Urteil des VG Gelsenkirchen vom 27.08.2008

VG Gelsenkirchen: form, investitionsförderung, subvention, haushalt, erlass, familie, gesundheit, zivilprozessordnung, vollstreckbarkeit, ermessensspielraum

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 2111/06
Datum:
27.08.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2111/06
Schlagworte:
Investitionsprogramm, Anspruch auf das Erstellen eines
Investitionsprogramms
Normen:
KHG NRW a-F. § 21 Abs. 2
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages Sicherheit leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
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Mit Schreiben vom 18. Januar 2006 beantragte die Klägerin, die Baumaßnahme
„Neuordnung U+B-Trakt einschl. Intensivmedizin, Infektionsabteilung/Pflege" in das
Investitionsprogramm 2007 aufzunehmen. Nach der Umstrukturierung der Häuser in I.
und F. durch Feststellungsbescheid vom 15. September 2005 sei die Maßnahme
nunmehr dringlich zu fördern, da sie auf Platz 13 der Prioritätenliste für das
Investitionsprogramm 2006 nicht zum Zuge gekommen sei. Die förderfähigen Kosten
wurden mit ca. 5,5 Millionen Euro veranschlagt.
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Mit weiterem Schreiben vom 23. Januar 2006 beantragte die Klägerin, dieses Vorhaben
gemäß § 21 Abs. 1 des Krankenhausgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KHG
NRW) entsprechend seiner Dringlichkeit vorrangig für das Jahr 2006 zu fördern. Der
Antrag werde vorgelegt, obwohl die Maßnahme bisher nicht in das
Investitionsprogramm des Landes aufgenommen worden sei. Die Entscheidung, für
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2006 ein Investitionsprogramm nicht aufzustellen, sei unvereinbar mit § 6 Abs. 1 und §
20 KHG NRW.
Mit Schreiben vom 13. März 2006 teilte die Beklagte daraufhin mit, dass bekannterweise
für 2006 kein Investitionsprogramm aufgestellt worden sei. Deshalb werde die
Anmeldung vom 18. Januar 2006 als weiterhin gültig angesehen und in die Meldeliste
für das Investitionsprogramm 2007 übernommen. Weitere Ausführungen dazu wurden
mit Schreiben vom 23. März 2006 abgelehnt.
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Daraufhin hat die Klägerin am 19. Juli 2006 die vorliegende Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass der Umstand, dass für 2006 kein
Investitionsprogramm aufgestellt worden sei, nicht rechtfertige, ihren Förderantrag nicht
zu bescheiden. Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 KHG NRW sei zwar die Aufnahme in ein
Investitionsprogramm die Voraussetzung für eine Bewilligung von Fördermitteln; dies
gelte aber nicht, wenn das Ministerium seine Verpflichtung zur Aufstellung eines
Investitionsprogramms verletzt habe. Diese Verpflichtung folge aus Bundes- und
Landesrecht und sei verfassungsrechtlich geboten. Ob dabei ein Investitionsprogramm
jährlich oder für mehrere Jahre aufgestellt würde, sei nicht entscheidend; jedenfalls
müsste aber für jedes Jahr ein Investitionsprogramm aufgelegt werden. Diese
Verpflichtung stehe auch nicht unter dem Vorbehalt der Bewilligung von
Haushaltsmitteln; Entscheidungsspielraum stehe dem Land nur hinsichtlich der Höhe
der Förderung zu. Diese rechtliche Verpflichtung könne auch nicht unter Hinweis auf die
einschlägigen Verwaltungsvorschriften negiert werden.
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Ihr Anspruch sei auch nicht dadurch gegenstandslos geworden, dass ab 2008 das
Krankenhausgestaltungsgesetz die Krankenhausförderung auf ein Pauschalsystem
umgestellt habe; denn bei Klagen wegen einer Subvention sei die Sach- und
Rechtslage in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem über den Zuwendungsantrag zu
entscheiden gewesen sei.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. März 2006 zu verpflichten,
ihren Antrag vom 23. Januar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht
neu zu bescheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie zusammengefasst vor, dass nach neuem Recht die Förderung
einer konkreten Baumaßnahme nicht mehr vorgesehen sei, vielmehr pauschale
Fördermittel zugewiesen würden. Des Weiteren habe auch nach altem Recht kein
Anspruch auf Förderung bestanden, da für das Jahr 2006 ein Investitionsprogramm nicht
aufgestellt worden sei und somit die auch nach den Verwaltungsvorschriften
erforderlichen Voraussetzungen für eine Förderung nicht erfüllt seien; ein
bescheidungsreifer Antrag habe deshalb nicht vorgelegen. Letztlich ergebe sich weder
aus Bundes- noch aus Landesrecht eine Verpflichtung, jährlich oder für alle
Haushaltsjahre ein Investitionsprogramm aufzustellen.
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Wie für das Jahr 2006 sei auch für das Jahr 2007 kein Investitionsprogramm aufgestellt
worden, weil die Vorbelastungen durch alte Zuwendungsbescheide inzwischen
mehrere Hundert Millionen Euro betragen und damit das jährliche Bewilligungsvolumen
der Haushaltsansätze weit überschritten hätten. Deshalb seien die jährlich geplanten
Fördersummen von ca. 170 Mio. EUR in den Jahren 2004 bis 2006 um ca. 160 Mio.
EUR aufgestockt und die Förderung ab dem Jahr 2008 umgestellt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen; diese sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Verpflichtungsklage (§ 42 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) in Form der
Bescheidungsklage ist zulässig, obwohl kein Widerspruchsverfahren gemäß §§ 68 ff.
VwGO vor Erhebung der Klage durchgeführt worden ist. Das Vorverfahren ist hier
ausnahmsweise entbehrlich, weil die Parteien bis zu einem anderslautenden Hinweis
der Kammer in der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen sind, dass bisher
keinerlei Bescheidung des klägerischen Antrages vorgelegen hat, namentlich das
Schreiben der Beklagten vom 13. März 2006 nicht als Verwaltungsakt anzusehen ist.
Danach war kein Anlass für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegeben.
Vielmehr konnte die Klägerin im Juli 2006 wegen der aus Sicht der Parteien
unterbliebenen Bescheidung ihres Antrages im Wege der Untätigkeitsklage gemäß § 75
VwGO vorgehen.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 13. März 2006 ist
rechtmäßig und verletzt deshalb die Klägerin nicht in ihren Rechten; einen Anspruch auf
Neubescheidung hat sie deshalb nicht (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Rechtsgrundlage dieser Entscheidung sind dabei die Vorschriften des zum 29.
Dezember 2007 außer Kraft getretenen KHG NRW. Denn bei der hier streitigen
Subventionierung kommt es auf die Sach- und Rechtslage des (Haushalts-) Jahres an,
in dem bzw. für das die Subvention beantragt worden war, weil der von der Klägerin
nicht zu vertretende Zeitablauf bis zu einer endgültigen Entscheidung über ihren Antrag
ihrem möglichen Anspruch nicht entgegengehalten werden kann.
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Vgl. dazu: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
Urteil vom 30.08.1993 - 13 A 2834/92 -
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Auf der Grundlage dieses Rechts (§§ 20, 21 Abs. 1 Nr. 1 KHG NRW) war die Ablehnung
der beantragten Förderung rechtmäßig, so dass auch kein Anspruch auf (Neu-)
Bescheidung ersichtlich ist. Dies ergibt sich aus Folgendem:
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Gemäß § 6 Abs. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes des Bundes (KHG) stellen
die Länder u.a. zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser Krankenhauspläne
und Investitionsprogramme auf, wobei gemäß Abs. 4 das Nähere durch Landesgesetz
bestimmt wird. Weiterhin haben die Krankenhäuser gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KHG
Anspruch auf Förderung, soweit und solange sie in den Krankenhausplan eines Landes
- da diese Voraussetzung erfüllt ist, wird darauf im Folgenden nicht weiter eingegangen
- und bei den hier einschlägigen Investitionen in ein Investitionsprogramm
aufgenommen worden sind. Dabei besteht kein Anspruch auf Feststellung der
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Aufnahme in das Investitionsprogramm gemäß Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift.
Landesrechtlich regelte § 20 KHG NRW ergänzend, dass zur Förderung des
Krankenhausbaus das zuständige Ministerium auf der Grundlage des
Krankenhausplans ein Investitionsprogramm gemäß § 6 und § 8 KHG aufstellte (Satz 1),
in dem die vorgesehene Verwendung der in dem betreffenden Haushaltsjahr zur
Verfügung stehenden Fördermittel für die hier streitigen Baumaßnahmen dargestellt
wurde (Satz 2). Ein Rechtsanspruch auf Förderung entstand erst mit der schriftlichen
Bewilligung der Fördermittel (Satz 4). Das Weitere zu Form und Verfahren der
Investitionsförderung war in Teil III der Verwaltungsvorschriften zum KHG NRW
(Runderlass des Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie vom
04.11.2004, geändert durch Erlass vom 13.04.05) geregelt.
Bei dieser Rechtslage bestand für die Klägerin aus Bundes- oder Landesrecht weder
ein Anspruch auf Erstellung eines Investitionsprogramms noch auf die beantragte
Förderung der Einzelmaßnahme. Das Investitionsprogramm ist gemäß ständiger
Rechtsprechung
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OVG NRW, Urteil vom 30.08.1993 - 13 A 2834/92 -
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und Kommentierung
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Pant/Prütting, Krankenhausgesetz Nordrhein-Westfalen, 2.°Aufl., § 20 Anm. 9
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(lediglich) ein Verwaltungsinternum zur Darstellung landespolitischer Zielvorstellungen
ohne unmittelbare Außenwirkung. Aus ihm können deshalb auch von den
Krankenhausträgern keine unmittelbaren oder mittelbaren Rechte weder auf Aufnahme
in ein konkretes Investitionsprogramm noch gar auf eine konkrete Förderung hergeleitet
werden. Gemäß § 20 Satz 1 KHG NRW dürfte zwar das Ministerium formal rechtlich
verpflichtet gewesen sein, ein Investitionsprogramm aufzustellen. Weitergehende
Folgerungen zu Gunsten der Klägerin sind daraus aber mangels Betroffenheit
subjektiver Rechte zunächst nicht abzuleiten.
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Unabhängig davon ist die hier getroffene Entscheidung des Ministeriums, durch den
Haushalt zugewiesene Mittel in einem oder mehreren Haushaltsjahren nicht für
Neuanträge, sondern ausschließlich für Vorhaben zu verwenden, die schon in früheren
Jahren bewilligt waren, nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. Dies folgt
aus dem weiten Ermessensspielraum des Ministeriums im Rahmen der
Krankenhausplanung, der seine Grenzen in der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz
der Krankenhäuser findet (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG) und innerhalb dieser Grenzen
grundsätzlich jede planerische Entscheidung zulässt.
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Eine Förderentscheidung zugunsten ausschließlich bereits bewilligter Vorhaben wäre
danach innerhalb eines formell ordnungsgemäß aufgestellten Investitionsprogramm
möglich gewesen; sie ist für die Jahre 2006 und 2007 aber jedenfalls inhaltlich
(materiell) so getroffen worden. Dies ergibt sich in hinreichendem Maße aus den von der
Beklagten vorgelegten Stellungnahmen des zuständigen Ministers und der Information
des Ministeriums aus August 2007 „Umstellung der Krankenhausinvestitionsförderung"
(Bl. 53 ff. der Gerichtsakte). Da deshalb das gesamte durch den Haushalt zur
Krankenhausförderung bewilligte Geld (offenbar mehr als in den Vorjahren) in die
Abarbeitung schon bewilligter Vorhaben geflossen ist, bedurfte es aus tatsächlichen
Gründen auch keiner (formellen) Aufstellung eines Investitionsprogramms, um aus den
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von den Bezirksregierungen vorgeschlagenen Antragsvorhaben die konkret zu
fördernden auszuwählen. Ein Ermessen, welches Vorhaben als Neuantrag förderfähig
sein könnte, war danach nicht eröffnet, da nur schon genehmigte Vorhaben
weitergefördert werden sollten. Die Ablehnung des Neuantrages der Klägerin ist
dementsprechend zwangsläufig Folge der vom Ministerium getroffenen Entscheidung,
so dass ein Anspruch auf Neubescheidung nicht besteht.
Nach alledem kommt es auf die weiter von den Parteien kontrovers erörterten Fragen,
ob ein Investitionsprogramm jährlich oder mehrjährig, aber jedenfalls jedes Jahr
betreffend aufzustellen war, und dass die formalen Voraussetzungen für eine Förderung
nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften nicht eingehalten werden konnten,
nicht an.
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Der dargelegte Grenzfall der wirtschaftlichen Existenzsicherung (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr.
19a GG, § 1 KHG), der eine Verpflichtung zur Bewilligung des klägerischen Vorhabens -
auch unabhängig von einem Investitionsprogramm - begründet hätte, liegt hier
erkennbar nicht vor. Davon gehen beide Parteien übereinstimmend aus. Der
Versorgungsauftrag der Klägerin ist derzeit nicht wesentlich eingeschränkt, vielmehr
kann sie - wie bisher - diesem grundsätzlich nachkommen; dies folgt bereits daraus,
dass auch bisher schon wegen der begrenzten Haushaltsmittel (auch von der Klägerin
gestellte) Förderanträge immer wieder auf folgende Jahre verschoben wurden, wenn sie
bei der (rechtmäßigen) Ermessensauswahl innerhalb der zum Investitionsprogramm
angemeldeten Vorhaben nicht zum Zuge kamen, ohne dass damit die Grenzen
verfassungsrechtlich gebotener Subventionierung überschritten worden waren.
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Letztlich wird angemerkt, dass auch bei Anwendung des nunmehr geltenden
Krankenhausgestaltungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember
2007 (KHGG NRW) die Klage keinen Erfolg haben könnte. Denn danach erfolgt die
Investitionsförderung nicht mehr für Einzelprojekte, sondern durch eine Baupauschale (§
18 Abs. 1 Nr. 1 KHGG NRW). Deshalb kann auch daraus ein Anspruch auf Förderung
oder auch nur Bescheidung der hier streitigen Einzelmaßnahme nicht (mehr) bestehen.
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Die Klage ist somit abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1
VwGO, die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung. Die Berufung ist zuzulassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche
Fragen des Krankenhausförderungsrechts aufweist, zu denen eine obergerichtliche
Entscheidung ermöglicht werden soll.
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