Urteil des VG Gelsenkirchen vom 20.12.2010

VG Gelsenkirchen (kläger, verwendung, bahn, auf lebenszeit, berufliche eingliederung, bbg, unternehmen, verwaltungsgericht, aufgaben, amt)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 12 K 727/08
Datum:
20.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 727/08
Schlagworte:
Zurruhesetzung; Bahnbeamter; DB AG; Integrationsverfahren;
Bundeseisenbahnvermögen; Verantwortung des Dienstherrn für die
Durchführung des Zurruhesetzungsverfahrens
Normen:
BBG § 42 Abs 1; BBG § 42 Abs 3 Satz 1
Leitsätze:
1. Die Zurruhesetzung eines bei einem Tochterunternehmen der DB AG
eingesetzten Beamten ist dann rechtswidrig, wenn der Dienstherr
maßgebliche dienstrechtliche Entscheidungen nicht in eigener
Verantwortung getroffen, sondern den privatrechtlichen Unternehmen
überlassen hat, bei denen der Beamte eingesetzt wurde.
2. Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung ist auf den
gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Eine auf die
Unternehmen im Bereich der Deutschen Bahn beschränkte Suche
genügt diesen Anforderungen nicht.
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 15.01.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24.05.2007 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
1
Der am 00.00.0000 geborene Kläger stand bis zu seiner Zurruhesetzung als der E. C. B.
zugewiesener Beamter im Dienst des Beklagten. Zuletzt übte er als
Bundesbahnhauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8 BBesO) die Tätigkeit eines
Lokrangierführers im Wechseldienst in der zur Railion Deutschland B. (früher DB Cargo
B. , seit 01.01.2008 DB Schenker Rail Deutschland B. ) Niederlassung E1. gehörenden
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Zugbildungsanlage X. -F. aus. Er ist seit 1993 als Schwerbehinderter anerkannt. Sein
Grad der Behinderung (GdB) wurde zuletzt mit Bescheid des Versorgungsamtes H. vom
04.09.2006 - von zuvor 20 - auf 50 neu festgestellt.
Ab dem 00.00.0000 war der Kläger dienstunfähig erkrankt. Der Facharzt für Neurologie
und Psychiatrie - Psychotherapie - Dr. med. L. S. stellte bei dem Kläger unter dem
00.00.0000 die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie (F20.0). Der Kläger zeige
Konzentrationsstörungen; Aufmerksamkeit und Auffassung seien hingegen intakt.
Formalgedanklich sei er eingeengt auf das paranoide Beeinträchtigungserleben und
habe inhaltlich paranoide Beeinträchtigungsideen, vor allem akustische
Halluzinationen. Affektiv sei er niedergeschlagen und besorgt. Psychomotorisch sei er
leicht unruhig, er zeige eine leichte Antriebssteigerung. Bei fehlender Krankheitseinsicht
habe er sich zu einer stationären Behandlung bereit erklärt.
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Am 00.00.0000 wurde der Kläger beim ärztlichen Dienst des
Bundeseisenbahnvermögens untersucht. Der C1. Dr. med. X1. . P. kam aufgrund der
Untersuchung in seinem Gutachten vom gleichen Tage zu dem Ergebnis, der Kläger
könne die Aufgaben eines Lokrangierführers nicht mehr mit mindestens 50 % der
regelmäßigen Arbeitszeit wahrnehmen. Er werde für diese Aufgaben in den nächsten 6
Monaten auch weder voll noch zu mindestens 50 % wieder dienstfähig werden. Eine
Überführung in einen anderen Aufgabenbereich erscheine jedoch erfolgversprechend.
Der Kläger sei auf Dauer betriebs- und wechseldienstuntauglich und nicht mehr in der
Lage, die ausgeübte Tätigkeit als Lokrangierführer zu verrichten. Eine evtl.
Beschäftigung käme nur im Innendienst ohne Eigen- und Fremdgefährdung in Frage.
Falls im Rahmen eines Integrationsverfahrens ein entsprechender Arbeitsplatz
entsprechend der Eignung zur Verfügung gestellt werden könne, könne jederzeit ein
Arbeitsversuch durchgeführt werden. Mit einer wesentlichen Änderung des
Gesundheitszustandes könne nicht gerechnet werden. Als dauerhaftes Leistungsbild
war dargelegt, der Kläger könne körperlich mittelschwere Aufgaben in Tagschicht
durchführen. Dies gelte allerdings nur für Tätigkeiten ohne besondere Verantwortung,
ohne Publikumsverkehr, ohne Eigen- und Fremdgefährdung und ohne Gefährdungs-
und Belastungsfaktoren. Als solche seien zu beachten: Nässe, Zugluft, extrem
schwankende Temperaturen, initiative Belastungen, Allergene, Lärm, Erschütterungen,
Vibrationen, Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, häufig wechselnde Arbeitszeiten und
Betriebsdienst.
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Das Personalmanagement der Railion Deutschland B. beauftragte die E2. K. T. H1. , für
den Kläger ein "Integrationsverfahren" durchzuführen. In der Dokumentation über die
Prüfung einer Weiterbeschäftigung führte die E2. K1. H1. aus, das Integrationsprofil
habe eine Verwendung in eisenbahntypischen, artverwandten Funktionen, die
üblicherweise hinsichtlich der körperlichen Tauglichkeit besondere Anforderungen
stellen, ausgeschlossen. Gleichermaßen auszuschließen seien aufgrund der
Einschränkungen Verwendungen in Funktionen im Zusammenhang mit
Serviceleistungen eines Verkehrsunternehmens. Auch Arbeiten im Werkstattbereich
schieden aus. Es sei lediglich die Prüfung einer Verwendung in der Sachbearbeitung,
insbesondere in Einkauf, Verkauf, Disposition und Verwaltung geblieben. Auch insoweit
seien jedoch die genannten gesundheitlichen Einschränkungen zu berücksichtigen.
Daher hätten weder Beschäftigungen / Arbeitsversuche noch Praktika realisiert werden
können. Eine Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz könne auch durch
Änderung der Arbeitsabläufe, der Arbeitszeit oder behindertengerechte Umgestaltung
nicht ermöglicht werden. Dem Integrationsprofil entsprechende Arbeitsplätze seien
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weder aktuell noch absehbar zukünftig zu besetzen. Daher bleibe nun über die
Versetzung in den Ruhestand zu befinden.
Daraufhin teilte die E2. K1. H1. dem Personalmanagement der Railion Deutschland B.
unter dem 00.00.0000 mit, mit dem Kläger seien mehrere Gespräche geführt worden mit
dem Ziel, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden. Nach den Auskünften der
einzelnen Geschäftsbereiche bestehe jedoch keine Möglichkeit, ihm einen
gleichwertigen und leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten.
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Mit weiterem Gutachten vom 00.00.0000 kam der C1. Dr. P. aufgrund einer
Untersuchung vom gleichen Tage zu dem Ergebnis, dass die im Vorgutachten
beschriebene Leistungsminderung fortgelte. Aus ärztlicher Sicht ergäben sich keine
neuen Aspekte.
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Der Präsident des Bundeseisenbahnvermögens erteilte unter dem 23.11.2006 sein
Einverständnis zu der beabsichtigten vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand.
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Mit Schreiben vom 29.11.2006 kündigte die Beklagte dem Kläger seine mit Wirkung
zum 31.01.2007 beabsichtigte Zurruhesetzung an. Die Schwerbehindertenvertretung sei
unterrichtet. Der Personalrat werde beteiligt, sofern der Kläger seine Mitwirkung
innerhalb von zwei Wochen beantrage. Der Kläger erhob Einwendungen und bat,
entsprechend des Votums seines behandelnden Arztes ab dem 01.12.2006
Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung zu treffen. Trotz seiner bekundeten
Arbeitswilligkeit sei ihm im Gespräch mit Mitarbeitern der Beklagten geraten worden,
sich weiter krank schreiben zu lassen.
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Die Schwerbehindertenvertretung und der Personalrat widersprachen der
Zurruhesetzung mit der Begründung, es fehle an der erforderlichen Bereitschaft zur
Durchführung eines Arbeitsversuchs, weil man den Beamten von vorneherein nicht
weiter beschäftigen wolle. Dr. P. habe eine Dienstunfähigkeit gegenüber dem Kläger
verneint.
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Die Einwendungen des Klägers wurden geprüft und im Ergebnis verworfen. Dies wurde
dem Kläger, dem Personalrat und der Schwerbehindertenvertretung mit jeweils auf den
12.01.2007 datierten Schreiben mitgeteilt.
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Mit Bescheid der Dienststelle X2. vom 15.01.2007 versetzte der Beklagte den Kläger mit
Ablauf des 31.01.2007 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand.
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Zur Begründung seines hiergegen gerichteten Widerspruchs berief sich der Kläger auf
seine Schwerbehinderteneigenschaft. Es fehle die Zustimmung des Integrationsamtes
zu seiner Zurruhesetzung. Auch sei lediglich ein einziges Integrationsgespräch geführt
worden. Der C1. gehe weiterhin nur von einer eingeschränkten Dienstfähigkeit aus. Es
sei nicht nachvollziehbar, dass eine schrittweise Wiedereingliederung in den
Arbeitsprozess unterblieben sei.
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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2007 zurückgewiesen
und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Integrationsprofil des Klägers
habe ausschließlich eine Verwendung in der Sachbearbeitung zugelassen. Hierfür
hätten jedoch auch unter Berücksichtigung des Qualifizierungsprofils keine
vorübergehenden Beschäftigungen, Arbeitsversuche oder Praktika realisiert werden
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können. Eine Qualifizierung des Klägers sei angesichts seiner gesundheitlichen
Einschränkungen und der vorhandenen Kompetenzen ebenfalls nicht möglich gewesen.
In der Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheides wurde als zuständiges
Gericht das Verwaltungsgericht E3. benannt.
Am 08.06.2007 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht E3. erhoben.
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Das Verwaltungsgericht E3. hat sich mit Beschluss vom 07.02.2008 - 10 K 2421/07 - für
örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen.
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Zur Begründung der Klage trägt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seiner
Widerspruchsbegründung vor, es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte intensiv nach
einem seinem Leistungsbild entsprechenden Arbeitsplatz gesucht habe. Er sei in
mindestens 14 explizit genannten Bereichen verwendbar. Die Personalchefin habe ihm
zunächst telefonisch eine stufenweise Wiedereingliederung auf einem Arbeitsplatz in
H2. avisiert. Der besondere Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung seien
nicht rechtzeitig in einer den gesetzlichen Vorgaben genügenden Weise informiert und
einbezogen worden. Weder sei das betriebliche Eingliederungsmanagement beachtet
noch ein Re-Integrationsverfahren durchgeführt worden. Auch die Grundsätze der
Konzernintegrationsvereinbarungen über die berufliche Eingliederung behinderter
Menschen im DB-Konzern und die Konzernintegrationsvereinbarung seien nicht
beachtet worden.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 15.01.2007 in der Gestalt dessen
Widerspruchsbescheides vom 24.05.2007 aufzuheben.
19
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
21
Er bezieht sich auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und trägt
ergänzend vor, das betriebliche Eingliederungsmanagement sei erst zum 01.05.2007
eingeführt worden und daher in diesem Verfahren nicht relevant.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
24
Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15.01.2007 in der Gestalt
dessen Widerspruchsbescheides vom 24.05.2007 ist rechtswidrig und verletzt den
Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO
-).
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Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 42 des Bundesbeamtengesetzes -
BBG - in der im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung gültigen
Fassung vom 20.12.2001, in Kraft seit dem 01.01.2002. Gemäß Abs. 1 Satz 1 dieser
Vorschrift ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er
wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung
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seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist.
Es kann dahin stehen, ob der Kläger im Sinne dieser Vorschrift dienstunfähig ist.
27
Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Beamte die Aufgaben des von ihm
wahrgenommenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten) nicht mehr
erfüllen kann. Denn Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem
Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Dienstunfähigkeit setzt
voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der
seinem statusrechtlichen Amt zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist.
28
Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.09.2004 - 2 C 27.03 -, BVerwGE 122, 53 ff. und vom
18.09.2008 - 2 C 8.07 -, BVerwGE 132, 31 ff..
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Reicht die Leistungsfähigkeit des Beamten für einen Teil der amtsangemessenen
Dienstposten aus, sind diese aber besetzt, so hängt die Dienstunfähigkeit von den
personellen und organisatorischen Gegebenheiten bei der Beschäftigungsbehörde ab.
Der Beamte ist weiterhin dienstfähig, wenn ein geeigneter Dienstposten entweder für
ihn frei gemacht oder durch organisatorische Maßnahmen eingerichtet werden kann. Bei
den privatrechtlich organisierten Unternehmen der Deutschen Bahn gelten
gleichwertige Tätigkeiten bei den Gesellschaften der Deutschen Bahn als amtsgemäße
Funktionen. Die amtsangemessenen Aufgaben für Beamte der Laufbahn der
Lokomotivführer ergeben sich aus § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 der Eisenbahn-
Laufbahnverordnung vom 28. Oktober 2004. Danach umfasst die
Funktionsbeschreibung dieser Beamten neben dem "Führen von Triebfahrzeugen im
Zugfahr- und Rangierdienst, Lokrangierdienst" auch die Aufgaben "Steuerung des
Einsatzes der Triebfahrzeuge und des Lokpersonals" und "Abnahme-, Versuchs- und
Ausbildungsdienst".
30
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 46.08 -, ZTR 2009, 555 ff..
31
Das von dem Beklagten seiner Entscheidung über die Zurruhesetzung zugrunde
gelegte Gutachten des Bahnarztes Dr. med. X3. . P1. vom 00.00.0000 lässt eine
abschließende Entscheidung der Frage, ob im Bereich der Beschäftigungsbehörde des
Klägers ein seinem statusrechtlichen Amt zugeordneter und gesundheitlich für ihn
geeigneter Dienstposten zur Verfügung steht, nicht zu. Dr. P1. hatte den Kläger gerade
nicht als generell dienstunfähig eingestuft und eine Überführung in einen anderen
Aufgabenbereich ausdrücklich als erfolgversprechend eingestuft. Für einen
entsprechend geeigneten Arbeitsplatz könne jederzeit ein Arbeitsversuch begonnen
werden. Das von Dr. P1. über den Kläger erstellte Leistungsbild ist jedoch schon
deshalb nicht aussagekräftig, weil er entsprechend der Gestaltung des verwendeten
Vordrucks als negatives Leistungsbild eine größere Gruppe negativer Faktoren
einheitlich angegeben hat. Angesichts des Fehlens näherer Erläuterungen ist nicht
ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die solcherart einheitlich ausgeschlossenen
Gefährdungs- und Belastungsfaktoren bei dem Kläger tatsächlich alle vorliegen. Sie
umfassen auch Nässe, Zugluft, inhalative Belastungen oder Allergene. Unter
Berücksichtigung der bei dem Kläger bestehenden Erkrankung einer paranoiden
Schizophrenie hätte es jedenfalls näherer Begründung bedurft, weshalb auch diese
Umstände sämtlich als Ausschlussfaktoren angegeben sind.
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Allerdings bedurfte es keiner weiteren Aufklärung hierzu, weil sich die angefochtenen
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Bescheide bereits aus einem anderen Grund als rechtswidrig erweisen. Die vorzeitige
Versetzung eines Beamten in den Ruhestand ist nämlich regelmäßig nur zulässig, wenn
die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 und des § 42 Abs. 3 BBG kumulativ vorliegen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009, a.a.O..
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Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil
die nach § 42 Abs. 3 BBG gebotene Suche nach einer anderweitigen Verwendung des
Klägers nicht in der Verantwortung des Dienstherrn durchgeführt worden ist und in der
Sache hinter den Anforderungen des § 42 Abs. 3 BBG zurückgeblieben ist. Nach Satz 1
dieser Vorschrift soll von der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn ihm ein anderes Amt derselben oder einer
anderen Laufbahn übertragen werden kann. Nach Satz 2 ist die Übertragung eines
anderen Amtes in den Fällen des Satzes 1 ohne Zustimmung des Beamten zulässig,
wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mindestens mit
demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist,
dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt. Nach
Satz 3 hat der Beamte an Maßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung
teilzunehmen, wenn er nicht die Befähigung für eine andere Laufbahn besitzt. Nach
Satz 4 kann dem Beamten ohne seine Zustimmung eine geringerwertige Tätigkeit
innerhalb seiner Laufbahngruppe nicht übertragen werden, wenn eine anderweitige
Verwendung nicht möglich ist und ihm die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter
Berücksichtigung seiner bisherigen Tätigkeit zuzumuten ist.
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§ 42 Abs. 3 BBG begründet die Pflicht des Dienstherrn, (selbst) nach einer
anderweitigen Verwendung zu suchen. Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel der
Vorschrift, dienstunfähige Beamte nach Möglichkeit im aktiven Dienst zu halten. Sie gilt
ohne inhaltliche Einschränkungen auch für die Beamten der früheren Bundesbahn, die
der Deutschen Bahn gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1, § 23 Satz 1 des Gesetzes über die
Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft vom 27.12.1993 - DBAGGrG - zur
Dienstleistung zugewiesen sind. Ihr oberster Dienstvorgesetzter und Vorgesetzter der
Beamten des Bundeseisenbahnvermögens ist der Präsident des Beklagten. Er ist
gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Zusammenführung und Neugliederung der
Bundeseisenbahnen (Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens)
oberste Dienstbehörde. Die Unternehmen der Deutschen Bahn sind zur Ausübung des
Weisungsrechts gegenüber den zugewiesenen Beamten gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2, §
23 Satz 1 DBAGGrG nur befugt, soweit die Dienstausübung es erfordert.
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Aufgrund der gemäß Art. 143a Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes - GG - fortbestehenden
Verantwortung des Dienstherrn sind der Präsident des Beklagten und die Leiter der
nachgeordneten Dienststellen, soweit ihnen Zuständigkeiten übertragen sind, berechtigt
und verpflichtet, die dienstrechtlichen Entscheidungen gegenüber den zugewiesenen
Beamten, insbesondere die statusrechtlich bedeutsamen Entscheidungen,
eigenverantwortlich zu treffen. Der Bundesgesetzgeber kann diese verfassungsrechtlich
vorgegebene Entscheidungsverantwortung nicht ändern. Sie umfasst die Feststellung
des entscheidungserheblichen Sachverhalts, die Auslegung der einschlägigen
Rechtsnormen und die Wahrnehmung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen.
Die Prüfungsbefugnis als Widerspruchsbehörde muss sich auf die Zweckmäßigkeit der
Entscheidungen erstrecken.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.02.1999 - 2 C 28.98 -, BVerwGE 108, 274 ff..
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Hieraus folgt, dass der Dienstherr die Kriterien für die Suche nach einer anderweitigen
Verwendung und das dabei einzuhaltende Verfahren in eigener Verantwortung
festzulegen hat. Weiterhin muss sichergestellt sein, dass die für die
Versetzungsentscheidung zuständige Bundesbehörde gegenüber der Deutschen Bahn
zumindest bestimmenden Einfluss auf die Suche nehmen kann. Sie kann ihrer
Entscheidungsverantwortung nur gerecht werden, wenn ihr in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht effektive Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten eingeräumt sind
und sie diese auch wahrnimmt. Eine Plausibilitätskontrolle der Bemühungen und
Entscheidungen der Deutschen Bahn reicht nicht aus. Es ist Sache des Dienstherrn,
schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung die
gesetzlichen Vorgaben beachtet hat.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009, a.a.O..
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Diesen Anforderungen wird das vor der Zurruhesetzung des Klägers durchgeführte
"Integrationsverfahren" nicht gerecht. Es hat nicht in der Verantwortung des Dienstherrn
stattgefunden, sondern ist allein innerhalb der Deutschen Bahn ohne Beteiligung oder
erkennbare Einwirkungsmöglichkeit des Präsidenten des Beklagten oder der Leiter
seiner Dienststellen durchgeführt worden. Über eine anderweitige Verwendung ist allein
im Bereich der Deutschen Bahn entschieden worden; der Beklagte hat das Ergebnis,
das "Integrationsverfahren" sei erfolglos abgeschlossen worden, offenkundig ohne jede
eigene Bewertung übernommen.
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Darüber hinaus genügt die durchgeführte Suche nach einer anderweitigen Verwendung
auch inhaltlich nicht den Anforderungen von § 42 Abs. 3 GG. Die Suche ist regelmäßig
auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009, a.a.O., mit weiteren inhaltlichen Hinweisen.
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Dies war hier jedoch nicht der Fall. Nach der Dokumentation über die Prüfung einer
Weiterbeschäftigung und dem zwischen den Unternehmen der Deutschen Bahn
geführten Schriftwechsel ist lediglich im Bereich der dortigen Unternehmen gesucht
worden. Der Beklagte hat nichts dafür dargelegt, dass die Suche darüber hinaus auf den
gesamten Bereich des Dienstherrn erstreckt wurde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 4 VwGO, diejenige über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 der
Zivilprozessordnung - ZPO -.
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