Urteil des VG Gelsenkirchen vom 25.11.2003

VG Gelsenkirchen: anspruch auf bewilligung, geschäftsführer, gesellschaft, notlage, vermieter, wohnung, minderung, kontrolle, inflation, offenkundig

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 3 L 2767/03
Datum:
25.11.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 L 2767/03
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des
Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
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Der Antrag,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig ab
dem 30. Oktober 2003 bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung dem
Antragsteller laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 80% des Regelsatzes zu
gewähren sowie die mtl. Miete von 250,00 Euro, die Heizkosten nach jeweils mtl.
Abrechnungserstellung und den Rückstand aus Miet- und Heizkostenforderung für die
Zeit vom 01.01.2003 bis 01.10.2003 in Höhe von 6.176,78 Euro (incl. der Miete für
Oktober 2003 ohne Heizkosten und Nebenabgaben) unter Berücksichtigung des
Erwerbseinkommens von mtl. 200,00 Euro und der Witwerrente von mtl. 35,33 Euro zu
übernehmen,
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ist nicht begründet.
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Gemäß § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - sind einstweilige
Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden
Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden und drohende Gewalt zu
verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Danach setzt der Erlass einer
einstweiligen Anordnung voraus, dass der geltend gemachte Hilfeanspruch
(Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen
Antragsteller glaubhaft gemacht werden (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2,
294 ZPO).
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Vorliegend bestehen schon erhebliche Zweifel an einem Anordnungsgrund.
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Der Antragsteller hat nach eigenen Angaben ein monatliches Einkommen in Höhe von
235,33 EUR. Der geltend gemachte Anspruch auf 80% der Regelsatzleistungen würde
auf monatliche Leistungen in Höhe von 236,80 EUR abzüglich des vorgenannten
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Einkommens gerichtet sein, also im Ergebnis auf monatliche Leistungen in Höhe von
1,47 EUR. Dass der Antragsteller auf einem derart geringfügigen Betrag zwingend
angewiesen ist, ist nicht hinreichend wahrscheinlich.
Dabei geht die Kammer davon aus, dass die „Wohnung" des Antragstellers nicht
gefährdet ist. Vermieter der Wohnung ist die M. -Laden N. -W. M1. GmbH, deren einziger
Vertreter der Antragsteller als alleiniger Geschäftsführer ist und der zudem noch von den
Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Es spricht nichts dafür, dass der Vermieter
auch nur ansatzweise beabsichtigt, das Mietverhältnis wegen der angeblich im Rahmen
dieses Vertrages aufgelaufenen „Rückstände" in Höhe von 6.176,78 EUR zu beenden.
Das gilt unabhängig von der Feststellung, dass die Höhe dieser Forderung nicht
nachvollziehbar belegt ist.
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Im Übrigen hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
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Hilfe zum Lebensunterhalt ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes
- BSHG - dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht
ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und
Vermögen, beschaffen kann, denn das Nichtvorhandensein eigener Mittel ist (negatives)
Tatbestandsmerkmal für den Anspruch auf Bewilligung von Sozialhilfeleistungen. Die
Nichtaufklärbarkeit dieses anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmals geht zu Last
desjenigen, der das Bestehen des Anspruchs behauptet. Dies ist der Hilfebedürftige.
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Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Antragstellers nicht gerecht.
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Das Gericht verweist insoweit, um Wiederholungen zu vermeiden, auf den Vermerk der
Fachverwaltung des Antragsgegners vom 06. November 2003.
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Im Übrigen ist noch festzuhalten:
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Es kann vorliegend dahinstehen, ob der Antragsteller gehindert ist, nachvollziehbare
Angaben zur wirtschaftlichen Lage der von ihm vertretenen GmbH zu machen. Dass
deren Geschäftstätigkeit jedenfalls nicht nachvollziehbar ist und es damit auch an einer
überprüfbaren Grundlage für die Bewertung der Tätigkeit des Antragstellers als
Geschäftsführer fehlt, ist offenkundig. Zumindest dazu ist der Antragsteller zweifelsfrei in
der Lage. Das gilt umso mehr, als der Antragsteller sich aufgrund seiner Stellung als
Geschäftsführer tatsächlich wie ein Unternehmensinhaber verhalten kann und deshalb
faktisch alle Ressourcen der GmbH praktisch ohne Kontrolle für sich nutzen kann. Dass
an die Annahme einer existenzbedrohenden Notlage dann verschärfte Anforderungen
an deren Nachweis zu stellen sind, versteht sich angesichts des möglichen Rückgriffs
auf Mittel der Gesellschaft von selbst. Das gilt erst recht, wenn man die Angaben des
Antragstellers zu seinen „Mietrückständen" bedenkt, die der Sache nach einem Zugriff
auf Mittel der Gesellschaft nahelegen. Völlig zu Recht verlangt der Antragsgegner in
dieser Situation einen nachvollziehbaren und von den Mitteln der Gesellschaft klar und
zuverlässig abgegrenzten Nachweis der tatsächlichen Einkunfts- und
Vermögensverhältnisse. Dass dieser bisher nicht vorliegt, ergibt sich schon aus den
nicht nachvollziehbaren Angaben zur Tätigkeit des Antragstellers als Geschäftsführer
und zu den Grundlagen für die Reduzierung des Gehalts. Nach dem Arbeitsvertrag von
1991 sollte der Antragsteller für wöchentlich 20 Stunden mit monatlich 980,-- DM
Bruttogehalt entlohnt werden. Warum deshalb trotz der Inflation seither für 35 Stunden
Wochenarbeitszeit monatlich 500 EUR bis Dezember 2002 angemessen waren und ab
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Januar 2003 die Arbeitszeit auf 14 Stunden reduziert wurde (bei gleichzeitiger
Minderung des Lohns auf 200 EUR), bedarf der Aufklärung. Letztlich ist darauf
hinzuweisen, dass sämtliche bisherigen Angaben zur wirtschaftlichen Lage des
Antragstellers von diesem selbst gefertigt sind. Dass dieser Umstand zu erhöhten
Anforderungen an die Glaubhaftigkeit des Vortrags führt, bedarf keiner vertieften
Begründung. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller bisher nicht
einmal Unterlagen über das von ihm angegebene Konto bei der Commerzbank
vorgelegt hat. Eine glaubhafte Darstellung der Vermögensverhältnisse setzt aber
zumindest voraus, dass nachvollziehbare Unterlagen über die wirtschaftlichen
Verhältnisse vor Eintritt der geltend gemachten Notlage zugänglich gemacht werden,
um tragfähig deren Entstehen nachzeichnen zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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