Urteil des VG Gelsenkirchen vom 17.02.2004

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 245/04
Datum:
17.02.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 L 245/04
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Der
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die
Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die
Rechtsverfolgung aus den nachstehend dargelegten Gründen, die insoweit
entsprechend gelten, keine Erfolgsaussichten bietet (vgl. § 166 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung - ZPO - ).
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2. Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, der Antragstellerin laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 80%
nach den Vorschriften des BSHG ab Antragseingang bis zur Entscheidung des Gerichts
über diesen Antrag zu gewähren,
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hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese
Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um
wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Danach kann
eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn ein Anordnungsgrund, d. h. die
besondere Eilbedürftigkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, und das
Bestehen des geltend gemachten Anspruches (sog. Anordnungsanspruch) glaubhaft
gemacht worden sind (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 - ZPO -). Dies ist hier
nicht der Fall.
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Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
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Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - ist Hilfe zum
Lebensunterhalt demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt
nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln, vor allem aus seinem
Einkommen oder Vermögen, beschaffen kann. Daraus folgt, dass derjenige keinen
Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hat, der in der Lage ist, den Bedarf an
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notwendigem Lebensunterhalt entweder aus seinem (oder ihm zurechenbarem)
Einkommen oder aus seinem (oder ihm zurechenbarem) Vermögen zu decken. Da das
Vorhandensein eigener bzw. zurechenbarer Mittel (negatives) Tatbestandsmerkmal für
einen Anspruch auf Sozialhilfe ist, muss der Hilfesuchende beweisen, dass er seinen
Lebensunterhalt nicht durch eigenes oder ihm zurechenbares Einkommen oder
Vermögen sicherstellen kann. Die Nichtaufklärbarkeit dieses anspruchsbegründenden
Tatbestandsmerkmals geht zu Lasten desjenigen, der das Bestehen des Anspruchs
behauptet, also des jeweiligen Hilfebedürftigen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. März 1997 - 8 B 1/97 - vom 22. Dezember 1994 - 8
B 3119/94 - und vom 12. September 2000 - 16 B 725/00 -.
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Davon ausgehend hat das Gericht wie auch die Antragsgegnerin im
Ablehnungsbescheid vom 11. Februar 2004 deutliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit
der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat für den zur Entscheidung stehenden Zeitraum
nicht glaubhaft gemacht, dass ein zur Bedarfsdeckung einzusetzendes Vermögen nicht
(mehr) vorhanden ist. Sie hat nämlich nicht nachvollziehbar dargelegt, dass sie aus dem
Verkauf ihres Mehrfamilienhauses in über keinerlei Erlösanteile mehr verfügt, die ihr zur
Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung stehen könnten.
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Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass sie den nominellen Verkaufserlös von 175.000,00
EUR vollständig zur Begleichung von Schuldverpflichtungen einsetzte.
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Nach den Berechnungen der Antragsgegnerin und den Angaben der Antragstellerin in
der Antragsschrift erzielte sie nach Abzug der Verbindlichkeiten aus dem Hausverkauf
faktisch nur noch 55.798,75 EUR. Wenn man hiervon 13.053.81 EUR
Darlehensrückzahlung an den Sohn und 20.000,00 EUR Darlehensrückzahlung an den
Sohn abzieht, verbleiben noch 22.744,94 Euro.
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Es ist nicht glaubhaft gemacht, geschweige denn belegt, dass sie diesen Betrag am Tag
der Antragstellung, dem 26. November 2003, bereits ausgegeben hatte. Auf das
abgetretene Darlehen von 72.000,00 DM ist nämlich nicht die volle Rückzahlung,
sondern nur die oben eingestellte à-Kontozahlung von 20.000,00 Euro belegt. Ob die
Darlehensschuld über 72.000,00 DM überhaupt noch besteht oder in dieser Höhe noch
valutiert ist, hätte von der Antragstellerin näher erläutert werden müssen. Wenig
erhellend ist in diesem Zusammenhang die Äußerung der Antragstellerin im
Antragsschriftsatz vom 2. Februar 2004, dass ihr bei der Veräußerung des
Mehrfamilienhauses die aus erster Ehe bestehende Schuld nicht mehr bekannt
gewesen sei. Zum Darlehen über 13.053,81 EUR ist anzumerken, dass nachgewiesen
werden müsste, ob der das Darlehen gewährende Sohn der Antragstellerin zu einer
derartigen Finanzierung in der Lage war. Zweifel daran, ob ein solches Darlehen
tatsächlich ausgezahlt worden ist, ergeben sich im Hinblick darauf, dass die
Antragstellerin im Schriftsatz vom 19. Februar 2003 in einem Unterhaltsverfahren
vortragen lässt, dass sie, wenn auch im Jahre 1999, zwei Darlehen zur finanziellen
Unterstützung ihres studierenden Sohnes, dem jetzigen Darlehensgeber, aufgenommen
habe. Lässt man die geäußerten Zweifel unberücksichtigt und stellt auf die auf Bl. 347
des Verwaltungsvorganges getätigte Aufstellung ab, ergeben sich Ausgaben in Höhe
von 13.992,26 EUR (Pos. 1-28 ohne Darlehensrückzahlungen) zuzüglich 4.047,00 EUR
(Barabhebungen) und 916,70 EUR sonstige Ausgaben, also insgesamt in Höhe von
18.955,96 EUR. Es verbleibt ein „Guthaben" angesichts des bereits errechneten
Betrages von 22.794,94 EUR.
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Sollten trotz der vorstehenden Zahlungen noch andere Schulden offen sein, muss sie
diese offenlassen und ihr Vermögen zur unmittelbaren Deckung ihres
Lebensunterhaltes einsetzen. Denn es ist nach höchst- und obergerichtlicher
Rechtsprechung,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1983 - 5 C 114.81 -, BVerwGE 66, 342 ff.; OVG
Hamburg, Urteil vom 14. September 1993 - Bf IV 24/91 -, FEVS 44, 469 ff.,
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anerkannt, dass der Hilfesuchende sein ihm zur Verfügung stehendes Vermögen zuerst
für sich verwenden muss, auch wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig
bestehende Verpflichtungen zu erfüllen. Gesichtspunkte, die es rechtfertigen würden,
insoweit zwischen Schulden gegenüber Privaten einerseits und der öffentlichen Hand
andererseits zu differenzieren, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Das OVG
NRW mutet Sozialhilfebeziehern zu, sich selbst zu ernähren und nicht primär, Gläubiger
zu bedienen. Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Oktober 2003 - 2 B 1061/03- und
vom 27. Januar 2004 - 16 A 1525/02 -.
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Andernfalls würde die Gewährung von Sozialhilfe zum Schuldendienst verwendet.
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Weitere Zweifel weckt, dass die Antragstellerin trotz Aufforderung der Antragsgegnerin
mit Schreiben vom 20. Januar 2004 keine Unterlagen dazu vorgelegt hat, dass sie das
angeblich aufgrund Geldes, welches ihr finanzkräftiger Sohn zur Verfügung gestellt hat,
von ihr erworbene und zwischenzeitlich von ihr mit N2. Kennzeichen gefahrene Auto,
Marke Opel, nunmehr nicht nur haltermäßig, sondern auch tatsächlich ihrem Sohn
zurückübereignet hat. Sie hat nur die Kopie eines Kraftfahrzeugbriefes, in dem ein
Halterwechsel von H. U. , N. , in W. U. , N1. , am 24. Oktober 2003 eingetragen ist (Blatt
472 der Verwaltungsvorgänge) vorgelegt.
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Soweit die Antragstellerin (freilich nur) mit der Begründung ihres Antrages Hilfe zur
Sicherung ihrer ohne Zustimmung der Antragsgegnerin angemieteten Unterkunft
Tannenstraße 21b in N. , nach § 15a BSHG erstrebt, hat sie auch insoweit einen
Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
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Als Rechtsgrundlage für das auf Übernahme aufgelaufener Mietrückstände gerichtete
Begehren könnte § 15a BSHG in Betracht kommen. Nach dieser Bestimmung kann Hilfe
zum Lebensunterhalt in Fällen, in denen nach anderen Bestimmungen die Gewährung
von Hilfe nicht möglich ist, gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft
oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (Satz 1);
Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen gewährt werden (Satz 2).
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Ein Rechtsanspruch auf Leistungen nach § 15a BSHG bestünde für die Antragstellerin
jedoch allenfalls dann, wenn sich der der Behörde zustehende Ermessensspielraum auf
Null, das heißt hier auf Bewilligung der Hilfe, reduziert hätte. Das ist hier angesichts der
Größe der Wohnung, die mit 60,11 qm die sozialhilferechtlich mögliche Größe von 45
qm deutlich übersteigt, der Höhe der Mietrückstände und angesichts eines in N.
entspannten Wohnungsmarktes aber ganz eindeutig nicht der Fall.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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