Urteil des VG Gelsenkirchen vom 27.05.2003

VG Gelsenkirchen: numerus clausus, wartezeit, qualifikation, quote, anteil, verfügung, zahl, hochschulstudium, aufteilung, abschaffung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 6Z K 4720/02
Datum:
27.05.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6Z K 4720/02
Schlagworte:
Studienplatzvergabe, Auswahlsystem
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die am 00. N. 19** in C. geborene Klägerin erwarb am 22. Juni 2001 im Land Baden-
Württemberg an einem Abendgymnasium bzw. Kolleg die allgemeine
Hochschulzugangsberechtigung mit einer Durchschnittsnote von 2,2.
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Mit Wiederbewerbungsantrag vom 25. Juni 2002 bewarb sie sich bei der Beklagten zum
Wintersemester 2002/2003 um einen Studienplatz für Studienanfänger im Studiengang
Tiermedizin (01:54).
3
Durch Bescheid vom 06. September 2002 lehnte die Beklagte den Zulassungsantrag
ab. Bei der Ermittlung der Wartezeit wurden vier Halbjahre Wartezeitverbesserung
anerkannt.
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Am 26. September 2002 hat die Klägerin Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt sie vor, die Klage richte sich gegen das zum Wintersemester
2000/2001 eingeführte Vergabeverfahren, da es zu einer erheblichen Verschlechterung
der Zulassungsschancen bei der Wartezeit geführt habe. Die Herabsetzung der
Wartezeitquote auf 25% und die damit verbundene Verschlechterung der
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Zulassungssituation von Bewerbern ohne Spitzenzeugnisse sei verfassungswidrig,
denn sie führe bei Bewerbern ohne anzurechnende Wartezeiten unter den derzeitigen
Verhältnissen dazu, dass ein Studienbewerber etwa 11 bis 12 Jahre auf einen
Studienplatz warten müsse; auch sie selber müsse voraussichtlich noch fünf bis sechs
Jahre auf eine Zulassung im Wunschstudiengang warten. Nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts seien Hochschulzugangsberechtigungen grundsätzlich
gleich zu behandeln. Es bestehe aber keine Rechtfertigung dafür, insgesamt 75% der
Plätze nach der Rangfolge der Durchschnittsnote im Abiturzeugnis über die
Qualifikationsquote bzw. das Auswahlverfahren der Hochschulen zu vergeben und
Bewerber mit schlechteren Noten nur auf die Möglichkeit des jahrelangen - nutzlo-sen -
Wartens zu verweisen, zumal § 17 Abs. 4 VergabeVO n.F. fast alle Möglichkeiten zur
Wartezeitverbesserung ausschließe. Die Entwicklung der Zulassungszahlen mache
deutlich, dass sich die Zulassungschancen seit dem Wintersemester 1999/2000 von
1:3,2589 auf 1: 4,4569 verschlechtert hätten. Die tendenzielle Veränderung in der
Wartezeitquote sei dabei besonders gravierend (Verringerung der
Wartezeitstudienplätze um ca. 38%).
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 06. September 2002 zu
verpflichten, ihr einen Studienplatz im Studiengang Tiermedizin gemäß dem zum
Wintersemester 2002/2003 gestellten Zulassungsantrag zuzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, die Begrenzung der Wartezeitquote auf 25% der nach der
Wartezeit zu vergebenden Studienplätze sei verfassungskonform und stelle keine
Ungleichbehandlung der Bewerber dar. Neben den sonstigen Zulassungschancen
würde immerhin noch ein Viertel der Studienplätze nach der Wartezeit vergeben, so
dass jeder Studienbewerber in absehbarer Zeit mit dem Studium beginnen könne. Eine
Zeitspanne von vier Jahren, die der aktuellen Wartezeitgrenze von acht Halbjahren im
Studiengang Tiermedizin entspreche, sei kein unzumutbarer Zeitraum und könne
sinnvoll überbrückt werden, auch wenn nach dem 15. Januar 1998 begonnene
Ausbildungen nicht mehr zu einer Erhöhung der Wartezeit führen könnten. Im Übrigen
werde ein Teil der von den Hochschulen im Auswahlverfahren zu vergebenden
Studienplätze nicht nach dem Grad der Qualifikation zugeteilt und hätten die
Hochschulen die Möglichkeit, über die Auswahlmaßstäbe des § 18 Abs. 1 VergabeVO
selbst zu bestimmen. Verlässliche Prognosen, wie sich die Wartezeiten in Zukunft
entwickeln könnten, seien nicht möglich, da die Studienplatznachfrage von vielen
unterschiedlichen Faktoren (z.B. Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation,
Presseberichte, Berufsaussichten, Finanzierung des Studiums usw.) abhänge;
Änderungen im Bildungswesen könnten zudem Note oder Wartezeit beeinflussen. Eine
Auflistung der Auswahlergebnisse vom Wintersemester 1998/1999 bis zum
Wintersemester 2002/2003 mache deutlich, dass die Wartezeit im Hauptverfahren
immer zwischen sechs und acht Halbjahren geschwankt habe. Schließlich müsse
berücksichtigt werden, dass verfügbar gebliebene Studienplätze der Quote nach § 12
Abs. 3 Ziff. 3 VergabeVO im Nachrückverfahren wieder nach Wartezeit vergeben
werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie die von der Beklagten in Ablichtung übersandten
Bewerbungsunterlagen der Klägerin (Beiakte Heft 1), die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
12
Entscheidungsgründe:
13
Die zulässige Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -) ist nicht begründet; denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuteilung des
beantragten Studienplatzes im Studiengang Tiermedizin (01:54) nach den für das
Wintersemester 2002/2003 maßgeblichen Regeln und tatsächlichen Verhältnissen, so
dass sich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 6. September 2002 als
rechtmäßig erweist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO).
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Studienplätze für den Studiengang Tiermedizin werden gem. § 1 Abs. 1 Satz 4
Vergabeverordnung ZVS - VergabeVO - i.V.m. ihrer Anlage 1 in einem allgemeinen
Auswahlverfahren nach Maßgabe der §§ 9 ff. VergabeVO vergeben. Die Klägerin erfüllt
mit ihrer Abiturnote 2,2 und einer maßgeblichen Wartezeit von 6 Halbjahren auch nach
Abschluss aller Nachrückverfahren nicht die maßgeblichen Auswahlgrenzen. Diese
lagen für die Auswahl nach Qualifikation (vgl. § 12 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 14 VergabeVO)
im - günstigsten - letzten Nachrückverfahren für Bewerber mit einer
Hochschulzugangsberechtigung aus Baden-Württemberg bei einer Durchschnittsnote
von 2,0. Für die Auswahl nach Wartezeit (vgl. § 12 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 17 VergabeVO)
waren zuletzt mindestens 8 Halbjahre erforderlich. Sonderanträge auf
Nachteilsausgleich hat die Klägerin nicht gestellt.
15
Am Auswahlverfahren der Hochschulen (vgl. § 12 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1
VergabeVO) hat die Klägerin bereits im Verfahren für das Wintersemester 2001/2002
teilgenommen, ist aber nicht ausgewählt worden; nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 VergabeVO
konnte sie nicht erneut beteiligt werden, da lediglich eine einmalige Teilnahme an dem
Auswahlverfahren möglich ist.
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Dass die Klägerin die Auswahlgrenzen, die sich bei Anwendung der zum
Wintersemester 2002/2003 (ländereinheitlich) gültigen Verordnung über die Zentrale
Vergabe von Studienplätzen ergeben, nicht erfüllt, ist zwischen den Beteiligten
unstreitig. Die Klägerin ist aber der Auffassung, dass die zum Wintersemester
2000/2001 eingeführte Neuregelung des Vergaberechts, insbesondere die zu Lasten
der Wartezeitquote vorgenommene Quotierung, gegen Verfassungsrecht verstoße und
daraus die Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung zum Wunschstudium resultiere.
Dieser Auffassung vermag sich die Kammer nicht anzuschließen.
17
In diesem Zusammenhang kann zunächst dahinstehen, ob der Klägerin selbst bei
unterstellter Nichtigkeit der geltenden Auswahlkriterien überhaupt ein
Zulasungsanspruch erwachsen könnte. Es erscheint äußerst fraglich, ob das Gericht zu
einer eigenen Verwerfung der entsprechenden Vorschriften der Vergabeverordnung des
betreffenden Landes bzw. aller Länder befugt wäre und allein vor dem Hintergrund des
Art. 12 Abs. 1 GG dem Zulassungsbegehren entsprechen könnte. Auch eine
Aussetzung des Verfahrens gem. Art. 100 Abs. 1 GG im Hinblick auf Regelungen in der
Vergabeverordnung als untergesetzlicher Rechtsnorm dürfte ausscheiden, soweit nicht
zugleich die Wirksamkeit der entsprechenden Vorschriften des
18
Hochschulrahmengesetzes bzw. des Staatsvertrages angesprochen ist.
Vgl. dazu: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -,
Urteil vom 26. Februar 1993 - 13 A 617/92 -, NVwZ RR 1993, 485.
19
Die mit diesen Fragen verbundenen Probleme bedürfen hier keiner abschließenden
Entscheidung, da das im Wintersemester 2002/2003 gültige Auswahlsystem in seiner
Gesamtheit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.
20
Die Neufassung der VergabeVO geht auf das 4. Gesetz zur Änderung des
Hochschulrahmengesetzes - HRG - vom 20. August 1998 (vgl. Bekanntmachung der
Neufassung des HRG vom 19. Januar 1999 - BGBl. I, S. 18 -, hier geltend in der
Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung des HRG vom 16. Februar 2002 - BGBl. I, S.
693 -) zurück und den daraufhin von den Ländern am 24. Juni 1999 abgeschlossenen
Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen - StV -. Dagegen, dass diese
Rechtsgrundlagen formal wirksam in Kraft getreten sind und dass auch die VergabeVO
auf dieser Grundlage wirksam zustande gekommen ist, bestehen keine Bedenken und
sind solche klägerseitig auch nicht vorgetragen worden.
21
Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 11. Januar 2001 - 13 B 1727/00 -.
22
Die VergabeVO 2000 hat bis zum Wintersemester 2002/2003 fünf Änderungen erfahren
und ist zu diesem Semester neu bekannt gemacht worden (vgl. z.B. GVNRW, S. 188 ff. -
VergabeVO 2002 -).
23
§ 12 Abs. 3 VergabeVO bestimmt die Höhe der Hauptquoten (nach Abzug der
Vorabquoten) in Relation zueinander, wobei die Quotenverhältnisse nach der
VergabeVO 2000 55 (Qualifikation) zu 25 (Wartezeit) zu 20 (Auswahlverfahren der
Hochschulen) betrug und nach der VergabeVO 2002 51:25:24 beträgt, mithin der Anteil
für die nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 nach Wartezeit Auszuwählenden mit 25% unverändert
geblieben ist. Vor dem Wintersemester 2000/2001 und vor der Einführung des
Auswahlverfahrens der Hochschulen wurden dagegen in den Hauptquoten 60% der
Studienplätze nach dem Grad der Qualifikation und 40% nach Wartezeit vergeben.
24
Soweit die Klägerin in der ab Wintersemester 2000/2001 geltenden Aufteilung der nach
Vorwegabzug der Sonderquoten verbleibenden Zahl der Studienplätze mit 25 Anteilen
für die Auswahl nach Wartezeit einen Verstoß gegen ihr verfassungsrechtlich
geschütztes Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG sieht, ist dem nicht zu folgen. Zur
VergabeVO 2000 haben so bereits übereinstimmend die mit ZVS-Verfahren befassten
Kammern des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen
25
vgl. 4. Kammer, Beschluss vom 19. Oktober 2000 - 4 L 2061/00 -; 6. Kammer, Beschluss
vom 06. November 2001 - 6 L 1959/01 -; 12. Kammer, Beschluss vom 07. November
2001 - 12 L 2196/01 -
26
und das OVG NRW
27
vgl. Beschlüsse vom 11. Januar 2001 - 13 B 1692 bzw. 1727/00 - und Beschluss vom
03. Dezember 2001 - 13 B 1513/01 -
28
bei summarischer Prüfung im Eilverfahren entschieden und die Gewährung vorläufigen
29
Rechtsschutzes abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht hat am 18. Februar 2002 in
einem Verfassungsbeschwerdeverfahren - 1 BvR 13/02 - die Sache nicht zur
Entscheidung angenommen, da zunächst die Erschöpfung des Rechtsweges in der
Hauptsache geboten sei, in deren Rahmen die verfassungsrechtlichen Vorgaben im
Einzelnen zu prüfen seien. Auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hält die
Kammer die zum Wintersemester 2002/2003 geltenden Vergaberegelungen für
wirksam.
Zur Klarstellung weist sie vorab darauf hin, dass Gegenstand der Prüfung allein die für
den geltend gemachten Anspruch auf Zulassung zum Studium der Tiermedizin im
Wintersemester 2002/2003 maßgeblichen Rechtsgrundlagen und tatsächlichen
Verhältnisse sind und dass es nicht darum geht, zukünftige Rechtsentwicklungen zu
bewerten. Es ist auch nicht danach zu fragen, welche Vergabekriterien die Kammer für
die sinnvollsten hält, sondern allein danach, ob der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die
verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen seines Ermessens überschritten hat und
ob etwaige verfassungsrechtliche Bedenken für den konkreten Zulassungsanspruch von
Bedeutung sind, zumal die Kläger der in der Sitzung vom 27. Mai 2003 verhandelten
Sachen schon - z.T. bereits erhebliche - Wartezeiten angesammelt haben.
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Prinzipiell ist dem Normgeber im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung ein
Freiraum eingeräumt, der von der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit zu respektieren
ist. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG findet die gesetzgeberische
Freiheit ihre Grenze zunächst im Willkürverbot und im Verbot sachwidriger Erwägungen.
Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings darauf hingewiesen, dass die Problematik
bei der Studienplatzvergabe materiell-rechtlich dadurch gekennzeichnet ist, dass aus
einem Kreis prinzipiell gleichberechtigter hochschulreifer Anwärter auszuwählen ist, wer
durch Zulassung privilegiert und wer abgewiesen wird. Da die Auswahl ohnehin mit
einer Ungleichbehandlung an sich Gleichberechtigter verbunden ist, könne bei der
Auswahlregelung der Gestaltungsspielraum, den der Gleichheitsgrundsatz
normalerweise lässt, nicht mehr erheblich sein. Aus dem in Art. 12 Abs. 1 GG
gewährleisteten Recht auf freie Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte i.V.m. dem
allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip hat das
Bundesverfassungsgericht ein verfassungsmäßig gewährleistetes Recht des die
subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden Staatsbürgers auf Zulassung zum
Hochschulstudium hergeleitet. Dieses Recht stehe unter dem Vorbehalt des Möglichen,
sei auf gesetzlicher Grundlage regelbar und unter bestimmten Voraussetzungen
einschränkbar. Werde infolge eines Bewerberüberhangs eine Auswahl zwischen den
Bewerbern unerlässlich, so habe sich diese daran zu orientieren, dass für jeden
Zulassungsberechtigten zumindest eine Zulassungschance bestehen müsse. Für
definitive Auswahlentscheidungen in Numerus-clausus-Fächern mit hohem
Bewerberüberhang müsse daher verlangt werden, dass der Realisierungsgrad der
Zulassungschance durch objektiv sachgerechte und individuell zumutbare Kriterien
bestimmt, der prinzipielle Ausschluss ganzer Gruppen geeigneter Bewerber durch starre
Grenzziehungen verhindert und für angemessene Ausgleichsmöglichkeiten Sorge
getragen wird. Das prinzipielle Zulassungsrecht könne aber nicht so verstanden
werden, als müsse eine Zulassung zum Studium garantiert werden. Schon begrifflich
schließe die Einräumung von Chancen das Risiko des Fehlschlags ein.
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Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteile vom 18. Juli 1972 - 1 BvF 32/70 u.a. -,
BVerfGE 33, 303 ff., vom 8. Februar 1977 - 1 BvF 1/76 u.a. -, BVerFGE 43, 291 ff. und
vom 3. November 1981 - 1 BvR 632/80 u.a.-, BVerfGE 59, 1 ff.
32
Ausgehend von diesen Grundsätzen unterliegt die seit dem Wintersemester 2000/2001
geltende Beschränkung der Wartezeitquote auf 25% keinen durchgreifenden Bedenken.
Die prozentuale Aufteilung der Hauptquoten in § 12 Abs. 3 VergabeVO findet ihre
Rechtsgrundlagen in Art. 13 Abs. 1 StV und in § 32 Abs. 2 und 3 HRG. Beide Normen
setzen keine exakten Quoten fest, sondern bestimmen lediglich, dass die Studienplätze
- nach Abzug der Vorabquoten - „überwiegend" nach dem Grad der Qualifikation
vergeben werden; im übrigen erfolgt die Vergabe „überwiegend" nach Wartezeit und
„ansonsten" nach dem Ergebnis eines von den Hochschulen durchzuführenden
Auswahlverfahrens. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es, dass die Auswahl unter
den Bewerbern zunächst bevorzugt nach dem Grad der Eignung vorzunehmen ist, d.h.
mehr als 50% der zur Verfügung stehenden Studienplätze für diese Gruppe vorgesehen
ist. Bereits im ersten Numerus-clausus-Urteil vom 18. Juli 1972 hat das
Bundesverfassungsgericht die Durchschnittsnote als Qualifikationsmerkmal für zulässig
erachtet und es für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt, wenn die
Studienplatzvergabe überwiegend nach dem Grad der Qualifikation und der dadurch
zum Ausdruck kommenden Eignung erfolgt. Auch die dabei nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 1
Satz 5 StV (bzw. der entsprechenden Regelung im HRG) vorgesehene und in der
VergabeVO umgesetzte Bildung von Landesquoten lässt nach Auffassung des
Bundesverfassungsgerichts keinen Verfassungsverstoß erkennen.
33
Vgl. zweites Numerus-clausus-Urteil vom 8. Februar 1977, a.a.O.
34
Dass der Verordnungsgeber von der „Soll-Vorschrift" des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 zur
Gewichtung von Leistungen bzw. von der Möglichkeit der Gleichbehandlung geringfügig
abweichender Qualifikationsgrade in der VergabeVO keinen Gebrauch gemacht hat,
fällt nicht entscheidend ins Gewicht, zumal es sich nicht um zwingende Vorschriften
handelt und eine sachgerechte Gewichtung einzelner Leistungen kaum möglich ist.
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Vgl. Berlin in Bahro/Berlin, das Hochschulzulassungsrecht in der BRD, Kommentar, 4.
Aufl., Rdnr. 6 zu § 13 StV.
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Artikel 13 Abs. 1 Nr. 2a StV regelt in Übereinstimmung mit § 32 Abs. 3 Nr. 2a HRG die
Auswahl nach Wartezeit. Diese Vorschriften gewährleisten, dass der Anteil der
Wartezeitzulassung größer ist als der Anteil der Zulassung im Hochschulverfahren. Mit
ihnen ließen sich sogar Regelungen in der VergabeVO vereinbaren, die der früheren
Wartezeitquote von 40% entsprechen und deshalb nicht zwingend zu einer - nach
Klägermeinung verfassungsrechtlich zu beanstandenden - Verschlechterung in der
Wartezeitquote führen müssen. Richtig ist allerdings, dass das
Hochschulzulassungsrecht in § 32 Abs. 3 Nr. 2 b HRG und der entsprechenden
Umsetzung im neuen Staatsvertrag erstmals die Einzelheiten eines Auswahlverfahrens
der Hochschulen regelt und die dafür vorgesehene Quote zu Lasten der übrigen
Hauptquoten geht. Für den in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand, eine
solche - neue Quote - habe überhaupt nicht eingeführt werden dürfen, sind rechtliche
Grundlagen weder substantiiert vorgetragen worden noch ersichtlich. Mit dieser Quote
sollten die Hochschulen, deren Auswahlberechtigung erweitert werden sollte, künftig
stärker in die Bewerberauswahl einbezogen werden. Zugleich sollte durch die Quote die
Chancenoffenheit des Verfahrens für Bewerber erhöht werden, die bei der Auswahl
nach dem Grad der Qualifikation die Auswahlgrenzen nur knapp verfehlt haben.
Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen in den Numerus-clausus-Urteilen des
Bundesverfassungsgerichts kann es daher nicht als prinzipiell verfassungswidrig
37
angesehen werden, wenn der Gesetzgeber aus solchen sachgerechten Überlegungen
heraus zur Verbesserung der Chancenvielfalt das System verschiedener, sich
ergänzender Zulassungskriterien erweitert, das - da die Teilnehmerzahl vorrangig nach
dem Grad der Qualifikation begrenzt ist - zumindest einem Teil der Studienbewerber
eine zusätzlich Zulassungschance gewährt. Anhaltspunkte dafür, dass die rechtliche
Ausgestaltung der Vorschriften über das Hochschulverfahren gegen
verfassungsrechtliche Grundsätze verstößt, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Soweit in
diesem Zusammenhang gerügt wird, dass die Hochschulen von den ihnen gesetzlich
eingeräumten Auswahlmöglichkeiten nur unzureichend Gebrauch machen und zum
überwiegenden Teil die ZVS beauftragen, - ohne eine Differenzierung nach
Landesquoten - für sie eine Vergabe nach der Abiturnote durchzuführen, mag dies für
ein mangelndes Interesse bzw. fehlenden Bedarf oder fehlende Möglichkeiten der
Hochschulen sprechen. Die praktische Durchführung des Hochschulauswahlverfahrens
stellt aber nicht die grundsätzliche Zulässigkeit dieses Verfahrens und ihre rechtliche
Ausgestaltung, soweit sie den Rechtskreis der Beklagten betrifft, in Frage.
Kritisch Berlin, in Bahro/Berlin, a.a.O., Einleitung S. 38 und S. 45 und Rdnr. 25 ff. zu Art.
13 StV.
38
Das neu geregelte allgemeine Auswahlverfahren stellt auch für das Hochschulverfahren
einheitlich geltende Auswahlkriterien auf und entzieht nur einen Teil der Studienplätze
der Vergabekompetenz der ZVS, so dass es auch nicht zu einer Aushöhlung des vom
Bundesverfassungsgericht schon im ersten Numerus-clausus-Urteil geforderten
bundeseinheitlichen Auswahlverfahrens führt. Systematisch ist es dem besonderen
Auswahlverfahren (vgl. Art. 14 StV) nachgebildet, wobei das Feststellungsverfahren
entfällt und durch das Hochschulauswahlverfahren mit weiteren Auswahlelementen
ersetzt wird. Zu den vom Wintersemester 1986/1987 an eingeführten Auswahlgespräch
des besonderen Auswahlverfahrens haben Literatur und Rechtsprechung eingehend
Stellung genommen und im Ergebnis festgestellt, dass verfassungsrechtliche Bedenken
nicht zu erheben sind.
39
Vgl. Berlin in Bahro/Berlin, a.a.O., Rdnr. 57 zu Art. 14 StV, m.w.N.
40
Für das Auswahlverfahren der Hochschulen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 b StV gilt im
Ergebnis nichts anderes. Gerade bei der Einführung und Erprobung neuer
Auswahlsysteme hat das Bundesverfassungsgericht dem Normgeber in seiner
Gestaltungs-befugnis keine zu engen Grenzen gezogen. Von den vielfach geänderten
Auswahlsystemen, die immer wieder an geänderte Bewerbersituationen und neue
rechtliche Vorgaben angepasst wurden, ist weder in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts noch in der der Fachgerichte jemals eines insgesamt für
nichtig erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat sogar - unter bestimmten
Voraussetzungen - die völlige Abschaffung des Auswahlkriteriums Wartezeit zu
Gunsten anderer Quoten für verfassungsmäßig erachtet.
41
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 1981, a.a.O.
42
Das von der Klägerseite angegriffene Auswahlsystem führt weder zu einer völligen
Abschaffung der Wartezeitzulassung noch - durch die erst in den Vergabeverordnungen
verbindlich festgesetzten Quoten (25% für die Wartezeit) - zu einer verfassungsrechtlich
unzulässigen Minimierung der Zulassungschancen. Dass die Einführung einer neuen -
zusätzlichen - Hauptquote automatisch zu einer Reduzierung der Zulassungschancen in
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den anderen Hauptquoten führen muss, liegt auf der Hand, da es sich bei den einzelnen
Kontingenten sozusagen um „kommunizierende Röhren" handelt und die Gesamtzahl
der Studienplätze begrenzt ist. Die vom Normgeber vorgenommene Umschichtung der
Zulassungschancen belässt auch dem Altwarter seinen Anspruch auf Teilhabe an der
vorhandenen Ausbildungskapazität der Hochschulen im angestrebten Studiengang und
eine reelle Auswahlchance, die im Sinne der angeführten
bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ausreichend und zumutbar ist. Durch
die Abschichtung zu Gunsten der Hochschulauswahl und die damit verbundene
Verminderung der Zahl der in der Wartequote zur Verfügung stehenden Studienplätze
wird das Konkurrenzverhältnis zwar relativiert, aber nicht in einem verfassungsrechtlich
nicht mehr erträglichem Maß gravierend verschlechtert.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. Januar 2001, a.a.O.
44
Im zweiten Numerus-clausus-Urteil, in dem sich das Bundesverfassungsgericht
(ebenfalls) mit der Einführung eines neuen Auswahlverfahrens befasst hat, hat das
Gericht die Voraussetzungen eines chancengerechten Zulassungsverfahrens zum
damaligen Zeitpunkt in den sog. „harten" Numerus-clausus-Fächern - insbesondere den
medizinischen Studiengängen - nicht mehr als gegeben angesehen, weil die Zulassung
von ständig gestiegenen Anforderungen bei den Durchschnittsnoten im Bereich von 1,7
und bei den Wartezeiten im Bereich von 6 bzw. 7 Jahren (= 14 Halbjahren) abhing.
Selbst in einer solchen Situation und vor dem Hintergrund eines wesentlichen starreren
Auswahlverfahrens hat das Bundesverfassungsgericht daraus noch nicht die Nichtigkeit
des Auswahlsystems hergeleitet, sondern (lediglich) die Forderung nach einer
beschleunigten Verbesserung des Auswahlverfahrens gestellt. Das OVG NRW hat in
seinem Urteil vom 26. Februar 1993 (a.a.O.) ausgeführt, dass im Wintersemester
1992/1993 die Zahl der notwendigen Bewerbungssemester im Studiengang Tiermedizin
auf 11 angestiegen war, ohne dass von einem verfassungswidrigen Auswahlmodus die
Rede sein könne, wobei zu berücksichtigen ist, dass zu dieser Zeit nur Bewerbungen
zum Fachstudium gezählt wurden und erhebliche Bonierungsmöglichkeiten bestanden.
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Von einer derartigen Zulassungssituation sind die heutigen Verhältnisse (noch) deutlich
entfernt. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht
die unzumutbare Gesamtlage in den „harten" Numerus-clausus-Fächern im Blick hatte,
während es hier lediglich um den Studiengang Tiermedizin, also einen einzelnen und
den zugleich zahlenmäßig unbedeutendsten unter den medizinischen Studiengängen
geht. In den Studiengängen Human- und Zahnmedizin haben sich z.B. im
Wintersemester 2002/2003 wesentlich günstigere Wartezeitgrenzen als bei der
Tiermedizin ergeben. Auch die Zulassungssituation bei der Auswahl nach der
Qualifikation ist in allen medizinischen Studiengängen - trotz einer leichten
Verschlechterung der Auswahlgrenzen - mit den Verhältnissen, die das
Bundesverfassungsgericht zu bewerten hatte, nicht zu vergleichen. Richtig ist
allerdings, dass sich die Wartezeitauswahlgrenze seit der Einführung des
Hochschulauswahlverfahrens im Wintersemester 2000/2001 verschlechtert hat. Bis zum
Wintersemester 2002/2003 ist sie im Hauptverfahren von 7 Halbjahren (nachrangig:
Qualifikation 3,1) auf 8 Halbjahre (2,7) und im letzten Nachrückverfahren von 6
Halbjahren (2,5) auf 8 Halbjahre (3,0) gestiegen; immerhin reichte auch im hier zu
beurteilenden Vergabesemester eine Wartezeit von 4 Jahren bei einer mittelmäßigen
Abiturnote (ohne Dienst) zur Zulassung aus. Von einem „faktischen Studienausschluss"
im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bzw. von einer rapiden
Verschlechterung in diese Richtung kann unter diesen Umständen keine Rede sein;
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dies gilt umso mehr, als die Klägerin - u.a. durch Gutschrift - bereits 6 Halbjahre
Wartezeit angesammelt hat. Eine derartige Wartezeit hält sich im Rahmen des
Zumutbaren, zumal die Vergabeverordnung - im Gegensatz zu früher - auch noch
Bonierungsmöglichkeiten vorsieht. Zutreffend wendet Berlin
in Bahro/Berlin, a.a.O., Rdnr. 15 zu Art. 13 StV
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zwar ein, dass § 17 Abs. 4 VergabeVO lediglich noch eine Übergangsregelung enthält;
immerhin gewährt diese noch Bewerbern eine Wartezeitverbesserung, die nach Erwerb
ihrer Hochschulzugangsberechtigung vor dem 16. Januar 1998 eine Berufsausbildung
bzw. Berufstätigkeit aufgenommen haben. Auch der zweite Bildungsweg wird noch mit
Wartezeitgutschriften begünstigt. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass das
Auswahlverfahren der Hochschulen - als Ausgleich - gerade auch Bewerbern, die die
Qualifikationsgrenze knapp verfehlt haben, eine weitere Chance bietet und dass auch
die Nachteilsausgleichs- und Härtefallregelungen gegenüber dem starren
Auswahlsystem von früher weitere Möglichkeiten bieten.
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Für die Beurteilung der Frage, welche Dauer der Wartezeit im Rahmen des
verfassungsrechtlich Hinnehmbaren noch als zumutbar angesehen werden kann, hat
das Bundesverfassungsgericht in den Numerus-clausus-Urteilen als Maßstab u.a. auf
die normale Dauer eines Studiums abgestellt. Auch dieser Ansatzpunkt spricht gegen
die Klägerauffassung, da die Regelstudienzeit i.S.v. § 10 Abs. 2 HRG für das
Tiermedizinstudium (einschließlich Prüfungszeit) zur Zeit 5 Jahre und 6 Monate beträgt.
Auch sonst sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die eine Wartezeit von etwa 8
Halbjahren bzw. ein kurzfristig mögliches Ansteigen der Grenze auf 10 Halbjahre als
verfassungsrechtlich zu beanstanden erscheinen lassen. Dass der Verordnungsgeber
die weitere Entwicklung in der Wartezeitquote nicht aus den Augen lassen darf,
erscheint auch dem Gericht verfassungsrechtlich geboten. Soweit es tatsächlich - etwa
durch eine Verknappung des Studienplatzangebots (z.B. durch Veränderungen bei den
CNW-Werten) - zu verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Zuständen kommen
sollte, ist es seine Aufgabe, ggf. korrigierend einzugreifen. Zutreffend weist die Beklagte
darauf hin, dass dem Normgeber wegen der Komplexität der zu regelnden Sachverhalte
und wegen der Notwendigkeit, zunächst Erfahrungen mit der Veränderung von
Auswahlsystemen zu gewinnen und daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen, ein
entsprechender - auch zeitlicher - Gestaltungsrahmen zustehen muss, zumal zu
berücksichtigen ist, dass Prognosen für künftige Vergabeverfahren nur schwer möglich
sind, da die Studienplatznachfrage von vielen unterschiedlichen - und zum Teil nicht
konkret vorhersehbaren - Fakten abhängt, wie z.B. von der Situation auf dem
Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, Presseberichten, Berufsaussichten im angestrebten
akademischen Beruf, den Finanzierungsmöglichkeiten des Studiums usw.; weiterhin
können Änderungen im Bildungswesen Auswirkungen auf Note oder Wartezeit der
Abiturienten haben. Sogar die Zulassungssituation bei der ZVS selbst kann
Rückwirkungen auf das zukünftige Bewerberverhalten zeigen. So ist z.B. zu
berücksichtigen, dass sich gerade im Wintersemester 2002/2003 in einzelnen Fächern
eine außergewöhnlich ungünstige Relation zwischen Bewerberzahl und
Studienplatzangebot ergeben hat, da es nach den von der ZVS mitgeteilten Zahlen z.B.
seit 17 Jahren nicht mehr so viele Medizinbewerbungen wie in diesem Semester
gegeben hatte und etwa im Fach Psychologie ein absoluter Rekordstand erreicht wurde.
In den medizinischen Studiengängen bestand zwar das größte Missverhältnis zwischen
Angebot und Nachfrage im Fach Tiermedizin, in dem nur etwa jeder vierte Beweber
einen Studienplatz erhalten konnte; insgesamt war der Bewerberüberhang aber immer
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noch deutlich geringer als in dem Semester, dessen Vergabeverhältnisse Gegenstand
des zweiten Numerus-clausus-Urteils waren. Auch in den Wintersemestern 1986/87 und
1987/88 bestanden z.B. schon deutlich ungünstigere Relationen. Sicherlich bedarf die
Entwicklung einer längerfristigen Beobachtung; verfassungswidrig sind die
gegenwärtigen Verhältnisse auch unter Berücksichtigung des von den Beteiligten sonst
noch eingebrachten Zahlenmaterials indes noch nicht. Das aus dem Grundgesetz
abgeleitete Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium steht unter dem „Vorbehalt des
Möglichen" und gewährt nur das, was der Einzelne vernünftigerweise von der
Gesellschaft beanspruchen kann. Der Verfassungsauftrag verpflichtet den Normengeber
nicht, für jeden Bewerber zu jeder Zeit einen Studienplatz in dem von ihm gewünschten
Studiengang zur Verfügung zu stellen und auf diese Weise die aufwendigen
Investitionen im Hochschulbereich ausschließlich von der häufig wechselnden und
durch mannigfaltige Faktoren beeinflussbaren individuellen Nachfrage abhängig zu
machen, zumal sich Grundrechte - auch unter Berücksichtigung des
Sozialstaatsprinzips - nicht losgelöst von Funktionsfähigkeit und Gleichgewicht des
Ganzen verwirklichen lassen.
Dass die Neuregelung des Auswahlverfahrens schließlich auch nicht gegen das
Rückwirkungsverbot bzw. Vertrauensschutzgesichtspunkte verstößt, hat das OVG NRW
in seinen Beschlüssen vom 11. Januar 2001 bereits zutreffend ausgeführt.
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Vgl. OVG NRW, a.a.O.
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Die Ansammlung von Wartezeitsemestern bewirkt keine zu einer Zulassungsgarantie
erstarkte Anwartschaft. Da die Konkurrenzsituation der Wartezeitbewerber
untereinander sich in jedem Verfahren neu ergibt und von wechselnden Faktoren
abhängt, besteht lediglich eine Zulassungschance, die verfassungsrechtlich nicht
geschützt ist.
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Vgl. BVerfG, Urteil vom 3. November 1981 a.a.O.
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Besondere Übergangsmaßnahmen für Altwarter waren allein wegen der Verringerung
der Wartezeitquote nicht geboten.
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Auch unter dem Gesichtspunkt, dass nach Art. 9 Abs. 3 StV bzw. § 33 Abs. 1 HRG unter
bestimmten Voraussetzungen das allgemeine Auswahlverfahren durch ein besonderes
Auswahlverfahren ersetzt werden soll, wird nicht erkennbar, wie sich daraus ein
Anspruch auf Zulassung zum Wunschstudium ergeben könnte. Schon unter
kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten dürfte sich eine Berufung auf diese Vorschriften
verbieten, da die Zuordnung eines Studiengangs zu einer bestimmten Verfahrensart
eine normative Entscheidung der Länder im Rahmen deren normgeberischen
Entscheidungsspielraums ist, so dass die Verwaltungsgerichte wegen des
Gewaltenteilungsprinzips nicht berechtigt sind, normative Tätigkeit an Stelle eines
Landes oder aller Länder zu übernehmen.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Februar 1993, a.a.O.; Berlin in Bahro/Berlin, Rdnr. 20 zu
Art. 9 StV.
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Darüber hinaus besteht auch nach den sachlichen Voraussetzungen der genannten
Vorschriften kein Anspruch auf Ablösung des allgemeinen Auswahlverfahrens, nach § 9
Abs. 3 Satz 2 StV insbesondere nicht für einen einzelnen Studiengang. Abgesehen
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davon, dass es sich lediglich um eine Sollvorschrift handelt und es auch an der
Verfügbarkeit eines geeigneten Feststellungsverfahrens fehlt, soll das besondere
Auswahlverfahren nur in Studiengängen eingeführt werden, in denen sich unvertretbar
hohe Anforderungen an den Grad der Qualifikation ergeben. Dafür, dass sich in diesem
Sinne unzumutbare Notengrenzen ergeben hätten, ist nichts ersichtlich. Auch wenn man
mit Berlin
in Bahro/Berlin a.a.O., Rdnr. 12 zu Art. 9 StV
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davon ausgeht, dass die Anforderungen als unvertretbar hoch anzusehen sind, wenn
nur ein geringer Anteil der Bewerber diese erfüllt und die übrigen Bewerber auf eine
unzumutbar lange Wartezeit verwiesen werden, ergibt sich nichts anderes; insoweit
kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden Ausführungen zur
Zumutbarkeit der bestehenden Wartezeitgrenze Bezug genommen werden, die sich
ohne weiteres auf die hier gegebene Problematik übertragen lassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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