Urteil des VG Gelsenkirchen vom 20.09.2006

VG Gelsenkirchen: staatliches handeln, gerichtshof für menschenrechte, ausweisung, offenes verfahren, ausländer, ausreise, abschiebung, marokko, bewährung, verwertungsverbot

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 16 K 1862/06
Datum:
20.09.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 K 1862/06
Schlagworte:
Ausweisung, Betäubungsmitteldelikte, Verwertungsverbot, Ausreisefrist,
Abschiebungsandrohung, Strafmakel
Normen:
AufenthG § 53, AufenthG § 59, BZRG § 51, BZRG § 41, JGG § 100,
EMRK Art. 8
Leitsätze:
1) Allein der Umstand, dass eine strafrechtliche Verurteilung in einem
Auszug aus dem Bundeszentralregister nicht enthalten ist, steht ihrer
Verwertung durch die Ausländerbehörde nicht entgegen.
2) Mit der Beseitigung des Strafmakels nach § 100 JGG unterliegt eine
Verurteilung nur der beschränkten Auskunft nach § 41 Abs. 3 BZRG und
einer verkürzten Tilgungsfrist (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 f. BZRG), nicht jedoch
dem Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG, solange diese
Verurteilung noch nicht tilgungsreif ist.
3) Die Zwecke der Abschiebungsandrohung und der Fristsetzung,
nämlich die Vollstreckungsabwendung durch freiwillige Ausreise, die
Abwicklung der persönlichen Angelegenheiten und einen effektiven
Rechtsschutz zu ermöglichen sowie staatliches Handeln vorhersehbar
zu gestalten, können - bis auf ersteren - auch bei einem inhaftierten
Ausländer erreicht werden. Auch steht bei einem inhaftierten Ausländer
und der Überwachungsbedürftigkeit seiner Ausreise der Setzung einer
in die Haftzeit fallenden Ausreisefrist grundsätzlich nichts entgegen.
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
von Rechtsanwältin T aus L wird abgelehnt.
G r ü n d e :
1
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 114 Satz 1 der
Zivilprozessordnung - ZPO -).
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Mit der Klage begehrt der Kläger sinngemäß,
3
die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 29. Januar 2005 und den
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung vom 23. Mai 2006 aufzuheben,
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den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Aufent-haltserlaubnis
(Niederlassungserlaubnis) für die Bun-desrepublik Deutschland wieder zu erteilen, und
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festzustellen, dass die unbefristete Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis) vom
14. Februar 1990 in Kraft bleibt.
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Das Aufhebungsbegehren zu 1. wird keinen Erfolg haben, weil die angefochtene
Ausweisung und die Abschiebungsandrohung rechtmäßig sind.
7
Der Kläger ist seit seinem 21. Lebensjahr insbesondere wie folgt strafrechtlich in
Erscheinung getreten:
8
Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - E. vom 2. März 1994 - 60 Ls 11 Js
812/93 - wegen fortgesetzten gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit
Heroin in nicht geringen Mengen zu einem Jahr Jugendstrafe zur Bewährung. Tatzeit:
Oktober 1992 bis Januar 1993.
9
Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - E. vom 31. Mai 1995 - 60 Ls 30 Js
1935/94 - wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des o. a. Urteils vom
2. März 1994 zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt wurde (Tatzeit: 13. August 1994). Die Jugendstrafe wurde mit
Wirkung vom 28. Juli 1998 erlassen und der Strafmakel für beseitigt erklärt.
10
Rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts E1. vom 4. Juni 1998 - 26 Js 510/98 -
wegen Beleidigung und Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen á
30,00 DM.
11
Urteil des Amtsgerichts L. vom 6. April 2000 - 703 Ds 89/00 - wegen fahrlässiger
Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 DM.
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Urteil des Landgerichts E1. vom 23. August 2001 - 84 Js 275/00 - wegen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen (mit Kokain), davon in einem Fall in
nicht geringer Menge, und wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt
wurde (Tatzeiten: Januar bis März 2000).
13
Strafverfahren des Amtsgerichts E1. - 89 Cs 100 Js 18/04 - wegen Gefährdung des
Straßenverkehrs (Tatzeit: 14. November 2003), vorläufig eingestellt wegen des
Verfahrens zu 7.
14
Urteil des Landgerichts E1. vom 11. Oktober 2004 - 185 Js 250/04 - wegen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe
von vier Jahren und drei Monaten (Tatzeit: 21. April 2004).
15
Verfahren des Amtsgerichts E1. - 98 Ds 998/06 - : Anklageschrift der Staatsanwaltschaft
E1. - 190 Js 227/05 - wegen Versicherungsbetruges durch vorgetäuschten Autounfall
(Tatzeit: 24. April 2003); das Amtsgericht hat dieses Verfahren vorläufig eingestellt
wegen der Verurteilung zu 7.
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Zu Unrecht rügt der Kläger, dass der Beklagte auch vor der Verurteilung zu 7.
ergangene Verurteilungen berücksichtigt hat. Allerdings sind die von dem Beklagten
einbezogenen Verurteilungen vom 2. März 1994 (zu 1.) und vom 31. Mai 1995 (zu 2.) in
dem von ihm eingeholten Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 8. Juni 2005
nicht enthalten. Das steht indes ihrer Verwertung durch die Ausländerbehörde und das
beschließende Gericht nicht entgegen. Mit der Beseitigung des Strafmakels nach § 100
JGG unterlagen die Verurteilungen zu 2. (und einbezogen Nr. 1.) nur der beschränkten
Auskunft nach § 41 Abs. 3 BZRG und einer verkürzten Tilgungsfrist (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 f.
BZRG), nicht jedoch dem Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG; denn diese
Verurteilungen sind noch nicht tilgungsreif und, wie das Bundeszentralregister dem
beschließenden Gericht fernmündlich bestätigt hat, noch nicht getilgt. Anlässlich des
Schriftsatzes der Klägerseite vom 18. September 2006 ist noch auszuführen: Der
Umstand, dass ein Strafverfahren (hier Nr. 6 und 8) gemäß § 154 der
Strafprozessordnung mit Blick auf ein anderes Verfahren oder eine andere Verurteilung
vorläufig eingestellt worden ist, steht der ausländerrechtlichen Würdigung eines
Sachverhaltes, den die Staatsanwaltschaft zur Anklage gebracht hat, nicht grundsätzlich
entgegen. Dem weiteren Umstand, dass es zurzeit „kein offenes Verfahren" gegen den
Kläger gibt, ist im vorliegenden Verfahren nicht von besonderem Gewicht.
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Zur Begründung der Rechtmäßigkeit der auf §§ 53 Nr. 1 und 2 und 56 des
Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gestützten Regelausweisung des Beklagten wird
Bezug genommen auf die angefochtene Verfügung des Beklagten und auf den
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung vom 23. Mai 2006. Darin ist die erhebliche
Gefahr überzeugend begründet, dass der Kläger in gleicher Weise Straftaten,
insbesondere auch gegen das Betäubungsmittelgesetz begehen wird, wegen derer er
seit dem 21. Lebensjahr verurteilt worden ist. Darüber hinaus hat die
Widerspruchsbehörde zu Recht ausgeführt, dass die Ausweisung des Klägers wegen
seiner Aktivitäten im Drogenhandel zur Abschreckung anderer Ausländer erforderlich
ist.
18
Im Hinblick auf das Klagevorbringen wird ergänzend ausgeführt: Die persönlichen
Verhältnisse des Klägers, insbesondere seine Einreise im Alter von zwei Jahren, seine
geringen Kenntnisse der marokkanischen Sprache und mangelhaften Kenntnisse der
dortigen Schrift sowie seine familiäre Bindung an die Eltern und fünf Geschwister -
Familien in Deutschland haben die Ausländerbehörden in analoger Anwendung des §
55 Abs. 3 AufenthG umfassend und zutreffend dahin gewürdigt, dass ihm - der immerhin
in einer marokkanischen Familie aufgewachsen ist - die Ausreise in das Land seiner
Staatsangehörigkeit zuzumuten ist.
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Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Kläger seit Jahren sowohl strafrichterlich
als auch ausländerbehördlich eindringlich auf die Konsequenz der Ausreisepflicht
hingewiesen worden ist, wenn er sich erneut strafbar macht. So heißt es in dem
Strafurteil des Landgerichts E1. vom 23. August 2001 unter anderem:
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„Dabei hat die Kammer nicht zuletzt ein Augenmerk auf die von einer Verurteilung
ausgehenden ausländerrechtlichen Folgen gehabt, die dem Angeklagten bei der
Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung gedroht hätten. Sie hat ihm
verdeutlicht, dass sie damit bis an die Grenzen des Vertretbaren gegangen ist und für
ihn bei einem erneuten Abgleiten in die Drogenkriminalität wohl kein Weg an einer
langjährigen Strafverbüßung und Abschiebung in sein Heimatland vorbeiführen wird."
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Unter Hinweis auf diese ihm vom Landgericht gegebene letzte Chance hat der
Antragsteller im Jahre 2002 gebeten, von einer Ausweisung abzusehen, und der
Beklagte hat dem mit einer eindeutigen Verwarnung entsprochen. Der Kläger ist jedoch
noch während der Bewährungszeit erneut in - wie auch das Strafmaß von 4 Jahren und
3 Monaten zeigt - gravierender Weise als Drogenhändler aufgetreten. Die
Schwierigkeiten, die seine Rückkehr nach Marokko mit sich bringt, musste er kommen
sehen. Er hat sie sich selbst zuzuschreiben.
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Soweit der Kläger sich nach seiner Inhaftierung im April 2004 schriftlich gegenüber dem
Beklagten als drogenabhängig bezeichnet hat und in der Klagebegründung einen
Zusammenhang zwischen seinem Drogenkonsum und seiner Straffälligkeit herzustellen
versucht, ist Folgendes festzuhalten:
23
- Anlässlich der Verurteilung des Klägers wegen Heroinhandels hat das Amtsgericht E1.
im Jahre 1994 (Nr. 1) keine Drogenabhängigkeit zur Tatzeit Ende 1992/ Anfang 1993
oder zur Zeit der Urteilsverkündung festgestellt.
24
- Das Landgericht E1. hat in seinem Urteil im Jahre 2001 (Nr. 5) festgestellt, dass der
Kläger nicht drogenabhängig sei und nur gelegentlich Haschisch oder Marihuana
konsumiere.
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- Erstmals nach seiner Inhaftierung im April 2004 hat der Kläger mit Schreiben vom 5.
Juli 2004 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, er sei drogenabhängig.
26
- Demgegenüber hat das Landgericht E1. in seinem Urteil vom 11. Oktober 2004 (Nr. 7)
aufgrund umfänglicher Beweisaufnahme festgestellt, dass der Kläger nicht
drogenabhängig gewesen sei und deshalb nicht unter erheblichen Entzugser-
scheinungen gelitten habe und dass er andere Drogen als Haschisch/Marihuana nicht
in nennenswertem Umfang zu sich genommen habe.
27
Ein Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsum und den schweren Straftaten ergibt
sich danach allenfalls insoweit, als der Kläger diese - ohne selbst abhängig zu sein -
auch zur Finanzierung seines Konsums begangen hat.
28
Der Vortrag des Klägers, er leide seit seinem Unfall im Jahre 1996 (richtig: 1995) und
der darauf zurückzuführenden Ischialgie unter ständigen Rückenschmerzen und dass
die Behandlung der Rückenverletzung in Marokko nicht möglich sei, steht seiner
Ausweisung nicht entgegen, weil nicht festgestellt werden kann, dass seine
Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich ist (§ 55 Abs. 3 in Verbindung mit § 60
a Abs. 2 AufenthG). Die Voraussetzungen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7
AufenthG, dass im Zielstaat der Abschiebung für den Ausländer eine erhebliche
konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, sind nicht gegeben. In dem vom
Kläger vorgelegten ärztlichen Kurzbericht des Justizvollzugskrankenhauses NRW in
Fröndenberg vom 6. März 2006, wo der Kläger sich zuletzt vom 8.2. bis 6.3.2006
stationär aufgehalten hat und am 14. Februar 2006 eine Magnetresonanztomographie
(MRT) hergestellt worden ist, heißt es, dass eine Indikation zur Operation nicht besteht,
so dass es auf die Fragen, ob eine solche in Marokko ausgeführt werden kann und wie
es zu bewerten ist, dass der Kläger eine in der Vergangenheit diskutierte Operation
jedenfalls durch das Krankenhaus der Justizvollzugsanstalt abgelehnt hat, nicht
ankommt.
29
Allein aus der Tatsache, dass der Kläger wegen seiner anhaltenden
Schmerzenssymptomatik medikamentös behandelt wird und dass diese Behandlung
laut Arztbericht nur eine geringgradige Besserung zur Folge hat, ergibt sich eine Gefahr
i. S. d. § 60 Abs. 7 AufenthG nicht. Die Frage, ob der Kläger die Schmerzmittel, die er
zur Zeit in Deutschland bekommt, auch in Marokko erhältlich sind, stellt sich so nicht,
weil sich die Schmerzenssymptomatik laut Arztbericht auch in Deutschland nur
geringgradig bessert. Im Übrigen ist dem Kläger unter den gegebenen Umständen jede
Anstrengung zuzumuten, gegebenenfalls mit Hilfe seiner in Deutschland leben-den
Eltern und fünf Geschwister schmerzlindernde Mittel oder Behandlungen zu erhalten.
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Die Ausweisung verstößt schließlich nicht gegen Artikel 8 EMRK, da dessen Absatz 2
Eingriffe in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens zulässt, soweit sie
gesetzlich vorgesehen sind und eine Maßnahme darstellen, die in einer demokratischen
Gesellschaft u. a. zur Verhinderung von strafbaren Handlungen oder zum Schutz der
Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dem illegalen Drogenhandel kommt bei
einer Intensität und Wiederholungsgefahr, wie sie vom Kläger ausgeht, ein solches
Gewicht zu, dass in seiner Ausweisung auch unter den Besonderheiten seines Falles
eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gesehen werden kann. Der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom 17. April 2003
(Yilmaz ./. Deutschland, Nr. 52853/99, Nr. 46) darauf hingewiesen, dass es sich bei
Betäubungsmitteldelikten um einen Bereich handelt, bei dem der Gerichtshof
Verständnis dafür hat, dass die Vertragsstaaten in Bezug auf diejenigen, die zur
Verbreitung dieser Plage beitragen, entschlossen durchgreifen. Danach weist der Fall
des Klägers auch keine Besonderheiten auf, die es unverhältnismäßig erscheinen
lassen, dass die Ausweisung - wie von ihm gerügt - zunächst unbefristet verfügt ist und
der Kläger zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf ein weiteres, von ihm zu
beantragendes Verfahren verwiesen wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG).
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Der heute 33 Jahre alte Kläger hat im Bundesgebiet eine gesicherte wirtschaftliche
Existenz nicht zu verlieren. Er ist, wie seine mangelhafte Berufsausbildung und sein
Straftatenkatalog seit 1992 bis 2004 zeigen, in Deutschland nur unzulänglich integriert.
Es ist ihm jede Anstrengung zuzumuten, sich gegebenenfalls mit Hilfe seiner Familie, zu
der er nach eigener Darstellung regen und intensiven Kontakt hält, in dem Land seiner
Staatsangehörigkeit ein neues Leben aufzubauen.
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Die Abschiebungsandrohung entspricht den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 58,
59 AufenthG. Unschädlich ist im Ergebnis, dass die Abschiebungsandrohung für den
Tag der Haftentlassung ohne eine Fristsetzung erfolgt ist. Zwar ist die in § 50 Abs. 5 des
bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Ausländergesetzes (AuslG) enthaltene
Regelung, nach der es in Haftfällen jedenfalls keiner Fristsetzung bedurfte, nicht in das
nunmehr geltende Aufenthaltsgesetz übernommen worden, so dass nach aktueller
Gesetzeslage auch in Haftfällen grundsätzlich die Abschiebung unter Bestimmung einer
Ausreisefrist angedroht werden soll, § 59 Abs. 1 AufenthG.
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Entgegen der Ansicht der Widerspruchsbehörde können die Zwecke der
Abschiebungsandrohung und auch der Fristsetzung, nämlich die
Vollstreckungsabwendung durch freiwillige Ausreise, die Abwicklung der persönlichen
Angelegenheiten und einen effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen sowie staatliches
Handeln vorhersehbar zu gestalten,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht (BverwG), Urteil vom 22. Dezember 1997 - 1 C 14.96 - ,
InfAuslR 1998, 217; OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2002 - 18 B 849/01 -; Funke-
Kaiser in GK - AufenthG, § 59 Rn. 23,
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- bis auf ersteren, auch bei einem inhaftierten Ausländer erreicht werden. Auch steht bei
einem inhaftierten Ausländer und der Überwachungsbedürftigkeit seiner Ausreise der
Setzung einer in die Haftzeit fallende Ausreisefrist grundsätzlich nichts entgegen,
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vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., § 59 Rn. 83.
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Gleichwohl hält die Kammer es in ihrer bisherigen Rechtsprechung für vertretbar, dass
die Ausländerbehörde in Haftfällen in Abweichung von der Soll-Regelung des § 59 Abs.
1 AufenthG von der Fristsetzung absieht und die Abschiebung für den (noch
unbestimmten) Tag der Haftentlassung ankündigt (vgl. auch Nr. 58.1.2.4 der Vorläufigen
Anwendungshinweise des BMI zum Aufenthaltsgesetz).
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Der Klageantrag zu 2. ist als Hauptantrag neben dem Anfechtungsantrag zu 1. mangels
Rechtsschutzinteresses unzulässig. Denn sollte die Ausweisung gemäß dem Antrag zu
1. aufgehoben werden, ist zugleich der Erlöschenstatbestand des § 51 Abs. 1 Nr. 5
AufenthG entfallen, so dass es einer Wiedererteilung der Niederlassungserlaubnis nicht
bedarf. Als Hilfsantrag ist er mangels Vorverfahrens unzulässig und wegen der Wirkung
der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG unbegründet.
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Der Festellungsantrag zu 3. ist neben dem Anfechtungsantrag zu 1. mangels Rechts-
schutzinteresses ebenfalls unzulässig. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte für den
Fall der Aufhebung der Ausweisung den Fortbestand der Niederlassungserlaub-nis in
Frage gestellt hätte.
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