . GmbH für das Jahr 2002 beizubringen.
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Die Kammer hat deshalb von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Gewerbeertrag
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der E. .J. .U. . GmbH für das Jahr 2002 gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 287
Abs. 1 und 2 ZPO zu schätzen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2002 - 1 BvR 2116/01 -, NJW 2003, 1655;
BVerwG, Urteil vom 01. März 1995 - 8 C 36.92 -, NJW 1995, 2303; OVG NRW, Urteil
vom 27. November 1997 - 8 A 4279/95 -, NWVBl. 1998, 281.
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Nach § 287 Abs. 1 und 2 ZPO kann das Gericht die Höhe des Schadens bzw. die Höhe
einer Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung schätzen.
Die Norm stellt eine Beweiserleichterung dar. Dabei ist das Gericht jedoch in dem ihm
eröffneten Ermessen nicht völlig frei. Vielmehr bedarf eine im Ermessenswege erfolgte
Schätzung einer tragfähigen Grundlage, die auf einer eigenen Sachkunde des Gerichts
oder auf einer sachverständigen Einschätzung beruhen kann.
48
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2002 - 1 BvR 2116/01 -, NJW 2003, 1655,
BVerwG, Urteil vom 01. März 1995 - 8 C 36.92 -, NJW 1995, 2303 und zur
vergleichbaren Vorschrift des § 161 AO: BFH, Urteil vom 04. November 1999 - V R
35/99 -, BFH/NV 2000, 759 = UR 2000, 206.
49
Vorliegend hat die Kammer beim Finanzamt Essen-NordOst angefragt, aufgrund
welcher Erkenntnisse oder Kriterien es zu dem im Gewerbesteuermessbescheid vom
29. März 2005 geschätzten Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2002 über
100.000,00 EUR gekommen ist. Daraufhin hat das Finanzamt Essen-NordOst mit
Schreiben vom 16. April 2009 mitgeteilt, dass die Festsetzung des
Gewerbesteuermessbetrages für das Jahr 2002 auf einer Schätzung der
Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Gewerbesteuererklärung 2002
beruhe. Bei der Bemessung des Gewinns sei berücksichtigt worden, dass die
steuerpflichtige E. .J. .U. . GmbH im Folgejahr laut einer Kontrollmitteilung Wohnungs-
und Teileigentum zu einem Bargebot von 160.000,00 EUR erworben habe. Wenn auch
die Schätzung des Finanzamtes Essens-Nordost auf der Grundlage von § 162 AO
rechtlich nicht verbindlich für die von der Kammer nach § 287 ZPO vorzunehmenden
Schätzung ist, so macht sich die Kammer jedoch diese Schätzung des Finanzamtes
Essens-Nordost zu eigen. Bei dem Finanzamt handelt es sich um die sachkundige
Behörde, die eigentlich für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für einen
Gewerbebetrieb im Hinblick auf den vom Finanzamt festzusetzenden
Gewerbesteuermessbetrag zuständig ist. Weiterhin erscheint der Kammer der vom
Finanzamt Essens-Nordost geschätzte Gewerbeertrag schlüssig. Wenn die E. .J. .U. .
GmbH im Jahre 2003 in der Lage war, Wohnungs- und Teileigentum zu einem Bargebot
von 160.000,00 EUR zu erwerben, so muss ihr dieser Betrag zur Verfügung gestanden
haben. Das ist ein gesichertes Indiz dafür, dass die E. .J. .U. . GmbH bzw. V. GmbH aus
ihren bisherigen geschäftlichen Aktivitäten umfangreiche Gewinne erzielt hat, die weit
über die hinausgehen, die die Klägerin bzw. auch der Zeuge M. im vorliegenden
Verfahren versucht haben, der Kammer glaubhaft zu machen. Danach erscheint auch
der Kammer ein Gewerbeertrag von 100.000,00 EUR für das Jahr 2002 eine realistische
Größe.
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Die im Rahmen der Haftungsinanspruchnahme erforderliche Kausalität der
Pflichtverletzung der Klägerin für den eingetretenen Schaden liegt hinsichtlich der auf
das Veranlagungsjahr 2002 bezogenen Gewerbesteuerforderung vor. An der Kausalität
fehlt es nur dann, wenn der Steuerschuldner bereits im Zeitpunkt der Pflichtverletzung
bzw. spätestens, wenn die Gemeinde ihre Steuerforderung ohne Pflichtverletzung hätte
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geltend machen können, zahlungsunfähig gewesen ist, so dass die Erfüllung der
Steuerforderung auch ohne Pflichtverletzung mangels liquider Mittel nicht in Betracht
kam. Andererseits ist für die Annahme der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung
ausreichend, dass eine aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeit des Gläubigers der
Steuerforderung vereitelt wurde.
Vgl. FG Bremen, Urteil vom 30. Oktober 1970 - J1. 25/70 -, EFG 1971, 247.
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Die Klägerin wäre, wie bereits ausgeführt, nach den entsprechenden steuerlichen
Vorschriften zur Abgabe der Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2002 bis zum 31. Mai
2003 verpflichtet gewesen, worauf der entsprechende Grundlagenbescheid des
Finanzamtes und sodann darauf gestützt, der Festsetzungsbescheid des Beklagten
zeitnah hätte ergehen können. Es ist nicht ersichtlich, dass entsprechende
Steuerforderungen im Sommer bzw. Herbst des Jahres 2003 wegen fehlender Liquidität
der E. .J. .U. . GmbH nicht hätten durchgesetzt werden können. Dagegen spricht allein
schon der Umstand, dass die E. .J. .U. . GmbH im Jahre 2003 Wohnungs- und
Teileigentum zu einem Bargebot von 160.000,00 EUR erworben hat.
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Schließlich ist die Ermessensentscheidung des Beklagten im Rahmen von § 191 AO
nicht zu beanstanden. Er hat sein Ermessen sowohl dahingehend ausgeübt, ob er einen
Haftungsbescheid erlässt (Entschließungsermessen), als auch dahingehend, an
welchen Adressaten er zu richten ist (Auswahlermessen). Insbesondere konnte er
davon absehen, den späteren Geschäftsführer der E. .J. .U. . GmbH, Herrn U1. T. ,
wegen dessen Pflichtverletzungen als Geschäftsführer in Anspruch zu nehmen, da
dieser unbekannten Aufenthaltes war und ist.
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Auch das im angefochtenen Bescheid insoweit enthaltene Zahlungsgebot ist zu Recht
ergangen. Dieses Zahlungsgebot findet seine Rechtsgrundlage in § 219 AO, dessen
Voraussetzungen hier erfüllt sind. Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen der E.
.J. .U. . GmbH als Steuerschuldnerin ist erfolglos geblieben.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht
billigem Ermessen, die Kosten des erledigten Teils dem Beklagten aufzuerlegen, da er
im Hinblick auf die Erörterungen in den mündlichen Verhandlungen von sich aus den
Haftungsbescheid hinsichtlich eines Teils der Forderungen aufgehoben und somit ein
Unterliegen abgewendet hat.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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