Urteil des VG Gelsenkirchen vom 25.07.2001

VG Gelsenkirchen: fahrzeug, öffentliche sicherheit, abschleppen, verwaltungsgebühr, behinderung, gefahr, vwvg, kollision, verkehr, halter

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 230/01
Datum:
25.07.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
17 Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 K 230/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung in
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juni 2000 stand das Fahrzeug des Klägers, ein
Geländewagen der Marke E. -C. , amtliches Kennzeichen , am rechten Straßenrand der
C1. T. in F. in Höhe des Hauses Nr. . Die C1. T. wird von Straßenbahnen der F1.
Verkehrs-AG befahren. Die Schienen liegen in der Straßenmitte ohne besonderen
Bahnkörper. Um 0.21 Uhr passierte eine Straßenbahn der Linie 107 das Fahrzeug des
Klägers; hierdurch wurde der Außenspiegel des klägerischen Fahrzeuges nach
Angaben des Beklagten beschädigt, nach Angaben des Klägers vom Fahrzeug
abgerissen.
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Die zur Unfallaufnahme herbeigerufenen Bediensteten des Beklagten veranlassten um
0.30 Uhr, dass das Fahrzeug des Klägers durch den Abschleppdienst I. N. im
Sichtbereich versetzt wurde.
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Für das Abschleppen des Fahrzeuges stellte das Abschleppunternehmen dem
Beklagten 139,20 DM in Rechnung, die sich aus 90,00 DM Abschleppkosten, einem
Spätzuschlag von 30,00 DM und 19,20 DM Umsatzsteuer zusammensetzten.
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Der Beklagte nahm den Kläger durch Leistungs- und Gebührenbescheid vom 4. Juli
2000, zugestellt am 24. Juli 2000, auf Erstattung der durch die Beauftragung des
Abschleppunternehmens entstandenen Kosten in Höhe von 139,20 DM und Zahlung
einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 75,00 DM, insgesamt 214,20 DM in Anspruch.
Zur Begründung führte er aus, das Fahrzeug des Klägers sei verkehrswidrig abgestellt
gewesen. Daher sei es versetzt worden. Der Kläger unterliege als Halter des
Fahrzeuges der Zustandshaftung gemäß § 5 Abs. 2 des Polizeigesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen - PolG NRW -, so dass er zur Erstattung der entstandenen Kosten
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verpflichtet sei, ohne dass es auf sein Verschulden ankomme. Die Verwaltungsgebühr
beruhe auf § 7a Abs. 1 und 2 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz
- KostO NRW -.
Hiergegen erhob der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 26. Juli 2000
Widerspruch, zu dessen Begründung er geltend machte, sein Fahrzeug sei nicht
verkehrswidrig, sondern ordnungsgemäß am rechten Straßenrand geparkt gewesen. Es
habe sich in einer geschlossenen Reihe am rechten Straßenrand geparkter Fahrzeuge
befunden, als es zur Kollision mit der Straßenbahn gekommen sei, deren Fahrer
offensichtlich seine Fahrzeugbreite unterschätzt habe. Nach dem Abreißen des
Spiegels habe keinerlei Gefahr mehr für den nachfolgenden Verkehr, insbesondere den
Straßenbahnverkehr, bestanden, so dass der Beklagte keine Veranlassung gehabt
habe, das Fahrzeug zu versetzen.
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Der Beklagte holte daraufhin eine dienstliche Äußerung des Bediensteten ein, der die
Versetzungsmaßnahme veranlasst hatte. Dieser nahm am 30. Juli 2000 wie folgt
Stellung: Wenn das Fahrzeug ordnungsgemäß am rechten Fahrbahnrand geparkt
gewesen wäre, hätte es nicht zu einer Kollision mit der Straßenbahn kommen können.
Durch die Kollision sei der linke Außenspiegel des Pkw nach vorne zur Fahrzeugseite
gedrückt worden. Es treffe nicht zu, dass der Außenspiegel - wie der Kläger vortragen
lasse - komplett abgerissen worden sei; lediglich die hintere Verkleidung sowie das
Glas seien abgefallen. Ferner treffe es nicht zu, dass sich lediglich die beiden
Außenspiegel berührt hätten, dies scheide schon aufgrund der unterschiedlichen
Anbringungshöhe aus. Ein Versuch, den Halter telefonisch zu erreichen, habe keinen
Erfolg gehabt.
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Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 1. September 2000 mit,
dass er dem Widerspruch nicht abhelfe. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten
vom 23. Oktober 2000 teilte der Kläger mit, er halte den Widerspruch aufrecht. Er
benannte Zeugen dafür, dass sich das Fahrzeug mit beiden rechten Rädern unmittelbar
am Bürgersteig befunden habe. Im übrigen habe die F1. Verkehrs-AG seinen Schaden
zu 75 % reguliert. Die C2. E1. wies den Widerspruch durch Bescheid vom 12. Dezember
2000, zugestellt am 15. Dezember 2000, zurück: Das Fahrzeug des Klägers sei nicht
ordnungsgemäß abgestellt gewesen und habe eine konkrete Behinderung dargestellt.
Der Kläger habe damit gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, wonach sich jeder
Verkehrsteilnehmer so zu verhalten habe, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder
mehr als nach den Umständen vermeidbar behindert oder belästigt werde. Dieser
Verstoß habe zugleich eine Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 des
Straßenverkehrsgesetzes - StVG - und eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne
der §§ 1, 8 Abs. 1 PolG NRW dargestellt. Die Störung sei auch gegenwärtig gewesen,
da die Verletzung der Rechtsordnung bereits eingetreten gewesen sei und noch
angedauert habe, als der Beklagte eingeschritten sei. Der Beklagte sei daher berechtigt
gewesen, den Pkw des Klägers im Wege der Ersatzvornahme versetzen zu lassen.
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Der Kläger hat am 15. Januar 2001 Klage erhoben. Er vertieft sein Vorbringen aus dem
Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, sein Fahrzeug verfüge zwar über eine
Pkw-Zulassung, sei jedoch mit Lkw-ähnlichen Außenspiegeln versehen, die circa 40 cm
von der äußersten Fahrzeugkante abstünden. Unter Berücksichtigung einer Ausladung
des Seitenspiegels der Straßenbahn von etwa 50 cm habe damit sein Fahrzeug
mindestens 90 cm von der Straßenbahnführung entfernt gestanden, so dass für jeden
erkennbar gewesen sei, dass Kollisionen mit nachfolgenden Straßenbahnen
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ausgeschlossen gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
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den Leistungs- und Gebührenbescheid des Beklagten vom 4. Juli 2000 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides der C2. E1. vom 12. Dezember 2000 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor, ein Weiterfahren der Straßenbahn sei nur unter Hinzufügung von weiteren
Sachschäden an Fahrzeug und Straßenbahn möglich gewesen. Da zwischenzeitlich
eine weitere Straßenbahn eingetroffen sei, die aufgrund des Unfalls ihre Fahrt nicht
habe fortsetzen können, sei die Abschleppmaßnahme zur Wiederherstellung eines
ordnungsgemäßen Zustandes erforderlich gewesen.
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Der Beklagte legt außerdem eine Übersicht über die seinerzeit von ihm bei
Abschleppmaßnahmen erhobenen, nach drei Fallgruppen gestaffelten
Verwaltungsgebühren vor.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als
Einzelrichterin einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der von dem Beklagten und der Widerspruchsbehörde vorgelegten
Verwaltungsvorgänge und der beigezogenen Bußgeldakte der Stadt F. Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 87a Abs. 2
und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - durch die Berichterstatterin als
Einzelrichterin entscheiden.
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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber nicht begründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2000 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der C2. E1. vom 12. Dezember 2000 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die in dem Bescheid enthaltene Aufforderung des Beklagten an den Kläger, die durch
das Abschleppen entstandenen Auslagen in Höhe von 139,20 DM zu erstatten, findet
ihre Rechtsgrundlage in § 77 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das
Land Nordrhein-Westfalen - VwVG NRW - und § 11 Abs. 2 Nr. 7 KostO NRW i.V.m. §§
8, 50 Abs. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1, 52 PolG NRW; der Beklagte hat die in Rede stehende
Versetzungsmaßnahme zu Recht als Ersatzvornahme eingeordnet.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss
vom 4. August 1999 - 5 A 1321/97 -, NJW 2000, 602.
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Die in § 8 Abs. 1 PolG NRW als Voraussetzung für ein polizeiliches Einschreiten
geforderte Gefahr für die öffentliche Sicherheit lag im Zeitpunkt des Einschreitens des
Bediensteten des Beklagten vor. Denn das Fahrzeug des Klägers war - ohne dass es
hierzu der Erhebung der vom Kläger angebotenen Beweise bedürfte - unter Verstoß
gegen § 12 Abs. 4 Satz 5 der Straßenverkehrsordnung - StVO - im Fahrraum von
Schienenfahrzeugen abgestellt. Nach dieser Vorschrift darf im Fahrraum von
Schienenfahrzeugen nicht gehalten werden. Das Wort „Fahrraum" bringt hierbei zum
Ausdruck, dass sich das Verbot nicht nur auf den eigentlichen Gleisbereich erstreckt,
sondern auch auf den Raum daneben, soweit er von der Bahn benötigt wird. Der Bahn
muss genügend lichter Raum zur Durchfahrt bleiben.
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Vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage 2001, § 12 StVO Rdnr. 37 d.
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Dies war im vorliegenden Fall auch dann nicht gegeben, wenn man den Vortrag des
Klägers zugrundelegt, wonach sich nur die jeweiligen Spiegel der an dem Unfall
beteiligten Fahrzeuge berührt hätten. Denn auch der für die Außenspiegel der
Straßenbahn benötigte Raum zählt nach dem erkennbaren Wortsinn, vor allem aber
nach dem Zweck der Regelung zu dem Fahrraum im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 5
StVO. Dies verkennen der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter, wenn in der
mündlichen Verhandlung ausdrücklich vorgetragen wurde, der Straßenbahnfahrer habe
anhalten und seinen Spiegel einklappen müssen. Der Vortrag des Klägers, sein
Fahrzeug sei ordnungsgemäß geparkt gewesen, beruht mithin lediglich auf einer
fehlerhaften rechtlichen Würdigung. Denn bereits die unstreitige Tatsache, dass die
vorbeifahrende Straßenbahn ohne zu entgleisen den Außenspiegel des Fahrzeugs des
Klägers berührte, zeigt, dass zumindest der Außenspiegel in den Fahrraum der
Straßenbahn hineinragte, so dass dieser nicht genügend freier Raum zur Durchfahrt
blieb. Dabei ist es unerheblich, ob das Fahrzeug, wie der Kläger behauptet, mit den
rechten Reifen unmittelbar an der Bordsteinkante oder, wie die von dem
eingeschrittenen Polizeibeamten am Unfalltag gefertigte Skizze nahelegt, leicht schräg
abgestellt war. Denn auch wenn das Fahrzeug gerade gestanden haben sollte, würde
dies nur bedeuten, dass es wegen seiner Abmessungen zu breit war, um an der
betreffenden Stelle zwischen Bordstein und Fahrraum der Straßenbahn abgestellt
werden zu dürfen.
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Die Gefahr lag auch im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens noch vor. Dabei bedarf
es keiner weiteren Sachaufklärung, ob der Außenspiegel sich noch am Fahrzeug des
Klägers befand oder gänzlich abgerissen war. Selbst wenn entgegen der zeitnah
abgegebenen detaillierten dienstlichen Äußerung des Polizeibeamten die Darstellung
des Klägers zutreffen sollte, hätte im Zeitpunkt des Einschreitens jedenfalls noch ein
Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorgelegen, wonach jeder Verkehrsteilnehmer sich so
zu verhalten hat, dass kein anderer mehr als nach den Umständen unvermeidbar
behindert wird. Für den Fahrer einer nachfolgenden Straßenbahn wäre nämlich im
Dunkeln nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass eine Vorbeifahrt möglich
gewesen wäre. Ein sorgfältiger Straßenbahnfahrer wäre also in jedem Fall gezwungen
gewesen, abzubremsen und in langsamer Fahrt, notfalls mit Hilfe einer weiteren Person,
zu versuchen, an dem klägerischen Fahrzeug vorbeizufahren. Damit, dass an dem
Fahrzeug des Klägers - verkehrsordnungswidrig - der erforderliche Außenspiegel
(bereits) fehlte, konnte und durfte der Fahrer einer nachfolgenden Straßenbahn nicht
rechnen, wohingegen trotz nächtlicher Dunkelheit die ungewöhnlichen Abmessungen
des Fahrzeugs durchaus erkennbar waren. Wäre damit der Straßenbahnfahrer
gezwungen gewesen, sich vorsichtig an das jedenfalls unmittelbar neben seinem
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Fahrraum abgestellte Fahrzeug des Klägers heranzutasten, so stellt dies bereits eine
Behinderung im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO dar. Behindern im Sinne dieser Regelung
heißt, fremdes beabsichtigtes Verkehrsverhalten einigermaßen nachhaltig zu
beeinträchtigen oder zu verhindern. Dies ist nicht erst dann gegeben, wenn der andere
Verkehrsteilnehmer vollständig an seiner Weiterfahrt gehindert wird, sondern auch
schon dann, wenn man beispielsweise andere Verkehrsteilnehmer zum starken
Abbremsen zwingt oder derart parkt, dass sich der Verkehr auch mit großer Sorgfalt
kaum durchschlängeln kann. Vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 1 StVO Rdnr. 40
m.w.N.
Die Anordnung, das Fahrzeug des Klägers zu versetzen, war zur Abwendung einer
gegenwärtigen Gefahr notwendig (§ 50 Abs. 2 PolG NRW) und entsprach dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. § 2 PolG NRW). Zur Abwehr der bereits
eingetretenen und noch andauernden Störung war das Abschleppen geeignet, den
Verstoß gegen Straßenverkehrsvorschriften zu beseitigen. Es war hierzu auch
erforderlich, da andere, den Kläger weniger beeinträchtigende Mittel nicht zur Verfügung
standen. Insbesondere stellt das bloße Versetzen des Fahrzeugs im Sichtbereich
gegenüber dem Verbringen auf das Gelände des Abschleppunternehmens das mildere
Mittel dar, da hierdurch keine Kosten für die Aufbewahrung des Fahrzeugs und keine
Zeitverluste des Klägers für dessen Wiedererlangung entstanden sind. Ob der
Bedienstete des Beklagten angesichts der Umstände des Falls gehalten war,
Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort des Fahrers bzw. Halters zu unternehmen,
mag dahinstehen, da dieser nach dem Inhalt seiner dienstlichen Äußerung, an deren
Richtigkeit zu zweifeln das Gericht keinen Anlass hat, jedenfalls erfolglos versucht hat,
den Kläger zu erreichen, was dieser im Übrigen auch nicht bestreitet.
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Der Sofortvollzug war schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. § 2 Abs.
2 PolG NRW). Die damit für den Kläger verbundenen Nachteile standen nicht außer
Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg. Bei der gebotenen Abwägung ist als Nachteil des
Klägers allein die Kostentragungspflicht zu berücksichtigen. Diesem Nachteil
gegenüber überwog das öffentliche Interesse an einem unbeeinträchtigten Ablauf des
Straßenbahnverkehrs.
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Zwar rechtfertigt der bloße Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung allein die
Anordnung einer Abschleppmaßnahme nicht ohne Weiteres. Allerdings kann das
Abschleppen eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeuges insbesondere dann geboten
sein, wenn über den bloßen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung hinaus eine
besondere Lage gegeben ist, die die sofortige Beseitigung der Störung nahelegt. Dies
ist der Fall, wenn Kraftfahrzeuge andere Verkehrsteilnehmer behindern, etwa durch ein
Hineinragen des Fahrzeugs in die Fahrbahn.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 14. Mai 1992 - 3 C 3/90 -, NJW
1993, 870. Eine solche Behinderung lag hier, wie oben ausgeführt, vor. Dabei kann
dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens bereits eine
zweite Straßenbahn eingetroffen und zum Warten gezwungen war. Denn es ist
zwischen den Beteiligten jedenfalls unstreitig, dass zu dem betreffenden Zeitpunkt,
wenn auch seltener, noch Straßenbahnen verkehrten, so dass ohne das Einschreiten
des Beklagten in absehbarer Zeit eine Straßenbahn behindert worden wäre.
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Eine Behinderung des Straßenbahnverkehrs wiegt darüber hinaus auch schwerer als
die Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer, da die Straßenbahn einerseits an einen
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festen Fahrplan gebunden ist, andererseits aufgrund ihrer Schienengebundenheit
Hindernissen nicht ausweichen kann. Zudem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass
eine Straßenbahn der Beförderung einer größeren Anzahl von Personen zu dienen
bestimmt ist, so dass auch eine größere Zahl von Menschen betroffen sein kann, wenn
die Straßenbahn in ihrer Fahrt behindert wird. Es ist daher in der Rechtsprechung seit
langem anerkannt, dass andere Verkehrsteilnehmer, auch wenn die Straßenbahn kein
generelles Vorrecht im Verkehr hat, darauf Rücksicht nehmen müssen, dass diese ein
schweres, dem städtischen Massenverkehr dienendes, schienengebundenes Fahrzeug
mit festem Fahrplan ist. Ein Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer, dem die
Straßenbahn nur durch häufiges Zurückfallen in Schrittgeschwindigkeit oder sogar
durch Halten begegnen kann, ist nicht hinnehmbar, da es den Straßenbahnbetrieb
unerträglich und fahrplanwidrig hemmen würde.
Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21. Mai 1951 - 4 StR 154/51 -, BGHSt 1, 192.
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Das öffentliche Interesse überwog daher gegenüber dem Interesse des Klägers selbst
dann, wenn eine nachfolgende Straßenbahn das Fahrzeug des Klägers ohne die
Verursachung weiterer Schäden hätte passieren können. Ihr Fahrer wäre - wie bereits
dargelegt - aufgrund des klägerischen Fahrzeugs zumindest gezwungen gewesen,
seine Geschwindigkeit zu verringern und sich langsam durch die Engstelle
hindurchzubewegen. Eine solche Verzögerung war den Fahrgästen nicht zuzumuten.
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Erweist sich demnach die angeordnete Versetzung des Fahrzeugs als rechtmäßig, so
ist der Kläger als Pflichtiger im Sinne des § 11 Abs. 2 KostO NRW zutreffend in
Anspruch genommen worden. Als Halter des Fahrzeugs trägt er gemäß § 5 PolG NRW
die polizeirechtliche Zustandsverantwortlichkeit. Darüber hinaus ist er als
Verhaltensstörer nach § 4 PolG NRW polizeipflichtig, wenn er das Fahrzeug selbst dort
abgestellt hat, worauf seine Einlassung im Verwaltungsverfahren deutet, er habe Gäste
nach Hause gebracht.
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Die festgesetzten Kosten in Höhe von 139,20 DM entsprechen dem tatsächlich seitens
des Abschleppdienstes in Rechnung gestellten Betrag. Anhaltspunkte dafür, dass die
Auslagenforderung nach Art oder Höhe falsch angesetzt worden wäre, sind weder
geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
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Auch die Gebührenfestsetzung in Höhe von 75,00 DM hält unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung des OVG NRW,
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vgl. Urteile vom 28. November 2000 - 5 A 2724/00 - und - 5 A 2625/00 -, NWVBl. 2001,
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einer rechtlichen Überprüfung stand.
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Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist § 7a Abs. 1 Nr. 7 KostO NRW i.V.m. §
77 Abs. 2 Satz 5 VwVG NRW und §§ 8, 50 Abs. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1, 52 PolG NRW. Die
angefochtenen Bescheide sind - auch - hinsichtlich der Gebührenfestsetzung formell
rechtmäßig, da die nach § 39 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) erforderliche Begründung der festgesetzten
Gebührenhöhe in der ersten Instanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens
nachgeholt worden ist, so dass dieser Formfehler gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
VwVfG NRW geheilt ist. Die Höhe der erhobenen Verwaltungsgebühr von 75,00 DM für
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das Abschleppen des Fahrzeugs des Klägers ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die
Bemessung der für das Abschleppen des Fahrzeugs zu erhebenden Gebühr liegt im nur
eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Ermessen der Behörde. Die festgesetzte
Gebühr liegt innerhalb des in § 7a Abs. 1 Nr. 7 KostO NRW für das Abschleppen von
Kraftfahrzeugen vorgesehenen Gebührenrahmens, der von 50,00 DM bis 300,00 DM
reicht. Gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW haben die Gebührensätze in den Fällen
der Ersatzvornahme und der Sicherstellung den durchschnittlichen
Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat mit der Wahl des Wortes
„berücksichtigen" zum Ausdruck gebracht, dass eine exakte Berechnung des
Verwaltungsaufwandes nicht erforderlich ist. Der Verwaltungsaufwand kann deshalb
von der Behörde auch geschätzt werden.
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 28. November 2000, a.a.O.
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Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte bei der Festsetzung der
Verwaltungsgebühr von pauschalierten Gebührensätzen ausgegangen ist. Die
Differenzierung zwischen Leerfahrten, begonnenen und vollendeten
Abschleppmaßnahmen sowie Abschleppmaßnahmen mit anschließender Verwertung
des Fahrzeuges berücksichtigt in hinreichender Weise den unterschiedlichen
Verwaltungsaufwand, der bei Maßnahmen der beschriebenen Art durchschnittlich
anfällt. Die festgesetzte Gebühr von 75,00 DM ist dem durchschnittlichen zeitlichen
Verwaltungsaufwand für eine vollendete Versetzung keinesfalls zu Lasten des Klägers
unangemessen.
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Vgl. insoweit OVG NRW, Urteil vom 28. November 2000 - 5 A 2625/00 -, wonach unter
Berücksichtigung des Personal- und des Sachkostenaufwandes eine
Verwaltungsgebühr von 148,00 DM für eine im Jahr 1997 durchgeführte sogenannte
Leerfahrt als angemessen angesehen wurde.
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Auf dieser Grundlage begegnet die Verwaltungsgebühr von 75,00 DM für eine
vollendete Umsetzungsmaßnahme unter Berücksichtigung des im Außen- und im
Innendienst entstandenen Personalaufwandes keinen rechtlichen Bedenken.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
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